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Für Dialektik in Organisationsfragen

IGM-Pilot-Tarifabschluss in NRW und „Sonderthemen“ in Baden-Württemberg

Die „faire“ Umverteilung der Krisen­lasten auf die Metaller

1. „Corona-Bonus“ und „Transformationsgeld“ – oder: Wie Metallerinnen und Metaller dem Kapital ihre „Beschäftigungssicherung“ bezahlen

Lange vor Beginn der ersten Tarif-Verhandlungen Mitte Dezember 2020 hat der IGM-Vorstand den Metall- und Elektrokapitalisten immer wieder angedroht: Wartet nur ab, wenn ihr bis zum Ende der Friedenspflicht kein Vertragsangebot abliefert, könnt ihr was erleben. Dann werden Warnstreiks über euch kommen, bis euch Hören und Sehen vergeht. Denn es geht um die Löhne und die Zukunft der Metaller, die wir mit euch „Arbeitgebern“ gemeinsam sichern wollen. Beim Pilotabschluss am 30. März 2021 in NRW meldete der IGM-Vorstand „fast eine Million Beschäftigte“, die sich fürs Zukunft-Sichern an sogenannten Warnstreik-Aktionen in den Tarifgebieten beteiligt haben. IGM-Vorsitzender Hofmann hat ihnen und hierbei den insgesamt knapp über 3,8 Millionen in der M+E-Industrie vom IGM-Tarif Erfassten erklärt, dass durch den Tarifabschluss erreicht wurde: „... dass die Krisenfolgen fair verteilt und nicht einseitig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeladen werden. Es ist uns gelungen, die Einkommen der Beschäftigten zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern. Das ist zunächst eine Frage der Gerechtigkeit. Wir stärken damit aber auch die Nachfrage und stützen somit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.“

Die Kapitalisten haben den Abschluss – wohl von vorösterlichen Überraschungseier-Gefühlen beeindruckt – als „Zeichen der Zuversicht“ (Gesamtmetall 30.03.2021) für ihre Zukunft als Ausbeuter gewertet. Hierbei feiern sie insbesondere als Stütze für die „gesamtwirtschaftliche Entwicklung“ die Einführung der „automatischen Differenzierung“ und pauschale Einmalzahlungen. Sie führen gemäß Vereinbarung und „Tarifdeutsch“ zu keiner „tabellenwirksamen“ Lohnerhöhung und der damit verbundenen Durchschnittsberechnungen für Lohnfortzahlung, Urlaubsgeld usw. Ausformulierte Tarifverträge zu den einzelnen „Nachfrage-Stärkungs- und Stützungspunkten“ gibt es bisher noch nicht. Auf sie müssen wir uns aber vorbereiten, um nachzuvollziehen, was der IGM-Vorsitzende hierbei als Zukunftssicherung, Frage der Gerechtigkeit und „faire Verteilung“ verkauft. Bezogen auf die Löhne heißt es im vorliegenden IGM-Info dazu: „500 Euro Corona-Prämie netto gibt es im Juni für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Auszubildende erhalten einmalig 300 Euro. Im Juli erhöhen sich die Entgelte um 2,3 Prozent. Das Geld wird jedoch angespart und im Februar 2022 in Summe als ,Transformationsgeld’ in Höhe von 18,4 Prozent des Monatsentgelts ausbezahlt.

Das Transformationsgeld bleibt jedoch dauerhaft als weitere jährliche Sonderzahlung und erhöht sich 2023 auf 27,6 Prozent des Monatsentgelts. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen können Betriebe in Krisen das Transformationsgeld auch in Freizeit umwandeln. Dadurch kann die Arbeitszeit dauerhaft verkürzt werden, ohne das Monatsentgelt zu kürzen. In Verbindung mit anderen Tarifelementen, wie den freien Tagen aus dem 2019 eingeführten tariflichen Zusatzgeld (T-Zug) ist auch eine Vier-Tage-Woche möglich.“ Der T-Zug-Vertrag gilt für 21 Monate vom 01.01.2021 bis zum 30.09.2022.

