Vor 50 Jahren, am 30. April 1975, hissten Kämpfer der vietnamesischen Befreiungsarmee die Flagge der Befreiungsfront auf dem Präsidentenpalast in Saigon. Das Unglaubliche war geschehen: Das arme vietnamesische Volk hat die größte kapitalistische Militärmacht der Welt besiegt.
Aus Anlass dieses Jahrestages drucken wir das folgende Referat über die Geschichte dieses Kampfes ab, welches im Sommer 2024 im Rahmen des Sommercamps der Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung gehalten worden ist.
Die Kunde von der Revolution der russischen Arbeiter und Bauern 1917 drang nach und nach in jeden Winkel der Erde vor. Sie kam auch nach Vietnam, diesem armen Bauernland in Südostasien, das unter der Unterdrückung der einheimischen Gutsbesitzer und der französischen Kolonialherrschaft ächzte. Die vietnamesischen Bauern hatten viele Jahrhunderte Kampferfahrung gegen fremde Eindringlinge und eigene Unterdrücker. Sie hatten sich in dieser feudalen Ordnung auch Reformen erkämpfen können, doch sie konnten keine neue Ordnung aufbauen. Immer wieder entstanden reiche Gutsbesitzer und arme Bauern.
Mit dem 19. Jahrhundert begann die Kolonialisierung durch das ferne Frankreich.
Zunächst kamen die Missionare, dann die billigen Waren, die die Existenz der Bauern, aber auch des alten Adels ruinierte. Der Reichtum des Landes musste, wollten sie überleben, an die Fremden verkauft werden. Wollten sie das nicht, kamen die schweren Geschütze, die Kanonenboote und Feuerwaffen zum Einsatz. Drei Jahrzehnte dauerte der Kolonialkrieg, bis die Bauern sich geschlagen geben mussten und die Großgrundbesitzer ihr Heil in der Versöhnung mit dem Räuber sahen. In den Verträgen von Huê (August 1884) wurde Vietnam Frankreich zugeschrieben. Nun hatten die Bauern zwei Blutsauger, zwei Steuereintreiber im Nacken, den einheimischen und den aus Paris. Konnten sich die Bauern vorher noch bescheiden von ihrem Land ernähren, so verloren sie nun ihr Land. Hunger, Tod, Seuchen und Verrohung kehrten ins Land, Opium und Schnaps ersetzten den täglichen Reis. Obwohl von diesem nun sehr viel mehr produziert wurde als vorher, wurde er als billiges Nahrungsmittel ins Mutterland exportiert. So konnten die Herren der Fabriken auch die Arbeitskraft im Mutterland verbilligen.
Es waren Auswanderer, die die Kunde von der russischen Revolution und dem Aufbau einer neuen Ordnung nach Vietnam brachten, Emigranten wie Nguyen Tat Thanh, den später die Welt nach vielen anderen Pseudonymen unter dem Namen Ho Chi Minh kannte, gefürchtet von den Ausbeutern, geachtet von den Ausgebeuteten.
Ho Chi Minh stammte aus einer armen Gelehrtenfamilie, die in einer sehr aufrührerischen Provinz lebte (Nge Tinh). Er hasste die Kolonialmacht und wollte wie viele damals einfach die Unabhängigkeit Vietnams. Zwanzigjährig heuerte er 1912 bei einem französischen Touristenschiff als Küchenhelfer an, kam nach Frankreich und England, schlug sich dort mit Hilfsarbeiten durch, war kurz in New York und kehrte 1917 wieder nach Frankreich zurück. Er lernte dort ein ganz anderes Frankreich kennen, als es das vietnamesische Volk ertragen musste, das Frankreich der Arbeiter. Er erkennt, dass diese und sein Volk den gleichen Feind haben, gemeinsam kämpfen müssen. Er wird Mitglied in der Sozialistischen Partei, muss aber auch dort gegen die Gleichgültigkeit den kolonialisierten Völkern gegenüber ankämpfen oder gar gegen die Meinung, diese müssten zivilisiert werden. Er fordert: „Die Arbeiter des Mutterlandes müssen erfahren, was eine Kolonie wirklich ist; sie müssen mit den Bedingungen bekannt gemacht werden, die dort vor sich gehen, mit den Leiden, die ihre Brüder, die Proletarier in den Kolonien, erdulden müssen und die tausendmal akuter sind als die eigenen.“ Er prangert die Spaltung an, die überwunden werden muss: „Die französischen Arbeiter schauen auf den Eingeborenen herab als auf ein minderwertiges und unbedeutendes menschliches Wesen, das unfähig ist zu begreifen und noch unfähiger, irgendwelche Aktionen in die Wege zu leiten. Und für die Eingeborenen sind alle Franzosen verruchte Ausbeuter. Der Imperialismus und Kapitalismus lassen es sich nicht entgehen, dieses gegenseitige Misstrauen auszunutzen.“[2] Nach eigenen Aussagen verstand Ho Chi Minh wenig von den heftigen Diskussionen innerhalb der Sozialistischen Partei Frankreichs, ob man sich nun der Dritten Internationale anschließen oder in der Zweiten bleiben sollte. Er wollte v.a. das wissen, was nicht erörtert wurde: Welche Internationale steht auf der Seite der Kolonialländer! Ein Genosse gab ihm dann Lenins Thesen zur nationalen und kolonialen Frage zu lesen, die in der L´Humanité veröffentlicht worden sind. „Ab diesem Zeitpunkt“, so Ho Chi Minh später, „hatte ich volles Vertrauen zu Lenin“ und damit zur Dritten Internationale. Und so wurde Ho Chi Minh Mitbegründer der Kommunistischen Partei Frankreichs. 1923 ging er nach Moskau, arbeitete in der Komintern mit, studierte und lernte. Und überall kämpfte er gegen die Ignoranz von Genossen gegenüber den Völkern in den Kolonien. Wie wichtig der gemeinsame Kampf ist, erklärte er mit dem Bild eines Kraken: „Der Kolonialismus ist ein Krake, der sich mit einem Fangarm am Proletariat des ‚Mutterlandes‘ und mit einem anderen am Proletariat der Kolonien festgesaugt hat. Um ihn zu töten, muss man beide Arme abhacken. Hackt man nur einen ab, so wird der andere nach wie vor das Blut des Proletariats saugen, der Krake wird am Leben bleiben, und der abgehackte Fangarm wird nachwachsen.“[3] 1924 ging Ho Chi Minh nach Kanton, wo sich viele vietnamesische Revolutionäre im Exil aufhielten. Er machte sich daran, eine revolutionäre, vietnamesische Organisation aufzubauen. Zusammen mit wenigen anderen Genossen gründete er die „Vereinigung der revolutionären Jugend Vietnams“, die eine kleine, vervielfältigte Zeitung herausgab, Agitationsmittel unter den Bauern und Arbeitern in Vietnam und Kern der aufzubauenden Kommunistischen Partei Vietnams.
