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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Wohnen, Miete, Eigentum (Teil I)

In den letzten Jahren haben sich die Auseinandersetzungen um das Thema Wohnen/Miete verschärft. Der klarste Ausdruck davon waren die Demonstrationen Anfang April 2019 in neunzehn Städten, an denen mehrere 10.000 Menschen teilgenommen haben. Allein in Berlin waren es zum Thema „Mietenwahnsinn stoppen!“ 40.000. In weiteren europäischen Städten fanden zeitgleich ebenfalls Demonstrationen zum Thema statt. In der breiteren Öffentlichkeit am bekanntesten ist sicherlich das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“, das immerhin über 77.000 Menschen in Berlin unterschrieben haben.

Wir wollen im Folgenden einen kurzen Überblick zur Entwicklung des Wohnungsmarktes und der bürgerlichen Wohnungspolitik im Zeitraum von 1945-2015 geben. Dann wollen wir die gegenwärtige Situation des Wohnungsmarktes beschreiben: welche Auswirkungen haben ausufernde Privatisierungen, die Liberalisierung des Wohnungsmarktes, die zunehmende Spekulation und Renditemaximierung? Wie sehen die bürgerlichen Lösungsvorschläge in den 2000-2020er Jahren aus? Außerdem gehen wir kurz auf die prekäre Situation von Obdachlosen und Geflüchteten ein.

Im zweiten Teil soll auf die Ursachen der Wohnungsnot unter besonderer Berücksichtigung des Eigentums an Grund und Boden, der Konzerne und Lobbyverbände auf dem Wohnungsmarkt eingegangen werden und wie sich die Immobilien- und Finanzkrise 2008 auf den hiesigen Wohnungsmarkt auswirkte. Ferner: Welche Aufgaben in den heutigen Kämpfen und welche Perspektiven ergeben sich daraus?

Ausgangslage

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren auf dem Gebiet der Westzonen (der späteren BRD) „von 10,6 Mio. Wohnungen ... 2,3 Mio. (entsprechen 21 %) völlig zerstört, weitere 2,3 Mio. schwer beschädigt. Die Versorgungslage war desaströs: So standen 14,6 Millionen Haushalten nur 9,4 Millionen Wohnungen zur Verfügung (...) In der Regel teilten sich fünf Personen eine Wohnung. Jedem Bewohner standen damit nur ca. 15 qm zur Verfügung.“[1]

In den 50er Jahren wurde entsprechend der Nachkriegssituation viel stärker regulierend eingewirkt als das in späteren Jahren oder auch heute noch der Fall ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die „Wohltaten“ des Adenauer-Regimes in den 1950er und 60er Jahren den aggressiven Kurs nach Innen (KPD-Verbot 1956 und die vorausgehende Unterdrückung des demokratisch-antifaschistischen und antimilitaristischen Kampfs) und nach Außen (Revanchismus, Aufrüstung, NATO-Beitritt) zu flankieren und abzusichern hatten.

In der DDR, die wir in Teil 1 nur kurz ansprechen, waren die Themen Wohnungs- und Städtebau Teil des sozialistischen Aufbaus, der gemäß dem Plan erfolgte. Von den Kriegszerstörungen massiv betroffen, trug die DDR beinahe die ganze Last der Reparationen für die von Großdeutschland angerichteten Verwüstungen in der Sowjetunion und den anderen Ländern Osteuropas. Dennoch: Die Mieten wurden von Beginn an auf einem bestimmten niedrigen, bezahlbaren Niveau gehalten. Eine entsprechende staatliche Kommission kümmerte sich um die Verteilung und Zuweisung der Wohnungen. Hier überließ man die wichtige Frage der Wohnungspolitik nicht dem freien Markt, sondern sie wurde durch Planwirtschaft gesteuert. Die DDR selbst und ihre Wohnungspolitik wirkten bis 1989 mäßigend auch auf die Mieten in der BRD. Mit der Einverleibung der DDR wurden dann die Schleusen geöffnet; es sollte „Normalität“ auf dem Wohnungsmarkt einkehren.Wir betrachten im Folgenden nur die Wohnungspolitik in der kapitalistischen BRD.

Beginn 1950er Jahre und ff.

Der akute Mangel an Wohnraum und der Zustrom von Flüchtlingen zwangen die junge BRD zur aktiven Förderung des Wohnungsbaus. 1950 wurde das Erste Wohnungsbaugesetz verabschiedet. Es sah die Vergabe von unverzinsten Baudarlehen bei 30-35-jährigen Tilgungsfristen vor. Als Bedingung durften die Wohnungen für die Laufzeit der Darlehen nur an Haushalte vermietet werden, die bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten. Es galt eine sogenannte Richtsatzmiete (zusammengesetzt aus variablen Zinsen, Betriebskosten und staatlich festgelegten Instandhaltungspauschalen), die später als Kostenmiete weitergeführt wurde. (Diese Art der Förderung des Wohnungsbaus mit öffentlichen Mitteln bezeichnet man als ‚ersten Förderungsweg‘). Die Förderung von Wohneigentum, bzw. die dadurch erfolgende Aufnahme von Krediten, hat den durchaus gewollten Nebeneffekt, einen Teil der Werktätigen an das kapitalistische System zu binden. Mögliche Entlassungen und daraus resultierende Lohnausfälle, die damit drohende Pfändung und Vertreibung aus dem Eigentum verbunden mit Gesichtsverlust und gesellschaftlichem Abstieg führen häufig zu Leisetreterei im Betrieb und schwächen die Bereitschaft zum Streik.

