Es wird gefoltert und gemordet in den Polizeiwachen und Gefängnissen der Türkei. Es wird geprügelt, verhaftet und verschleppt auf Straßen und Plätzen türkischer Städte. Es werden kritische Zeitungen verboten, zensiert, Redakteure ins Gefängnis geworfen oder ermordet. In kurdischen Städten und Regionen ist das Militär allgegenwärtig und im Krieg gegen die Bevölkerung.
In diesem Land, dessen herrschende Klasse alles versucht, als vollwertiges Mitglied in die Gemeinschaft der kapitalistischen Konkurrenten Europas (EU) aufgenommen zu werden, das mit seiner (vorwiegend von den USA, Frankreich und der BRD) hochgerüsteten Armee und diversen US-Militärstützpunkten bereits zu einem Vorposten der NATO in Richtung Naher Osten und v.a. Russland geworden ist, in diesem Land, – das vielen deutschen Touristen als beliebtes und billiges Urlaubsziel willkommen ist – sieht sich jegliche politische und gewerkschaftliche Opposition mit einer unglaublichen Repression konfrontiert.
Für den sog. F-Typ von „reformierten“ Gefängnissen im türkischen Kartal legte im Frühjahr 2000 der Menschenrechtsverein IHD in Istanbul eine Studie vor: „Einzelzellen, 24-Stunden-Einschluss, Klo auf der Zelle, Essen durch ein Loch im Boden der Stahltür, kein Tageslicht, keine Sichtmöglichkeit nach draußen, kein Kontakt zu Mitgefangenen, Hofgang unter Stacheldraht, Verwandtenbesuch eine halbe Stunde pro Woche, Verbot von Lebensmittelpaketen.“
Ali Osman Zor nach sechsmonatiger Totalisolation in Kartal zu seinem Anwalt: „Deine Geschmacksnerven, das Riechen, Hören, Fühlen, Sehen verflüchtigen sich. Über nichts kann man lachen und weint über die kleinste Angelegenheit. Die Isolation nimmt einer Person jedes Gefühl der persönlichen Sicherheit ... du fühlst dich, als könntest du in jedem Moment getötet werden. Das Ziel ist, diese alles durchdringende Angst zu verstärken, Selbstmordgedanken zu erzeugen, schlussendlich deine Psyche völlig zu brechen.“[1]
Sjen Teuns, Facharzt für Psychiatrie, führte auf einer Veranstaltung gegen die Isolationsfolter an politischen Gefangenen 1973 in Frankfurt/M. aus:
„Unter sensorischer Deprivation verstehen wir eine drastische Einschränkung – Deprivation – der sinnlichen Wahrnehmung des Sensoriums, durch die der Mensch sich in seiner Umwelt orientiert, also Isolation von der Umwelt durch Aushungern der Seh-, Hör-, Riech-, Geschmacks- und Tastorgane. Sensorische Deprivation ist – weil sie unter von Menschen arbeitsteilig produzierten Bedingungen durchgeführt werden kann – zugleich die menschlichste und unmenschlichste Methode der verzögerten Auslöschung von Leben. Über Monate und Jahre angewendet, ist sie der sprichwörtlich ‚perfekte Mord’ für den keiner oder alle – außer den Opfern – verantwortlich sind.“[2]
International ist Isolationshaft als „weiße Folter“ geächtet. Auch in der BRD wehrten sich die Gefangenen der RAF in den siebziger und achtziger Jahren mit Hungerstreiks dagegen. Das Isolationsregime der Hochsicherheitstrakte konnte partiell besiegt, nicht aber gebrochen werden. Die Trakte bestehen weiter und sind heute Normalzustand im Sondervollzug gegen die „Schwerstkriminellen“ und „unangepasste“ Gefangene.
1 Libertad!, Frankfurt/M., 28.7.2000
2 Libertad!, a.a.O.
In diesem Land, dessen imperialismusabhängige wie nationale Bourgeoisie von Korruption zerfressen ist und nach der Pfeife der Militärs (im „Nationalen Sicherheitsrat“) zu tanzen hat, leben Millionen Arbeiter und Bauern an oder unter der Armutsgrenze – nicht allein, weil sie „normaler“ Ausbeutung ihrer Arbeitskraft unterworfen sind, sondern gleichzeitig der Ausplünderung ihres Landes durch ausländische Konzerne, v.a. deutscher und US-amerikanischer. 30 Prozent der Türken haben offiziell keine Arbeit, in Wirklichkeit sind es aber wesentlich mehr.