Denn die Kolonialherren hatten mit ihren Reis-, Kaffee- und Gummiplantagen, Minen, Fabriken und Eisenbahnen auch die vietnamesische Arbeiterklasse hervorgebracht, noch bevor überhaupt eine schwache vietnamesische Bourgeoisie entstand. Diese Arbeiter begannen gegen die gnadenlose Ausbeutung und das unfreie, elende Leben, das die Kolonialherren ihnen zudachten, aufzubegehren, stets von Kerker und Tod bedroht. 1924 und 1925 fanden erste große Streiks statt. Bei letzterem wurden auch zwei Kriegsschiffe in Saigon bestreikt, die gegen das chinesische Volk auslaufen sollten. 1928 entstehen die ersten Gewerkschaften. 1930 gründete Ho Chi Minh schließlich mit wenigen Genossen während eines Fußballspiels auf den hinteren Rängen des Stadions in Hongkong die Kommunistische Partei.
Die Kolonialmacht hatte dazu beigetragen, dass das Rückgrat des Kampfes des vietnamesischen Volkes entstand. Sie hatte eine Macht geschaffen, die in der Lage war, mit dem Kampf um die eigene Befreiung auch den Kampf der Bauern um Land und Demokratie, den Kampf des ganzen Volkes um Unabhängigkeit anzuführen.
Dem Kampf der Arbeiter und anderen Werktätigen folgen Ende 1930 Bauernerhebungen im ganzen Land unter der Losung: Das Land denjenigen, die es bebauen. Die Kolonialmacht lässt am Boden und aus der Luft auf Demonstranten schießen, was den Aufstand nur anfacht. In den ersten Provinzen entstehen Ende 1930 Arbeiter- und Bauernräte. In diesen ersten befreiten Gebieten mit ca. 100.000 Menschen wird das Land verteilt, Schulden annuliert, die Organe der Volksmacht, die Xo-viets (in Anlehnung an die Sowjets der russischen Arbeiter) geschaffen, Selbstverteidigungseinheiten gebildet. Es wurde gefährlich für die Imperialisten und entsprechend reagierten sie. In einem blutigen Krieg wurden die Xo-viets niedergeschlagen. Noch war die Gegenwehr zu wenig gerüstet, noch gab es keine politische Massenarmee, die das ganze Volk umfasste. Doch diese Räte zeigten dem Volk, zeigten der Welt, dass es wie in Russland möglich ist, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen.
Es folgten fünf Jahre grausamster Unterdrückung (1931-1935). Es wurde geköpft, erschossen, eingesperrt, wer diese Unterdrückung auch nur Unterdrückung nannte.
Doch nicht nur in Vietnam, auch anderswo marschiert die finsterste Reaktion. In Deutschland und Japan machte sich die Monopolbourgeoisie mit Hilfe des Faschismus daran, die Welt zu ihren Gunsten neu aufzuteilen. Die Arbeiterklasse weltweit und ihre kommunistischen Parteien begannen, sich gegen Faschismus und Krieg zu rüsten. Ho Chi Minh war als Vertreter der KP Indochinas Teilnehmer des 7. Weltkongresses der Komintern. Er und seine Genossen verstanden sehr gut die Linie, möglichst breite Schichten des werktätigen Volkes wie auch bürgerlicher Kräfte im Kampf gegen den Faschismus zusammenzuschließen und begannen, sie umzusetzen. Die Partei mobilisierte für einen breiten Kampf um demokratische Rechte und Freiheiten und für bessere Lebensbedingungen. Das vietnamesische Volk unterstützte so auch die französischen Genossen, die 1936 eine Volksfrontregierung erkämpften. Dies hatte wiederum Auswirkungen auf die Verhältnisse in der französischen Kolonie. In dieser Zeit (1936 bis 1939) der Demokratischen Front Indochinas gelingt es, etwas mehr Demokratie zu erkämpfen. Kommunisten und andere Kämpfer konnten die Gefängnisse verlassen und sich wieder am Kampf beteiligen. Im Süden Vietnams herrschte Rede- und Versammlungsfreiheit, Kommunisten konnten teilweise legal auftreten, wurden im Süden wie im Norden in den Verwaltungsrat bzw. in die Volksdelegiertenversammlung gewählt. Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhungen, einen Ruhetag pro Woche und ähnliche Rechte wurden durchgesetzt. Arbeiter- und Gewerkschaftsdelegationen aus Frankreich wurden eingeladen, damit sie sich selbst ein Bild machen und den Lügen der Kolonialherren etwas entgegensetzen konnten. Untersuchungskommissionen wurden gebildet zur Aufklärung der Verbrechen des französischen Imperialismus in Indochina.
