Nicht erst die Turbulenzen an den internationalen Börsen, begleitet vom täglichen bedeutungsschweren Gerede der sog. Analysten und Kommentatoren in den Nachrichtensendungen des Fernsehens und Wirtschaftteilen der Presse haben für die KAZ-Redaktion den Klärungsbedarf in Sachen Börse und fiktives Kapital wieder auf die Tagesordnung gesetzt (s. auch KAZ 287, „Globalisierung- oder: Wessen Welt ist die Welt?“).
Fragen sind hinzugekommen und die Notwendigkeit, sich weitergehend mit Ansichten zu beschäftigen, die die Börse als etwas über den Klassengegensätzen stehendes begreifen, etwas, das mit dem unversöhnlichen Widerspruch von Kapital und Arbeit nichts zu tun hat – im Gegenteil: Hier ist scheinbar ein Ort, an dem jeder sein Glück machen kann, ob Arbeiter, Angestellter oder Chef. Er muss nur wissen, „wann“ und „wie“ und im übrigen auf die geheimnisvollen Gesetze des Geldes vertrauen. Jetzt nachdem Katzenjammer eingekehrt ist und die Aussichten eher trübe sind, ist keine Phantasterei absurd genug, um vom Kapitalismus im allgemeinen und vom deutschen Finanzkapital im besonderen abzulenken: die Amerikaner, das „raffende“ Kapital in alter Nazimanier, die Spekulanten und Börsenhaie, die Regierung, das Vertrauen ...
Seit Sommer letzten Jahres waren mehrere Genossen und Freunde über dem Thema im Rahmen einer Arbeitsgruppe „Fiktives Kapital“ der KAZ-Redaktion. Leitthema wurde dabei der Zusammenhang „Börse-Krise-Krieg“. Die Arbeitsgruppe hat sich statt zu spekulieren an die Beantwortung u.a. folgender Fragen gemacht:
– Welcher Zusammenhang besteht zwischen „fiktivem Kapital“ (in Form von Aktien, Staatsanleihen) und „wirklichem Kapital“ in der Produktionssphäre?
– Wovon hängt das Auf und Ab von Aktienkursen ab und wer verdient in erster Linie daran?
– Was haben die Entwicklungen an der Börse mit Krise und Krieg zu tun?
Dazu werden zunächst in einer Reihe von Artikeln unter der Gesamtüberschrift: „Was ist fiktives Kapital?“ grundsätzliche Probleme der politischen Ökonomie aufgerollt. Da gibt es einiges zu kauen, aber leider gibt es den leichten, einfachen „Königsweg“ zur Erkenntnis nicht. Die Vielzahl aktueller Beispiele und Fakten hilft dabei auf die Sprünge und entschleiert die Mystifikationen, die um höhere Mächte gemacht werden, die unser Leben bestimmen, um Börse, „new economy“, „shareholder-value“...
Auf den grundsätzlichen Teil folgen dann Analysen, die den Zusammenhang von Börse und der Neuaufteilung der Welt unter die Monopole bzw. die imperialistischen Mächte herausarbeiten. In „Die Große Krise 1929 bis ...“ wird der Frage nachgegangen, wie es zu dieser bisher tiefsten und längsten Krise des Kapitalismus gekommen war. Es ist die Krise, in deren Gefolge der Faschismus in Deutschland zur Macht gebracht und der 2. Weltkrieg ausgelöst wurde. Interessant vor allem, die Wechselwirkung von Börsenkrach und realer Überproduktionskrise, der Zusammenbruch u.a. der scheinbar allmächtigen Deutschen und Dresdner Bank und das Aufeinanderprallen der imperialistischen Gegensätze im Kampf um die Neuaufteilung.
Am Beispiel Vodafone-Mannesmann wird die Rolle des fiktiven Kapitals beim Kampf der deutschen Monopole um die Neuaufteilung der Märkte in „Übernahmeschlachten“ dargestellt. Hier werden die Hintergründe aufgezeigt für die Vorgänge, die vor einem Jahr die Kollegen nicht nur bei Mannesmann in Atem hielten. Man erinnert sich, wie damals von interessierter Seite der Chauvinismus geschürt wurde, um gegen England und eine „feindliche“ Übernahme Stimmung zu machen.
Noch im Gedächtnis dürfte ebenfalls die gegen Japan geschürte Angst aus den 70er und 80er Jahren sein, um die es in den letzten Jahren verdächtig ruhig geworden war und die seit der sog. Asien-Krise 1997/98 in deutsche Großmannssucht und Verächtlichmachung umgeschlagen ist. Welche Rolle hier die Börse und die internationalen Finanzmärkte bei der Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen den imperialistischen Ländern spielen, darauf geht der Artikel „Die Finanzmärkte als Kampfplatz um die Neuverteilung der Welt: Das Beispiel Japan“ ein.
Über das Schwerpunktthema hinaus geht es in dieser Ausgabe der KAZ am Beispiel eines Berliner Call-Centers um die Mühen für engagierte Kolleginnen und Kollegen in Betrieben des sog. Neuen Marktes eine Interessenvertretung in Form eines Betriebsrates durchzusetzen. Dazu der Artikel: „Die Ruhe ist vorbei! ...“
Regelmäßige Leser der KAZ ahnen es schon: der Kampf der belgischen Stahlarbeiter von Clabecq ist noch nicht zu Ende. Nicht im Betrieb, nicht vor den Schranken der belgischen Klassenjustiz. Die KAZ setzt ihre Berichterstattung unter dem Titel „Neue Runde im Kampf ...“ in dieser Ausgabe fort und wird auch im Weiteren die Solidarität mit den Kollegen im Nachbarland auf die Tagesordnung setzen.
Aber damit nicht genug: in dem Beitrag „Türkei: Mit der ,Operation Totschlag’ auf dem Weg nach Europa“ werden dem Leser die erschreckenden politischen Verhältnisse in diesem schönen Land beispielhaft vor Augen geführt.
Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Zeitung überstürzen sich die Ereignisse in der Türkei. Der seit Monaten dauernde Hungerstreik politischer Gefangener gegen Isolationshaft und Folter hat schon das neunte Todesopfer gefordert (13.4.01). Hunderttausende tragen in den großen Städten des Landes ihren Protest gegen die ruinösen Folgen der Wirtschaftskrise auf die Straße, die vor allem die Arbeiter und kleinen Gewerbetreibenden trifft.
Noch ist nicht abzusehen, ob die türkische Bourgeoisie durch diese Formen des politischen und sozialen Protestes zum Nachgeben gezwungen werden kann.
Wir trauern um Emil Carlebach, dessen Kampfesmut und Klassenbewusstsein sie nicht brechen konnten – nicht 1933 und nicht 1989.
Redaktion der
Kommunistischen Arbeiterzeitung
Die Liste der Schwerpunktthemen (Änderungen vorbehalten):
KAZ 299 Bildung
Redaktionsschluss: 1. Juli 2001
weitere Schwerpunktthemen:
– Antisemitismus
– Gegen die imperialistische Propaganda
– Arbeit
– Natur des Menschen oder Gentechnologie
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