Im März 1950 startete der DGB unter Hans Böcklers Leitung ein Wohnungsbauprogramm, das als Beginn des systematischen sozialen Wohnungsbaus in der BRD gilt. Dabei wurden mit Geldern des Marshallplans 10.000 Flüchtlingswohnungen in Schleswig Holstein gebaut (Stichwort ERP-(Sonder-)Programm). Die Gewerkschaft konnte dabei auf bereits in den 20er und 30er Jahren gemachte Erfahrungen im Wohnungsbau zurückgreifen. (Stichwort DEWOG-Bewegung und GEHAG[2]) Bis Ende der 50er Jahre finanzierte der Bund den Bau von insgesamt 3,3 Mio. Wohnungen.[3] 1956, just im Jahr des KPD-Verbots und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, wurde das Zweite Wohnungsbaugesetz erlassen: „(1) Dieses Gesetz regelt die Förderung des Wohnungsbaus und anderer Maßnahmen zur Unterstützung von Haushalten bei der Versorgung mit Mietwohnraum, einschließlich genossenschaftlich genutzten Wohnraums, und bei der Bildung von selbst genutztem Wohneigentum (soziale Wohnraumförderung). (2) Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind.“ (§ 1 II. WoBauG)

Das Gesetz war auf ärmere Schichten der Bevölkerung ausgerichtet, benannte aber gleichzeitig die Förderung von Wohneigentum als Ziel. Es regelte die Finanzierung durch ‚Objektförderung‘ d.h. ‚Investition in Steine’; zum einen die Wohneigentumsförderung (steuermindernde Investitionen privater Bauherren) und als zweites den sozialen Wohnungsbau (Investitionshilfen an Investoren über günstige Kredite). Die bürgerliche Politik hoffte, dass durch den Eigenheim-Neubau Wohnungen für schlechter gestellte Mieter frei werden würden (quasi ein Durchsickern), was nicht eintrat, ebensowenig erreichte die Eigenheimförderung die unteren Schichten. Eher kam es dazu, dass die besser gestellten Mittelschichten Förderungen kassierten. (Das Gesetz wurde im September 2001 durch das Gesetz zur Reform des Wohnungsbaurechts abgelöst, Teil davon ist das Wohnraumförderungsgesetz – WoFG)

Da die Politik in den frühen 60er Jahren davon ausging, die Wohnungsnot beseitigt zu haben, zog sich der Staat zunehmend aus dem Wohnungsmarkt zurück. Allerdings wuchs die Bevölkerung zwischen 1960 und 1969 um 9,4%. Das Abbaugesetz von 1960 beendete die öffentliche Wohnraumbewirtschaftung und deregulierte den privaten Wohnungsmarkt. Wegen steigender Mieten wurde im Jahr 1965 – als sich die erste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit bereits abzeichnete – mit dem Wohngeld ein neues Steuerungselement eingeführt (Subjektförderung). Das Haushaltseinkommen, die Anzahl der Mitglieder, die tatsächliche Miethöhe und die lokalen Mietpreise bestimmten die Summe des Wohngeldes. Es stellt aber indirekt auch eine Subventionierung der Vermieter dar. So gingen die Mietsteigerungen weiter, weswegen 1971 das Wohnraumkündigungsschutzgesetz eingeführt wurde, das leichte Verbesserung für den Mieter brachte. Bereits 1975 – in der BRD wurde gerade die Zahl von 1 Million Erwerbslose erreicht – musste dieses verschärft werden und Mietsteigerungen sollten anhand eines Mietspiegels, der die „ortsüblichen Vergleichsmiete“ festlegt, abgeschwächt werden.

Mit einem Steuerreformgesetz von 1988 hatte die Kohl-Regierung die Wohnungsgemeinnützigkeit zum 1.1.1990 – die DDR stand vor dem Anschluss – aufgehoben. „Gemeinnützig bedeutete seinerzeit, dass sich die Wohnungsunternehmen verpflichteten, alle ihre Wohnungen auf Dauer zu beschränkten Preisen zu vermieten, die auszuschüttende Rendite auf vier Prozent zu begrenzen und das Firmenvermögen nur für den Wohnungsbau einzusetzen. Dafür waren sie von der Körperschafts-, Gewerbe- und Vermögenssteuer, in einigen Bundesländern auch von der Grunderwerbssteuer befreit.“[4]

Wegen dem Auftreten der geburtenstarken Jahrgänge am Wohnungsmarkt, zunehmenden Single-Haushalten und starker Zuwanderung aus Ost-/Südosteuropa war die Nachfrage nach Wohnraum hoch geblieben. Die Kohlregierung reagierte mit verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten für Mietwohnungen, höherer Förderung von Wohneigentum und dem teilweisen Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau.

„Es war spätestens seit den frühen 1990er Jahren offensichtlich, dass die Subventionen, die seit der Ära Adenauer geflossen waren, das eigentlich gesetzte Ziel, sehr viel mehr Deutsche zu Eigenheimbesitzern zu machen, nicht erreicht hatten. (...) 1996 erreichten die Subventionen für die Wohneigentumsförderung den absoluten Höchststand; in diesem Jahr nahmen Bund, Länder und Gemeinden alleine aufgrund der Abzugsfähigkeit der Erstellungskosten von Wohneigentum insgesamt 12,8 Milliarden Euro weniger an Steuern ein. “[5] Mit dem Eigenheimzulagegesetz von 1996 wurde die Förderung auf ein ‚Zulagenmodell‘ umgestellt, d.h. es wurde nicht mehr über Steuerabzug, sondern über zu beantragende Zulagen gefördert. Nach misslungenen Versuchen der Schröder-Regierung wurde das Eigenheimzulagegesetz schließlich 2006 von der Großen Koalition abgeschafft. Die Merkel-Regierung beschloss ebenfalls 2006 mit der Föderalismus-Reform die Neufassung des Grundgesetzartikels 74 Abs.1, wodurch die soziale Wohnbauförderung an die Bundesländer überging; im Februar 2019 wurde dies wieder teilweise revidiert.