Doch die Volksfrontregierung in Frankreich zerbrach, rechte Sozialdemokraten konnten sich durchsetzen. Ein Teil der französischen Bourgeoisie paktierte lieber mit Hitler, als mit den gefährlichen Arbeitern. Damit verlor auch das vietnamesische Volk 1939 seine demokratischen Rechte. Am 22.9.1940 besetzten die japanischen Faschisten Vietnam.
Es sollte Aufmarschgebiet gegen das ebenfalls um seine Befreiung kämpfende chinesische Volk und ganz Indochina werden. Doch die so kurze Zeit des Mehr an Demokratie hatten die Genossen genutzt, um sich mit noch breiteren Volksschichten zu vereinen und damit bessere Bedingungen für den weiteren Kampf zu schaffen. Im März 1941 konnte so die weltweit berühmt werdende „Liga für die Unabhängigkeit Vietnams“, kurz Viet Minh gegründet werden, in der sich Arbeiter, Bauern, Beamte, schaffende Intelligenz und national gesinnte Teile des sehr schmächtigen vietnamesischen Bürgertums, etwa 50 Parteien und Organisationen, zusammenschließen, um als Teil des weltweiten Kampfes gegen den Faschismus den Kampf um Befreiung zu führen. Das war auch die Zeit, in der Ho Chi Minh nach 30 Jahren Erfahrungen mit den Kämpfen in den verschiedensten Ländern – die sozialistische Sowjetunion, imperialistische und davon abhängige Staaten, Halbkolonien und Kolonien – wieder nach Vietnam zurückkehrt.
Nach der Gründung der Viet Minh ergreifen Aufstände das ganze Land. Bereits 1943 können bewaffnete Propaganda-Einheiten in Teilen des Norden Vietnams ungehindert agieren. 1944 entsteht die erste befreite Zone Viet Bac im Hochland, im ganzen Land werden Guerilla-Stützpunkte gebildet. Als im März 1945 die japanischen Besatzungstruppen das Erbe des französischen Imperialismus ganz übernehmen wollen, schwillt der Widerstand im ganzen Land an. Die Versammlung der Volksvertreter beschließt am 16. August 1945 den allgemeinen Aufstand. In weniger als 10 Tagen befreit das vietnamesische Volk sein Land vom äußersten Norden bis zum äußersten Süden vom japanischen Faschismus und damit gleich auch zu großen Teilen von der Kolonialmacht. Hanoi wird am 19.8.1945 befreit. 87 Jahre offene Kolonialherrschaft in Vietnam gehen zu Ende als Ho Chi Minh am 2.9. die Unabhängigkeit Vietnams und die Gründung der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) verkündet. Kurz darauf erhielt das Volk seine erste revolutionäre Verfassung: 8-Stunden-Tag, Herabsetzung der Pacht um 25%, Enteignung der Ländereien der Kolonialisten und einheimischen Verräter und Verteilung an die Bauern, die Bildungsnot wird angegangen. Das vietnamesische Volk hatte als Teil des weltweiten Kampfes dazu beigetragen, den Faschismus zu besiegen. Die Völker hatten in diesem Kampf aber Bedingungen geschaffen, die über den antifaschistischen Kampf weit hinausgingen und zur ernsthaften Gefährdung der Bourgeoisie weltweit wurden. Ein Drittel der Menschheit hatte sich befreit, überall in den Kolonien gärte es.
Die Antihitlerkoalition war schnell Geschichte. Auf der Tagesordnung stand nun für die Imperialisten, den Kommunismus niederzuringen.
Zurück nach Vietnam. Frankreich muss die DRV anerkennen, doch kann es noch seine Truppen im Süden belassen. Dafür müssen die Truppen Tschiang Kaisheks im Norden Vietnam verlassen. Ho Chi Minh und seine Genossen schaffen so etwas Zeit, um noch bessere Bedingungen für den weiteren Kampf aufzubauen.
Obwohl die Vertreter des französischen Imperialismus noch im September 1946 ein zweites Mal die Anerkennung Vietnams wiederholen, beginnen französische Truppen kurz darauf mit der Rückeroberung des Landes. Die Herrschaften meinten, es ginge schnell, die Volksmacht zu zerstören. Doch alleine um Hanoi mussten sie 2 Monate kämpfen. Die vietnamesische Regierung zieht sich nach Viet Bac im Hochland zurück. Es gelingt den französischen Truppen nicht, sie zu stürzen. Sie haben schließlich nicht nur eine Regierung, sondern ein ganzes Volk gegen sich. In den okkupierten Gebieten setzen sie den alten Kaiser Bao Dai wieder ein (März 1949). Doch dieser Kaiser hat keinerlei Unterstützung im Volk. Diese muss von außerhalb kommen. Erste Kriegsschiffe der US-Armee laufen in Saigon ein (März 1950), die von riesigen Protestdemonstrationen empfangen werden. Und mitten in diesem nächsten Krieg verkündet die Regierung Ho Chi Minh das Gesetz über die Bodenreform und führt sie durch. Das Land denen, die es bebauen wird Wirklichkeit. In nur 6 Jahren (1946 bis 1952) sank die Analphabeten-Rate in der DRV von vormals 95% auf 15%.
