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Gegen die ausländerfeindliche und rassistische Kampagne der CSU!
Gleiche Rechte für alle, die hier leben!
Abschaffung des völkischen Staatsangehörigkeitsrechts von 1913!
Doppelte Staatsbürgerschaft ohne Wenn und Aber!
Sagt Nein zu Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus!

Mit diesen Forderungen hatte ein breites Personenbündnis, über 130 Menschen – Gewerkschafter, Mitglieder der SPD und der GRÜNEN, der Jusos, der PDS, Kommunisten, Kulturschaffende und viele andere – zu einer Demonstration und Kundgebung am 13.3. in München aufgerufen. Vier- bis fünftausend sind diesem Aufruf gefolgt, darunter viele junge Menschen. Einige Passanten reihten sich während der Demonstration mit ihren Einkaufstüten spontan ein.

Mit vielen Transparenten und Fahnen, auch aus den Gewerkschaften – der HBV, der Postgewerkschaft, der IG-Medien, ÖTV, GEW, IG-Metall und mit einigen Betriebstransparenten – machten die Demonstranten ihre Empörung über die Unterschriftenkampagne der CSU öffentlich und forderten eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, das gleiche Rechte für alle gewährleistet oder zumindest einen Schritt in diese Richtung darstellt. Die Hoffnungen diesbezüglich mit dem Antritt der neuen Regierung und die Enttäuschung über ihr Zurückweichen vor dem Druck der Reaktion, brachte nicht nur Pavlos Delkos, stellv. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Bayern zum Ausdruck, der auch berichtete, daß die Immigranten durch die Hetze zunehmenden Angriffen ausgesetzt sind. Aus welchen Gründen auch immer, aus humanistischen, moralischen, schlichtweg demokratischen, das alltägliche Leben oder den alltäglichen Kampf betreffenden Erwägungen heraus, forderten die Redner alle auf, den Kampf gegen Rassismus, für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts weiterzuführen, den Druck von links auf die Regierung zu verstärken, wie Sonja Wild, stellv. Vorsitzende der SPD Bayern und Juso-Mitglied, v.a. auch ihren Juso-Genossen zurief.

Leo Mayer, Betriebsrat bei Siemens und Sprecher der DKP München erinnerte daran, daß es überproportional die Kolleginnen und Kollegen z.B. aus der Türkei, Kurdistan, aus dem ehemaligen Jugoslawien waren, die kürzlich bei den Warnstreiks mit den Fahnen der IG-Metall vor den Werkstoren standen und die mit uns in den vergangenen Jahrzehnten für die Verkürzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhungen gekämpft haben. „Wo wären wir ohne sie?” Und viele, mir völlig fremde Demonstranten um mich herum, stimmten der alten, aber sehr verschütteten Erkenntnis der Arbeiterbewegung durch ihr Klatschen zu: „Die Grenze verläuft nicht zwischen Nationen, zwischen In- und Ausländern, sondern zwischen Arbeit und Kapital”.

An die Anfänge der Arbeiterbewegung knüpfte als leider letzter Redner Michael Wendl, Vorsitzender der ÖTV Bayern an. Er wies darauf hin, daß seit mehr als 150 Jahren mit dem Emporkommen des Kapitalismus, alle reichen Länder Einwanderungs- und alle ärmeren Länder Auswanderungsländer sind. Er erinnerte an die Antwort der Arbeiterbewegung damals darauf: Proletarier aller Länder vereinigt Euch und die „Internationale”. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus verurteilte er als Strategien zur Spaltung der Arbeiterbewegung. Zum Schluß begrüßte er noch einmal ausdrücklich das Zustandekommen dieser Demonstration, die zeigt, daß es auch ein anderes München gibt.