Mit diesen Regelungen werden abgesehen von anderem faktisch unter der Verwaltung des Kapitals stehende Fonds als „Sparstrümpfe“ gebildet, in die die Belegschaften vorenthaltene Lohnanteile ansparen. Ausgezahlt werden sie wie oben genannt nach den angegebenen Terminen. Die dazwischen liegende Zeit reicht dem Kapital aus, um den Belegschaften die vereinbarten Pauschalen – z. B. die Corona-Prämie bis zum 30. Juni 2021 – aus den Knochen zu schinden. Ob es überhaupt zu den Auszahlungen der sogenannten „Transformationsgelder“ („Trafobausteine“ und „ZUB“ tarifliches Zusatzgeld in Baden-Württemberg) kommt, ist abhängig gemacht von der jeweiligen Profitlage, von der vom Kapital rauf und runter geforderten „Differenzierung“ anhand der von den Betriebsparteien – Betriebsrat und Kapitalist – festgelegten Rendite-Kennzahl. In Baden-Württemberg heißt es in den veröffentlichten Vereinbarungen dazu: Das tarifliche Zusatzgeld (ZUB) wird nur im Jahr 2021 von Juli in den Oktober verschoben, weil im Juni bereits die ,Corona-Prämie’ ausbezahlt wird. In Betrieben mit weniger als 2,3 Prozent Nettoumsatzrendite kann das ZUB um weitere 6 Monate verschoben werden oder ggf. entfallen.“

Die Rendite-Zahl hat hierbei die Wirkung wie der Wurstzipfel, der dem Hund hingehalten wird, damit er möglichst hoch oder weit springt. Für die Belegschaften heißt sie, den Druck erhöhen. Sozusagen „ohne Rücksicht auf Verluste“, auf die eigene Gesundheit, immer mit vollem Einsatz (Arbeitsintensivierung) ranklotzen, dafür „kämpfen“, das Renditeziel zu erreichen und alles zu unterlassen, was es gefährden könnte. IGM-Vorsitzender Hofmann hat dazu in einer Info erklärt: „Wenn wir sehen, dass da zu willkürlich gehandelt wird, ziehen wir Konsequenzen.“ (siehe www.jungewelt.de/artikel/399955.sozialpartnerschaft-minuspunkte-im-s%C3%BCdwesten.html) Gut zu wissen für die Metallerinnen und Metaller, dass die IGM-Führung dann richtig sauer wird und Messgeräte einsetzt, die bei zu viel Willkür der Kapitalisten, wie bei der Rendite 2,3 unter vielleicht jetzt bei 2,3 überm Strich, sofort automatisch ausschlagen und den IGM-Vorstand auf den Plan rufen. Der hat dann wieder Gelegenheit, sich zu profilieren, in dem er den zurückgehaltenen Lohn erneut als „tarifliches Zusatzgeld“ vom Kapital fordert. Wegen der dann geltenden Friedenspflicht helfen dabei dann aber keine „kreativen vielfältigen Warnstreik-Aktionen“ mehr, sondern nur noch „partnerschaftliche“ Gespräche und Verhandlungen mit den Kapitalisten. Die lassen sich von 10 Stunden wie bei den Abschlussverhandlungen in NRW durchaus auf 20 und mehr Stunden ausdehnen, wenn das Kapital überhaupt nicht spurt und der IGM-Vorstand so richtig wütend wird.

2. Die Corona-Prämie

Mit dieser Prämie macht sich die IGM-Führung mit den Metall- und Elektrokapitalisten eine bereits seit 1. März 2020 geltende und bis zum 30.06.2021 verlängerte Änderung in § 3, 11a Einkommensteuergesetz ESTG zunutze. Bis dahin können die Kapitalisten ihren Belegschaften zusätzlich zum sowieso gezahlten Lohn eine steuer- und sozialabgabenfreie sogenannte Corona-Prämie bis zur Höhe von 1500 Euro zahlen. Mit 500 Euro hat sich die IGM-Führung auf ein Drittel davon geeinigt. Nach einer Beispielsberechnung der DGB-Rechtsschutz GmbH vom 30.10.2020 spart das Kapital bei dem Geschäft rd. ein Drittel sonst davon zu zahlender Abgaben. Die Konsequenz für die Lohnabhängigen: die nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge fehlen für die Renten- und Durchschnittsberechnungen bei Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- und Krankengeld.