Die Türkei ist seit 1949 Mitglied im Europarat, seit 1952 Mitglied der NATO, seit 1964 ist sie assoziiertes Mitglied der europäischen Union, in deren Zollunion sie 1996 als Vorstufe zu einer Vollmitgliedschaft aufgenommen worden ist. Sie gehört zu den Unterzeichnern der KSZE-Schlussakte im Jahr 1975 und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950. Die Integration in all diese kapitalistischen Zweckverbände und die Unterschrift unter internationale Abkommen hat jedoch in keiner Weise zur Festigung und Erweiterung demokratischer Rechte und Grundfreiheiten im Lande selbst geführt. Im Gegenteil: die unterschiedslos antikommunistische Klasse der Herrschenden benutzt alle Formen des Terrors, um die Masse der Bevölkerung unorganisiert und ohne Einfluss zu halten.
Der NATO-Partner Türkei ist das Land, in dem seit vielen Jahren nachweislich deutsche Waffen bei Dorfzerstörungen, Vertreibung, Folter und Mord zum Einsatz kommen und das auch unter der Schröder-Fischer-Regierung mit weitem Abstand Spitzenreiter unter den Empfängerländern von Rüstungsgütern „Made in Germany“ ist.
Und nicht nur Waffen zählen zu den vom faschistischen türkischen Staatsapparat bevorzugten Importen aus der BRD. Auch deutsche Gefängnisse braucht er, um seine Gefangenen – v.a. die politischen – „angemessen“ und „europäischem Standard“ entsprechend unterzubringen.[1]
Außenminister Josef Fischer (Bündnisgrüner und Vertreter des neuen deutschen „Menschenrechts“-Imperialismus): „Die Türkei ist für uns wesentlicher Faktor im europäischen Staatensystem.“
Seit dem faschistischen Militärputsch 1980 sind die Gefängnisse in der Türkei Schauplätze grausamer Folter, aber auch Orte unzähliger Widerstandsaktionen und Hungerstreikkämpfe gegen den alltäglichen Terror. Und seit 1991 gegen die Verlegung in „Hochsicherheitsgefängnisse“ mit Isolationszellen, in denen „Verurteilten Gefangenen (...), jeglicher Kontakt und die Kommunikation mit anderen Verurteilten untersagt bleiben“ soll.[2]
Die Isolationshaft ist eben auch ein deutsches Exportprodukt. In Spanien wurden z.B. „Europa-Zellen“ schon 1987 gegen den Widerstand politischer Gefangener eingeführt. Die deutsche Bundesregierung bestätigte unlängst, dass bereits 1990 türkische Beamte die JVA Stammheim besichtigten, um sich über die „europäische Gefängnisnorm“ zu informieren.[3]
Bereits Mitte Februar vergangenen Jahres hatten PKK-Gefangene in der ganzen Türkei mit einem dreitägigen Hungerstreik gegen ihre Verlegung in die Isolationszellen der F-Typ Gefängnisse protestiert.
Seit dem 19. Oktober befanden sich Hunderte politischer Gefangener aus dem gleichen Grund im Hungerstreik. Ein großer Teil von ihnen wandelte diesen nach 30 Tagen in das sog. Todesfasten um. Aus Solidarität mit den politischen Gefangenen und ihren Anliegen gingen im gleichen Monat Tausende Menschen in zahlreichen türkischen Städten auf die Straße. In der gesamten Türkei hatten sich demokratische Parteien, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Ärzteverbände, Juristenverbände, Schriftsteller u.a. zu einem breiten Bündnis zusammengeschlossen und boten ihre Vermittlung in dem Konflikt an.
In den frühen Morgenstunden des 19. Dezember 2000 starteten 20.000 bis an die Zähne bewaffnete türkische Sicherheitskräfte, bestehend aus Polizei, Spezialeinheiten und Militär, eine groß angelegte und als „Rückkehr zum Leben“ codierte Operation gegen die Hungerstreik- und Todesfastenaktionen in 20 türkischen Gefängnissen. Mit Panzern, Bulldozern, Hubschraubern, Granaten und Scharfschützen wurden die Gefängnisse gestürmt, Wände weggesprengt, Zellen mit Gas- und Brandbomben in Brand gesetzt und Gefängnisinsassen massakriert. Gleichzeitig wurde eine landesweite Informationssperre verhängt und Journalisten daran gehindert, sich den Orten des Grauens zu nähern.
Und das, obwohl der Justizminister Türk noch wenige Tage vor der gewaltsamen Operation erklärt hatte, die Regierung wolle über die Einrichtung der F-Typ Gefängnisse neu diskutieren.