In Dien Bien Phu sollte die Entscheidungsschlacht erfolgen, noch angeführt von französischen Generälen doch weitgehend bereits durch den US-Imperialismus finanziert. Die Volksarmee sollte vernichtet werden. Vor allem aber sollte auch der weltweite Vormarsch des Sozialismus verhindert werden. Doch es kam ganz anders. Im November wurde Dien Bien Phu von der französischen Armee besetzt. Im Januar beginnen die Volkstreitkräfte diese angeblich uneinnehmbare Festung zu umkreisen. Nach 55 Tagen erbitterter Kämpfe siegt die vietnamesische Volksarmee, die französische Armee muss sich ergeben. Das kleine „zerlumpte“ Vietnam mit seinem General Giap, der den ganzen Vietnamkrieg über Oberbefehlshaber sein wird, siegt gegen das reiche, doch so vornehme Frankreich. Was für eine Freude, was für ein Ansporn für die Unterdrückten weltweit, v.a. aber in den Kolonien! Der Spiegel schreibt dazu später: „In der ganzen Welt löst der Fall von Dien Bien Phu allgemeine Bestürzung aus: Das Abendland hat eine schwere Niederlage erlitten, die zugleich ein Fanal ist für den Untergang der Kolonialreiche …“[4] Mit diesem Sieg im Rücken beginnt die Indochina-Konferenz im April 1954. Die geschlagenen französischen und US-amerikanischen Imperialisten sitzen ihren Siegern gegenüber, den Vertretern des vietnamesischen Volkes, den Vertretern aus Laos und Kampuchea und den Vertretern aus der Sowjetunion und der Volksrepublik China. Es wird festgelegt:
– Wiederherstellung des Friedens in Indochina
– Endgültiges Ende der fast genau 100-jährigen französischen Kolonialherrschaft
– Nationale Unabhängigkeit für die Völker Vietnams, Laos und Kampuchea
– Respektierung des Selbstbestimmungsrechts, der Souveränität und territorialen Integrität dieser Länder
– Freie Wahlen
– Laos und Kampuchea erhielten 1954 ihre Souveränität, in ganz Vietnam sollten 1956 Wahlen durchgeführt werden, bis dahin bleibt es geteilt.
Das vietnamesische Volk hat viel erreicht. Die ausländischen Besatzer waren besiegt, die Großgrundbesitzer in weiten Teilen vertrieben, ebenso die ausländischen Kapitalisten.
Doch es konnte noch nicht das ganze Land befreien, es blieb provisorisch geteilt (am 17. Breitengrad). Im Süden musste noch nachgeholt werden, was im Norden bereits durchgesetzt: eine national-demokratische Revolution des Volkes.
Im Norden wurde aufgebaut, die zerrüttete Wirtschaft wieder in Gang gebracht, die Monopole der Besatzer enteignet, die Bodenreform zu Ende gebracht. Genossenschaften der Bauern und Handwerker wurden gebildet, Staatsgüter hochgezogen in denen den Bauern der Vorteil der landwirtschaftlichen Großproduktion aufgezeigt werden konnte. Ein starker Sektor einer staatlichen Industrie entstand, die Elektrifizierung wurde weiter vorangetrieben, die Kinder in die Schulen geschickt.
Es gab viele Schwierigkeiten zu überwinden. Doch den Herren Kapitalisten weltweit, nun unter der hegemonialen Führung des US-Imperialismus, war diese Entwicklung ein Graus. Der Aufbau weiterer, ihrem Zugriff entzogener sozialistischer oder volksdemokratischer Staaten musste aus ihrer Sicht verhindert werden. Die DRV sollte in die Steinzeit zurück gebombt werden.
Wie schon erwähnt, hat der US-Imperialismus schon seit 1950 die französische Kolonialmacht und ihren Krieg gegen das vietnamesische Volk finanziell unterstützt. Die US-amerikanische Regierung unterzeichnete auch das Indochina-Abkommen nicht, sondern verpflichtete sich in einer gesonderten Erklärung lediglich, seine Verwirklichung nicht zu behindern. Sie taten aber nichts, um es zu verwirklichen. Die Franzosen waren abgezogen, doch die gesamtnationalen Wahlen wurden in keinerlei Weise vorbereitet. Ganz im Gegenteil: Statt des von Frankreichs Gnaden abhängigen Kaisers Bao Dai wurde nun 1955 eine US-amerikanische Marionette namens Diem als Staatspräsident in Südvietnam eingesetzt. Dieser ließ sofort die Grenze zu Nordvietnam schließen, erklärte Südvietnam zum selbstständigen Staat. Riesige Stützpunkte des US-Militärs wurden bewilligt. Der US-amerikanische Präsident Eisenhower ließ erklären, dass die Diem-Regierung die einzig legitime Regierung in Südvietnam sei. Diese war vor allem eines: antikommunistisch. Den Bauern wurde ihr Land wieder genommen und wieder in die Hände der alten Großgrundbesitzer gelegt. Die Diem-Regierung erließ ein Gesetz, nachdem ohne Gerichtsverfahren eingesperrt und verschleppt werden konnte, welches später noch verschärft wurde: jeder von der Polizei oder dem Militär Festgenommene konnte sofort verurteilt und hingerichtet werden. Bis 1960 werden fast 100.000 Vietnamesen ermordet, 300.000 eingekerkert. Le Monde schrieb am 6.4.1961: „Das Regime, das da in Südvietnam die Sache der Freiheit und des Westens vertritt oder zu vertreten vorgibt, ist ohne Frage faschistisch …“.