Ab Ende der 90er Jahre – die sozial-grüne Schröder/Fischer-(Hartz-)Regierung amtierte von 1998 bis 2005 – begannen viele Städte, aber auch der Bund und die Länder, große Teile ihres Wohnungsbestandes zu verkaufen. Es „ ... verkauften Kommunen oder Wohnungsunternehmen mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung im Zeitraum von 1999 bis Mitte 2011 insgesamt rund 379.000 Wohnungen im Rahmen von großen Transaktionen. Bezogen auf insgesamt ca. 2,8 Mio. kommunale Wohnungen entspricht dies einer Verkaufsquote von ca.14%.“[6] Weitere 532.000 Wohneinheiten wurden vom Bund und einzelnen Ländern verkauft. Damit erschienen erstmals internationale Finanzinvestoren auf dem deutschen Mietwohnungsmarkt. Die größten Transaktionen tätigte der Berliner SPD-PDS-Senat 2004 mit dem Verkauf der GSW an Cerberus und Goldman Sachs, sowie Dresden 2006 mit dem Verkauf der WOBA an Fortress. Unter dem Berliner Finanzsenator Sarrazin wechselte die GSW mit ihren 65.700 Wohnungen für schlappe 405 Millionen Euro zusätzlich der Schuldenlast von 1,56 Milliarden Euro den Besitzer. Eine vom Senat auferlegte Selbstverpflichtung, die sozial- und wohnungspolitischen Grundsätze der GSW weiterzuführen, auf eine Aufteilung der Wohnungen und Luxussanierungen zu verzichten und ein 10-jähriges Weiterverkaufsverbot, hielt nicht lange an: „Das Verbot der Weiterveräußerung der Investorenanteile hob das Abgeordnetenhaus 2010 mit den Stimmen von SPD, Linken und FDP auf. Wesentlicher Strippenzieher dieser Entscheidung war der damalige SPD- Fraktionsvorsitzende und heutige Bürgermeister Michael Müller, der 2004 die Privatisierung der GSW als ‚politisches Projekt‘ feierte. Der Weg zum Börsengang war frei.“[7]

Im Jahr 2015 konnte der Mietenvolksentscheid Berlin in einem Volksbegehren mit 40.214 gültigen Stimmen einen Volksentscheid über das Berliner Wohnraumversorgungsgesetz durchsetzen, der zurückgenommen wurde, nachdem der Senat und das Abgeordnetenhaus ein entsprechendes ‚Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin (Berliner Wohnraumversorgungsgesetz – WoVG Bln)‘ beschlossen haben:

– Mieten im privaten und öffentlichen Wohnungsbau dürfen nicht mehr als 30% des Nettoeinkommens betragen

– die landeseigenen Wohnungen müssen bei Neuvermietungen mindestens 55% der Wohnungen an WBS[8]-Berechtigte vermieten

– jede fünfte Wohnung muss an Obdachlose oder Flüchtlinge abgegeben werden

– Zwangsräumungen in landeseigenen Wohnungsunternehmen werden verboten

– in innerstädtischen Wohnlagen sollen Sozialwohnungen gekauft werden.[9]

Im selben Jahr beschloss die Große Koalition ein Mietrechtsnovellierungsgesetz umgangssprachlich als Mietpreisbremse bezeichnet. Die §§ 556d ff. BGB erlauben es den Bundesländern bei Neuvermietung von Bestandswohnungen die Miethöhe per Verordnung zu begrenzen. Bei Neuvermietung darf die Miete höchstens 10% über der Vergleichsmiete liegen. „Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.“[10]

Die sechs Jahrzehnte Wohnungspolitik in der BRD zeigen einen zweifelhaften Erfolg. In den 1950/60ern wurden über Jahre hinweg jährlich 600.000 neue Wohnungen gebaut, davon rund 60% privat finanziert. Nach dem Höhepunkt in den siebziger Jahren gingen die Neubauzahlen zurück. Heinz J. Bontrup hat für die nachlassende Bautätigkeit seit Mitte der 90er Jahre folgende Zahlen: „Wurden von 1991 bis 1999 jahresdurchschnittlich noch 495.500 Wohnungen fertig und 540.700 Wohnungsbauten genehmigt, so waren es in den Jahren 2000 bis 2009 nur noch 262.200 Wohnungen und 250.200 Genehmigungen. (...) In der Zeit von 2010 bis 2017 ging die durchschnittliche Zahl der fertiggestellten Wohnungen dann noch einmal auf 226.700 zurück, während die Zahl der genehmigten Wohnungen auf 281.400 stieg.“[11] Und das Statische Bundesamt ermittelte 2019 folgende Zahlen: „Durchschnittlich bewohnten rund 2,1 Personen eine Wohnung. 46% aller bewohnten Wohnungen wurden vom Eigentümer selbst bewohnt. Bruttokaltmiete im Mittel bei 6,72 Euro je m². Rund 17% der Haushalte verwendeten mehr als 40% ihres monatlich verfügbaren Einkommens für Mietkosten. 13% aller Personen fühlten sich im Jahr 2017 durch Wohnkosten stark belastet. Wohngeldausgaben in Höhe von 1,1 Milliarden Euro, die sich auf 592.043 Wohngeldhaushalte verteilten.“[12] Die Mietbelastung nimmt zu, nach einer Studie der Humboldt-Universität Berlin müssen rund 40% der privaten Haushalte in deutschen Großstädten mehr als 30% ihres Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete ausgeben. Das sind rund 5,6 Mio. Haushalte mit 8,6 Mio. Menschen, etwa 1 Mio. davon kommt sogar auf eine Belastung von 50%. In der BRD steht dem gegenüber eine der niedrigsten Wohneigentümerquoten in Europa, die nur noch von der Schweiz unterboten wird; die Eigenheimförderung hatte in dieser Hinsicht also keine große Wirkung. Man muss sich eher fragen ob die offen staatlichen Subventionen und die verschleierten Zuschüsse (wie z.B. Abschreibungen und Werbungskosten für Zinsen) nicht in die Finanzierung von Luxus-, Zweit- und Drittwohnungen und in die Konten der Banken und Bausparkassen, der Immobilienfonds, der Makler und Bauunternehmen usw. flossen.

