Für Dialektik in Organisationsfragen
In der letzten „Auf Draht“[1] hatten wir in dem Artikel „Banu muss bleiben“ über die Verurteilungen im Münchner TKP/ML-Prozess und drohende Ausweisung von Dr. Banu Büyükavci, Ärztin und aktive Gewerkschafterin aus Nürnberg berichtet.
Grundlage für das Strafverfahren bildeten die Paragraphen 129a und 129b des Strafgesetzbuches. (Mitgliedschaft in, bzw. Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Ausland)
„Zu dem Prozess (Anm.: dem TKP-ML-Prozess) konnte es nur kommen, weil die Bundesregierung 2014 eine von der Bundesanwaltschaft beantragte „Verfolgungsermächtigung“ gegen die Angeklagten erteilt hatte. (…) Im Fall von Mitgliedern der Freien Syrischen Armee etwa, gegen die kürzlich ein Prüfverfahren der Bundesanwaltschaft lief, wurde keine Ermächtigung erteilt, da Berlin die Organisation als Freiheitsbewegung gegen das Assad-Regime ansieht.“ (der Freitag, 29.06.2016)
Gruppen, die gegen Assad in Syrien kämpfen sind „Freiheitskämpfer“ und die, die gegen den Despoten Erdogan aufbegehren, und deshalb vom türkischen Staat als „Terroristen“ verfolgt werden, sind es auch in den Augen der Bundesregierung und der deutschen Justiz! Könnte die Kumpanei mit dem Erdogan-Regime, damit der türkische Despot weiterhin Flüchtlinge von Deutschland und der EU fernhält, noch offensichtlicher sein? Wohl kaum!
Der menschenverachtende Schulterschluss mit dem türkischen Staat, wenn es gegen kämpferische türkische Arbeiterorganisationen, gegen Kurdinnen und Kurden geht, hat lange Tradition.
Dass in türkischen Gefängnissen gefoltert wird, das wissen auch die deutschen Staatsanwälte, Richter und das Justizministerium. Vermeintliche Erkenntnisse, die belegen sollen, dass es sich bei den hierzulande verfolgten Menschen um angebliche „Terroristen“ handelt, dürften deshalb gar nicht in Deutschland in einem Strafverfahren verwendet werden. Aber Menschenrechte und rechtsstaatliche Standards scheinen die hierzulande Herrschenden, ihre Regierungen und ihre Justizorgane eben nur soweit zu interessieren, wie sich daraus politisches und wirtschaftliches Kapital schlagen lässt!
Kaum war das Urteil im TKP-ML-Prozess gesprochen, da kam im Dezember letzten Jahres schon der nächste dieser Prozesse vor dem Oberlandesgericht München ins rollen: Am 16. Dezember 2020 stellte das Münchner OLG einen Haftbefehl gegen den 47 jährigen Kurden Mustafa T aus. Mustafa T. wird bezichtigt er wäre ein leitender Funktionär der Exilorganisation der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Süddeutschland.
Würde die Generalbundesanwaltschaft, das Justizministerium und das OLG München der Einschätzung der Richter am Europäischen Gericht (EuG) folgen, dann gäbe es überhaupt keinen Grund für das Verfahren gegen Mustafa T. 2018 hatte das Gericht entschieden, dass die PKK zu Unrecht auf der „EU-Terrorliste“ geführt worden ist. Aber auch in einigen EU-Mitgliedsstaaten, wie z.B. in Belgien, beurteilen die Gerichte die PKK und die Lage in der Türkei, die davon nicht zu trennen ist, völlig anders und vor allem auch realistischer als in Deutschland. Die PKK terrorisiere keine Bürgerinnen und Bürger sondern ihre Aktivitäten richten sich gegen Handlungen des türkischen Staates, die die Rechte des kurdischen Volkes missachten. Deshalb könne man Mitglieder der PKK auch nicht als „Terroristen“ verurteilen..
In Deutschland interessiert all das die Herrschenden nicht.
Die Interessen des deutschen Großkapitals und der türkischen Regierung gebieten es auch in der BRD diejenigen zu verfolgen und ins Gefängnis zu sperren, die sich in der Türkei für Demokratie, Menschenrechte und Arbeiterinteressen einsetzen! Damit muss endlich Schluss sein! Es ist ein Skandal, dass viele unserer türkischen und kurdischen Kolleginnen und Kollegen auch hier in Deutschland in permanenter Angst leben müssen, wegen ihres demokratischen Engagements verhaftet zu werden! Es ist ein erbärmlicher Zustand, dass ihre Organisationen permanent kriminalisiert und sie so ihrer demokratischen Rechte beraubt werden!
Weg mit 129a/b! Das müsste auch eine Forderung unserer Gewerkschaften sein, wenn wir es ernst nehmen was im Grundsatzprogramm des DGB steht: „Wir engagieren uns für eine weitere Demokratisierung von Arbeitswelt, Wirtschaft und Gesellschaft, für Menschen- und Bürgerrechte …“
ma
1 Siehe dazu auch KAZ Nr.374: Innenminister soll Ausweisungsvorhaben beenden – „Banu muss bleiben“; der angesprochene Artikel aus der Auf Draht vom 2.2.2021 ist abrufbar unter secarts.org, Rubrik Medien
Artikel aus „Auf Draht“ vom 2.2.2021, einer Zeitung, die vor Betrieben verteilt wird. Herausgegeben von DKP München und Gruppe KAZ München.