Ab Tarifvertragslaufzeit 1. Januar 2021 warten sie hierbei ein halbes Jahr auf 500 Euro. Bis zur Zahlung des ersten sogenannten „Transformationsgeldes“ im Februar 2022 (14 Monate) macht das monatlich 35,70 Euro in den Haushaltskassen der Metallerinnen und Metaller. Bei einem Facharbeiterlohn von 3.500 Euro mtl. (jährlich 42.000 Euro) ist das eine Lohnerhöhung von 1,2 Prozent, macht mtl. 41,66 Euro. Sie beziehen sich statt auf 14 auf 500:12 Monate.

Die Kosten der Corona-Prämie für die Kapitalisten liegen bei den von der IGM angegebenen 3,8 Millionen unter den Tarifvertrag fallenden Beschäftigten in der M+E-Industrie bei rd. 2 Milliarden Euro. Allein an den Profiten der Autokapitalisten gemessen, sind das die berüchtigten „Peanuts“. So hieß es z. B. am 19. Februar in der Süddeutsche Zeitung (SZ): „2020 verbuchte Daimler einen operativen Gewinn von 6,6 Milliarden Euro, ein Plus von 50 Prozent, bei einem Umsatz von 154 Milliarden Euro. Die Dividende soll auf 1,35 Euro je Aktie steigen ...“ Zu VW heißt es: „Der Volkswagen-Konzern rechnet mit 10 Milliarden operativem Gewinn; BMW erklärte jüngst, dass das zweite Halbjahr extrem gut gelaufen sei, das letzte Quartal besonders.“ Källenius, der Kapitalvertreter von Daimler, hat dabei im Interview erklärt, dass der Staat gut funktioniert. „So habe man im vergangenen Jahr 700 Millionen gespart durch Kurzarbeit ...“ Von anderen, wie AUDI usw., war bzw. ist Ähnliches zu hören. Anlässlich einer Warnstreik-Aktion in Köln hat IGM-Vorsitzender Hofmann den anwesenden Kolleginnen und Kollegen u. a. erklärt: „... beim aktuellen Spar- und Streichprogramm der Arbeitgeber geht es nicht nur um die ökonomische Bewältigung der Corona-Folgen, sondern um eine Restrukturierung ganzer Unternehmen. Corona dient da nur als Vorwand, um die Renditen zu steigern. Allein die Groß-Unternehmen haben im Krisenjahr 2020 rund zwölf Milliarden Euro Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet.“ Davon könnte der Corona-Bonus gleich 6 Mal gezahlt werden. Ähnliches gilt für die Profite der Autokonzerne. Von „fairer Verteilung der Krisenfolgen“ und „Gerechtigkeit“ kann dabei keine Rede sein. Das ist Phrasendrescherei des IGM-Vorsitzenden zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse. Dabei wird von unten nach oben verteilt. Das ist die Gerechtigkeit der Kapitalherrschaft. Die Kapitalisten reklamieren hierbei sozusagen für sich als Rechtsanspruch, sich auf Kosten der Lohnabhängigen zu bereichern und dabei, wie es landläufig heißt: die Armen immer ärmer zu machen. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind in der Regel aus Armutsberichten zu erfahren. Bei einem Blick in den Armutsbericht des deutschen paritätischen Wohlfahrtsverbandes zum Jahr 2019 können die Metallerinnen und Metaller erfahren, wo und bei wem im Pilotbezirk NRW Krisenfolgen „fair verteilt“ und „abgelagert“ wurden und werden.

