Spenden„affären“, Kampf der CSU gegen und um die CDU, Mobbing in der CDU, Stoiber und Merz als kommende Retter, Haider will heim ins Reich, Kesseltreiben gegen die SPD in Nordrhein-Westfalen, Selbst(?)morde, Beschimpfungen, Demütigungen, Verdächtigungen, die Republik im „Kampf gegen Korruption“ oder besser gesagt: im Verblödungswahn. All das ist nur Ausdruck des heutigen scharfen und unerbittlichen Klassenkampfes der deutschen Monopolbourgeoisie gegen die Arbeiterklasse. Ja, die Arbeiterklasse ist im Innern der Feind der Monopolbourgeoisie, obwohl sie ihren Ausbeutern zur Zeit (leider) überhaupt nichts zu Leide tut – sie ist so brav, dass sie selber als Klasse schon kaum mehr sichtbar ist. Und so wie der deutsche Imperialismus den Kampf nach außen verschärft, sei es gegen Jugoslawien, sei es gegen die USA, so verschärft er auch den Kampf gegen den so friedfertigen inneren Feind. Dass dieser Kampf für die deutsche Monopolbourgeoisie notwendig ist, ergibt sich aus ihrer Situation nach der Niederlage des Sozialismus in Europa, der Einverleibung der DDR, der vollständigen Souveränität des deutschen Imperialismus, der Verschärfung der Widersprüche der Imperialisten untereinander und dem daraus resultierenden Kampf des deutschen Imperialismus um seine Weltmachtposition.
Dass dieses skurrile Schmierentheater, das uns seit Monaten geboten wird, tatsächlich den todernsten Hintergrund des Kampfes der Monopole und Banken gegen die Arbeiterklasse hat, soll im Folgenden näher untersucht werden. Und daraus sind dann auch Rückschlüsse zu ziehen, wie die Arbeiter und Antifaschisten dagegen kämpfen können und müssen.
Die Herren der Konzerne und Banken, die uns beherrschen und ausbeuten, könnten allein nichts ausrichten. Es gibt überhaupt nur rund 500.000[2] Kapitalisten in der BRD, das sind 1,5 Prozent der „Erwerbsbevölkerung“ (nach Statistischem Jahrbuch) und 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese 500.000 sind die kleine Minderheit, die die Arbeiter in der BRD ausbeuten. Aber die Minderheit, die politisch über uns herrscht, die ist noch viel kleiner, die zählt nach Menschen überhaupt nur einige Hundert[3]. Das sind die Monopol- und Bankkapitalisten, die an den Schaltzentralen der ökonomischen und politischen Macht sitzen. Diese paar Hundert können nie und nimmer allein über uns herrschen, auf den Knochen der Arbeiter immer reicher werden, Armut und Kriege produzieren. Wenn es nur gegen die ginge, hätten die Arbeiter längst mit diesem Elend Schluss gemacht und die Fabriken übernommen.[4] Wie hätten die paar hundert Monopolherren die Sowjetunion überfallen sollen? Und wie hätten sie allein die sozialistischen Länder unterminieren, boykottieren, erpressen, bedrängen sollen, ohne dass die Arbeiter ihnen auf die Finger gehauen hätten?
Die Monopol- und Bankkapitalisten sind also in jeder Situation darauf angewiesen, sich Reserven in der Gesellschaft zu sichern, auf die sie sich stützen können und mit deren Hilfe sie die Arbeiterklasse bekämpfen, ruhig stellen und sogar für ihre politischen Ziele einspannen können.
Diese Reserven oder sozialen Stützen werden aus zwei verschiedenen gesellschaftlichen Schichten gewonnen, die im Imperialismus unvermeidlich vorhanden sind:
1. Gesellschaftliche Schichten außerhalb der Arbeiterklasse.
Diese Schichten spielen nicht erst im Imperialismus eine Rolle, sondern seit es den Kapitalismus gibt: „Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als Mittelstände vor dem Untergang zu sichern. Sie sind also nicht revolutionär, sondern konservativ. Noch mehr, sie sind reaktionär, sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen.“[5]
Die reaktionäre Tendenz in diesen kleinbürgerlichen Schichten, die Sehnsucht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, wurde Jahrzehnte nach Veröffentlichung dieser Zeilen des Kommunistischen Manifests (1848) großen Teilen von ihnen zum Verhängnis, da sie mit Hilfe der faschistischen, scheinbar antikapitalistischen Demagogie für die Interessen des Großkapitals eingespannt wurden.