Er und mit ihm ein ganz kleiner Teil dieses anderen Münchens von ca. 50 überwiegend Jungendlichen demonstrierte anschließend noch einmal, diesmal zum Polizeipräsidium: insgesamt 15 Jugendliche waren gleich zu Beginn, während und am Schluß der Demonstration vorübergehend festgenommen worden. Ihr Vergehen: Beleidigung des bayerischen Ministerpräsidenten. Zumindest habe ein „Anfangsverdacht” einer solchen Beleidigung bestanden, wie am nächsten Tag in der SZ zu lesen war. Tafeln mit „Stoppt Stoiber und sein rassitisches Pack” oder ein Wagen mit einem stilisierten Hitler und dem Konterfei von Stoiber daneben rechtfertigten für die massenweise aufgetretene Polizei diesen Verdacht und damit Festnahmen, Beschlagnahmungen und Hausdurchsuchungen.

Dies zeigt nur einmal mehr, wie notwendig diese Demo war – als Anfang.

GR

Am ersten Tag der CDU/CSU-Unterschriftenkampagne verteilten Gewerkschafter auf dem Marienplatz ein Flugblatt, herausgegeben von einzelnen Kolleginnen und Kollegen aus der IGM, ÖTV, HBV, GEW und dem geschäftsführenden Ortsvorstand der IG Medien München. Dort heißt es u.a.:

„Wenn die Frage, welche der hierzulande lebenden Menschen dazugehören sollen und welche nicht wieder zum Thema einer Sammlungsbewegung gegen die Demokratie wird, ist es an der Zeit, sich vorangehender Bewegungen dieser Art zu entsinnen.

Auszug aus Daniel Goldhagens Buch „Hitlers willige Vollstrecker“: „Am 14. Dezember 1849 verabschiedete beispielsweise die Zweite Kammer des Bayerischen Landtags ein Gesetz, das den Juden die volle Gleichberechtigung gewährte. Die bayerische Presse und Öffentlichkeit reagierten mit heftigem Widerstand, eine ,spontane, aufrichtige’ Petitionskampagne mit breitem Rückhalt in der Bevölkerung entwickelte sich ... (Es kamen) in nur drei Monaten Eingaben aus über 1.700 bayerischen Gemeinden zusammen – das entspricht ungefähr einem Viertel der Gemeinden –, nach vorsichtigen Schätzungen unterschrieben zehn bis zwanzig Prozent aller erwachsenen männlichen Bürger Bayerns ... Viele Eingaben betonten die unabänderliche Fremdheit der Juden und bedienten sich der stets wiederkehrenden Phrase ,Juden bleiben Juden’ ... Dreißig Jahre später hielten die Deutschen auch außerhalb Bayerns diese Volksbewegung für weitsichtig und politisch klug. 1880 kam es zu einer reichsweiten Kampagne mit dem Ziel, Juden ihre bürgerlichen Rechte wieder abzuerkennen; 265.000 Unterschriften wurden gesammelt, der Reichstag debattierte zwei Tage lang.“ ...

Resolution an die Bundesregierung

einstimmig verabschiedet bei der Jahreshauptversammlung der IG Medien München im März 1999:

Wir verlangen von der Bundesregierung, den ersten kleinen Schritt in Richtung „Gleiche Rechte für alle, die hier leben!“ zu gehen und die Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 in Punkt IX/7 „Integration“ zum Gesetz zu machen. Die Koalitionsvereinbarung lautet in diesem Punkt (Auszug):

„Im Zentrum unserer Integrationspolitik wird die Schaffung eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts stehen. Dabei sind insbesondere zwei Erleichterungen umzusetzen:

  • Kinder ausländischer Eltern erhalten mit Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil bereits hier geboren wurde oder als Minderjähriger bis zum 14. Lebensjahr nach Deutschland eingereist ist und über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt.
  • Unter den Voraussetzungen von Unterhaltsfähigkeit und Straflosigkeit erhalten einen Einbürgerungsanspruch
  • Ausländerinnen und Ausländer mit achtjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt
  • minderjährige Ausländerinnen und Ausländer, von denen wenigstens ein Elternteil zumindest über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügt und die seit fünf Jahren mit diesem Elternteil in familiärer Gemeinschaft in Deutschland leben
  • ausländische Ehegatten Deutscher nach dreijährigem rechtmäßigem Inlandsaufenthalt, wenn die eheliche Lebensgerneinschaft seit mindestens zwei Jahren besteht. In beiden Fallen ist der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit abhängig.“