Aber auch der soziale Wohnungsbau „hat weder zu preiswerten Sozialmieten, noch zu dauerhaft mietpreisgebundenen Beständen geführt. Die von den Wohnungsunternehmen kalkulierte Kostenmiete erforderte immer höhere Fördersummen, so dass mit immer mehr öffentlichen Mitteln immer weniger Sozialwohnungen mit immer kürzeren Bindungsfristen gebaut wurden.“[13] Wenn dann die Sozialwohnungen, sobald sie aus der Belegungsbindung herausgefallen sind, an internationale Finanzinvestoren verhökert werden, kann man dies einer Enteignung gleich setzen.

Zur aktuellen Situation

Aktuelles vom Statistischen Bundesamt aus dem Jahr 2019: Im bundesweiten Schnitt gilt: wer ab 2015 eine neue Mietwohnung bezogen hat, der muss gegenüber alten Verträgen eine um 12% höhere Miete zahlen. In Bayern, Ba-Wü und Hamburg sind die Nettokaltmieten überdurchschnittlich hoch. In Berlin müssen ab 2015 im Schnitt 9,10 pro qm gezahlt werden, während der Durchschnitt der Berliner Mieten bei 7,40 Euro liegt. Die Angebotsmieten haben sich in Berlin von 2008 bis 2018 verdoppelt.

In Deutschlands Großstädten wird zu wenig gebaut. Laut einer Studie „Die Zukunft der Regionen in Deutschland 2019 (von Hüther, Südekum, Voigtländer)“ des Institut der Deutschen Wirtschaft, werden in den sieben größten Städten demnach nur 71% der benötigten Wohnungen gebaut. Schlechtester Wert in Köln (46%), Stuttgart (56%), München (67%) und Berlin (73%). Die Bauwirtschaft sei seit Jahren überlastet. In Berlin ist die Zahl der Projekte, für die Genehmigungen vorliegen, die aber noch nicht fertiggestellt sind, von 2011 2.867 auf 2018 63.345 gestiegen.

Eine weitere Ursache für hohe Mieten sind steigende Bodenpreise, es lohnt sich Grundstücke zu kaufen, sie drei Jahre lang brachliegen zu lassen und dann wieder zu verkaufen, insbesondere in hippen Quartieren. Zwischen 2012 und 2019 ist der qm-Preis im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um 764% und in Berlin-Mitte mit 620% am stärksten gestiegen.

Wir wissen, dass die Pandemie nicht die Ursache der steigenden Armut ist, gleichwohl verschärft sie die Lage von Millionen Menschen in Deutschland zusätzlich. Im Juli 2020 sind laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 21,3% der Kinder in Deutschland arm. In der Summe bedeutet dies, dass rund 2,8 Millionen Kinder betroffen sind. Bei den unter 18-jährigen sind knapp 14% auf Hartz IV angewiesen (jW 24.07.20). Eine Studie vom August 2020 des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes kommt zu dem Ergebnis, dass Hartz IV nicht geeignet ist, um Schutz vor dem Abrutschen in die Armut zu bieten. Im Mai waren laut Bundesagentur für Arbeit 3,5 Millionen Menschen arbeitslos und für 10,1 Millionen wurde Kurzarbeit angemeldet (jW 08.06.20). Wie viele prekär Beschäftigte durch alle Raster gefallen sind, lässt sich schwer beziffern. Aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung geht hervor, dass 1% der Bevölkerung 35% des Nettovermögens in der BRD besitzt. Weiter wurde ermittelt, dass die oberen 10% fast zwei Drittel des gesamten Nettovermögens auf sich vereinen.

„Die Wohn- und auch Nebenkosten steigen ungleich schneller als die Arbeitseinkommen – und viele Arbeitseinkommen stagnieren eher. Auch Millionen Rentner*Innen sind betroffen, befristet Beschäftigte, Arbeitslose, Soloselbständige und sog. Crowdworker.“[14] Laut Lukas Siebenkotten, dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes galoppieren die Mieten den Löhnen davon. (jW 21.07.2020). In den vergangenen 20 Jahren förderte die bürgerliche Politik die Entstehung eines großen Niedriglohnsektors und auch für die restlichen Werktätigen gab es nur geringe oder keine Reallohnsteigerungen. So verwundert es nicht, dass rund 10 Millionen Haushalte bereits bei einem Einkommensverlust von 100-200 Euro im Monat in Gefahr geraten, die Miete bzw. Kreditzinsen für die Wohnung nicht mehr bezahlen zu können (Handelsblatt 3.6.2020, S. 37).

Die Bundesregierung sieht einen jährlichen Bedarf an 350.000 Wohnungen in deutschen Großstädten (jW 15.06.20). In den vergangenen Jahren wurden laut Deutscher Mieterbund zwischen 26.000 und 27.000 Sozialwohnungen errichtet. In Deutschland gab es somit Ende 2019 1,14 Millionen Sozialwohnungen, das waren knapp 39.000 weniger als im Jahr zuvor (jW 02.09.2020), da für diese Wohnungen die Sozialbindung ausgelaufen ist und sie nun „normal“ am Markt vermietet werden können. Die Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau ist im Haushaltsjahr 2020 gegenüber 2019 um 500 Mio. Euro auf 1 Mrd. gekürzt worden. Bei einem jährlichen Bedarf an 350.000 bis 400.000 neuen Wohnungen, sind keine umfassenden mathematischen Kenntnisse erforderlich, um das eklatante Missverhältnis zu erkennen.

Bürgerliche Lösungsmöglichkeiten

Von Engels haben wir aus seiner Schrift zur Wohnungsfrage gelernt: „Was man heute unter Wohnungsnot versteht, ist die eigentümliche Verschärfung, die die schlechten Wohnungsverhältnisse der Arbeiter durch den plötzlichen Andrang der Bevölkerung nach den großen Städten erlitten haben; eine kolossale Steigerung der Mietpreise; eine noch verstärkte Zusammendrängung der Bewohner in den einzelnen Häusern, für einige die Unmöglichkeit, überhaupt ein Unterkommen zu finden. Und diese Wohnungsnot macht nur soviel von sich reden, weil sie sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, sondern auch das Kleinbürgertum mit betroffen hat.“[15] Damit kein nachhaltiges Klasseninteresse oder -bewusstsein anhand der Wohnungsfrage entsteht, somit die Widersprüche im Kapitalismus immer deutlicher werden, sind Teile der bürgerlichen Politiker*Innen bestrebt verschiedene Maßnahmen zur Linderung durchzusetzen, da das Problem nicht weiter ignoriert werden kann. Wir stellen kurz ein paar dieser Maßnahmen vor.