Und weitere Schichten bieten sich schon seit dem vorigen Jahrhundert dem Kapital an: „Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.“[6] Dieser Bereich der Intelligenz, der Kleingewerbetreibende enthält und formal Lohnabhängige, die nicht zur Arbeiterklasse gehören[7], vergrößert sich im Zeitalter des Imperialismus gegenüber der Zeit, in der das Kommunistische Manifest geschrieben wurde, ganz gewaltig. Große Teile der Intelligenz werden dann im 20. Jahrhundert auch anfällig und gewinnbar für faschistische Demagogie, da der Faschismus ihnen Herrschafts- und Machtpositionen verspricht.
Das sind die kleinbürgerlichen Zwischenschichten, aus denen das Monopolkapital Reserven für sich schöpfen kann. Und dann gibt es noch eine Schicht, die nicht zur Arbeiterklasse und nicht zur Bourgeoisie gehört: „Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung der untersten Schichten der alten Gesellschaft, wird durch eine proletarische Revolution stellenweise in die Bewegung hineingeschleudert, seiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein, sich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu lassen.“[8] Die ganze Bedeutung dieser Feststellung aus dem Kommunistischen Manifest wurde dann auch erst im 20. Jahrhundert offensichtlich, als die SA den hoffnungslosesten Gestalten dieser kapitalistischen Gesellschaft Stiefel und Uniform gab.
Die kleinbürgerlichen und lumpenproletarischen Schichten und natürlich die paar hunderttausend nichtmonopolistischen Kapitalisten sind also das Reservoir außerhalb der Arbeiterklasse, aus dem die Monopolbourgeoisie ihre Bataillone bilden kann. Unwahr ist aber, dass die Arbeiterklasse von einer reaktionären Masse umgeben sei – eine Behauptung, die im 19. Jahrhundert von der lassalleanischen Richtung der Arbeiterbewegung aufgestellt und bis heute von sozialdemokratischen und Gewerkschaftsführungen gern wiederholt wird, um die eigene Untätigkeit gegen das Kapital zu rechtfertigen. Die Geschichte ist so verlaufen, wie die obigen Zitate aus dem Kommunistischen Manifest es auch darstellen: wenn die Arbeiterklasse kämpft, dann zieht sie auch Bündnispartner auf ihre Seite, dann entreißt sie der Bourgeoisie Bataillone[9], die dann entweder neutralisiert werden können oder die sogar gemeinsam mit den Arbeitern kämpfen. Teile dieser sozialen Stütze der Bourgeoisie können sich so in Reserven der Arbeiterklasse verwandeln.
2. Eine zweite soziale Stütze der Monopolbourgeoisie kommt aus der Arbeiterklasse und wirkt in ihr.
Sie wird rekrutiert aus verbürgerten Arbeiterführern und der Oberschicht der Arbeiteraristokratie. Das sind diejenigen, die uns das Leben in den Betriebsräten, in den Gewerkschaften schwer machen. Ihre politische Heimat ist die SPD, die Partei, die sich aus einer ehemals revolutionären in eine opportunistische verwandelt hat, bei den Arbeitern verankert war und hohes Ansehen genoss und nur dadurch die Spaltung und den heutigen Ruin der deutschen Arbeiterbewegung verursachen konnte.[10] Diese soziale Stütze der Herrschenden innerhalb der Arbeiterklasse ist viel jünger als die vorher genannte kleinbürgerlich-lumpenproletarische Reserve. Ihre Entstehung hängt zusammen mit der Entwicklung des Kapitalismus zu seinem höchsten Stadium, dem Imperialismus (auch wenn es Vorläufer bereits vor dem imperialistischen Stadium in England gab – dies hing mit dem reichen Kolonialbesitz Englands zusammen).