Diese „Sache der Freiheit“ wurde übrigens selbstverständlich auch von der westdeutschen Bundesregierung unterstützt. Bereits im Krieg der Franzosen nach 1945 kämpften massenweise deutsche Söldner in Vietnam, mindestens 40.000 fielen dabei, wie eine DDR-Zeitschrift 1951 meldete. Nun brachte 1963 der Spiegel[5] folgende kurze Nachricht: „Die Bundesrepublik gewährt der Regierung Südvietnams Militärhilfe. Der römisch-katholische Staatspräsident Ngo Dinh Diem bekam von Westdeutschland 15 Millionen Mark mit denen der Bau ,strategischer Dörfer’ zur Abwehr kommunistischere Guerilla-Übergriffe im Landesinneren finanziert werden soll“. Es ist nur ein Beispiel westdeutscher Beteiligung am Vietnamkrieg. Es wurden schließlich viele Milliarden DM, mit denen der deutsche Imperialismus den US-Imperialismus in seinem Krieg gegen das vietnamesische Volk unterstützte.
Das Volk im Süden Vietnams kämpfte um seine Errungenschaften. Überall kommt es zu Aktionen, um das Diem-Regime zur Einhaltung des Genfer-Abkommens zu zwingen, um demokratische Rechte, eine Hebung des Lebensstandards und den Schutz des Lebens und des Eigentums des Volkes durchzusetzen. Der Kampf wird im Blut, in Kerkern erstickt. Doch das Volk unter Führung der Viet Ming gab nicht auf. Ziel war nun: Sturz des Diem-Regimes, Befreiung des Südens. Es begann eine Welle von Kettenaufständen Anfang 1960, die Massen erheben sich, greifen die Truppen Diems an, bilden Volksstreitkräfte. Erste Gebiete konnten befreit werden. Es wird die Nationale Front zur Befreiung Südvietnams, FNL, Ende 1960 gegründet. Wieder kämpfen Arbeiter, Beamte, Intelligenz, nationales Bürgertum gemeinsam. Die vereinzelten Kämpfe werden nun landesweit koordiniert, Kampfziele sind: Nationale Unabhängigkeit vom US-Imperialismus, Sturz des Diem-Regimes, Errichtung der Volksmacht und schließlich die Wiedervereinigung des Landes. Nun wollten die US-Generäle, wie vordem die französischen, das Volk in kurzer Zeit niederringen. Die Mittel: Leitung der Diem-Armee durch US-Militärs, modernste amerikanische Waffen, Ausrottung der Guerilla, Terror gegen die Zivilbevölkerung, die Basis der Kämpfer, Deportationen der Landbevölkerung in die bereits erwähnten Strategischen Dörfer, Errichtung KZ-ähnlicher Lager, Vernichtung ganzer Landstriche und Errichtung von Feuer-Frei-Zonen, in denen auf alles geschossen werden durfte.
Doch mit der kurzen Zeit wurde es wieder nichts, das vietnamesische Volk, die Viet Minh-Kämpfer, Vietcong von den Herren aus Washington und überhaupt im „Freien Westen“ genannt, hatten bis Ende 1961 zwei Drittel des Landes befreit, bis 1963 sind die meisten der strategischen Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Das Land wird wieder an die Bauern verteilt, die Pacht herabgesetzt, für medizinische und kulturelle Entwicklung gesorgt. US-Militär und der Diem-Armee werden schwere Verluste zugefügt, 100.000 Soldaten der Diem-Armee schließen sich dem kämpfenden Volk an. Waffen aller Art werden erbeutet.
Diem hat im Sinne seiner Auftraggeber versagt, er wurde 1963 ermordet. Ein Diktator nach dem anderen folgte, keiner konnte seine Auftraggeber zufriedenstellen. Das kleine Vietnam musste große Opfer hinnehmen, doch es hat vor den Augen der Welt, einen weiteren Sieg, diesmal über die größte Militärmacht der kapitalistischen Welt, davongetragen.
Diem musste weg, nicht nur, weil er die Viet Minh nicht besiegen konnte, sondern weil er sämtliche Volksschichten gegen sich aufgebracht hatte. Durch die Welt ging das Bild von dem buddhistischem Mönch Thich Quang, der sich aus Protest gegen die Verfolgung auch der Buddhisten öffentlich verbrannte. Jede Basis für eine scheinlegale Regierung war verspielt und konnte auch nicht hergestellt werden.
Der US-Imperialismus stand vor der Wahl sich zurückzuziehen oder offen zu intervenieren.