3. Die Warn-/Streikführung des IGM Vorstands – ein Rückblick

Für die Metallerinnen und Metaller hat hierbei ab 1. März 2021 die Vorstandsdirektive gegolten: Jeder macht etwas! Die IGM-Führung hat es dabei den Bezirken und Geschäftsstellen freigestellt, was beim Aufruf zum Warnstreik in den Betrieben an kreativen Ideen produziert und als Belegschafts- und/oder Funktionärs-Aktion gemacht und durchgeführt wird. Was dabei herausgekommen ist, sind die aus Fernsehen und von den IGM-Info-Seiten bekannten bunten Bilder aus den IGM-Bezirken. Die kreativen „Druckmacher“ wie z. B. Menschenketten, „Mobilitäts- und Auto-Korsos“ mit Kundgebungen auf Parkplätzen, in Berlin im Olympia-Stadion, Auto-Kinos, Aktivitäten vor Betriebstoren, dabei auch Demos und Kundgebungen mit Luftballon-Starts, Pausen- und Frühschlussaktionen und zur Einbeziehung der im Home-Office Arbeitenden, ganz neu: „Digitale Warnstreiks“, „Online-Streik“. Dazu gehörte am 24. März eine „landesweite Online-Kundgebung im Pilotbezirk NRW“. Tausende haben sich nach IGM-Meldungen daran beteiligt, die Office-Arbeit unterbrochen, um sich beim Home-Office-Streik zu sehen. Auftakt war am 12. März im Bezirk Baden-Württemberg. Es gab Interviews, Musik und wie bei den meisten Fernsehsendern eine Kochschau. Dieses Mal ohne Fernsehkoch. Die Rolle als Sterne-Koch hat IGM-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger übernommen. Wer wollte, konnte mit kochen. Womit Zitzelsberger Betriebsräten und Belegschaften beim Tarifabschluss in Baden-Württemberg das „sozialpartnerschaftliche“ Süppchen zur „Lohn- und Zukunftssicherung“ gewürzt hat (siehe Kasten).

Hierbei steht außer Frage, dass es die Organisatoren dieser ganzen Aktivitäten – unterschiedlich von Betrieb zu Betrieb – viele Diskussionen gekostet hat, um „ihre Leute“ vom Mitmachen zu überzeugen. Was insbesondere in den meisten IT- aber auch generell in Angestellten-Bereichen häufig eine schwierigere Aufgabe ist als in der Produktion im Betrieb. Dabei läuft auch nicht alles so reibungslos, wie das auf den Metallseiten aussieht. Das gilt in der BRD insbesondere für die von Belegschaften und auch Betriebsräten geforderte juristische Absicherung der Warnstreiks (s. Kasten dazu). Beim „Druckmachen“ für die gemeinsame „Zukunftssicherung“ mit den Kapitalisten hat die IGM-Führung ausschließlich auf zersplitterte Aktionen und amputierte Warnstreiks gesetzt. Dafür wurden in allen Tarifgebieten Pandemie-Auflagen verantwortlich gemacht und größere Demos und Kundgebungen abgelehnt. „Wir können wegen Corona unmöglich eine Demo mit 2.000 Leuten machen“, hat der BMW-Betriebsratsvorsitzende aus Leipzig dem MDR-Fernsehteam erklärt (S. 13 metallzeitung April). Als ob die Belegschaften durch die Arbeit im kapitalistischen Betrieb noch nicht genug diszipliniert und durch die Situation verunsichert wären, wurde ihnen damit eine zusätzliche Portion Legalismus und falsche Disziplin geimpft. Sie hat möglicherweise mit dazu geführt, dass aus ihren Reihen nicht massiv die Forderung nach den sogenannten 24-Std.-Powerstreiks und/oder Urabstimmung und Vollstreik gekommen ist. Die IGM-Führung hat jedenfalls ganz bewusst auf diese Drohung gegenüber dem Kapital verzichtet. Das gilt insbesondere für die Urabstimmung und folgenden Streiks. Die Voraussetzung dafür ist die Erklärung des IGM-Vorstands ans Kapital: Die Tarifverhandlungen sind gescheitert! Das wäre dann der (gesellschaftliche) Großkonflikt mit dem M+E-Kapital geworden. Das wäre notwendig gewesen, um den Belegschaften Luft zu verschaffen und das Kapital zurückzuschlagen, um unter allen Umständen zu verhindern, dass der Gesamtmetall-Präsident Wolf zum Verhandlungsergebnis erklären kann: „Unterm Strich bedeutet das: Wir haben unsere Ziele dieser Tarifrunde erreicht. Es gibt keine zusätzlichen Belastungen der Unternehmen in diesem Jahr, es gibt keinen Einstieg in eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung in unserer Branche und wir haben mit der automatischen Differenzierung ein neues Prinzip eingeführt.“

