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Die Maut zahlen wir:

Satelliten zum Schießen

Ist der Standort Deutschland jetzt am Ende? Ist die deutsche Hochtechnologie nun vor dem Aus? Nichts davon! Was unter dem so genannten Maut-Debakel läuft, ist vor allem eine Schmierenkomödie, bei der die Steuerzahler vorgeführt werden. Und die eine überraschende militärische Option offenbart.

Das vorläufige Scheitern der Verhandlungen zwischen Regierung und den Toll Collect Konsorten im Februar ließ - wer hätte das gedacht – die Aktien von DaimlerChrysler und Telekom steigen. Das ließ darauf schließen, dass sich die Shareholder noch mehr versprechen. Keine Rede also von Debakel - trotz 3 Milliarden Mautausfall und einer Milliarde Entwicklungskosten bisher.

Am 1.3. kam die plötzliche Einigung der deutschen Konsorten DaimlerChrysler (45 Prozent) und Telekom (45 Prozent) un­ter Einbeziehung von Siemens, bei der Stolpe nur eine Nebenrolle spielte (Hans Wurst?). Sie folgte nur wenige Tage nach einer wichtigen anderen Entscheidung. Der Streit zwischen dem US­- Satellitensystem GPS (Global Positioning System) und dem europäischen System Galileo war beigelegt worden, vorerst zumindest. Die Frequenzen der beiden Konkurrenten wurden auseinander gelegt. Auch um Marktabsprachen ging es wohl, denn China und Indien zeigen Interesse an Galileo.Und es wurde hoch und heilig versprochen, sich im Kriegsfall nicht ge­genseitig zu stören. Denn beide Systeme sind militärisch nutzbar; GPS wurde von vornherein für Kriegszwecke entwickelt und für die zivile Nutzung ungenauer ge­macht.

Kapitalistisches Tollhaus

Toll Collect sollte sich angeblich auf GPS stützen. Das wurde der Öffentlich­keit als Teil der Komödie vorgespielt. Das manager magazin zitiert einen Experten:

„Wenn die Satelliten-Maut nicht klappt, dann wird Galileo ein wichtiger Kunde wegbrechen. Allein schon aus diesem Grund dürfte auch die Bundesregierung ein Interesse daran haben, dass nicht ein Mikrowellensystem wie in Österreich, son­dern ein satellitengestütztes System in Deutschland bei der Maut funktioniert.“ (mm 24.2.04, Online-Ausgabe)

Der Eiertanz Stolpes ist so zu erklären, dass das deutsche Monopolkapital erst die Abmachungen mit dem US-Imperialismus abwarten wollte und immer schon auf Galileo gesetzt hatte. Denn die Milliarden­investitionen rentie­ren sich z.B. für die DaimlerChrysler­Tochter EADS mit ihrer Ariane-Rakete nur, wenn das deut­sche Mautsystem dabei ist. Bis 2008 sollen 30 Satelliten in den Himmel ge­hängt werden, um eine ähnliche globa­le Überwachung zu ermöglichen wie GPS. Und das mit größerer Genauig­keit als beim ameri­anischen Konkur­renzsystem.

Europa global? Militärpolitische Erwä­gungen spielen bei Galileo eine große Rol­le. Das Institut für Friedensforschung an der Universität Hamburg (IFSH) hebt in einer Studie unter dem Stichpunkt „Ein­satzszenarien europäischer Streitkräfte“ hervor, wie bedeutend Galileo sei für den Fall von EU-Militäreinsätzen „gegen das Interesse der USA“.

Zum Einen soll nicht der gesamte eu­ropäische Verkehr von den US-Satelliten abhängig sein. Der ADAC warnte seine Daimler-Fahrer während des Irak-Krieges, sich nicht auf die GPS-basierten Naviga­ti­ons­daten zu verlassen – die US-Imperia­listen hatten ihr System umcodiert. Aber global muss Galileo fuktionieren, wenn deutsche Kampfjets an allen Plätzen der Erde geleitet werden sollen. So sehen es die Verteidigungspolitischen Richtlinien Strucks vor.

Mikrowelle als Konkurrenz?

Die Anbieter aus der Schweiz und Ös­terreich werden hochgelobt wegen ihres funktionierenden Mautsystems, das nicht Satelliten gestützt ist. Aber nun ist zu be­ greifen, was diese unter „überfrachtet“ verstehen, wenn sie Toll Collect verrei­ßen. Verschiedene Techniken und Nutz­anwendungen – mi­litärische und zivile zugleich – sind im Projekt Satelliten­maut enthalten. Und die einen dürfen der deutschen Öffent­lichkeit, die anderen den US-Militärs und Industriestrategen nicht allzu deutlich werden. Auch daher rühren die Eiertänze Stolpes.

Technologie: Toll Collect wollte eine Satellitenortung, die dem Lkw-Bordgerät (On Board Unit - Siemens) jederzeit den Autobahnstandort übermittelt. Per Mobil­funk sollte zugleich die Gebühr an die Einzugszentrale automatisch weitergege­ben werden. Andere Systeme wie in Ös­terreich, Italien oder der Schweiz basie­ren auf der Mikrowellentechnologie und benötigen Erfassungsbrücken für 12.000 Kilometer Mautstrecken jeweils an Auto­bahnabfahrten. Hier werden die Signa­le über ein einfaches an der Frontschei­be befestigtes Gerät übertragen.

Es sieht so aus, dass die militärische Option mit der zivilen Maut finanziert werden soll. Damit sich aber Daimler­Chrysler als weltweit größter LKW-Produ­zent nicht selbst schadet, ist jetzt schon klar: die LKW-Maut wird mit 12 Cent/km nur ein Drittel der Schweizer Maut betra­gen. Nicht nur das zeigt, wer bei uns die Macht hat, wie die Monopole die Regie­rung im Griff haben. Auch dies: Rüstungs­projekte werden hier zu Lande auch vom Verkehrsminister finanziert.

Vorhang.

krn

Aus „Auf Draht“ eine Zeitung die vor Münchner Betrieben verteilt wird. Herausgeber: DKP München und
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