Er entschied sich für letzteres. Dazu wurde der Zwischenfall von Tonking im August 1964 inszeniert. Amerikanische Torpedobootzerstörer drangen in den Golf von Tonking im Norden Vietnams ein, wo sie absolut nichts zu suchen hatten. Sie wurden mit einem gewissen Druck von Seiten des vietnamesischen Küstenschutzes wieder hinausmanövriert. Zwei Tage später wurde die Nachricht verbreitet, zwei amerikanische Zerstörer seien von nordvietnamesischen Schiffen angegriffen worden – eine schlichte Lüge, wie später bekannt wurde. Kurz darauf wurde mit der hochoffiziellen Bombardierung Nordvietnams begonnen und der Kongress erlaubte dem Präsidenten Johnson, in ganz Südostasien bewaffnete Gewalt anzuwenden. Die Vertreter des US-Imperialismus spekulierten darauf, dass Ho Chi Minh und seine Regierung sich ergeben würden. Ein führender Intellektueller der Johnson-Regierung erklärte bereits im Februar 1964: „Ho Chi Minh hat jetzt eine Industrie zu beschützen. Er ist nicht länger Guerilla-Kämpfer, der nichts zu verlieren hat“. Doch die Antwort Ho Chi Minhs auf die Bombardierung Nordvietnams war eine ganz andere. In einer Rede vor dem Nationalkongress erklärte er:
„Der amerikanische Präsident Johnson droht, er werde unser Land gewaltsam in die Knie zwingen. Doch das ist eine törichte Illusion. Unser Volk wird sich nicht unterwerfen lassen. … Wir lieben den Frieden, aber wir fürchten den Krieg nicht. Wir sind bereit, die amerikanischen Eindringlinge zu verjagen, um die Freiheit, Unabhängigkeit und territoriale Integrität unseres Vaterlandes zu verteidigen. … Vietnam ist ein Land, das Volk Vietnams ist ein Volk. Niemand darf es wagen, diese Grundforderungen unseres Volkes anzutasten. Die amerikanischen Imperialisten müssen sich aus Südvietnam zurückziehen und ihre Angriffe gegen Nordvietnam sofort einstellen. Das ist der einzige Weg, das vietnamesische Problem zu lösen, die Erfüllung des Genfer Abkommens von 1954 zu sichern und den Frieden in Indochina und Südostasien zu gewährleisten. Eine andere Lösung gibt es nicht. Dies ist die Antwort unseres Volkes und unserer Regierung an die amerikanischen Imperialisten.
Wir leben in einer unendlich bedeutenden geschichtlichen Epoche. Unser Land hat die Ehre, ein Vorposten des sozialistischen Lagers und des Kampfes der Völker der Welt gegen Imperialismus, Kolonialismus und Neokolonialismus zu sein. Wir kämpfen und leiden für die Freiheit und Unabhängigkeit der übrigen Völker und für den Frieden auf der Welt. Damit erfüllen wir eine schwere und zugleich ehrenhafte Aufgabe. …
Ich rufe unsere Landsleute und Kämpfer auf:
Verstärkt euren revolutionären Heroismus, verdoppelt eure Wachsamkeit und eure Kampfbereitschaft. Greift die Losung ‚Einer soll für zwei arbeiten!‘ auf; überwindet alle Schwierigkeiten; setzt euch ein für den Aufbau und die Verteidigung des sozialistischen Nordvietnams; unterstützt den Kampf unserer Landsleute im Süden mit aller Kraft!“[6]
Und so geschah es. Unterstützt von den sozialistischen Staaten, v.a. der Sowjetunion und der Volksrepublik China und einer zunehmenden weltweiten Solidaritätsbewegung, wurde dem barbarischen Krieg der USA mit ihren Bomben, deren Anzahl bis zum Ende das Vierfache aller Bomben im 2. Weltkrieg ausmachten, getrotzt, mit dem Einfallsreichtum und der Entschlossenheit eines ganzen, seit Jahrzehnten um seine Befreiung und seine dabei erzielten Errungenschaften kämpfenden Volkes. Zerstörte Fabriken wurden wieder und wieder aufgebaut, andere unter der Erde errichtet. Zerstörte Schulen wurden ins Hinterland verlegt und die Lehrer nachgeschickt. Unzählige kleine Bunker unter der Erde wurden erschaffen, in die sich die Bewohner Hanois bei Bombardierungen zurückzogen, um danach sofort wieder aufzutauchen. Waffen, ja ganze Panzer wurden in Nacht und Nebelaktionen zerlegt und in Einzelteilen über den Ho Chi Minh Pfad im Dschungel in den Süden gebracht.
Um das zu unterbinden, um die Kämpfer im Dschungel sichtbar zu machen, versprühte nun die US-Militärmacht tonnenweise Entlaubungsmittel, v.a. Agent Orange mit dessen hoch giftigem Bestandteil Dioxin (72.000.000l alleine in Südvietnam, die Angaben über die Menge Dioxin schwanken zwischen 140 und 500 kg; 2 kg hatten in Seveso bei einem Giftgasunfall in einer italienischen Chemiefabrik 1976 genügt, um eine ganz Region zu verseuchen. Doch auch andere Kampfstoffe wie z.B. Napalm wurden eingesetzt.
An dieser Stelle ein weiterer Ausflug nach Westdeutschland: die Chemiekonzerne Bayer, Hoechst, BASF, Böhringer profitierten direkt oder auf Umwegen an der chemischen Verwüstung Vietnams. Böhringer und Bayer verkauften der Doc Chemical Grundstoffe für die Entlaubungsmittel. Ein Böhringer Mann notierte 1967: „Solange der Vietnam-Krieg andauert sind keine Absatzschwierigkeiten zu erwarten“. Mitglied in der Geschäftsleitung Böhringers war damals übrigens ein Herr Richard von Weizäcker, von 1984 bis 1994 Präsident der BRD, der später dazu meinte, er wisse von nichts. BASF und Dow Chemical gründeten in Texas eine gemeinsame Tochtergesellschaft, die Hauptlieferantin des Napalms war. Bilder von damit verbrannten Kindern gingen um die Welt. Und die Londoner Zeitschrift Eastern World berichtete im Juli/ August 1966: „Außerdem wurde kürzlich dem USA-Büro für chemische und bakteriologische Planung in Saigon eine Gruppe westdeutscher Chemiker und Bakteriologen beigegeben, obwohl sie offiziell als Angehörige des westdeutschen Lazarettschiffes für Südvietnam geführt werden.“ So sah die humanitäre Hilfe Westdeutschlands aus.