Aber auch die kleinbürgerliche soziale Stütze erfährt im Imperialismus insofern eine Veränderung, als sie eine aggressive Organisationsform gegen das Proletariat erhält, die faschistische Sammlungsbewegung mit ihren buntscheckigen Parteien, Vereinen, militärischen Formationen, in die Achtgroschenjungen, Hausfrauen, Metzger, Beamte, Akademiker, Künstler ... hineingezogen werden. Aber sehen wir uns zunächst an, warum im Imperialismus überhaupt Veränderungen für die Bourgeoisie hinsichtlich ihrer Stützen in der Gesellschaft notwendig und möglich werden.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Kapitalismus seine Entwicklung so weit abgeschlossen, dass der Feudalismus als Gesellschaftssystem erledigt war, der Kapitalismus die weltweit siegreiche Wirtschaftsordnung war, sich riesige Monopolverbände und wenige imperialistische Staaten herausgebildet hatten, deren Konkurrenz untereinander alles Bisherige in den Schatten stellte. Und auch der Krieg, der daraus resultierte, stellte alle bisherigen Kriege in den Schatten. Um diesen Weltkrieg anzuzetteln und zu führen, musste der deutsche Imperialismus das Volk gegen andere Völker hetzen, und insbesondere die deutschen Arbeiter gegen andere Arbeiter hetzen.
Das war ein sehr schwieriges Problem, vor dem der deutsche Imperialismus da stand! Denn die Arbeiter waren zu ausgemachten Gegnern der Bourgeoisie geworden. Ökonomisch war der Kapitalismus in Deutschland vollendet, aber zu spät und zu kurz gekommen bei der Aufteilung der Welt – er besaß kaum Kolonien. Politisch war Deutschland eins der rückständigsten, zersplittertsten und polizeihörigsten Länder Europas. Die Bourgeoisie hatte mit den Junkern ein Klassenbündnis geschlossen und begründete so den für Deutschland typischen preußisch-junkerlichen Kapitalismus. Mit den Arbeitern war kein Bündnis mehr möglich. Der unversöhnliche Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie war das größte Kriegshindernis, zumal die Arbeiterklasse inzwischen so angewachsen war, dass alles – auch Krieg oder Frieden – von ihr abhing. Es war also eine Lebensfrage des deutschen Imperialismus, die Arbeiterklasse mit der Bourgeoisie zu versöhnen. Dazu hatte es schon im 19. Jahrhundert verschiedene Versuche gegeben, die kleinbürgerlichen Reserven zu nutzen zur Desorganisierung und Verwirrung der Arbeiter – z.B. christliche Gewerkschaften, wohltätige Vereine, die Bismarck’sche Sozial„reform“ usw. All das blieb verhältnismäßig wirkungslos. Die Massen der klassenbewussten Arbeiter folgten ihren antimilitaristischen Führern August Bebel und Wilhelm Liebknecht und verachteten die Versöhnlerei des Kleinbürgertums. Mehr noch: die Arbeiterklasse war nicht nur ein Kriegshindernis, sie gewann politisch immer mehr an Stärke und bereitete sich auf den Sturz der bürgerlichen Gesellschaft vor.
Die Monopolbourgeoisie musste angesichts der immer stärker werdenden Konkurrenz unter den Imperialisten andere Methoden finden, die Klassenversöhnung durchzusetzen. Man sagt, mit Geld geht alles. Und dieses Geld, die Klassenversöhnung zu kaufen, war jetzt tatsächlich vorhanden. Denn jetzt hat der Kapitalismus „eine Hand voll (weniger als ein Zehntel der Erdbevölkerung, ganz ,freigebig’ und übertrieben gerechnet, weniger als ein Fünftel) besonders reicher und mächtiger Staaten hervorgebracht, die – durch einfaches,Kuponschneiden’[11] – die ganze Welt ausplündern. ... Es ist klar, dass man aus solchem gigantischen Extraprofit (denn diesen Profit streichen die Kapitalisten über den Profit hinaus ein, den sie aus den Arbeitern ihres ,eigenen’ Landes herauspressen) die Arbeiterführer und die Oberschicht der Arbeiteraristokratie bestechen kann. Sie wird denn auch von den Kapitalisten der ,fortgeschrittenen’ Länder bestochen – durch tausenderlei Methoden, direkte und indirekte, offene und versteckte.
Diese Schicht der verbürgerten Arbeiter oder der ,Arbeiteraristokratie’, in ihrer Lebensweise, nach ihrem Einkommen, durch ihre ganze Weltanschauung vollkommen verspießert, ist die Hauptstütze der II. Internationale und in unseren Tagen die soziale (nicht militärische) Hauptstütze der Bourgeoisie. Denn sie sind wirkliche Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung, Arbeiterkommis[12] der Kapitalistenklasse (...), wirkliche Schrittmacher des Reformismus und Chauvinismus. Im Bürgerkrieg zwischen Proletariat und Bourgeoisie stellen sie sich in nicht geringer Zahl unweigerlich auf die Seite der Bourgeoisie ...