Belegungsbindung

Die Belegungsbindung bedeutet, dass die Nutzung des Wohnraumes besonders geregelt ist. Betroffen sind Wohnungen, die bzw. deren Errichtung mit öffentlichen Mitteln gefördert worden sind. Das Wohnungsbindungsgesetz ist ein deutsches Gesetz für den Wohnungsbau. Es wurde 1965 als Artikel 2 des Gesetzes zur verstärkten Eigentumsbildung im Wohnungsbau und zur Sicherstellung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen erlassen. Es soll sicherstellen, dass Wohnberechtigte in Sozialwohnungen wohnen.

Wohngeld

Das Wohngeld wird als Mietzuschuss (für Mieterinnen und Mieter) oder als Lastenzuschuss (für selbst nutzende Eigentümerinnen und Eigentümer) geleistet. Wohngeld ist kein Almosen des Staates. Wer zum Kreis der Berechtigten gehört, hat darauf einen Rechtsanspruch. Das Wohngeld wurde zum 1. Januar 2020 von 145,- auf 190,- erhöht. Wohngeld wird nur an Personen geleistet, die keine Transferleistungen (wie z.B. Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) beziehen, da bei Transferleistungen die Unterkunftskosten bereits berücksichtigt werden. (Text Bundesinnenministerium)

Vergleichsmiete

Die ortsübliche Vergleichsmiete ist Maßstab für die Rechtmäßigkeit einer Mieterhöhung bei nicht preisgebundenem Wohnraum, wenn nicht eine Staffelmiete oder Indexmiete vereinbart wurde. Diese wurde seither für die zurückliegenden 4 Jahre ermittelt, nun ist sie auf die letzten 6 Jahre anzuwenden.

Modernisierungsumlage

Eigentümer konnten bis Ende 2018 bis zu 11% der Kosten für entsprechende Maßnahmen auf die Mieter umlegen. Seit 1. Januar 2019 sind es 8%.

Kappungsgrenze/Gebietskulisse

Kappungsgrenze bedeutet, dass Mieterhöhungen von Bestandswohnungen nicht über 15% – 20% erfolgen dürfen. Aktuell (Mai 2020) wurde die Kappungsgrenze auf 15% festgeschrieben. Gebietskulisse bezieht sich auf Städte und Gemeinden die bestimmte Kriterien am angespannten Wohnungsmarkt erfüllen, um in die Gebietskulisse eingerechnet zu werden und somit dort die Kappungsgrenze als Maßstab gilt.

Zweckentfremdungsgesetz

Eine Zweckentfremdung ist meist gegeben, wenn eine Wohnung zu anderen als Wohnzwecken genutzt wird – also z.B. zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken, als Büro oder Praxis. In Hamburg wird zum Beispiel eine gewerbliche Nutzung von mehr als 50 Prozent der Wohnfläche als Zweckentfremdung angesehen. Eine Zweckentfremdung liegt dann vor, wenn der vorgesehene Wohnraum nicht als solcher genutzt wird. Ein Beispiel hierfür wäre Airbnb oder leerstehende Häuser. Das Gesetz soll dazu dienen mehr Wohnraum in Ballungsgebieten wie beispielsweise Berlin oder München zu schaffen. Mit der Änderung des Grundgesetzes 2006 wurde den einzelnen Bundesländern die Kompetenz übertragen, selbst ein entsprechendes Gesetz zu entwerfen. Einer der Vorreiter hierbei war Bayern (eingeführt 2007).

Mietpreisbremse

Am 1.6.2015 ist das Gesetz zur Mietpreisbremse bei der Neu- oder Wiedervermietung von Wohnungen in Kraft getreten. Gilt die Mietpreisbremse für eine Stadt, bedeutet das Folgendes: Bei Abschluss eines neuen Mietvertrags darf die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nur noch um höchstens 10 Prozent übersteigen. Jüngst wurde die Mietpreisbremse in Niedersachsen vom Landgericht Hannover aus formalen Gründen gekippt. Laut Bundesinnenministerium ist die Zahl der neu gebauten Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung in 2019 um 5,5% verglichen mit 2018 zurückgegangen.

Mietendeckel (Berlin): Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenerhöhung

Im November 2019 beschließt der Berliner Senat den Mietendeckel für Berlin. Mieten für rund 1,5 Mio. Wohnungen die vor 2014 gebaut wurden, werden gedeckelt und Mieten rückwirkend auf den 18.06.2019 eingefroren. Die Mieten dürfen aber auch nach Modernisierung erhöht werden, allerdings ohne Genehmigung nur um 1 Euro pro qm und Monat (bei Barrierefreiheit oder Klimaschutz). Die in der ursprünglichen Version eingebrachte Kontrolle und Absenkung der Mieten von Amts wegen wurde aber aus dem Beschluss herausgenommen. D.h. Jede/r MieterIn muss sich alleine und selbständig um die Einhaltung der Regelungen kümmern und selber ein Gerichtsverfahren dazu anstrengen. Die Immobilienbranche hofft darauf, dass das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel wieder kippt, da sie davon ausgehen, dass hier keine Entscheidungskompetenz des Landes vorliegt.

