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Für Dialektik in Organisationsfragen

„Standortsicherung“ oder „Friedenspflicht“ für immer

Worum geht es? In mehreren Ausgaben der KAZ haben wir uns mit dem Thema „Standort- und/oder Beschäftigungssicherungstarifverträge“ auseinandergesetzt. In der KAZ 309 unter der Fragestellung: Können die Arbeiter ihre Arbeitsplätze retten? Aktueller Anlass ist ein „Standortsicherungstarifvertrag“, ein „Beschäftigungspakt“, den die Firma Siemens im September 2010 mit der IGM vereinbart hat. Er ist die Fortschreibung einer Vereinbarung aus 2008 bzw. einer so genannten für den ganzen Siemenskonzern geltenden Rahmenvereinbarung vom Juni 2004. Dabei unterschrieb die IGM-Führung die „Sicherung und Entwicklung von Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation bei der Siemens AG“. Wir erinnern uns: Das Siemens Kapital hatte angedroht, die Produktion aus den Werken Bocholt und Kamp-Lintfort nach Ungarn zu verlagern. Was hierbei aus den Betrieben mitsamt ihren Belegschaften wurde, ist bekannt.

Der neue „Beschäftigungspakt“ für 128.000 in der BRD im Siemens Konzern beschäftigte Lohnabhängige wird von Siemens Managern und „Arbeitnehmervertretern“, IGM und Betriebsrat, als „Blaupause für mehr Beschäftigungssicherheit“ und „Vorbild für die gesamte deutsche Industrie“ gelobt DIE WELT berichtete darüber am 22.9.2010 und die Frankfurter Rundschau am 23.9.2010.

Das Vorbild hierbei: Der Vertrag ist unbefristet und „die Firma verpflichtet sich, künftig bundesweit auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten und gesteht den Arbeitnehmern über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgehende Informations- und Beratungsrechte zu ... Die unbefristete Laufzeit eröffne eine neue Dimension, betonten Sprecher von IG Metall und Siemens“ und IGM-Vorsitzender Huber, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns, stellte fest: „... Siemens bleibt in der sozialen Verantwortung für die Beschäftigten“ (FR). Die bekam die Belegschaft in der IT-Firma SIS dann zu diesem Zeitpunkt auch gleich zu spüren. Für sie gilt nicht die „neue“ sondern die „alte Dimension“. Zum 1. Oktober 2010 wurde sie aus dem Konzern ausgegliedert. Wie bei diesen Geschäften üblich, wurde dann der Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen gleich mit vereinbart. Mit anderen Worten ausgedrückt, der mögliche Rausschmiss und Existenzverlust für zweitausend Kolleginnen und Kollegen. Im gleichen Artikel schrieb die FR: „Die Kooperation mit den Beschäftigten wird bei den Münchnern gepflegt. Als Konzernchef Peter Löscher vor zwei Jahren weltweit 17.000 Stellen abbauen ließ, davon über 5.000 hierzulande, geschah das in Absprache mit IG Metall und Betriebsräten ohne großen Aufschrei.“ Auch DIE WELT berichtete, dass sich Betriebsrat und IGM mit „Protesten zurückhielten“ und den „Stellenabbau (5.250) mit getragen haben“. Das alles wurde ohne Kündigungen, über Aufhebungsverträge, Altersteilzeit und Umsetzungen innerhalb des Konzerns geregelt. Was den neuen Vertrag angeht, hat der Konzernbetriebsrat festgestellt: „Die Konzernführung könne sich dafür bei wirtschaftlichen Problemen auf eine konstruktive Mitarbeit von Betriebsrat und Gewerkschaft verlassen“ (DIE WELT). Wenn das nichts ist, bei so viel „sozialer Verantwortung“ bleibt kein Auge mehr trocken. Auf diesem Wege zahlen sich die „Sicherung und Entwicklung von Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation“ fürs Siemens-Kapital aus. Konzernchef Löscher hat Ende Juli 2010 festgestellt, dass der operative Gewinn in Höhe von 7,5 Milliarden für 2009 deutlich übertroffen würde. Und das dritte Quartal 2010 wäre das beste aller Zeiten für den Siemens Konzern. Dafür bezahlen die Lohnabhängigen weltweit mit ihrer Gesundheit, mit Arbeitsplätzen und Existenzverlust. Die IGM-Führung sorgt dabei über den „Standortsicherungsvertrag“, dass es keinen „Aufschrei“, keine Unruhe und Streiks von den Belegschaften gibt. Sie führt damit sozusagen eine doppelte „Friedenspflicht“ ein. Die eine gilt für den Lohn- und andere Tarifverträge und die andere solange der „Standortsicherungsvertrag“ läuft. Diejenigen, die etwas gegen irgendeine Sauerei machen, sich wehren und dafür die Klamotten hinschmeißen wollen, gefährden dann den Standort und die Arbeitsplätze. Auf diesem Wege funktionieren nicht nur die Erpressungsargumente des Kapitals, sondern auch in unseren Reihen wird schon seit längerem, und verstärkt seit dem „Pforzheimer Abkommen“ der IGM, so diskutiert.

