Als nach wie vor untragbar empfindet der Vorstand der GEW-Regensburg den alljährlich vom bayerischen Kultusministerium veranstalteten Wettbewerb „Die Deutschen und Ihre östlichen Nachbarn“. Dessen Slogan „Grenzen überwinden“ können unsere östlichen Nachbarn nur als bedrohlich empfinden.
Zwar trägt der Wettbewerb nicht mehr so deutlich wie früher die Handschrift von Vertriebenenfunktionären, auch der frühere Leitbegriff der „Volksgruppen“, die allüberall im Osten unterdrückt würden, ist durch den weniger belasteten Begriff der Bevölkerungsgruppe ersetzt. Dennoch, und trotz der angeblichen Zielsetzung, die „Grenzen im Kopf“ eines jeden Einzelnen überwinden zu wollen, schürt er weiterhin Ressentiments gegen unsere östlichen Nachbarn, vermittelt er ein einseitiges Geschichtsbild und stellt die osteuropäische Staatenwelt zur Disposition.
Sie erscheinen in den Wettbewerbstexten als mehr oder minder widernatürliche Gebilde: „Viel bedeutsamer“ als Staatsgrenzen, schreibt Frau Hohlmeier im Vorwort, seien „andere ,Grenzen’, etwa wirtschaftliche, sprachliche, ethnische und kulturelle Trennlinien“. Solche durch die osteuropäischen Staaten hindurchgehenden Trennlinien nachzuvollziehen ist eine der Wettbewerbsaufgaben der Schüler. Der von der damaligen Bundesregierung geförderte Zerfall eines in diesem Sinne widernatürlichen, heterogenen und unhistorischen Staates, dem es an „innerer Übereinstimmung“ fehlte, nämlich Jugoslawiens, zeigt, was damit gemeint sein kann. Auf der Heterogenität Jugoslawiens reitet der Wettbewerb denn auch ausgiebig herum. Dabei versäumt er es auch nicht, auf ehemals deutsch besiedelte Gebiete hinzuweisen und auf die Vertreibung der deutschen Bevölkerung von dort. Auch die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Polen wird behandelt, die gleichermaßen Hitler und Stalin und dann den westlichen Siegermächten zugeschrieben wird. Natürlich gibt es nur die deutschen Bezeichnungen der Städte in den ehemaligen Ostgebieten des Reiches, und nach der deutschen Bezeichnung einer Stadt am Unterlauf der Oder, wo eine „historische Landschaft“ von der „Oder-Neiße-Grenze durchschnitten“ werde, wird ausdrücklich so gefragt.
Was die historischen Auseinandersetzungen angeht, die der Schüler als Ursache für solche Unerträglichkeiten sucht, so bietet ihm der Text zwar die polnischen Teilungen an, deren Urheber er aber hinter der Formel „aggressive Nachbarn“ verbirgt, außerdem den „dritten Aufstand“, in dem „Polen gewaltsam den Anschluss von ganz Oberschlesien an den polnischen Staat erreichen“ wollten, schließlich die Teilung Oberschlesiens durch den Völkerbund. Nichts erfährt der Teilnehmer über den deutschen Überfall auf Polen, die Vertreibung der polnischen Bevölkerung aus den annektierten Gebieten, die Liquidierung der polnischen Intellektuellen, den verbrecherischen „Generalplan Ost“, die Massenvernichtung der europäischen Juden auf polnischem Gebiet. Der Schüler muss sich auch nicht kundig machen, denn danach ist nicht gefragt.
Eine krasse Unverschämtheit ist das Begleitmaterial, das dem Wettbewerbsteilnehmer in die Hand gedrückt wird: Eine Wandzeitung der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit zeigt Polen nach dem Wiener Kongress, also nach den Teilungen Polens: als winziges Gebietchen ohne eigene Souveränität. Dann sieht er Polen mit den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die „heute“ nicht mehr erkennbar sind: Polen ist fett geworden auf Kosten Deutschlands, muss der Unkundige denken. Fotos zeigen das Leid, das Deutschen angetan wurde; der Zweite Weltkrieg kommt auch hier nicht vor.
So trägt der Wettbewerb nicht dazu bei, Grenzen im Kopf zu überwinden; er richtet sie auf. Es ist nicht anzunehmen, dass das so vermittelte Geschichtsbild von irgendeinem Bewohner osteuropäischer Staaten akzeptiert werden könnte. Die Begegnung etwa eines polnischen und eines so indoktrinierten deutschen Schülers dürfte dann im Unfrieden enden, sollten die beiden auf Politik zu sprechen kommen. – Die GEW ruft alle Lehrerinnen und Lehrer dazu auf, die Teilnahme an dem Wettbewerb zu verweigern, die darin enthaltene politische Orientierung aber zum Gegenstand des Unterrichts zu machen.
Presseerklärung, verantwortlich:
Wolfgang Friedl, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Kreisverband Regensburg, Richard-Wagner-Straße 5.93055 Regensburg. Tel+Fax 0941/793695, GEWBezOpf@aol.com
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