32 Gefangene wurden getötet, Hunderte verletzt, 34 sind bis heute vermisst. Doch der Hungerstreik geht weiter. Viele in die Isolationsgefängnisse Verschleppte sehen auch weiterhin nur noch die Möglichkeit sich mit ihrer letzten Waffe – dem Todesfasten – gegen ihre drohende Vernichtung durch den Staatsapparat zur Wehr zu setzen.
Mit der Aktion vom Dezember 2000 sollte die Diskussion über die Demokratisierung in der Türkei gestoppt werde.
„Durch die reingeworfenen Bomben fingen die Betten Feuer. Das Gas machte uns schwindelig. Ich wollte das Feuer löschen, konnte aber nicht aufstehen. Es wurde sehr heiß. Die Freunde riefen ,wir verbrennen’ nach draußen. Die Feuerwehr schob einen Schlauch durch die Schießscharten, eine kurze Zeit floss etwas Wasser, aber das wurde dann von den einschreitenden Soldaten gestoppt. Wir flüchteten vor dem Feuer in die unteren Räume. (...)
Später, nach vergeblichen Rettungsversuchen, mussten wir feststellen, dass sechs unserer Mitgefangenen in den Flammen geblieben waren. Wie im Nazikonzentrationslager wurden die Menschen bei lebendigem Leib verbrannt. (...)“
„Ich schlief in der Großzelle C-13, als ich durch Schüsse geweckt wurde. Wir quetschten uns mit 25 Leuten in den Zwischenraum unter der Treppe. Nach drinnen wurde andauernd geschossen. Ich wurde unterhalb des Knies, am Knie, am Bauch und an der Lunge verletzt.
Drei meiner Freunde starben dort durch die Schüsse. (...)“[*]
* Informationsstelle Kurdistan, Der Kampf gegen die Isolationsfolter in der Türkei, Hamburg, Januar 2001
Damit hat der Staat sein wichtigstes Ziel erreicht. „Wir haben die Herrschaft über die Gefängnisse wiedererlangt“, frohlockte Innenminister Tantan. Premier Ecevit behauptete sogar, der Widerstand der Häftlinge habe die Notwendigkeit der neuen Gefängnisse deutlich gemacht. In den meisten Medien war der Beifall groß. „Eine Schande für den Staat ist bereinigt“, titelte die konservative Zeitung Hürriyet und die liberale Yeni Binyil bejubelte die neuen Haftanstalten als „EU-Typ-Gefängnisse“. Wenn es gelingt diese auf Dauer nach außen als Orte „modernen Strafvollzugs“ zu verkaufen, dann werden auch die mahnenden Stimmen europäischer „Demokraten“ in Richtung Türkei verstummen.
Selbst vor der Verhaftung von Kindern schrecken die Schergen der Macht nicht zurück.
Am 25. März wollten 43 Kinder vor dem Gefängnis Kartal in Istanbul Drachen steigen lassen. Aus Solidarität mit den dort inhaftierten Frauen, unter denen auch Mütter von ihnen waren. Der Staatsapparat, der noch zwei Tage zuvor hundert Angehörige und einen Rechtsanwalt bei der Beerdigung des beim Hungerstreik gestorbenen Cengiz Soydas festgenommen hatte, verhaftete hier 43 Kinder, den Busfahrer und eine Betreuerin.
Alle Kinder waren zwischen 9 und 10 Jahren alt. Über ihre Freilassung wurde zunächst nichts bekannt.[*]
* IKM, Komitee gegen Isolationshaft, www.noisolation.de
Auch wenn es der Regierung bis heute noch nicht gelungen ist, den Widerstand der politischen Gefangenen vollständig zu brechen, hat sie doch durch massive Repression alle Menschen, die sich für eine bessere und gerechtere Gesellschaft einsetzen wollten, bedroht und eingeschüchtert.
Vor allem für die türkische Linke ist das der verheerendste Schlag seit dem Militärputsch von 1980. Die sozialen und politischen Strukturen in den Gefängnissen sind zerschlagen. Diese Niederlage konnte noch beim Hungerstreik 1994, bei dem es vier Tote gab, und beim Streik von 1996 mit zwölf Toten verhindert werden.
Dass diesmal der Staat ungleich brutaler vorging, ist zum einen der Regierungsbeteiligung der Faschisten von der MHP („Graue Wölfe“), die bei der letzten Parlamentswahl 20 Prozent der Stimmen erhielten, zuzuschreiben, aber auch dem Einfluss des Sozialdemokraten Ecevit und dessen nationalistischer Partei DSP. Der war es offensichtlich gelungen, weite Teile der Bevölkerung auf die herrschende Staatsideologie einzuschwören.
