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Oktoberfestattentat 1980:

Die Hintergründe bleiben im Dunklen

Ende September jährte sich das Oktoberfestattentat zum vierzigsten Mal. 12 Menschen und der Bombenleger wurden damals getötet, über 200 Menschen teils schwer verletzt und ein Leben lang gezeichnet.

Bis heute ist dieser größte Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik seit 1945 nicht wirklich aufgeklärt. Es war zwar bald bekannt, dass Gundolf Köhler die Bombe in den Papierkorb legte – ein Student mit Verbindungen zur faschistischen „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Doch statt nun alles dafür zu tun, diese Wehrsportgruppe Hoffmann und ihre faschistischen Umtriebe zu durchleuchten und die Ermittlungen darauf zu konzentrieren, wurde schnell die These vom psychisch labilen Einzeltäter ausgegeben. Aussagen von Zeugen wurden schnell ad Acta gelegt, Indizien, die ebenfalls darauf hinwiesen, dass Köhler nicht alleine handelte, wurden nicht berücksichtigt.

Es ist dem Journalisten Chaussy, unterstützt von vielen Demokraten, zu verdanken, dass er gemeinsam mit dem Opferanwalt Werner Dietrich nicht aufhörte, all die Widersprüche und Seltsamkeiten bei diesen Ermittlungen zusammenzutragen, selbst zu recherchieren und die Ergebnisse der Öffentlichkeit bekannt zu machen.[1] Mehrmals wurden auf dieser Grundlage Anträge auf Wiederaufnahme der Ermittlungen gestellt – und abgelehnt. Beweismittel, wie unzählige Zigarettenkippen unterschiedlicher Marken aus Köhlers Auto oder Reste einer Hand, die keinem der Opfer zuzuordnen waren, sind bereits 1997 vernichtet worden. Eine DNA-technische Untersuchung war damit nicht mehr möglich. Hinweise in den Akten der Staatssicherheit der DDR auf Verwicklungen der westdeutschen Geheimdienste wurden mit dem Hinweis auf Geheimhaltungspflichten beschieden.

Politische Hintergründe

Doch warum? Sollten denn die staatlichen Organe einer sich demokratisch nennenden Republik und schon gar der BRD mit ihrer Vergangenheit nicht höchstes Interesse haben, Machenschaften von Faschisten zu unterbinden, ihren Aufbau zu stoppen, sie unschädlich zu machen? Das hoffen immer noch viele Demokraten, doch die Wirklichkeit ist eine andere.

Das Attentat fand wenige Tage vor der Bundestagswahl statt, der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) war Kanzlerkandidat der Unionsparteien. Strauß, unermüdlicher Gegner von Demokraten, Antifaschisten, Linken, hatte 1970 die CSU als „Sammelbewegung zur Rettung des Vaterlandes“ ausgerufen. Offen faschistische Kräfte waren für ihn dabei Hilfstruppen. 

Man muss sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind ... mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein[2], meinte Strauß.

Und so hatte er auch seine schützende Hand über die Wehrsportgruppe Hoffmann gehalten. Er war gegen deren Verbot, das der damalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, FDP, anstrengte und Anfang 1980 auch verfügte. „Man solle einen Mann, der sonntags auf dem Land im Kampfanzug spazieren geht, in Ruhe lassen[3], so Strauß. Dieses verbrecherische Attentat durfte also ganz einfach kein Anschlag der Wehrsportgruppe Hoffmann sein – und entsprechend wurde im CSU-geführten Bayern ermittelt

Die NSU-Morde und die Wiederaufnahme der Ermittlungen

Doch Ende 2014 endlich hatte RA Dietrich Erfolg, die Ermittlungen wurden wieder aufgenommen. Hintergrund dafür war die Ungeheuerlichkeit der NSU-Morde, die Ungeheuerlichkeit des Verhaltens von Polizei und Geheimdiensten dabei: Jahrelang konnten Faschisten Menschen mit überwiegend türkischer Herkunft am hellichten Tag ermorden, ohne dass überhaupt im faschistischen Milieu nach den Mördern gesucht wurde. „Wären all die Probleme, die beim NSU eine Rolle spielten, seit dem Oktoberfestattentat bereits durchdacht gewesen, hätten diese Morde vielleicht nicht in dieser Art und Weise geschehen können“ meinte Chaussy kurz vor der Wiederaufnahme.[4].

Wir vergessen nicht was hier vergessen gemacht werden soll!

Doch daran bestand offensichtlich nicht nur damals kein Interesse der damit befassten Behörden, sondern auch heute nicht. Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wurden erneut, nach vierzig Jahren Kampf um die Aufklärung und Benennung der wahren Hintergründe, eingestellt. Die einzig „neue“ Erkenntnis: das Oktoberfestattentat war ein rechtsextremer Terrorakt und nicht die Tat eines psychisch labilen Einzelgängers. Alles andere bleibt auch jetzt noch im Dunklen.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat recht, wenn er dazu erklärte: „Die Gründe hierfür liegen sicher (...) in den massiven Verfehlungen und Versäumnissen der ursprünglichen Ermittlungen unmittelbar nach der Tat.[5] Die Verantwortung dafür liegt bei der CSU!

Von daher ist es mehr als seltsam, wenn auf der Gedenkveranstaltung zum 40. Jahrestag dieses faschistischen Terroranschlages ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident Söder eine der Gedenkreden halten konnte.

Soll damit die Rolle der CSU vergessen gemacht werden? Soll damit davon abgelenkt werden, dass für die CSU der Feind immer schon links stand und steht und auch heute wieder braune Umtriebe im Staatsapparat, bei Polizei, Militär, etc. verharmlost und heruntergespielt werden? Wie passt es zusammen wenn Söder ein „Schutzversprechen“ abgibt, man werde es nicht „zulassen, dass Rechtsextremismus, Hass, Antisemitismus, Rassismus geduldet, akzeptiert oder irgendwie unterschätzt werden“, und sich ein Herr Seehofer als Bundesinnenminister und CSU Ehrenvorsitzender nach wie vor einer Studie über Rassismus und Faschismus bei der Polizei verweigert und lieber über angeblich „linksextreme“ Gewalt gegen Polizisten sprechen will?

Söder kann noch so viel versprechen. Entscheidend im Kampf gegen Rechts sind nicht Söders Worte sondern unsere Taten. Die CSU ist kein Schutzgarant gegen die Gefahr von Rechts. Wer sich eine ominöse, völkische „deutsche Leitkultur“ zum politischen Kompass macht, der ist selbst Teil des Problems gegen das die Arbeiter- und demokratische Bewegung kämpfen muss.

gr/ma

1 So in seinem Buch „Oktoberfest – Das Attentat: Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann“. Seine Recherchen sind auch Grundlage des 2014 erschienenen Spielfilms „Der blinde Fleck“.

2 Spiegel, 16.3.1970; www.spiegel.de/spiegel/print/d-45197600.html.

3 Zit. nach Ullrich Chaussy in einem Interview mit der taz am 16.7.2019, abrufbar unter: taz.de/Journalist-ueber-Oktoberfestattentat/!5607365/.

4 telepolis 26.9.2014.

www.heise.de/tp/features/Ulrich-Chaussy-ueber-das-Oktoberfest-Attentat-und-die-NSU-Mordserie-3367546.html?seite=all.

5 Rathaus Umschau 127 / 2020.

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