Mit dem Tarifabschluss hat die IGM-Führung dafür gesorgt, dass die Rendite-Erwartungen der Metall- und Elektrokapitalisten tarifvertraglich gestützt werden und sich damit die „zusätzlichen Belastungen“ auf der Seite der Metall-Kolleginnen und Kollegen „fair verteilen“ können. Für die Metallerinnern und Metaller wie für alle Lohnabhängigen dagegen wäre es der bestmögliche Tariferfolg, wenn sie sagen könnten: Wir haben gut gegen das Kapital für die Verbesserung unserer Lage gekämpft. Unsere Organisierung hat sich verbessert, wir haben Kampferfahrungen gesammelt, unsere Solidarität ist gewachsen. Genau das brauchen wir. Schließlich kann es nicht für immer nur um den gewerkschaftlichen Abwehrkampf gehen. Letztlich muss es darum gehen, für die Abschaffung des Lohnsystems, des kapitalistischen Ausbeutungssystems zu kämpfen und die Produktionsmittel in die eigenen Hände zu nehmen. Dafür gilt was nachstehend von Friedrich Engels beschrieben und erklärt wird: „... nicht hoher oder niedriger Lohn bestimmt die wirtschaftliche Erniedrigung der Arbeiterklasse: dieser Erniedrigung liegt die Tatsache zu Grunde, dass die Arbeiterklasse, statt für ihre Arbeit das volle Arbeitsprodukt zu erhalten, sich mit einem Teil ihres eigenen Produktes begnügen muss, den man den Lohn nennt. Der Kapitalist eignet sich das ganze Produkt an (und bezahlt daraus den Arbeiter), weil er der Eigentümer der Produktionsmittel ist. Und darum gibt es keine wirkliche Befreiung der Arbeiterklasse, solange sie nicht Eigentümerin aller Produktionsmittel geworden ist – des Grund und Bodens, der Rohstoffe, der Maschinen etc. – und damit auch Eigentümerin des vollen Produkts ihrer Arbeit.“ (F. Engels, Das Lohnsystem, MEW Bd. 19 S. 251-253)

Ludwig Jost, 10.04.2021

Armutsbericht des paritätischen deutschen Wohlfahrtsverbandes von 2019

Nachstehend einige Auszüge:

„Mit 15,9 % hat die Armutsquote in Deutschland einen historischen Wert erreicht. Es ist die größte gemessene Armut seit der Wiedervereinigung. Über 13 Millionen Menschen sind betroffen.“

Hierbei hat der IGM-Bezirk für tarifvertragliche Pilotabschlüsse NRW die Pilotfunktion beim Anstieg der Armutszahlen übernommen. Der Armutsbericht stellt dazu fest: „Im Ruhrgebiet beträgt der Anstieg der Armutsquote seit Beginn des Negativtrends 2006 36%. Zum Vergleich: In ganz Deutschland waren es 14%. In diesem bevölkerungsreichsten Ballungsraum wuchs die Armut zweieinhalb mal so schnell wie in Gesamtdeutschland. Die schlimmste Entwicklung zeigt die Raumordnungsregion Duisburg/Essen. Hier stieg die Armut im gleichen Zeitraum sogar um 48%.“

„Fast jedes 4. Kind im Ruhrgebiet lebte 2019 in Hartz IV, in manchen Städten oder Kreisen liegen die Quoten bei 30% und höher. Ein besonderes Negativbeispiel ist Gelsenkirchen, wo 40 Prozent der Kinder in Hartz IV leben.“

Für 2019 nennt der Bericht als am stärksten von Armut betroffene Regionen Deutschlands Bremen mit 24,9%, Sachsen-Anhalt mit 19,5%, Mecklenburg-Vorpommern mit 19,4%, Berlin mit 19,3% und NRW mit 18,5%. Für Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wird ein leichter Rückgang festgestellt, zu dem erklärt wird: „Gleichwohl spielt sich dieser Rückgang zum Teil auf sehr hohem Niveau ab, so dass Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern trotz dieser positiven Entwicklung nach wie vor zu den am stärksten von Armut betroffenen Bundesländern Deutschlands gehören.“