Ohne die ökonomischen Wurzeln dieser Erscheinung begriffen zu haben, ohne ihre politische und soziale Bedeutung abgewogen zu haben, ist es unmöglich, auch nur einen Schritt zur Lösung der praktischen Aufgaben der kommunistischen Bewegung und der kommenden sozialen Revolution zu machen.“[13]
Wir haben hier auch deshalb so ausführlich Lenins Worte von 1920 zitiert, um der Fahrlässigkeit zu begegnen, mit der heute oft Parteien das Etikett „sozialdemokratisch“ aufgeklebt wird (von diesem Fehler war unsere Organisation auch nicht ganz frei). Und wir betonen, dass wir die PDS in diese Untersuchung der sozialen Stützen der Bourgeoisie nicht einbeziehen, weil uns dazu und zur Arbeiterbewegung in der einverleibten DDR keine uns schlüssig erscheinenden Untersuchungen vorliegen (d.h. Untersuchungen, die mit dem gleichen Materialismus an die Sache herangehen wie Lenin und nach den ökonomischen Ursachen fragen), und wir selbst eine solche Untersuchung nicht leisten können. Wir wissen, dass die PDS ihre Betriebsorganisationen 1990 unter dem erpresserischen Druck aus Bonn aufgegeben hat, und dass sie sich in ihren besten Aktivitäten als Volkspartei im antifaschistischen Sinne präsentiert hat, in der sich Widerstand gegen das Niedertrampeln der DDR, demokratischer und antimilitaristischer Widerstand sammeln können. Wenn Teile der PDS (insbesondere ihrer Führung) auf allerlei kleinbürgerlich-versöhnlerischen Hochzeiten tanzen, dann ist das gefährlich und bedauerlich, aber eben nicht nur typisch für Sozialdemokratie, sondern für alle anderen kleinbürgerlichen Strömungen auch. Uns fehlen auch Kenntnisse über die Arbeiterklasse in der DDR. Sie wurde ungeheuer verkleinert, wenn auch gegen den erbitterten Widerstand einzelner Belegschaften (so z.B. im Kali-Bergbau in Bischofferode und im Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann-SKET in Magdeburg), aber wie ihre gesellschaftliche Bedeutung in der einverleibten DDR ist, und welchen politischen Einflüssen sie derzeit hauptsächlich unterliegt, entzieht sich unserer Kentnnis. Wer gesellschaftliche Erscheinungen analysieren will, muss Unterschiede feststellen, und kann erst aus den Unterschieden ableiten, welche Gemeinsamkeiten es unter politischen Strömungen und Parteien gibt. Nur so kann es gelingen, diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten auch für die Bündnispolitik der Arbeiterklasse nutzbar zu machen. Deshalb müssen wir hier auf noch einen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland bzw. Westberlin aufmerksam machen: die SPD im eroberten Osten entspricht nicht der traditionellen SPD, die von der Arbeiteraristokratie beherrscht wird und den Haupteinfluss bei den westdeutschen Arbeitern hat. Sondern sie hat sich hauptsächlich aus der kirchlichen Bewegung gegen die SED und gegen die Regierung der DDR entwickelt, einer kleinbürgerlichen Bewegung ohne Verbindung mit den Arbeitern. Deshalb können wir auch die SPD in der einverleibten DDR nicht einbeziehen, wenn wir von der sozialen Stütze innerhalb der Arbeiterbewegung, die durch die SPD repräsentiert wird, reden.
Nun zurück zur Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung, die mit dem Beginn des ersten Weltkriegs vollendet war, da die SPD die Kriegskredite bewilligte und die Arbeiter zur Beteiligung am großen Völkermorden aufforderte. Alle Parteien der sozialistischen Internationale begingen diesen Verrat bis auf die russischen Bolschewiki, die Sozialdemokratische Partei Serbiens, die „Engherzigen“ in Bulgarien und zunächst auch die italienische Sozialistische Partei. Die deutsche Sozialdemokratie war aber die Erste, die der Kriegspolitik „ihrer“ Kapitalisten folgte, gegen die Beschlüsse und den Willen der Sozialistischen Internationale. Das wurde spätestens seit 1907 deutlich, wobei in der deutschen Sozialdemokratie schon lange vorher „theoretische Vorarbeit“ in Sachen Opportunismus geleistet worden war, z.B. gegen den politischen Massenstreik, gegen die praktischen Erfahrungen des Kampfes der Arbeiter in Russland.