Kein Wunder, dass die Siemens-Kapitalisten solche Verträge mit Kusshand unterzeichnen. Die „neue Dimension“ besteht hierbei allerdings nur darin, dass die IGM-Führung immer offener dazu übergeht, Mitglieder und Belegschaften gemeinsam mit den Kapitalvertretern zu verarschen und aufs Kreuz zu legen. Denn im neuen Vertrag wird deutlich gemacht, was unter „unbefristeter Beschäftigungsgarantie“ zu verstehen ist. Ab 2013 können die Siemens Milliardäre den „Pakt“ quartalsweise kündigen. Das ist die Krücke, um immer dann, wenn es nötig ist, aus der „Neuen Dimension“ auszusteigen. Abgesehen von Rationalisierungsmaßnahmen und Produktivitätssteigerungen ist das mit abhängig von der Auftragslage. Dazu schreibt DIE WELT: „Aufträge für 89 Milliarden hat Siemens in seinen Büchern notiert“. Bis die abgearbeitet sind, dauert es, und solange sind dann die Arbeitsplätze auch ohne „Beschäftigungssicherheitstarifverträge“ relativ sicher.

Von der Beschäftigungssicherung zum Sozialplan

Diese Verträge können die Kapitalisten der IGM je nach Situation sowieso jederzeit vor die Füße schmeißen. Hierbei ist die fristlose Kündigung noch die vornehmste Art, den Vertrag los zu werden. So ist es erst kürzlich der Belegschaft in der Waggonfabrik Bombardier in Aachen gegangen. Über Nacht waren sie ihre angeblich bis 2012 geltende „Beschäftigungssicherung“, samt Verzicht auf „betriebsbedingte Kündigungen“ los. Bombardier hatte den mit der IGM vor drei Jahren abgeschlossenen Vertrag von einem Tag auf den anderen fristlos gekündigt. Belegschaft und Betriebsrat wurden dabei auf einer von der Geschäftsleitung einberufenen Informationsveranstaltung am 6.Oktober 2010 über 150 Entlassungen informiert. Gleichzeitig wurde Kurzarbeit bis 2012 angemeldet. Der Betriebsratsvorsitzende war von dem „Vertrauensbruch“ besonders betroffen. Während die Belegschaft die Information über die Entlassungen verhältnismäßig ruhig aufnahm (es gab Applaus), weinte der BR-Vorsitzende, weil er sich von der Bombardierleitung belogen und betrogen fühlte.

Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte haben die „Beschäftigungssicherung“ über drei Jahre hinweg mit täglich 30 Minuten unentgeltlicher Arbeitszeit bezahlt. Für den Fall, dass die Firma Vertragsbruch begeht – also wie jetzt geschehen – Entlassungen durchsetzen will, muss die unentgeltliche Arbeitszeit vergütet werden. Bisher weigert sich Bombardier zu zahlen. Der örtlichen IGM hat sie das Angebot eines erneuten Beschäftigungssicherungsvertrages gemacht. Bedingung ist, auf die Bezahlung der unentgeltlich geleisteten Arbeitsstunden muss verzichtet werden. Die IGM hat abgelehnt und festgestellt, was ein Vertrag, der gebrochen wird, für eine Sicherheit sein soll? Das hätte die IGM allerdings schon vorher wissen können. Jetzt verhandelt der Betriebsrat über 150 Entlassungen und versucht einen Interessenausgleich und Sozialplan nach dem Betriebsverfassungsgesetz durchzusetzen. Schöne Beschäftigungssicherung. IGM-Vorsitzender Huber ruft landauf und landab nach einem Kurswechsel. Höchste Zeit, dass in der IGM wieder darüber nachgedacht wird, dass die Kapitalisten auch mit noch so vielen „neuen Dimensionen“ und „Vorbildern“, keine Arbeitsplätze sichern können!

AG „Stellung des Arbeiters in der
Gesellschaft heute“

Kommunisten sind Internationalisten

Auch wenn es aufgrund der derzeitigen Schwäche der Arbeiterklasse weder eine internationale kommunistische Partei noch eine umfassende internationale Zusammenarbeit der Kommunisten gibt, sind wir in unserem Land doch nur eine Abteilung der Kommunisten auf der ganzen Welt. Wem sind wir verpflichtet? Natürlich der Arbeiterklasse, und ihrem großen Ziel, der Befreiung vom Imperialismus.

Alle Kommunisten sind zuerst der internationalen Arbeiterklasse verpflichtet (nicht zuerst „ihrer eigenen“, die deutschen Kommunisten nicht zuerst der deutschen Arbeiterklasse). Und diese Verpflichtung lautet: den Hauptfeind im eigenen Land stürzen, um so die nächste Etappe der Weltrevolution erreichen zu können.

