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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Granatsplitter aus dem alltäglichen Imperialismus

Denken mit dem Magen

Auspacken, Umpacken, neu Etikettieren, rauf auf den Laster, rein in den Supermarkt, raus aus dem Kühlfach und rein in den deutschen Kochtopf. Geflügel und Wild, Abfälle als Wurst waren es diesmal. Gammelfleisch für den deutschen Konsumenten. Der Geier strahlt, das Aas riecht streng. Dort ein bisschen zuviel Pestizid, da zuviel Antibiotika oder Hormonrückstände, hier ein wenig Gentechnik – wässrig, welk und weißlich. Mahlzeit! – Die Empörung ist groß. Das Gammelsystem wird munter: Das Fernsehen berichtet. Seehofer, Künast blähen sich. Die Europäische Kommission ist entsetzt und bringt ein „Hygiene-Paket“ auf den Weg. Die größten deutschen Lebensmittelmonopole machen Workshops im Akademie-Hotel zu Karlsruhe. Da steigt Gestank von 150 Jahren auf.

„Die unglaubliche Brotverfälschung, namentlich in London, wurde zuerst enthüllt durch das Komitee des Unterhauses ‚über die Verfälschung von Nahrungsmitteln’ (1855-1856).... Sein Bericht, samt Zeugenaussagen, regte das Publikum auf, nicht sein Herz, sondern seinen Magen. Der bibelfeste Engländer wusste zwar, dass der Mensch, wenn nicht durch Gnadenwahl Kapitalist oder Landlord oder Sinekurist, dazu berufen ist, sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, aber wusste nicht, dass er in seinem Brote täglich ein gewisses Quantum Menschenschweiß essen muss, getränkt mit Eiterbeulenausleerung, Spinnweb, Schaben-Leichnamen und fauler deutscher Hefe, abgesehn von Alaun, Sandstein und sonstigen angenehmen mineralischen Ingredienzien.“ (K. Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, S. 263 f.)

Der Magen des Öko- und Bio-Publikums gerät in Wallungen, nicht sein Herz, geschweige denn sein Kopf. Denn wer fragt schon, wie der Bauer lebt, gar nicht zu reden von den Kollegen in den Gammelfirmen oder gar die ausländischen Saisonarbeiter. Wie lange die arbeiten, welche Antreibersysteme in Gang gesetzt werden, damit sie das bisschen Lohn kriegen, wo Hygiene und Arbeitsschutz Kostenfaktoren und damit Verschwendung sind, wo die Angst um den „Lohnplatz“ die Kollegen stumm macht, wo Gewerkschaften und Betriebsräte als Gift behandelt werden – wer fragt schon?

Und Denken wäre auch mal ´ne nette Beschäftigung. Da käme man ja vielleicht da drauf: Solange Produzent und Konsument durch das Privateigentum an den Produktionsmitteln, durch Kapitalismus und Profit voneinander geschieden sind, sind wir zum Vergammeln verurteilt. Gegen das Gammelsystem zu kämpfen, tut immerhin Kopf und Herz gut. Der Magen muss noch ein bisschen warten, bis im gesellschaftlichen Gemeineigentum Konsument und Produzent miteinander verbunden sind. Wem das zu dicke ist, zu viel Aufwand, zu viel Ärger, zu lange dauert, soll weiter an der Möhre nuckeln – aus garantiert (bis zum Beweis des Gegenteils) biologischem Anbau, den Fleischesfreuden entsagen und mürrisch ein gammeliges Ableben führen. Mahlzeit.

Corell

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