Die Großbourgeoisie hatte nun also mit der Arbeiteraristokratie eine zweite soziale Stütze, die ihren Bedürfnissen viel besser angepasst war als das buntscheckige Gemisch aus Kleinbürgertum und Lumpenproletariat. Allerdings warf sie diese Reserve außerhalb der Arbeiterklasse nicht achtlos weg. Nun war nicht mehr Wohltätigkeitsgedöns und christliche Erbauung der Arbeiter gefragt. Sondern die neuen Aufgaben dieser kleinbürgerlichen Reserve ergaben sich aus dem 1. Weltkrieg, der gerade diese Schichten ungeheuer brutalisiert und bestialisiert hatte, der ihren Kleingeist durch die militärische Niederlage noch mehr verwirrt und chauvinistisch verhetzt hatte. Es entstand eine neue, „moderne“ Möglichkeit, diesen buntscheckigen Haufen zu organisieren und gezielt für die Interessen des Monopolkapitals einzusetzen – die faschistische Bewegung. Sie trat als Keimform schon bei der Niederschlagung der Novemberrevolution in Aktion, an der die SPD aber den Hauptanteil hatte. Ihre Premiere hatte sie im April 1919 bei der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik.
Der Faschismus ist also keine italienische Erfindung, auch wenn das Wort aus dem Italienischen kommt. Der Faschismus wurde in Italien zum ersten Mal zur politischen Herrschaftsform der Monopolbourgeoisie (1922). Das erwies sich als geradezu harmlos gegenüber dem, was der deutsche Faschismus in Verbindung mit dem Antisemitismus (der in Italien viel schwächer ausgeprägt war) „vollbracht“ hat. Er hat den zweiten Weltkrieg des deutschen Imperialismus begonnen, hat es gewagt, in die erste Bastion des Weltproletariats, die Sowjetunion, brutal einzudringen, hat mit der planmäßigen Vernichtung von Millionen von Menschen die größten Verbrechen in der Geschichte begangen und Deutschland der ganzen Welt zum Feind gemacht.
Bevor dem deutschen Faschismus die Macht übertragen wurde, sammelte und organisierte sich diese Bewegung hauptseitig im bäuerlichern und traditionell reaktionären Bayern sowie im von Junkern beeinflussten und geplünderten Preußen.
Ob etwas den Namen „faschistisch“ verdient, hängt nicht davon ab, wie sehr oder wenig es äußerlich Formen der Hitlerbewegung ähnelt. Sondern es gibt einen bezeichnenden Unterschied zu anderen bürgerlichen Organisationen, z.B. konservativen Parteien, die von der Monopolbourgeoisie auch für ihre Dienste bezahlt werden, aber eben keine ernsthaften gesellschaftlichen Stützen darstellen, die große Massen lenken und leiten können. Charakteristisch für jede faschistische Bewegung ist die breite und aggressive Organisierung kleinbürgerlicher und lumpenproletarischer Kräfte gegen die Arbeiterbewegung. Konservative Parteien organisieren nicht breit, sondern in ihnen sind die Honoratioren[14] vereint, die über den Pöbel die Nase rümpfen. Und wenn Teile einer konservativen Partei beginnen, eben diesen Pöbel auf die Straße zu bringen – z.B. mit einer rassistischen, völkerverhetzenden Unterschriftensammlung –, wenn damit sogar Wahlen gewonnen werden wie 1999 in Hessen, dann steht dieser konservativen Partei ein handfester Krach ins Haus, dessen Ziel es ist, das konservative, immer noch irgendwo bürgerlich-demokratische Element zu vernichten und die faschistische Brut zu organisieren. Und dieser handfeste Krach folgt auf dem Fuß im Jahr 2000. Die Führung dabei hat die CSU, die unter Strauß schon lange gewohnt war, den Mob auf die Straße zu bringen. Jetzt sind Stoibers Lieblinge allerorten am Zug: Roland Koch, seinerzeit schon Sieger der rassistischen Unterschriftensammlung, hat offenbar so viel hinter sich an Wohlwollen des Kapitals, dass er schon genauso krachledern und lässig wie die bayerische Konterrevolution über seinen Affären steht. Die CDU in Berlin ist natürlich frei von jeder Korruption und kämpft mit sauberen Händen gegen Holocaust-Mahnmal und Demonstrationsrecht. Die CDU in Brandenburg hat sich die CSU gleich in die Landesregierung geholt und ist mit General a.D. Schönbohm an der Spitze ebenfalls sauber wie ein Neugeborenes. Merz war gleich nach seiner Nominierung als zu wählender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag mit der typischen Demagogie „gegen das Großkapital“ eingestiegen, mit der einst schon die Nazis im Reichstag die Sozialdemokraten verblüfften. Anschließend fuhr er nach Bayern zum Leiter des Rudels, um sich Lob und neue Anweisungen zu holen.