Transparenzregister

Das im Geldwäschegesetz (GwG) §§ 18 ff. verankerte Transparenzregister ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Register, in das seit dem 1. Oktober 2017 die wirtschaftlich Berechtigten von juristischen Personen des Privatrechts und eingetragenen Personengesellschaften einzutragen sind. Dieses Register wurde in der Studie „Keine Transparenz trotz Transparenzregister – ein Recherchebericht zu Anonymität im Berliner Immobilienmarkt“ von Markus Henn und Christoph Trauvetter unter die Lupe genommen. Mit dem Ergebnis, dass weiterhin die Verschleierung der Eigentümerverhältnisse ermöglicht wird und die Erfassungskriterien bei weitem nicht ausreichen, um Transparenz herzustellen.

Mietmoratorium

Wurde in der Pandemie eingerichtet, um Kündigungen aus Miet- und Gewerberäumen wegen nicht gezahlter Miete zu verhindern. Das galt von April bis Juni 2020, beinhaltet aber auch, dass die Miete nachgezahlt werden muss. Allerdings gestreckt auf die Dauer von zwei Jahren und gekoppelt an einen Nachweis, dass die Rückstände aufgrund der Pandemie entstanden sind.

Andere Lösungsmöglichkeiten?

Deutsche Wohnen und Co enteignen

Die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ möchte private Unternehmen, die in Berlin Eigentümer von mehr als 3.000 Wohnungen sind, enteignen, um die Wohnungen in eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu überführen. Als Basis wird Artikel 15 des GG angesehen, der besagt, dass Grund und Boden zum Zweck der Vergesellschaftung in Gemeineigentum überführt werden kann. Dies würde laut Angaben der Initiative etwa 200.000 Wohnungen umfassen, für die sie mit verschiedenen Modellen eine Entschädigungssumme zwischen 7,3 und 12 Mrd. errechnen. Die erforderlichen ersten 20.000 Unterschriften für das Volksbegehren wurden bei weitem übertroffen. Nach einer zweiten Eilklage der Initiative im September 2020 hat die Berliner Innenverwaltung die formale Rechtmäßigkeit des Begehrens bestätigt. Die Initiative ist sich bewusst, dass die strengste Regulierung eine Rekommunalisierung des Wohnungsbestandes ist (siehe jW vom 28.05.2020). Wir erinnern uns, im Jahre 2004 hat der rot-rote Berliner Senat 65.700 Wohnungen im Landesbesitz (der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW) privatisiert. 2013 landete die GSW schließlich bei der Deutsche Wohnen. Der Marktwert der Wohnungen ist seitdem deutlich gestiegen. Nun im nächsten Schritt muss die Initiative 170.000 Unterschriften sammeln und könnte somit erreichen, dass über den Volksentscheid gleichzeitig mit der im September 2021 stattfindenden Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl abgestimmt wird. Die Linkspartei unterstützt den Volksentscheid aktiv, auch VERDI hat angekündigt die „Enteignungskampagne“ offiziell zu unterstützen. Bei den Berliner Grünen ist die Basis zur Unterstützung bereit aber die Spitze der Partei zeigt sich zurückhaltend. Die SPD positioniert sich gegen den Volksentscheid. Die Immobilienkonzerne sind aufgeschreckt. PolitikerInnen wollten dem nicht nachstehen und lieferten qualitativ hochwertige Einschätzungen zur Sache. Thüringens Ex CDU-Chef Mike Mohring sprach gleich von „Sozialismus pur“, CSU Generalsekretär Markus Blume wusste gleich „Sozialistische Ideen haben noch nirgendwo funktioniert“. „Deutschland braucht kein Bündnis für Enteignungen, Planwirtschaft und Bevormundung“ so die ehemalige FDP Generalsekretärin Linda Teuteberg. Auch Hubertus Knabe seines Zeichens ehemaliger Direktor der „Gedenkstätte Hohenschönhausen“ weiß etwas zu berichten: „Der Mietendeckel in der DDR zerstörte mehr Häuser als der II.WK“! Die Berliner B.Z. meint gar: „Eine Enteignung ist der erste Schritt zu einem Systemwechsel.“

Einschätzung

Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ arbeitet in Berlin bereits über Jahre zum Thema, hat vieles in der Organisierung des Mieterwiderstands erreicht und hat auch über Berlin hinaus eine beispielhafte Wirkung auf andere Mietenproteste. Von Sozialismus kann hier allerdings nicht die Rede sein, dennoch begrüßen wir bei allen Widersprüchen die Initiative. Auch von Enteignung kann hier nicht die Rede sein, da die Wohnungen durch die Stadt Berlin wieder zurückgekauft werden sollen. Durch die in den Jahren erfahrene Preissteigerung der Wohnungen wird hier mit Sicherheit draufgezahlt werden müssen. 3.000 Wohnungen dürfen bei den privaten Unternehmen verbleiben. Was ist dann für diese Mieter*innen gewonnen? Wer garantiert, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt die zurückgekauften Wohnungen wieder privatisiert werden? Dennoch ist es richtig, Wohnungen und Boden dem Markt zu entziehen und wieder in staatliches Eigentum zu überführen, um so den Investoren und Spekulanten die Möglichkeiten zu beschneiden und eine Bresche in die Ideologie des heiligen Privateigentums zu schlagen.

Hans Heinz Holz schrieb in „Kommunisten Heute“ sinngemäß, dass der Klassengegensatz die Grundstruktur der Gesellschaft bestimmt. Und weiter „dass aber die Klassenanalyse sehr genau die Bestimmung des Ortes der Untergruppen der Arbeiterklasse im gesamtgesellschaftlichen Produktions- und Distributionsprozess einbeziehen muss. Es bedeutet jedoch nicht, dass der reale Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital verschwunden sei. Er ist nur weithin entpersonalisiert und anonymisiert worden und hat an unmittelbarer Erlebnisqualität verloren. (...) Je weniger einheitlich die subjektiven Erlebnisbedingungen der eigenen Klassenlage sind, umso relevanter wird die theoretische Verallgemeinerung, die von der jeweiligen Interessenlage ausgehend zu einem gesamtgesellschaftlichen Systembewusstsein aufsteigt ...

