KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”
das sind die Schlussworte aus Rosa Luxemburgs letztem Artikel in „Die Rote Fahne“ vom 14. Januar 1919. Zwei Tage darauf war die Verfasserin tot –hingemordet von der bestialischen deutschen Konterrevolution, angestachelt durch die übelsten Ausgeburten der deutschen Sozialdemokratie, für die der Name Gustav Noske steht.
Rosa Luxemburg greift eine Zeile auf aus dem Gedicht „Die Revolution“ von Ferdinand Freilligrath. Dort heißt es dann:
„Ich werde sein, und wiederum voraus den Völkern werd ich gehn!
Auf eurem Nacken, eurem Haupt, auf euren Kronen werd ich stehn!
Befreierin und Rächerin und Richterin, das Schwert entblößt,
ausrecken den gewaltgen Arm werd ich, dass er die Welt erlöst.“
Keine schönere Überschrift konnte Heinz Schmidt für sein Buch (diese Bezeichnung verdient das Werk – auch wenn es in Form einer Broschüre vorliegt) wählen.
Dieser heiße Atem durchzieht die Schrift von Anfang bis Ende. Ausgangspunkt ist die Katastrophe von 1989/90, die Zerschlagung der DDR und die Einverleibung ihres Territoriums und ihrer Menschen durch den deutschen Imperialismus. Und in diese Niederlage des Sozialismus, in die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die von den Herrschenden geschürt wird, gegen das Geschwätz vom „Ende der Geschichte“ und gegen die Wendehälse steht der Soldat der Revolution auf, leise noch, aber bestimmt: Ich war, ich bin, ich werde sein!
Und wie recht hat er behalten. Zwanzig Jahre danach hat sich der Schlachtruf bei der Öffnung der Grenze in Berlin „Waaahnsinn“ in nüchterne imperialistische Realität umgesetzt. Kein Triumphgeheul, sondern die 27.000ste Abrechnung mit der DDR. So weh hat der Arbeiter-und-Bauern-Staat den Herrschenden aus dem Nachfolgestaat des Deutschen Reichs getan, so tief steckt der Stachel der damaligen Entwaffnung, Enteignung und Entrechtung der Großkapitalisten, Großgrundbesitzer und Großbedrücker.
Zwanzig Jahre danach: Der Kapitalismus am Rande des Kollapses und Hoffnung, dass die Zeit zu Ende gehe, die Zeit der siegreichen Konterrevolution, der Ausbreitung der faschistischen Seuche, des rassistischen Gruselkabinetts, des materiellen und geistigen Elends. Hoffnung, dass der revolutionäre Funke nicht nur in Griechenland und Frankreich glühen möge!
In seinem Buch verwebt der Autor kunstvoll die Gedanken auf dem Weg zur Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar in Berlin, die erinnernd Halt machen an Stationen der S- und U-Bahn und dem was sich in der DDR damit verband. Er verbindet sie mit Facetten aus seinem persönlichen Lebensweg, der ihn aus der dreijährigen sowjetischen Gefangenschaft, in die er als 17jähriger 1945 noch geraten war, schließlich zur Nationalen Volksarmee der DDR führte. Dort wurde er zum Rezitator und zu einem umfassenden Kenner deutscher und internationaler fortschrittlicher Kultur herangebildet. Als Probe seines Könnens webt er auf drei Seiten wichtige für die Bürger der DDR prägende Knoten hinein von „Wie der Stahl gehärtet wurde“ bis „Ole Bienkopp“, vom „Panzerkreuzer Potemkin“ bis „Spur der Steine“. Das ist ein Meisterstück, in dem die großen Werke sichtbar gemacht werden als der große Spiegel von Leiden, Kampf und Größe der Menschen im Sozialismus, in der DDR.
Heinz Schmidt setzt der DDR ein Ehrenmal, große Worte ja, aber kein hohles Pathos. Man merkt dem Genossen an, dass sein Helm auch in der DDR Beulen bekommen hat, einige auch vom Feind... Gerade deshalb ist sein Blick geschärft auf das, was in die Katastrophe führt. Von daher nicht ganz einsichtig, weshalb er Stefan Heym von 1956 zustimmend zitiert: „Mit der öffentlichen Selbstkasteiung jedoch sollte man eine Pause machen, bis wir von Krupp oder IG Farben ... das erste reuige Wort hören.“ (S. 37) Sicher ist dieses Argument wichtig angesichts periodischer Entschuldigungsorgien von manchen linken Politikern und Politikerinnen – und das war es insbesondere als diese Schrift 1993 entstand. Festzuhalten bleibt aber auch, dass gerade der Sozialismus – im Gegensatz zum Kapitalismus – von der Bewusstheit und ihrer Erweiterung und Klärung lebt und dazu konkrete und offene Kritik und Selbstkritik unabdingbar sind. Keinesfalls kann hierfür die „Reue“ der Kapitalisten unser Maßstab sein.
Heinz Schmidt wird mir diese Kritik verzeihen. Er gehört zu denen, die mir als westdeutschem Genossen die DDR näher gebracht, zu ihrem Verstehen beigetragen und unsere Selbstkritik ermöglicht hat.
Den Autor habe ich das erste Mal getroffen anlässlich der denkwürdigen Veranstaltung zum 65. Geburtstag des unvergessenen Rolf Vellay. Dort in Gelsenkirchen am 19. September 1992 stritten Vertreter verschiedener revolutionärer Organisationen zum Thema „War die DDR sozialistisch?“ Wir hatten in der Redaktion der „Kommunistischen Arbeiterzeitung“ um unsere Position gerungen. Wir kamen aus dem Teil der Linken, die den revisionistischen Kurs der SED-Führung kritisiert hatten und zur Schlussfolgerung gekommen waren, dass seit dem 20. Parteitag der KPdSU in der Sowjetunion und in der DDR der Kapitalismus restauriert würde. Scheinbar wurden wir durch die Ereignisse von 1989 bestätigt, aber nur scheinbar.
Denn wir hatten zur Kenntnis zu nehmen, dass der Sozialismus nicht durch einen Parteitagsbeschluss beseitigt werden kann, dass der Sozialismus eben eine lange Periode beherrscht, in der die Frage Wer? – Wen? noch nicht endgültig entschieden ist. Dass der Sozialismus so in den Massen eingewurzelt war, dass es einer veritablen Konterrevolution bedurfte, um ihn – vorläufig und in Europa – zu besiegen.
Das konnten wir von Dir, Genosse Schmidt, lernen, von dem Bild der DDR, das Du vermittelst, das Aufbruch, Kampf und zu bedenkende Errungenschaften zeigt. Die Glut gibst Du weiter, nicht die Asche. Danke, Genosse mit dem roten Stern am Hut! Spätestens bei Thälmann in Ziegenhals sehen wir uns wieder!
Corell
Genosse Heinz Schmidt bei einer Gedenkkundgebung zu Ehren Ernst Thälmann in Ziegenhals
Bezugsmöglichkeit: Heinz Schmidt, Käthe-Kollwitz-Straße 23, 15711 Königs Wusterhausen, Tel.: 03375-290637