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Für Dialektik in Organisationsfragen

VW: „Arbeitsplatzrettung“ durch Arbeitsplatzvernichtung, Lohnraub und Arbeitshetze

Damit mogelt sich die „VW-Familie“ spätestens seit 1993/94 („VW-Modell“) durch. Die Methode des Kapitals, um die „Spar-, die Zukunftspakete- und Pakte“ durchzusetzen, ist dabei immer die gleiche. Sie gilt nicht nur bei VW und den übrigen Automobilkapitalisten, sondern ebenso in kleineren und mittleren Betrieben. Das Kapital kündigt die Entlassung tausender Kolleginnen und Kollegen an und erpresst sich damit Lohnkürzungen, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, die sogenannten Produktivitätssteigerungen gleich Arbeitsintensivierung auf Knochen der Belegschaften und den Arbeitsplatzabbau (u. a. KAZ 372 S. 39/40 „Zukunftstarifverträge“). Den damit auf den Plan gerufenen Betriebsräten und der IGM-Führung wird dabei die Gelegenheit gegeben, sich als Retter von X – je nach Situation – von hunderten oder auch tausenden Arbeitsplätzen zu produzieren. Ein ganz junges Beispiel dafür ist die Ankündigung von 9500 Entlassungen durch VW-Tochter MAN „Bus & Truck“ (September 2020, Bericht in der KAZ 374 auf Seite 22). Gesamtbetriebsrat und Konzernleitung haben sich inzwischen auf ein Eckpunktepapier geeinigt. Auf den Internet-Seiten der IGM-Führung und in entsprechenden Pressemitteilungen (SZ 27.01 2021) hieß es dazu: „6.000 Stellen konnten die Metallerinnen und Metaller gemeinsam retten. Die ausstehenden 3.500 Stellen sollen sozialverträglich abgebaut werden ...“

Bezogen auf die aktuellen Ankündigungen des VW-Kapitals heißt es in der Süddeutschen Zeitung SZ vom 15. März 2021: „Für die Kernmarke des VW-Konzerns wurden bereits 2016 und 2019 Vereinbarungen geschlossen zu einem sozialverträglichen Abbau von Tausenden Stellen. So will VW für die teure Umstellung auf Elektroautos Kosten senken. Im Gegenzug sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausgeschlossen.“

2016 hieß dabei die Ankündigung in der Presse (z. B. Handelsblatt 18.11.2016): „VW streicht 23.000 Stellen in Deutschland“

Dabei wurde angekündigt, dass die Produktivität in den deutschen Werken um 25 Prozent steigen müsse. Der Betriebsrat meldete hierbei als großen Erfolg monatelanger Verhandlungen den Ausschluss „betriebsbedingter Kündigungen“ bis Ende 2025. Dazu stellte der nicht nur in der „VW-Konzern-Familie“ als „graue Eminenz“ gehandelte Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh fest: „Das sind neun Jahre ohne Angst um den Arbeitsplatz.“ Über den Rausschmiss hunderter Leiharbeiter – sie wurden gemäß üblicher Kapital-Praxis abgemeldet – hat er dabei sein Bedauern ausgedrückt. Die „neun Jahre ohne Angst“ haben allerdings nur bis März 2019 gehalten. Zu dem Zeitpunkt hat VW-Manager Herbert Dies in Wolfsburg einer Belegschaftsversammlung von 20.000 VW‘lern erklärt, dass mit dem geplanten Abbau von 7.000 Arbeitsplätzen in der Verwaltung, die dementsprechende Anzahl von Kolleginnen und Kollegen rausfliegt. Das Ergebnis der darauffolgenden Rettungsgespräche war, dass statt der 7.000 „nur“ 4.000 Arbeitsplätze als Digitalisierungsfolge in der Verwaltung bis 2023 verschwinden. Wie oben angemerkt, hat der Gesamtbetriebsrat darüber mit dem VW-Vorstand eine neue Vereinbarung abgeschlossen. Um dabei beim Retten zu bleiben, müssen 4.000 gehen, um 3.000 zu retten. Das ist die Formulierung in vielen Sozialplänen. Die einen müssen gehen, damit die Arbeitsplätze der anderen (wie bei VW bis zum nächsten Schub) gesichert sind. Zur Vereinbarung von 2019 hat Osterloh erklärt: „Wir haben für die Belegschaften unsere Hauptanliegen Beschäftigungssicherung und Altersteilzeit durchgesetzt“.