Wir sehen mit der Zuspitzung des Volksentscheides eine Möglichkeit, die Klassensituation anschaulich zu vermitteln. Es gibt einen klaren Interessengegensatz zwischen Adressat (Deutsche Wohnen & Co) und Absender (von der Wohnungsfrage bedrohte oder Betroffene derselben, plus SympathisantInnen). Es gibt hier die Eigentümer (Immobilienkonzerne) und da die Menschen die am Markt nichts außer ihrer Arbeitskraft anzubieten haben. Dazwischen steht die Politik und es wird spannend werden, wie sich diese winden und verhalten wird. Dabei ist völlig klar, dass bei einem Erfolg von Reformen die gesamtgesellschaftlichen Probleme weiterhin bestehen bleiben und es uns nicht alleine um eine partielle „Verbesserung“ des Kapitalismus gehen kann, sondern es geht um das Ganze der Gesellschaft. Auch hier bleiben wir bei Engels „Um dieser Wohnungsnot ein Ende zu machen, gibt es nur ein Mittel: Die Ausbeutung und Unterdrückung der arbeitenden Klasse durch die herrschende Klasse überhaupt zu beseitigen.“[16]

Zwangsräumungen, Obdachlosigkeit, schlechte Wohnverhältnisse ... (Blick auf den vermeintlichen Rand der Republik)

Medial am bekanntesten ist die Zwangsräumung eines Gebäudes in der Liebigstrasse 34 in Berlin. Es wurde im Oktober 2020 im Auftrag des und für den Spekulanten (die Unternehmensgruppe Padovicz) mit großem Polizeiaufgebot geräumt. Das Haus war seit über 20 Jahren ein Anlauf- und Treffpunkt im Samariterkiez. Der Unternehmer Gijora Padovicz besitzt hunderte Häuser in Berlin und ist einer der Aktiven, die für die Gentrifizierung in Berlin verantwortlich sind. Zu seiner Geschäftspraxis zählen spekulativer Leerstand, unbegründete Kündigungen und eine skrupellose Entmietungspraxis.

In Stuttgart wurden im Mai 2018 zwei Wohnungen die zuvor von Aktivisten und einer jungen Familie besetzt wurden zwangsgeräumt. Die Wohnungen standen leer, die Familie wurde aus ihrer bisherigen Wohnung gekündigt und wollte mit der Besetzung auch auf die desaströse Wohnsituation in Stuttgart aufmerksam machen. Übrig bleiben Strafverfahren, Anzeigen wegen schweren Landfriedensbruchs und Bußgelder. Jetzt im Oktober 2020 stehen die Wohnungen weiterhin leer ...

Gleiches geschieht in vielen Städten Deutschlands. Zwangsräumungen werden oft als probates Mittel bei Herausgabe von privatem Wohnraum angewendet. Räumungsmitteilungen werden gerichtlich festgestellt, von Gerichtsvollziehern überbracht und dann durch die Polizei (oft auch gewaltsam) durchgesetzt. Statistiken darüber gibt es nicht vollumfänglich. Laut dem RedaktionsNetzwerk Deutschland gab es 2018 54.010 Aufträge für Zwangsräumungen von Privat- und Geschäftsräumen. Für 2017 werden 53.632 genannt. In Berlin hieß das für das Jahr 2017 ungefähr zehn Zwangsräumungen am Tag, wie aus einem Artikel des nd vom 03.07.2018 hervorgeht. Fast immer werden Menschen durch eine Zwangsräumung gewaltsam aus ihrer gewohnten Wohnumgebung herausgerissen und geraten in stark prekäre Wohnsituationen oder werden in der Folge obdachlos.

Obdachlosigkeit besteht schon seit Gründung der BRD. Laut Bundeszentrale für Politische Bildung stiegen die Zahlen der Obdachlosen in den 1960er Jahren wieder an. Als Grund werden rückläufiger sozialer Wohnungsbau und die Aufhebung der Mietpreisbremse angeführt. Gesicherte Zahlen liegen nicht vor, da es erst ab 2022 eine Statistik zum Thema geben soll. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe vermeldet dagegen für 2016 860.000 Menschen ohne Bleibe und für 2018 bereits 1,2 Millionen. Ohne Unterkünfte ganz auf der Straße leben laut der Arbeitsgemeinschaft 52.000 Menschen. Die Gründe die zur Obdachlosigkeit führen sind dabei vielfältig, aber der allgemeine Mangel an Wohnraum findet natürlich auch hier seinen Ausdruck. Während in den 1960er Jahren noch randstädtische Wohnsiedlungen für Obdachlose vorgesehen waren sind es heute immer noch gemeinschaftliche Notunterkünfte. „Das ist doch besser als gar nichts“ – werden manche sich denken, dennoch ist das Gegenteil von gut oft nur gut gemeint und stellt keine wirkliche Lösung eines Problems dar. So auch hier, Mangel an Wohnraum und verminderter sozialer Wohnungsbau wirken sich so aus, dass es für Obdachlose, als sozial Benachteiligte fast unmöglich ist eine Wohnung zu finden, die dann auch noch bezahlbar ist.

In der Pandemie wurde deutlich, welch üble Arbeits- und Wohnbedingungen z.B. bei Spargelstechern oder in Teilen der fleischverarbeitenden Industrie vorherrschen. Dort mussten vor allem WerkarbeiterInnen aus Polen, Bulgarien & Rumänien in Zwei- oder Mehrbettzimmern mit Schimmel an den Wänden wohnen. Nicht alleine, dass der Fabrikant Tönnies Millionen mit und an den ArbeiterInnen aus diversen Subunternehmen verdiente, er hat sie auch über die Mieten für die Unterkünfte abgezogen. Viele Menschen auf beengtem Wohnraum untergebracht und sich auch das gut bezahlen lassen.

