Emil Carlebach ist am Montag, dem 9.April 2001 im Alter von 87 Jahren in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main gestorben.
Wir trauern um Emil Carlebach, einen aufrechten Antifaschisten und Kommunisten, der uns mit seinem beispielhaften Leben als Vorbild für Mut, Standfestigkeit und Solidarität in Erinnerung bleiben wird.
1914 begann das ereignisreiche Leben Emil Carlebachs, der im ersten Teil seiner Autobiografie „Am Anfang stand ein Doppelmord“ schrieb: „Ein Bürgersohn, wohl behütet im Schoß seiner jüdischen Familie, vorbestimmt zum Erben des väterlichen Geschäfts, bricht aus Familie und Tradition aus und sucht seinen eigenen Weg.“
Dieser Weg war wahrlich atemberaubend, gefährlich, dem Tod oftmals näher als dem Leben und gerade deshalb durch Mut, Uneigennützigkeit und Solidarität beispielhaft:
1931 Arbeit im Sozialistischen Schülerbund und im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD).
1932 Eintritt in die Gewerkschaft und Beitritt zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) Die Verfolgung des Naziregimes gegen alles Fortschrittliche traf Emil Carlebach mit unvorstellbarer Härte:
1933 Verhaftung bei der Verteilung von Flugblättern, vier Wochen Gefängnis.
1934 Erneute Verhaftung wegen der Herstellung von Gewerkschaftszeitungen, drei Jahre Gefängnis, um anschließend von
1937 bis 1938 in das Konzentrationslager Dachau verschleppt zu werden.
Von 1938 bis zu Selbstbefreiung durch einen bewaffneten Aufstand, am 11.April 1945, wird Emil Carlebach im Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg (bei Weimar) inhaftiert.
Als im April 1945 die Nazis das KZ Buchenwald evakuieren wollen, da auf Befehl des obersten SS-Führers Heinrich Himmler den Alliierten keine Zeugen in die Hände fallen sollen, organisiert das aus politischen Häftlingen aller Nationen bestehende Internationale Lagerkomitee eine erfolgreiche Verzögerungstaktik. Nachdem die Evakuierung erfolgreich verhindert wurde, erstellt daraufhin die Naziführung des KZ- Buchenwald eine Liste von 46 Personen, die wegen Sabotage und Bildung einer illegalen Widerstandsorganisation exekutiert werden sollen. Auf dieser Liste befindet sich auch der Name Emil Carlebachs, der als Judenblockältester bei der Verhinderung der Evakuierung mitgewirkt hatte. Das illegale, Internationale Lagerkomitee entscheidet die 46 Personen bis zur Befreiung zu verstecken.
Diese Befreiung wurde keine „Befreiung“ wie an anderen Orten. Am 11. April 1945 befreien sich die Häftlinge des KZ Buchenwald durch einen jahrelang geplanten bewaffneten Aufstand selbst. Um 14.30 Uhr, auf Befehl des Internationalen Lagerkomitees, gibt der Kommandant des Internationalen Militärkomitees, der französische Luftwaffenoberst Colonel Manhès den Befehl zum Angriff. Die Häftlingsgruppen stürmen die von der SS besetzten Wachtürme und die Lagerumzäunung. Um 15.15 Uhr haben die Gruppen bewaffneter Häftlinge den Widerstand der SS gebrochen. Erst zwei Tage später übernimmt eine Abteilung der 3.US-Armee das Lager. Sie ist überrascht an den Toren bewaffnete Häftlinge zu sehen, das Lager Buchenwald hatte sich selbst befreit.
Durch den unbeugsamen Widerstand der Antifaschisten sind 21.000 KZ-Häftlinge aller Nationalitäten vor dem sicheren Tod gerettet worden, unter ihnen 3.000 jüdische Menschen und 903 hilflose Kinder (in den Augen der SS und der deutschen Konzerne unnütze Esser). Der US-Armee werden am 13. April 1945 220 gefangene SS-Leute übergeben. Durch die Organisation des Widerstands gelang es dem Internationalen Lagerkomitee 1 Maschinengewehr, ca. 100 Pistolen, 16 Handgranaten, 106 selbst gefertigte Handgranaten, 1.100 Brandflaschen und 50 Hieb- und 100 Stichwaffen zu erbeuten.
Die Geschichte der Selbstbefreiung Buchenwalds hat Emil Carlebach in seinem Buch „Tote auf Urlaub“ mit einem Dokument des US-Militärarchivs in Washington DC bewiesen. Dies verdient deshalb Erwähnung, da Emil Carlebach in den letzten Jahren viel Kraft auf den Kampf gegen Geschichtsverfälscher und die Leugnung eindeutiger Tatsachen gerichtet hat.
Nach der Selbstbefreiung am 11.April 1945 und dem weltbekannten Schwur von Buchenwald am 19. April 1945, steht Emil Carlebach wieder in der ersten Reihe. Für ihn, wie für viele andere Antifaschisten, ist klar, dass nun, nach der Befreiung vom Nazifaschismus, ein neues, antifaschistisches und demokratisches Deutschland aufgebaut werden muss.
Bereits 1945 ist Emil Carlebach Gründungsmitglied und Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, 1947 wird er auf US-Befehl aus der Rundschau entfernt.
Er ist Stadtverordneter und für die KPD Mitglied des hessischen Landtages, Funktionär in der dju, der deutsche Journalisten-Union, langjähriges Mitglied des Präsidiums der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA) und Vizepräsident des Internationalen Buchenwald- Komitees.
Am 9. April 1995, dem 50. Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald hielt Emil Carlebach ein beeindruckende Rede, in der er rückblickend auf den Schwur von Buchenwald auffordert:
Lasst euch durch schöne Worte nicht beruhigen.
Unser Schwur gilt heute wie vor 50 Jahren: Für eine Welt des Friedens und der Freiheit.
Zu Frieden und Freiheit aber gehört die Tradition des Kampfes gegen den Faschismus, gegen Antisemitismus, Rassenhass, Militarismus und Herrenmenschentum.
In diesem Kampf waren wir vereint, in diesem Kampf bleiben wir vereint.
Denn es geht um unsere Zukunft, um die Zukunft unserer Kinder.
Naturfreundejugend Göttingen,
11. April 2001
Emil Carlebach 1914 - 2001