Franz Josef Strauß sprach von einer „Sammelbewegung zur Rettung des Vaterlands“[15]. Das ist sie! Und Strauß prägte auch den Satz: „Mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein, und seien sie noch so reaktionär.“[16] Eben diese Hilfstruppen – z.B. NPD, DVU oder die CSU-Abspaltung Reps – erfüllen jetzt nicht nur die Funktion, von der CSU und den reaktionärsten Teilen der CDU abzulenken und Menschen brutal einzuschüchtern. Sie arbeiten seit zehn Jahren fast unbehelligt in der einverleibten DDR (wobei die Organisationen und Parteien durchweg aus Westdeutschland kommen), und sind für unzählige Morde, Verletzungen und weitere rassistische und antisemitische Taten verantwortlich. Sie knüpfen dort mit ihrer Demagogie an Erinnungen an die DDR an, die sie verfälschen, indem sie Antifaschismus zu Faschismus verdrehen. Sie sind eine Reserve der Monopolbourgeoisie für den Fall, dass die Beherrschung der eroberten DDR doch noch auf größeren Widerstand stößt. Sie besitzen die mehr oder weniger geheime Sympathie der Diepgen und Schönbohm, die sie gewähren lassen, wenn nicht sogar in Schutz nehmen. Sie sind gefährlich, aber noch gefährlicher ist es, Faschismus auf diese Grüppchen zu reduzieren und ihn anschließend für eine Randerscheinung zu erklären.
Nachdem wir nun die faschistische soziale Stütze der Bourgeoisie den bürgerlich-demokratischen konservativen Parteien gegenüber gestellt haben, müssen wir uns an dieser Stelle auch den Unterschied zwischen den beiden großen sozialen Stützen der Monopolbourgeoisie vergegenwärtigen. Die sozialdemokratische Stütze sucht die besten und klassenbewusstesten Teile der Arbeiterklasse zu beeinflussen, um die Arbeiterklasse zu demoralisieren, vom Kampf abzuhalten oder wenigstens den Kampf in der bürgerlichen Gesellschaft verträgliche Bahnen zu lenken und so die Klassenversöhnung zu erreichen und einen Weg der friedlichen Reformen (notfalls auch auf Kosten anderer Völker) einzuschlagen. Die faschistische Stütze sammelt und organisiert die rückständigsten Teile des Kleinbürgertums und des Lumpenproletariats, um sie gegen die Arbeiterklasse aufmarschieren zu lassen und die bürgerliche Demokratie zu vernichten. Der Faschismus will nicht die Klassen versöhnen, sondern den Klassenkampf abschaffen und die Volksgemeinschaft gegen den Rest der Welt errichten. Da der Klassenkampf nicht abgeschafft werden kann, nimmt der Faschismus – insbesondere wenn er an der Macht ist – blutige Rache an der Arbeiterklasse und auch an der Arbeiteraristokratie.
Das Monopolkapital bedient sich stets beider großer Reserven in der Gesellschaft. Aber eine von beiden hat immer den Vorrang – nämlich die, die sich in der gegebenen Klassenkampfsituation am meisten für die Herren der großen Industrie und der Banken rechnet.
Die beiden großen sozialen Stützen entsprechen den beiden Herrschaftsformen des Imperialismus: die soziale Stütze, die durch die SPD repräsentiert wird, entspricht der bürgerlich-demokratischen Republik. Die soziale Stütze, aus der sich die faschistische Bewegung rekrutiert, entspricht der faschistischen Terrorherrschaft. Allerdings kann es Übergangsformen geben, in denen die aktuelle soziale Hauptstütze nicht der Herrschaftsform entspricht.