„Das problematischste Bundesland bleibt Nordrhein-Westfalen…Seit Einsetzen des langfristigen Aufwärtstrends in 2006 ist die Armutsquote in NRW zweieinhalbmal so schnell gewachsen wie die gesamtdeutsche Quote. Armutstreiber in NRW ist das Ruhrgebiet mit einer Armutsquote von 21,4 Prozent. Das größte Ballungsgebiet Deutschlands muss damit zweifellos als Problemregion Nummer 1 gelten.“

„Was die Sozialstruktur der Armut angeht, ist der ganz überwiegende Teil der Armen erwerbstätig (33,0 Prozent) oder in Rente (29,6 %).“

„Die mit Abstand stärkste Zunahme des Armutsrisikos zeigt im längerfristigen Vergleich die Gruppe der Rentner*innen und Pensionär*innen. Unter ihnen wuchs die Armutsquote seit 2006 um 66 Prozent. Aus einer eher geringen wurde mit 17,1 Prozent eine deutlich überdurchschnittliche Armutsquote.“

Info gewerkschaftsforum.de 19. Januar 2021 Ralf Hagenkötter, Dietmar Kompa

Einige Auszüge aus den Vereinbarungen in Baden-Württemberg

Beschäftigungssicherung oder „Faire Verteilung der Krisenlasten“ – bzw. Teilen in einer Klasse

Wer dabei nicht mitmacht und tut, was nach Pkt. 2 der untenstehenden Regelung möglich ist, ist unsolidarisch. Dabei wird die Belegschaft im Fall anstehender Kündigungen in solidarisch und unsolidarisch aufgeteilt. In diejenigen, die mit Trafobausteinen für alle zahlen, und die Geizigen, die nur an sich denken. Statt Solidarität und gemeinsamer Kampf gegen die vom Kapital beabsichtigten Entlassungen – Spaltung der Belegschaft.

„Um Kündigungen zu vermeiden und Beschäftigung zu sichern, können die Betriebsparteien in Unternehmen mit strukturellen Problemen durch Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit einvernehmlich verkürzen. Zur Kompensation des Entgeltausfalls kann die neue Sonderzahlung – der sogenannte Trafobaustein –, als Teilentgeltausgleich herangezogen werden.

Der Trafobaustein kann immer und komplett ausgezahlt werden, wenn er nicht für Teilentgeltausgleich genutzt wird. Dann fließt die erste Zahlung im Februar 2022.

Bei einer Arbeitszeitabsenkung (bis zu 28 Stunden ohne Begrenzung der Dauer) gibt es drei Möglichkeiten zur Anwendung:

1. Alle Beschäftigten eines Betriebs tragen solidarisch mit einem Teil ihres Trafobausteins dazu bei, die Arbeitszeit-Absenkung von betroffenen Beschäftigten finanziell abzufedern.

2. Jeder Beschäftigte finanziert mit seinem Trafobaustein teilweise oder ganz seine eigene Arbeitszeitabsenkung. In diesem Fall kann der einzelne Beschäftigte seine Entgelteinbußen individuell weiter durch die Einbringung von Sonderzahlungen verringern (alle Sonderzahlungen mit Ausnahme T-Zug.“

Zukunftstarifverträge (Kornwestheimer Vereinbarung)

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

Jahrelang wurde in politischen Seminaren vor dem Hintergrund des unversöhnlichen Interessengegensatzes der §  2b des Betriebsverfassungsgesetzes und die darin verordnete „vertrauensvolle“ Zusammenarbeit mit dem Kapital als Vergewaltigung der Betriebsräte bekämpft. Geht es nach dem letzten Absatz unten, heißt es vielleicht demnächst im Betriebsverfassungsgesetz statt „Arbeitgeber und Betriebsrat“ – Umsetzung durch die „partnerschaftlichen Betriebsparteien“.