Wie aus der Belegschaft zu erfahren war, hat der Gesamtbetriebsrat dabei zugesichert, sich für die geplanten Produktivitätssteigerungen von 25 Prozent mit einzusetzen. Solche Zusagen sind nicht neu, sie waren in der Vergangenheit schon Bestandteil des Haustarifvertrages. Nach einem solchen Abschluss ist einem IGM-Bezirksleiter die Feststellung eingefallen: Kollegen, deren Arbeitsplätze durch Verzicht auf „betriebsbedingte Kündigungen“ gesichert sind, arbeiten daran gerne mit. Mit anderen Worten, die legen dann gerne noch ’ne Schippe drauf und ruinieren sich die Gesundheit, um – wie es ein Konzernsprecher im Zusammenhang mit der Produktivitätssteigerung erklärt hat – die „Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns zu sichern“. Der VW-Vorstand hat dabei das vereinbarte „Zukunfts-Paket“ als „ausgewogenes Programm“ bezeichnet. Bei solchen Aussichten kein Wunder und jetzt geht es gleich weiter. Das „Hauptanliegen“ der Belegschaft, die „Beschäftigungssicherung“, hat wieder keine 2 Jahre gehalten. Damit steht das nächste VW-Sparpaket zum Auswiegen unmittelbar auf der Tagesordnung. In der oben bereits genannten SZ heißt es: „Volkswagen will in einer weiteren Streichungsrunde Tausende von Stellen abbauen. Dazu vereinbarte das Unternehmen mit dem Betriebsrat ein neues Sparprogramm. Es enthält ein umfassendes Altersregelungspaket sowie eine Verlängerung des Einstellungsstopps bis zum Jahresende. Die Eckpunkte gelten für die Hauptmarke VW mit sechs westdeutschen Werken mit 120.000 Mitarbeitern. Insidern zufolge sollen 3.000 bis 4.000 Stellen abgebaut werden ...“

Die Pressemeldungen sind etwas unterschiedlich. Am 14. März 2021 meldete das Handelsblatt: „Voraussichtlich bis zu 5.000 Arbeitsplätze“ ständen auf der Abschussliste. VW in Deutschland würde dabei den Anfang beim Sparen machen. Die anderen Konzernmarken würden etwas später mit dem Sparen dran sein. Dabei könnte es dann auch Audi, Skoda, Seat, Porsche und evtl. noch anderen ans Leder gehen.

Hierbei hat das VW-Kapital mit dem o. g. „Altersregelungspaket“ – wie es auch anders nicht geht – die „Alten“ im Visier. Gemessen an den genannten Geburtsjahrgängen 1956 bis 1960 sind das die 61- bis 65-jährigen. Mit ihrem Alter sind sie dem für sie möglichen Antrag auf die gesetzliche Altersrente am nächsten. Über die Vereinbarung von „Vorruhestands- und Altersteilzeitregelungen“ sollen sie aus der Bude gedrängt werden. In einer von der SZ zitierten Firmenmitteilung heißt es dazu: „Erfahrungswerten zufolge rechnet das Unternehmen damit, dass sich bis zu 9.000 Beschäftigte für die kurzfristigen Vorruhestandsmodelle entscheiden, für Altersteilzeit eine niedrige vierstellige Zahl“.

Bei der sogenannten Altersteilzeit wird ein bestimmter Zeitraum – z. B. 3 Jahre bei abgesenktem Lohn gearbeitet – und danach 3 Jahre bis zum möglichen Vorruhestand – Rentenbeginn mit Rentenabschlag – nicht mehr. Die notwendigen Einzelheiten sind vorher abzuklären und vertraglich abzusichern. Bei VW soll hierbei die „Altersteilzeit-Regelung“ für den Zeitraum von 6 Jahren festgelegt sein. Nach der neuen Vereinbarung wird mit der jetzigen Entlassungswelle auch den 1964 Geborenen ein Altersteilzeit-Vertrag angeboten. Das sind die jetzt 56- und 57-jährigen Kolleginnen und Kollegen. Gemäß den heute geltenden gesetzlichen rentenrechtlichen Bestimmungen müssen sie bis zum 67. Lebensjahr, das heißt, noch 10 Jahre im Betrieb ihre Knochen herhalten, um ihre volle Rente zu erhalten. Nach dem o. e. Bericht im Handelsblatt erwartet das VW-Kapital, „dass in diesem Jahr fast 3.000 VW-Beschäftigte des Jahrgangs 1964 von dem neuen Angebot Gebrauch machen werden ...“