Die jeweilige Regierung, die bei uns von CDU/CSU zur SPD gewechselt hat und umgekehrt, hat mit der Frage, welche der sozialen Stützen die Hauptstütze ist, nur sehr wenig zu tun. In den Jahren 1945 bis heute war in Westdeutschland die ganze Zeit die Sozialdemokratie die soziale Hauptstütze der Monopolbourgeoisie. Als 1969 eine SPD-Regierung die große Koalition ablöste, ging dem eine gewaltige demokratische Bewegung der studierenden Jugend voraus, in deren Gefolge sich auch die Arbeiter mehr Bewegungsfreiheit verschaffen konnten. Die Verbindung von SPD-Regierung und Gewerkschaftsführung war sehr eng und wurde bei den Arbeitern von großen Hoffnungen begleitet. Die soziale Hauptstütze, die sich aus der Oberschicht der Arbeiteraristokratie und Gewerkschaftsführern rekrutiert, hatte also in dieser Zeit einen kleinen Aufschwung, mit dem es aber schon spätestens Mitte der siebziger Jahre wieder vorbei war – wobei die SPD noch bis 1982 regierte. Ganz anders sieht es jetzt mit der SPD-Regierung aus. Die Widersprüche zwischen SPD-Regierung und Gewerkschaftsführtung sind viel größer als damals, und die Gewerkschaftszentralen wurden bereits mehr als einmal scharf brüskiert. Da kommt der Kanzler schon mal wie der Held aus einem billigen Comic-Heft eingeflogen, um „Arbeitsplätze bei Holzmann zu retten“ und trampelt dabei zum Entsetzen der braven IG-BAU-Führung letzte Reste gewerkschaftlicher Errungenschaften nieder. Wenn der Vorstand der IG Metall wenigstens die gewerkschaftliche Minimalpflicht erfüllt, die früheren Zwangsarbeiter der deutschen Konzerne in ihrer Forderung nach Entlohnung zu unterstützen, wenn damit wenigstens das bürgerliche Recht des freien Verkaufs der Ware Arbeitskraft eingeklagt wird, dann interessiert das diese Regierung nicht. Stattdessen hört man von ihr antisemitische Stereotypen, verbunden mit dem Drang, die deutsche Kriegsverbrecherindustrie „vor dem Ausland“ zu beschützen. Das „Bündnis für Arbeit“ wurde zur von allen aufmerksamen Arbeitern erwarteten Schmierenkomödie zu Gunsten des Kapitals. Der einzige wirkliche Schulterschluss zwischen Gewerkschaftsführung und Regierung fand statt bei der Aggression gegen Jugoslawien: als der DGB-Vorsitzende Schulte eilfertig versicherte, die Gewerkschaften stünden hinter diesem Verbrechen. Trotzdem gab es auch hier einen Unterschied zu früheren Gelegenheiten. Schulte hat diese Ungeheuerlichkeit ganz ohne Gegenleistung der Regierung auf dem Silbertablett serviert. Früher bekam die Gewerkschaftsführung für militaristische Untaten noch was. Unter der früheren SPD-Regierung wurde der Gewerkschafter Leber von der IG Bau, Steine, Erden sogar Kriegsminister und durfte sich stolz „Vater der Soldaten“ nennen lassen. Heute gibt’s nicht mehr annähernd so viel: Riester, vorher stellvertretender Vorsitzender der riesigen IG Metall, durfte gerade mal vergleichsweise einflussloser Blüm-Nachfolger werden.
Es liegt im Bereich des Möglichen, dass unter dieser politisch dummen und selbstmörderischen sozialgrünen Regierung das Monopolkapital das Pferd wechselt und hauptseitig auf die faschistische soziale Stütze setzt. Dann wird die letzte Zeit dieser Regierung so wie ein Barfußgang auf glühenden Kohlen. Dabei gibt es keine Zwangsläufigkeit für den selbstmörderischen Kurs der Sozialdemokraten in der Regierung: Sozialdemokraten sind zwar immer reformerisch, aber sie müssen nicht rassistisch und chauvinistisch sein, sie müssen nicht als Vertreter einer Besatzungsmacht die Völker Jugoslawiens bedrängen, sie müssen nicht den Gewerkschaften Steine vor die Füße schmeißen. Es ist noch nicht zu spät, dass das die sozialdemokratischen Arbeiter ihren Parteifreunden in der Regierung mit Nachdruck klar machen.