Dementsprechend sind auch weiterhin vor allem linke Parteien wie die ÖDP(Partei der Freiheit und Demokratie) oder die prokurdische Partei HADEP[4] und Menschenrechtsvereine wie der IHD, bzw. Angehörigenorganisationen wie die TAYAD im Visier von Geheimdiensten und Polizei. Organisationsbüros wurden geschlossen oder verwüstet, Funktionäre und Mitglieder willkürlich verhaftet oder verschwinden spurlos wie der politische Aktivist Yusuf Kirmizioglu (am 6.1.01) oder die beiden HADEP-Mitarbeiter Sedar Tanis und Ekubir Deniz, die am 28.1.01 von Zivilpolizisten in Kurdistan entführt wurden.
Wie schon zahlreiche regierungskritische Blätter vorher wurde am 20.3.01 die Tageszeitung EVRENSEL vom Istanbuler Staatssicherheitsgericht für 7 Tage verboten und der Chefredakteur mit einer hohen Geldstrafe belegt. Grund: in einem Artikel war – exemplarisch für die Angriffe auf die oppositionelle Presse und ihre Journalisten – an den Todestag des ehemaligen Journalisten von EVRENSEL, Metin Göktepe erinnert worden, den am 8.1.96 Polizisten zu Tode geprügelt hatten, als er einen Demonstrationszug begleitete.
Auch Gewerkschafter sind von verschärften Unterdrückungsmaßnahmen betroffen. Nachdem die Gewerkschaft der Gefängniswärter aufgelöst worden war, weil sie bei der menschenfeindlichen Behandlung der Gefangenen nicht mitmachen wollte, droht der in der linken Gewerkschaftsföderation DISK organisierten Transportarbeitergewerkschaft Nakliyat-Is das Verbot. Deren Kollegen hatten in Izmir hungerstreikende Angehörige von politischen Gefangenen in ihren Räumen beherbergt.
Es ist offensichtlich, dass die harte Haltung der Regierung in der Gefangenenfrage eine Warnung speziell an die Arbeiterbewegung des Landes ist, die im vergangenen Jahr große Kämpfe gegen die von IWF-Auflagen erzwungene Privatisierungspolitik und die daraus folgende Steigerung der Arbeitslosigkeit und die Senkung der sowieso schon niedrigen Massenkaufkraft geführt hat.[5]
Die Erstürmung der Gefängnisse im Dezember 2000 ging einher mit einer Offensive gegen die immer noch kämpfenden Teile der PKK bzw. die, die sich in die UN-überwachte Zone im Nordirak zurückgezogen hatten. Gleichzeitig mit dem breitangelegten Vorgehen gegen den „inneren Feind“ billigte der Internationale Währungsfond (IWF) der türkischen Regierung einen „nicht rückzahlbaren Kredit“ in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar zu. Nicht rückzahlbar bedeutet, dass dafür aber auf ewig Zinsen bezahlt werden müssen und damit rigide Auflagen verbunden sind, die in der Folge von verschlechterten Sozialleistungen, höheren Steuern und Erhöhung der Lebenshaltungskosten die lohnabhängige Bevölkerung weiter verarmen lassen werden. Man kann davon ausgehen, dass dies auch eine Art Belohnung der deutschen und US-amerikanischen „Bündnispartner“, die im IWF das Sagen haben, für die politischen Morde und die angestrebte Ruhe an der „Heimatfront“ war.
Nach fast 200 Tagen Hungerstreik (Ende März diesen Jahres) spitzt sich die Situation in den Gefängnissen dramatisch zu. Am 7. April bezahlten zwei weitere Häftlinge (Adil Kaplan und Bülent Coban) in Edirne und Istanbul ihren Widerstand gegen Folter und Isolation mit dem Leben. Am 22. März war bereits Cengiz Soydas nach 153 Tagen Todesfasten im F-Typ-Gefängnis von Sincan gestorben. Dem Menschenrechtsverein IHD zufolge befinden sich noch bis zu 1000 politische Gefangene im Hungerstreik.
Die ca. 1200 Gefangenen, die in die neu gebauten F-Typ Gefängnisse verlegt wurden, sind nach Aussagen von Anwälten, Ärzten und Angehörigen weiterhin permanenten Angriffen ausgesetzt. Zwangsernährungen, Vergewaltigungen, Schläge und die systematische Folter der Isolation gehören zu ihrem Alltag. Hunderte von ihnen stehen bereits an der Schwelle des Todes, bzw. haben irreparable physische und psychische Schäden erlitten.