Gegen die staatsbürgerliche Ausgrenzung von nahezu einem Drittel seiner Mitgliedschaft bezieht der Deutsche Gewerkschaftsbund folgende Position:

„Zu einer demokratischen Gesellschaft gehört die Integration der bei uns lebenden Ausländerinnen und Ausländer. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist die staatsbürgerliche Gleichstellung der Zugewanderten. Die doppelte Staatsbürgerschaft muß ermöglicht werden.“ (Aus dem DBG-Grundsatzprogramm) Das mindeste, was eine SPD/Grünen Regierung dafür tun kann, ist, der CDU/CSU Kampagne keinen MilIimeter nachzugeben und bei dem zu bleiben, was sie selbst in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben hat. Insbesondere lehnen wir die Einführung einer Schein-Staatsbürgerschaft wie das sog. „Optionsmodell“ ab, weil es nicht die Gleichberechtigung unserer Kolleginnen und Kollegen anderer Nationalität fördert, sondern das ungleiche Recht weiter zementiert.

Wir stellen fest,

– daß namhafte Juristen, wie der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Dr. Klaus Hahnzog, die Auffassung vertreten, daß so ein Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf,

– daß die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in ihrem Gutachten vom 24. Feb. 1999 ebenfalls zu dem Ergebnis kommen, daß die Kernpunkte des Gesetzes nicht der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, sondern allenfalls die ausführenden Bestimmungen (Gebührenordnung usw.), die sich in einem eigenen Gesetz zusammenfassen ließen.

Begründung

Aus der Argumentation des DGB-Grundsatz-Programms ergibt sich, daß es eben nicht nur Sache der Kolleginnen und Kollegen anderer Nationalität (bzw. der Ausländer­-Ausschüsse) sein muß, diese Forderung durchzusetzen, sondern das Anliegen der gesamten Mitgliedschaft im Streben

1.) nach einer demokratischen Gesellschaft

2.) die Schwächung unserer Gesamtorganisation durch die politische Rechtlosigkeit eines Drittels unserer Mitgliedschaft zu überwinden.

Wenn in einer zugespitzten Situation wie derzeit in der Frage des Staatsangehörigkeitsrechts nicht die konkrete Umsetzung der gewerkschaftlichen Forderung verteidigt wird, bedeutet dies die Aufgabe der Position selbst.

Klaus Dittrich, stellvertretender Vorsitzender des DGB Bayern, führte auf einer Pressekonferenz am 12.2.99 in München u.a. aus:

„Für Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften ist es seit Jahren selbstverständlich, daß allen Beschäftigten – egal welcher Nationalität – die täglich ihre Pflicht erfüllen, daraus auch Rechte entstehen - nämlich Betriebs- oder Personalräte sowie gewerkschaftliche Vertrauensleute zu wählen und selbst dafür zu kandidieren ... Dies soll nunmehr auch auf die staatliche Ebene übertragen werden, um das Staatsbürgerschaftsrecht deckungsgleich zu machen mit den gesellschaftlichen und politischen Realitäten in der Bundesrepublik ... Wir hoffen sehr, daß nach der Wahl in Hessen die Bundesregierung am Kern ihres Gesetzentwurfes festhält und ihren Weg mutig weiterbeschreitet.“...

Die IG Medien München rief zu der Demonstration am 13. März auf und schreibt u.a.:

„Beim Re­gierungs-Ge­setz­ent­wurf zur erleichterten Einbürgerung geht es lediglich darum, das immer noch geltende ,Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz’ von 1913 mit seinem ,blutrechtlichen’ Herangehen endlich wenigstens in einigen Bereichen zu durchbrechen und der Gegenwart anzupassen. Es ist noch nicht einmal geplant, es vollends aufzuheben und damit als längst fälliges Prinzip für Staatsbürgerschaft nicht das ,Blut’ sondern den Lebensmittelpunkt zu erheben. Um so erschreckender ist es, daß die Kampagne der CDU/CSU die Regierungsparteien dazu zu treiben scheint, auch die wenigen geplanten Verbesserungen noch einzuschränken... Wir setzen uns ein für gleiche Rechte für alle, die hier leben: ,Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich.’ (Grund­ge­­setz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 3/1)“

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