Auch für Geflüchtete oder Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus bestehen nur geringe Chancen auf dem Wohnungsmarkt eine entsprechende Bleibe zu finden. Geflüchtete gehören ebenfalls zu den Schutzbedürftigsten in dieser Gesellschaft. Unter Pandemiebedingungen (Hygiene- und Abstandsregeln) verschärft sich ihre Situation nochmals. Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus (in Berlin betrifft das mehr als 60.000 Menschen, laut jW 16.10.2020) ist es dabei nahezu unmöglich eine eigene Wohnung anzumieten, sie leben oft als Untermieter und haben keine gesicherte Perspektive. Und dies alles in einem Land in dem massenweise Büroflächen leerstehen. Wohnraum ist genug vorhanden, die Frage ist für wen und warum dieser nicht für alle zugänglich ist.

Für Hartz IV EmpfängerInnen wird es immer schwieriger eine nach den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit angemessene Wohnung zu finden. Der Wohnungsmarkt gibt meist keine Wohnungen her, die vom Amt aufgrund einer entsprechend niedrigen Miete anerkannt werden. Oft zahlen Betroffene noch einen Zuschuss aus ihrem Regelsatz dazu, im Schnitt sind das 90,- die dann monatlich bei den Lebenshaltungskosten fehlen. In einer Regierungsantwort aus dem Oktober 2019 heißt es, dass 2018 in Westdeutschland jeder fünfte, im Osten jeder sechste von Hartz IV betroffene Haushalt nicht den vollen Mietbetrag vom Amt erhielt.

Die Zahl der RentnerInnen/SeniorInnen wird bis zum Jahr 2040 auf etwa 24 Millionen steigen. Diese werden deutlich weniger Rente bekommen und auf steigende Wohnungspreise treffen. Ergänzende Grundsicherung ist dann geschätzt für 25% der Menschen angesagt, während es heute 3% sind. Real ist heute schon die Altersarmut und damit einhergehend können erhöhte Mieten oder entsprechende Mieterhöhungen nicht abgefangen werden.

Während uns von den allermeisten herrschenden PolitikerInnen beinahe täglich das Märchen vom freien Markt als alleiniges Heilmittel nahegelegt wird, treffen wir in der Praxis auf die allergrößten Missstände. Der Staat hat sich größtenteils bewusst aus der aktiven Wohnungspolitik verabschiedet und durch entsprechende Gesetzte den Investoren und Spekulanten Tür und Tor geöffnet. Deregulierung und Neoliberalismus kennzeichnen also das Agieren des Staates und der Politik. Die Angst, aufgrund des Berliner Mietendeckels oder der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“, Investoren zu verschrecken spricht dabei Bände. In welchem Interesse und für wen handelt dieser Staat? Offensichtlich nicht im Interesse der Menschen und ihrem Recht auf eine angemessene Wohnung. Es ist vielmehr der kapitalistische Staat und das kapitalistische System, welches diese Verhältnisse begünstigt und sie aufrecht erhält.

AG Wohnen (Rob & Elio mit Änderungsvorschlägen von Corell)

1 Bundesdeutsche Wohnungspolitik seit 1945, Sybille Münch, www.schader-stiftung.de/themen/stadtentwicklung-und-wohnen/fokus/wohnen/artikel/bundesdeutsche-wohnungspolitik-seit-1945.

2 „... 1924 wurde die Deutsche Wohnungsfürsorge-Aktiengesellschaft DEWOG für Beamte, Angestellte und Arbeiter unter Federführung des vormaligen Schöneberger Stadtbaurates und Architekten Martin Wagner als Arbeitnehmer-Wohnungsfürsorgegesellschaft im gewerkschaftlich-genossenschaftlichen Verbund für das Gebiet des Deutschen Reiches der Weimarer Republik gegründet. (...) Intention war also nicht nur ein gewerkschaftliches Mitbestimmungsrecht an der kapitalistischen Produktion, sondern der konkrete Aufbau von gemeinwirtschaftlichen Eigenbetrieben der organisierten Arbeiter- und Angestelltenschaft – als Weg zur „aktiven Demokratisierung des heutigen Wirtschaftssystemes“ sowie Schrittes „zur praktischen Durchführung des Sozialismus“ (ADGB-Kongress in Hamburg 1928).“ (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/DEWOG-Bewegung).

3 Zahlen aus: Reinhart C. Bartholomäi, Die Entwicklung des Politikfelds Wohnen, in: Björn Egner et al., Wohnungspolitik in Deutschland. Positionen – Akteure – Björn Egner Instrumente, Darmstadt 2004, S. 15–34, hier: S. 18 ff. / Zitiert nach APuZ, Aus Politik und Zeitgeschichte, 64. Jahrgang, 20–21/2014 Seite 13.

4 Wohnungsunternehmen wollen keine Steuerbefreiung, MieterMagazin 8+9/17, Berliner Mieterverein.

5 B. Egner, Wohnungspolitik seit 1945; Aus Politik und Zeitgeschichte 64. Jg. 20–21/2014.

6 Tobias Held, Verkäufe kommunaler Wohnungsbestände – Ausmaß und aktuelle Entwicklungen, Informationen zur Raumentwicklung Heft 12.2011.

7 MieterEcho 403 / Juni 2019, 15 Jahre GSW-Verkauf. Ein Rückblick auf die Privatisierung und was sie für die heutige Wohnungspolitik bedeutet.

8 WBS: Wohnberechtigungsschein.

9 Zitiert nach: de.wikipedia.org/wiki/Mietenvolksentscheid_Berlin#Berliner_Wohnraumversorgungsgesetz siehe auch:www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_1508/nachricht5713.html.

10 BGB § 556d Abs. 2.

11 Heinz-J. Bontrup: Wohnst du noch ...?“ S. 43.

12 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, S. 163.

13 Mietpreis-Explosion und Wohnungsnotstand – Ursachen und Alternativen, isw-report 116/117, A. Holm und C. Schreer.

14 VERDI Publik 5/2019.

15 Engels „Zur Wohnungsfrage“ 1872, MEW Bd. 18, S. 213/214.

16 Engels „Zur Wohnungsfrage“ 1872, MEW Bd. 18, 213

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