Lenin hat dazu einmal gesagt: „Es gibt nur einen wirklichen Internationalismus: die hingebungsvolle Arbeit an der Entwicklung der revolutionären Bewegung und des revolutionären Kampfes im eigenen Lande, die Unterstützung (durch Propaganda, durch moralische und materielle Hilfe) eben eines solchen Kampfes, eben einer solchen Linie und nur einer solchen allein in ausnahmslos allen Ländern.[1]

Wie kann nun die Unterstützung eines solchen Kampfes in anderen Ländern aussehen? Sie darf natürlich niemals Ersatz für den Klassenkampf im eigenen Land sein (ach, wäre man nicht ganz gerne manchmal ganz woanders dabei als in diesem Land, wo es Gewerkschaftsführern immer wieder gelingt, den Streikbruch zu kultivieren und der kleinbürgerliche Mief gerade in alle Ecken dringt …). Sie darf auch nicht dazu dienen, dass sie vom imperialistischen Hauptfeind im eigenen Land missbraucht wird. So hat Lenin gewarnt: „Der Sozialist eines anderen Landes kann die Regierung und die Bourgeoisie eines Staates, der mit ‚seiner‘ Nation Krieg führt, nicht entlarven, und keineswegs nur deshalb nicht, weil er die Sprache, die Geschichte, die Besonderheiten des betreffenden Volkes usw. nicht kennt, sondern auch weil eine derartige Entlarvung eine imperialistische Intrige ist, nicht aber die Erfüllung seiner internationalistischen Pflicht. Nicht der ist ein Internationalist, der hoch und heilig versichert, er wäre einer, sondern nur der, der als wirklicher Internationalist die eigene Bourgeoisie, die eigenen Sozialchauvinisten, die eigenen Kautskyaner bekämpft.[2]

Nun könnte man einwenden, dass ja die imperialistischen Länder heute gar keinen Krieg miteinander führen. Sich Lenins Warnung zu Herzen zu nehmen, hat heute den Sinn, sich klar zu sein, dass die Widersprüche zwischen den Imperialisten bestehen und sich verschärfen. Natürlich kollaborieren sie auch zeitweise miteinander, z.B. gibt es seit ca. 5 Jahren von der deutschen Regierung moderatere Töne gegenüber den USA als noch unter der Schröder-Regierung. Ebenso gibt es zwischen der BRD und Frankreich mal heftigste Widersprüche und ab und zu auch mal holde Eintracht. Aber die Kollaboration ist zeitweise und relativ, die Rivalität zwischen den Imperialisten ist absolut – und letztlich können die Herren der Banken und Monopole weltweit ihre wachsenden Verwertungsschwierigkeiten, ihre Konkurrenz untereinander und ihr Bestreben nach Neuaufteilung der Welt nicht anders regeln als durch Kriege. In Vorbereitung dessen nehmen unsere Herren mittels ihrer gigantischen Medienmacht uns schon ziemlich oft mit in ihre Kampagnen und imperialistischen Intrigen (manchmal ohne dass wir es so richtig merken).

Wie sollte denn die Unterstützung eines berechtigten Kampfes in einem anderen Land aussehen? Auf jeden Fall muss sie ein Ziel haben: sie muss dazu beitragen, dass das Klassenbewusstsein der Arbeiter in unserem Land gestärkt wird, dass die Arbeiter daraus Lehren ziehen können für den Kampf gegen den Hauptfeind im eigenen Land. Das heißt: keine bürgerliche Mildtätigkeit, kein kleinbürgerliches Flehen um Gewaltfreiheit, kein Angriff auf proletarische Grundsätze kann der Inhalt einer solchen Solidaritätsaktion sein.

Eins ist in unserem Land ganz besonders zu beachten: gerade an deutsche Arbeiter ist die Forderung, den eigenen Hauptfeind zu stürzen, besonders dringlich. Zwei Mal schon hat der deutsche Imperialismus Weltkriege vom Zaun gebrochen, er hat während des Hitlerfaschismus Verbrechen verübt, wie sie es nie vorher in der Menschheitsgeschichte gegeben hat, er hat seit 1990 alles, was vom Potsdamer Abkommen noch übrig war (nämlich die DDR) in den Staub getreten, sein Territorium vergrößert, kämpft immer erfolgreicher für seine Vorherrschaft in Europa, führt schon wieder Kriege und besetzt andere Länder. Die Verantwortung der Arbeiterklasse in unserem Land gegenüber dem internationalen Proletariat ist deshalb besonders groß und wird dennoch besonders schlecht wahrgenommen. Hier liegt unsere internationalistische Aufgabe.

KAZ-Fraktion „Für Dialektik in Organisationsfragen“

1 Lenin, Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution, Die Lage in der sozialistischen Internationale, LW Bd. 24, S. 60

2 Lenin, Rohentwurf der Thesen für einen offenen Brief an die Internationale Sozialistische Kommission und an alle sozialistischen Parteien, LW Bd. 23, S. 215

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