Im Süden hatte nun zunehmend US-Militär die Truppen des neuen Statthalters General Ky übernommen – der Adolf Hitler als sein einziges Vorbild benannte. Ende 1967 sind es schließlich 480.000 GI´s, die in Vietnam den Krieg gegen das vietnamesische Volk führen.
Doch auf den Stützpunkten des US-Militärs werden Flugzeuge zerstört und so den Angreifern gezeigt, dass sie nicht einmal dort sicher sind. Die Menschen kämpfen mit Massendemonstrationen in den verschiedenen Städten Südvietnams, weitere Luftstützpunkte werden überrannt. 1965 beginnt eine Offensive der FNL, bei der über 100.000 Vietnamesen aus Strategischen Dörfern befreit werden und US-Truppen ihre erste schwere Niederlage in der Schlacht von TanTuong hinnehmen mussten. 1966 beginnt eine Großoffensive im Mekong-Delta. Niemals schafften es die US-Militärs, das Land zu beherrschen. Immer gab es befreite Gebiete, in denen sofort mit dem Aufbau der neuen Ordnung begonnen wurde. Anfang 1968 beginnt dann die Tet-Offenive in ganz Südvietnam. Bis hinein ins Zentrum der feindlichen Macht in Saigon stoßen die Viet Minh-Kämpfer vor. Die US-Botschaft, der Präsidentenpalast, die Rundfunkstation, Hauptquartiere der Armee und der Zentralpolizei wurden angegriffen. 50.000 feindliche Soldaten, 1500 Flugzeuge und Hubschrauber wurden im Verlauf dieser Offensive außer Kraft gesetzt. Die größte Militärmacht der Welt ist fassungslos und reagiert, wie schon zuvor die Verantwortlichen des französischen Imperialismus, mit noch schlimmerer Barbarei – mit Massenmorden in Dörfern und Städten als Rache für die Tet-Offensive. Bilder davon schreckten die Welt auf und schürten die Empörung. Die Solidaritätsbewegung in den USA, in Frankreich, in Westdeutschland … wurde immer größer. Die US-Regierung sieht sich zu Verhandlungen mit der vietnamesischen Regierung in Paris (Pariser Konferenz) gezwungen und schließlich, kurz vor Wahlen in den USA, auf Druck der Öffentlichkeit zur vollständigen Einstellung der Bombardierungen Nordvietnams. (Nov. 1968) Die FNL schafft es im nächsten Jahr, mitten im Krieg, eine landesweite Konferenz einzuberufen, auf der die Provisorische Revolutionäre Regierung der Republik Südvietnam gewählt wird. In der Folge konnte in den meisten südvietnamesischen Dörfern, Städten und Provinzen Volkskomitees gewählt werden. „Uns gehört unser Land“, war die Botschaft an die US-Militärmacht, an die Welt.
In diesem Jahr stirbt Ho Chi Minh, der große Führer des vietnamesischen Volkes, der Vorkämpfer der Weltrevolution, geliebt und hochgeachtet nicht nur in Vietnam. Er konnte die völlige Befreiung nicht mehr erleben. Doch seine Genossen, die Vietminh-Kämpfer und ihr Oberbefehlshaber Giap, das vietnamesische Volk setzten sein Werk fort.
Um die drohende Niederlage zu verhindern weitet der neue US-amerikanische Präsident Nixon den Krieg auf ganz Indochina aus. Laos, Kampuchea, Vietnam – ein riesiger Kriegsschauplatz. Doch die Völker stellten sich gemeinsam dagegen. Im April 1970 beschließen die Führer von Nord- und Südvietnam, Laos und Kampuchea ihren Kampf noch enger zu koordinieren, Schulter an Schulter zu kämpfen, um ihre Länder endgültig zu befreien.
45.000 Soldaten der US-Elitetruppen dringen im Februar 1971 in Laos ein, unterstützt von 2.000 Flugzeugen und Hubschraubern der Luftwaffe. Im darauffolgenden März waren sie von den Volksmassen und Streitkräften in Laos geschlagen, ihre Reste verließen fluchtartig das Land.
Ähnlich in Kampuchea. 70.000 US-Soldaten und Söldnertruppen aus Südvietnam fielen in das Land ein, begleitet von den Bomben der Luftwaffe. In nur wenigen Wochen konnten die Volksstreitkräfte 7/8 des Landes befreien. Grundbesitzer, Kompradoren aller Art fliehen unter die Fittiche der US-Militärmacht.
In Südvietnam sollten nun wieder Vietnamesen gegen Vietnamesen kämpfen. Denn Präsident Nixon hatte vor der Wahl versprochen „our boys“ heimzuholen. Keiner mehr wollte in diesen Krieg, von dessen demoralisierenden Grauen die vielen Kriegsveteranen Zeugnis ablegten und gegen ihn protestierten. Nun sollten Söldnertruppen die unvermeidliche Niederlage der größten Militärmacht verhindern, unterstützt von der US-Luftwaffe und Marine, vollgepumpt mit Waffen und Dollars aus den USA. Um den Krieg endlich zu beenden, schlug die Außenministerin der Provisorischen Revolutionären Regierung Südvietnams, Nguyen Thi Binh, 1971 in Paris vor, bei völligem Rückzug der US-Truppen und Absetzung der faschistischen Marionettenregierung nun unter Thieu (seit 1967) eine Regierung der Einheit in Südvietnam zu bilden, die allgemeine Wahlen in Südvietnam vorbereitet. Doch Nixon und die hinter ihm stehenden Herrschaften wollten keinen Frieden. Sie wollten kein unabhängiges, befreites Vietnam. Auf eine erneute Offensive der Volksstreitkräfte (1972) hin, die von den Marionettentruppen in keiner Weise aufgehalten werden konnte und zur Folge hatte, dass ganze Einheiten auf die Seite der Viet Minh überliefen, wurden wieder starke Luftwaffeneinheiten nach Vietnam verlegt und der Norden erneut bombardiert. An Weihnachten 1972 erlebte Nordvietnam die stärksten Bombardements überhaupt. Zusätzlich wurde versucht, die Häfen durch Minen zu blockieren, um jeglichen Nachschub abzuschneiden.