Der unten festgestellte Verzicht auf Konfliktlösungsmechanismen geht (gewollt oder ungewollt) gegen Einigungsstellen in Tarifverträgen und im angegebenen Fall gegen die Einigungsstelle nach § 76 BetrVG. Wir brauchen das alles nicht mehr. Wir machen das nach den Regeln der Sozialpartnerschaft. Das sind Vorlagen für Gesetzesänderungen.

„Neben den bisherigen Pforzheim-Vereinbarungen gibt es künftig auch die Möglichkeit, im Tarifvertrag Zukunftstarifverträge zu vereinbaren. (Kornwestheimer Vereinbarung)

Diese sollen sich wesentlich beschäftigen mit der Umsetzung vorher beratener Zukunftsperspektiven im Betrieb. Dazu gehören die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, der Innovationsfähigkeit, der Investitionsbedingungen, die Absicherung von Beschäftigung sowie die Qualifizierung der Belegschaften.

Auf Konfliktlösungsmechanismen wird bewusst verzichtet, wichtig ist die partnerschaftliche Umsetzung der Betriebsparteien.“

Aus dem Teil „Weitere Vereinbarungen:

Beschäftigungssicherung, Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen gegen Weihnachtsgeld.

„Per freiwilliger Betriebsvereinbarung können die Betriebsparteien das Weihnachtsgeld um 50 Prozent erhöhen oder absenken. Voraussetzung dafür ist, dass bestimmte Kennzahlen erfüllt sind, die von den Betriebsparteien festgelegt werden und die Tarifvertragsparteien der Variabilisierung nicht widersprechen. Wird diese vereinbart, muss Beschäftigungssicherung gewährt werden.“

„Warnstreik unser gutes Recht“

Probleme beim Warnstreik gab es in der Vergangenheit immer wieder. Ein Ausdruck dafür sind die häufig bei Demos mitgetragenen Schilder mit der obigen Aufschrift. In aller Regel geht es hierbei in den BRD-Belegschaften um Fragen wie, müssen wir uns beim Vorgesetzten abmelden, um Erlaubnis fragen, ausstempeln, was kann uns passieren, ist das auch kein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag, bekommen wir eine Abmahnung, wenn wir dabei mitmachen oder anderes mehr. Alles Fragen und Probleme, für die die Arbeiterklasse in unseren europäischen Nachbarländern (Belgien, Frankreich, Italien, Griechenland usw.) nur ein müdes Lächeln oder Kopfschütteln übrig hat. Um die Teile der Belegschaften, die damit Probleme haben, zu beruhigen, sieht sich die IGM-Führung vor Warnstreikaufrufen immer wieder gezwungen, eine arbeitsrechtlich juristische Sicherheit zu vermitteln. In einer Mitteilung heißt es deswegen: „... bei Teilnahme am Warnstreik besteht keine Pflicht, sich beim Vorgesetzten oder im Zeiterfassungssystem abzumelden. Die bloße Teilnahme genügt. Beim Streik sind die wechselseitig bestehenden Rechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Es besteht somit keine Meldepflicht gegenüber dem Vorgesetzten. Wenn die IG Metall zum Warnstreik aufgerufen hat und die Beschäftigten sich dem Warnstreikaufruf anschließen, ist automatisch die Arbeitspflicht für die Dauer des Warnstreiks aufgehoben. Das gilt auch für Kolleginnen und Kollegen, die sich im Homeoffice an Warnstreiks beteiligen.“

In den Fällen, in denen das Kolleginnen oder Kollegen nicht sicher genug war (oder auch immer noch nicht ist) wurde und wird aufgefordert, stempelt aus, dann seid ihr sicher! Aber wäre das nicht viel sicherer: Die IGM-Vertrauensleute werden aufgefordert bzw. verpflichten sich, die ängstlicheren oder besonders gefährdeten Kolleginnen und Kollegen (z.B. Leiharbeiter, Auszubildende usw.) zum Streikgeschehen zu geleiten und die Zeiterfassungsautomaten zu bewachen. Die Stärkeren helfen den Schwächeren – so funktioniert Solidarität! Und nicht so: Die Opportunisten laufen den Schwächsten hinterher.

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