Wenn die Kapitalisten sie bereits mit 56/57 Jahren aus den Betrieben vertreiben, ist das nicht nur die Vorlage zur Verkürzung der täglichen und wöchentlichen, sondern der Lebensarbeitszeit. Das heißt runter mit dem Rentenbeginn! Der hieß in den Gewerkschaften lange Zeit Maloche im Betrieb bis zum 60. Lebensjahr sind genug. Diese Forderungen sind in den vergangenen Jahren von den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern immer mehr der Profitmaximierung des Kapitals, der Standortsicherung geopfert worden. Was natürlich ebenso für die VW-Familie gilt. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Osterloh hat zum Vertragsabschluss festgestellt: „Der Betriebsrat hat vorgesorgt, dass die Abgänge nicht auf dem Rücken der übrigen Beschäftigten erfolgen.“

Wie das gehen soll, bleibt sein Geheimnis. Die VW-Belegschaft kann leicht nachverfolgen, auf wessen Rücken die bisherigen Sparpakete und Zukunftspakte mit zigtausenden Entlassungen abgelagert wurden. Dazu zählt ebenso das jetzige Sparpaket. Zu den für die Aktion eingeplanten Kosten heißt es in der SZ: Einer mit der Angelegenheit vertrauten Person zufolge liegen die Kosten bei knapp 500 Millionen Euro.“

Sie müssen der durch die Entlassungen reduzierten Belegschaft aus den Knochen gepulvert werden. Die kann hierbei ihre Zukunft, die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze aus den „Sparpaketen“, den „Zukunftsverträgen“ und „Zukunftspakten“ aus der Vergangenheit ablesen. Sie sind der Nachweis dafür, dass die Kapitalisten auch über den Abschluss von X Zukunftsverträgen keine Arbeitsplätze sichern können. Für sie gelten die Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Ausbeutungssystems, die Gesetze der Konkurrenz der Kapitalisten untereinander. Und hierbei gilt nach wie vor, was Karl Marx 1849 in seiner Schrift „Lohnarbeit und Kapital“ wie folgt festgestellt hat:

„Welche gewaltigen Produktionsmittel ein Kapitalist auch ins Feld führe, die Konkurrenz wird diese Produktionsmittel verallgemeinern, und von dem Augenblick an, wo sie dieselben verallgemeinert hat, ist der einzige Erfolg der größeren Fruchtbarkeit seines Kapitals, dass er nun für denselben Preis 10-, 20-, 100-mal so viel liefern muss als früher. Da er aber vielleicht 1.000-mal mehr absetzen muss, um durch die größere Masse des abgesetzten Produkts den niedrigeren Verkaufspreis aufzuwiegen, weil ein massenhafterer Verkauf jetzt nötig ist, nicht nur um zu gewinnen, sondern um die Produktionskosten zu ersetzen – das Produktionsinstrument selbst wird, wie wir gesehen haben, immer teurer –, weil dieser massenhafte Verkauf aber nicht nur eine Lebensfrage für ihn, sondern auch für seine Nebenbuhler geworden ist, so beginnt der alte Kampf umso heftiger, je fruchtbarer die schon erfundenen Produktionsmittel sind. Die Teilung der Arbeit und die Anwendung der Maschinerie wird also in ungleich größerem Maßstabe von neuem vor sich gehen ...

Während die Konkurrenz ihn daher beständig verfolgt mit ihrem Gesetz der Produktionskosten, und jede Waffe, die er gegen seine Rivalen schmiedet, als Waffe gegen ihn selbst zurückkehrt, sucht der Kapitalist beständig die Konkurrenz zu übertölpeln, indem er rastlos neue, zwar kostspieligere, aber wohlfeiler produzierende Maschinen und Teilungen der Arbeit an die Stelle der alten einführt und nicht abwartet, bis die Konkurrenz die neuen veraltet hat. Stellen wir uns nun diese fieberhafte Agitation auf dem ganzen Weltmarkt zugleich vor, und es begreift sich, wie das Wachstum, die Akkumulation und Konzentration des Kapitals eine ununterbrochene, sich selbst überstürzende und auf stets riesenhafterer Stufenleiter ausgeführte Teilung der Arbeit, Anwendung neuer und Vervollkommnung alter Maschinerie im Gefolge hat.“ (Karl Marx, Lohnarbeit und Kapital in: MEW Bd. 6, S. 418/419)

Ludwig Jost

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