Für sie war und ist das System der Großzellen in den alten Gefängnissen mit der Möglichkeit der gemeinsamen Organisierung existenziell. Hier waren sie nach Verhören und Torturen durch Polizei und andere Menschenschinder nicht völlig schutzlos und isoliert, nicht allein und ohne Möglichkeit solidarische Hilfe und therapeutische Unterstützung von denen zu bekommen, die Gleiches durchzustehen hatten.
Das ist der Grund, weswegen sie auch unter diesen lebensgefährlichen Umständen solange weiterkämpfen wollen, bis die neuen Isolationsgefängnisse abgeschafft und der türkische Staat zur Einsicht gelangt ist, dass er diesen Konflikt nicht durch Folter und Isolation beenden kann.
Ihre unmittelbaren Forderungen, zu deren Durchsetzung der internationale Druck auf die türkische Regierung und die dahinter stehenden Militärs ebenso notwendig ist wie die Solidarität von fortschrittlichen Menschen, Demokraten, Gewerkschaftern, sind:
– Zusammenlegung und Möglichkeit der Kommunikation der Gefangenen untereinander
– unabhängige, umfangreiche medizinische Versorgung aller Gefangenen durch Ärzte des TBB (türkische Ärztekammer)
– Ende der Kriminalisierung der Angehörigen, Anwälte und Ärzte durch den türkischen Staat
– Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Vertretern der Gefangenen durch den türkischen Staat.
Wer diesem schönen Land Türkei und seinen Menschen wirklich helfen möchte, wer dazu beitragen will, dass dort Arbeiter, Gewerkschafter, Kurden, oppositionelle Parteien, politische Gefangene demokratische Rechte erhalten und für eine Zukunft ohne Unterdrückung und Terror leben und kämpfen können, der kann und darf nicht unbeschwert den deutschen Touristen spielen und so den Herrschenden dort zu Alibi und Devisen verhelfen, die zur Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse eingesetzt werden.
Deshalb sollte für jeden demokratisch gesinnten Menschen in unserem Lande bis auf weiteres die Forderung selbstverständlich sein:
Kein Urlaub in der Türkei!
lobo
1 71.000 Gefangene gibt es in der Türkei. 46.000 sind aus politischen Gründen inhaftiert, davon ca. 13.000 als Mitglieder linker türkischer und kurdischer Organisationen.
2 sog. Anti-Terror-Gesetz von 1991
3 Libertad!, Frankfurt/M., 28.7.2000
4 Die HADEP ist eine legale Partei, die als kurdische Volkspartei mit sozialdemokratischer Orientierung bezeichnet wird. In ihr sind Sozialisten ebenso aktiv wie gläubige Moslems. Ihre Hauptziele sind Frieden, Demokratie und Menschenrechte für die gesamte Türkei sowie die Anerkennung der kurdischen Identität. Die HADEP verfügt auch über einen Frauen- und einen Jugendverband. In den Augen der türkischen Regierung ist sie der politische Arm der PKK und deshalb immer wieder Verfolgungen und Behinderungen ausgesetzt.
5 Ende Februar hatte die türkische Lira rund 30 Prozent ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren, womit die Geldentwertung z.Zt. über 100 Prozent beträgt. Ende März kam es deshalb in zahlreichen türkischen Städten zu Demonstrationen gegen die Wirtschaftpolitik der Regierung. Die Proteste, zu denen einige Gewerkschaften aufgerufen hatten, brachten die Befürchtung der Arbeiter zum Ausdruck, dass der vom IWF unterstützte Plan zur Überwindung der Finanzkrise noch mehr Opfer verlangen wird. Die Gewerkschaften verlangen stattdessen ein Programm, das einen Lohnausgleich für die Entwertung der türkischen Lira vorsieht, sowie eine Besteuerung von großen Vermögen an Stelle der geplanten Erhöhung der Lohnsteuer. Anfang April haben sich die Proteste auf Kleinhändler und Kleingewerbetreibende ausgeweitet, die sich durch die rasant steigenden Zinsen und Preise in ihrer Existenz bedroht sehen.
Ein Foto, das um die Welt ging. Eine Frau, die mit versengten Haaren und voller Brandsalbe im Gesicht aus dem zerstörten Gefängnis Bayrampasa (Istanbul) abtransportiert wird, ruft den Umstehenden zu: „Sie haben uns bei lebendigem Leib verbrannt. Sechs Frauen sind tot.“
Die Staatsmacht marschiert auf. Hier beim Polizeieinsatz gegen protestierende Arbeiter im September 2000 in Ankara.
Auf der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration im Januar 2001 in Berlin: Türkische Antifaschisten klagen an