Doch es hilft alles nichts mehr. Der Kampf des Volkes und eine riesige Protestwelle in der ganzen Welt, vor allem auch im imperialistischen Mutterland, den USA, zwingt die amerikanische Regierung 1973 schließlich, die Bombardierungen einzustellen und das Pariser Abkommen zu unterzeichnen. Die wichtigsten Bestimmungen waren:
– die Beendigung des Krieges
– Rückzug des gesamten US-amerikanischen Militärs aus Vietnam
– Anerkennung der Souveränität und territorialen Integrität Vietnams, Laos und Kampucheas
– Waffenstillstand in Südvietnam zwischen FNL und dem Saigoner Regime auf der Grundlage der Gebiete, die sie real beherrschen
– Herstellung der demokratischen Rechte des Volkes in den von letzterem kontrollierten Gebieten, Entlassung der Gefangenen
Aus Vertretern der Provisorischen Revolutionären Regierung Südvietnams und des Saigoner Regimes wird eine Übergangsregierung gebildet, die freie Wahlen in ganz Vietnam vorbereitet.
Doch auch um die Durchsetzung dieses Abkommens musste das vietnamesische Volk noch kämpfen. Thieu hatte erklärt, dass der Waffenstillstand keineswegs das Ende des Krieges bedeutet und verbot die Veröffentlichung des Textes. Im Hintergrund wurde er von den USA unterstützt. Die US-Truppen verlassen zwar offiziell Ende März 1973 Vietnam. Doch zurück bleiben in Zivilkleider gesteckte Militärberater und das gesamte Waffenarsenal, nun befehligt durch Thieu. Seine Truppen versuchen, befreite Gebiete zurück zu erobern und die Bevölkerung durch einen Wiederaufbau zu locken, der darin bestand, möglichst viel ausländisches Kapital ins Land zu holen und ansonsten aus dem Rest möglichst viel rauszuholen. 50% der heimischen Betriebe werden so in einem Jahr ruiniert, der Reispreis steigt um das Vierfache, die Menschen hungern. Das Volk reagiert mit Streiks und Demonstrationen, fordert den Sturz von Thieu und die Erfüllung des Pariser Abkommens. Thieu und seine Hintermänner wollen nicht hören. Daraufhin wird jeder Angriff Thieus mit einem Gegenschlag der FNL beantwortet.
Im Dezember 1974 beginnt die letzte große Befreiungsoffensive. Provinz um Provinz, Stadt um Stadt werden befreit. Nach 35 Jahren offenem Krieg gegen die imperialistischen Staaten Japan, Frankreich und die USA und ihre Helfer in Westdeutschland, und über 100 Jahren ausländischer Besatzung soll Vietnam endlich befreit werden. Am 30. April 1975 morgens flüchtet der US-Botschafter aus seiner Residenz, das Sternenbanner unterm Arm und um 11.30 Uhr hisst die Befreiungsarmee die Flagge der Befreiungsfront auf dem Präsidentenpalast. Ein Jahr später finden die gesamtvietnamesischen Wahlen statt, Vietnam ist wieder vereint.
Das arme „zerlumpte“ vietnamesische Volk hat gezeigt, dass man im Kampf um Unabhängigkeit und Befreiung die stärkste imperialistische Macht schlagen kann.
Es schaffte so den Ausgebeuteten und Unterdrückten weltweit mehr Luft zum Atmen und mehr Rückenfreiheit zum Kämpfen.
Bis 1975 erlangten die meisten Kolonien ihre Unabhängigkeit.
Gretl Aden
1 Vietnamesischer Schriftsteller, Mitglied der KP Vietnams und Zeit seines Lebens in vielen politischen Funktionen tätig (geb: 4.10.1920, gest: 9.12.2002)
2 Ho Chi Minh, Selected Works, Hanoi 1961, Bd. 1, S. 12 f; zit. nach: Sondernummer der Kommunistischen Arbeiterzeitung „Das sozialistische Vietnam“, Januar 1982
3 Ho Chi Minh, Die russische Revolution und die Kolonialvölker, 21.3.1924, in: Reden und Schriften, Leipzig 1980, S. 37-41
4 Spiegel Nr. 50, 1964; zit. nach ebd.
5 Spiegel Nr. 30, 1963
6 Ho Chi Minh „Gegen die amerikanische Aggression“ Trikont Verlag München 1968, S. 56ff; zit. nach ebd.
Dieses Bild ging um die Welt: Die 17-jährige Genossenschaftsbäuerin Nguyen Thi Kim Lai nimmt einen baumlangen US-Soldaten gefangen. „Als man mir das Bild zeigte, wunderte ich mich, wie groß der Pilot war und wie klein ich daneben“, sagte sie Jahre später in einem Interview.