Ob die Monopolbourgeoisie ihre soziale Hauptstütze wechselt, wird natürlich nicht durch gesittete Diskussionszirkel der Monopolkapitalisten entschieden. Sondern darum wird ein Kampf um Leben und Tod in der Bourgeoisie selbst geführt, und dieser Kampf spiegelt sich in der Kämpfen der reaktionären Kräfte, wie wir sie jetzt sehen können, wider.
Und da es sich um heftige und chaotische Kämpfe handelt, ist es auch kaum möglich, sozusagen Regeln aufzustellen, unter welchen Bedingungen das Kapital die soziale Hauptstütze wechselt. Aber einige historische Erfahrungen sind doch vorhanden:
Die Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze wird vor allem gebraucht,
- wenn es um das Abwürgen oder Verhindern einer revolutionären Bewegung der Arbeiter geht,
- wenn die Arbeiter eines imperialistischen Landes gewonnen werden sollen zur systematischen, „friedlichen“ Zerstörung sozialistischer Länder,
- wenn in relativ stabilen Zeiten des Kapitalismus die industrielle Reservearmee, das Erwerbslosenheer, sich verkleinert und damit kaum mehr zur Niederhaltung und Einschüchterung der Arbeiter taugt,
- wenn die Monopolbourgeoisie sich in einen Krieg verwickelt, der nicht durch systematische Terrorisierung und Einschüchterung der Arbeiter und der breiten Volksmassen langfristig vorbereitet worden ist.
Die faschistische soziale Stütze wird dann vom Monopolkapital bevorzugt, wenn es um die systematische, langfristige Vorbereitung des Krieges um die Neuaufteilung der Welt mit dem Ziel der Weltherrschaft des deutschen Imperialismus geht. Wenn die faschistische Bewegung zur sozialen Hauptstütze wird, dann liegt das nicht an der Stärke der Arbeiterbewegung (dagegen setzt die Monopolbourgeoisie eher die Sozialdemokratie ein), sondern dann heißt das, die Arbeiterbewegung ist zu schwach gewesen, diesen reaktionären Umschwung zu verhindern.
Zu der Frage, welche soziale Stütze zu welchem Zeitpunkt von der Monopolbourgeoisie bevorzugt wird, wollen wir jetzt einige Beispiele bringen.
Auf den Gütern der ostelbischen Großgrundbesitzer und in Bayern hatten sich nach dem Weltkrieg bewaffnete konterrevolutionäre Verbände gesammelt, die nur auf das Signal warteten, sich in den Dienst des Kapitals gegen die Arbeiter zu stellen und mit Waffengewalt die bürgerliche Demokratie zu beseitigen. Interessenten fanden sich außer bei den Großgrundbesitzern auch bei manchen Monopolkapitalisten. Am 13. März 1920 schickten die Putschisten unter Führung von Kapp und General Lüttwitz ihre Soldateska mit schwarz-weiß-roten Fahnen und Hakenkreuz am Stahlhelm nach Berlin. Die Regierung war schon vorher nach Stuttgart geflohen. Die Putschisten erklärten die Regierung für abgesetzt und die Nationalversammlung für aufgelöst, und begannen sofort mit Mord und Terror gegen die Arbeiter, vor allem gegen Funktionäre der KPD, der USPD und der SPD. Die Arbeiter antworteten mit Generalstreik. Am 15. März ruhte in ganz Deutschland die Arbeit.
Die Monopolherren der Arbeitsgemeinschaft Chemie billigten den Generalstreik und erklärten sich sogar bereit, die Streiktage zu bezahlen.
Überhaupt hatten die entscheidenden Teile des Finanzkapitals (des Monopol- und Bankkapitals) kein Interesse daran, die Sozialdemokratie als Hauptstütze aufzugeben. Das war nicht zuletzt der Kampfentschlossenheit der Arbeiter geschuldet, aber auch der Tatsache, dass der reaktionäre kleinbürgerliche und lumpenproletarische Mob 1920 noch nicht so gut organisiert war, dass er im Sinne des Kapitals Widerstand gegen die Arbeiter hätte garantieren können. Auf eine planmäßigen Kriegsvorbereitung konnte zu dieser Zeit der deutsche Imperialismus auch noch nicht wieder setzen nach dem verlorenen Krieg. So schien doch den Bossen der Chemieindustrie die Sozialdemokratie die sicherste Stütze ihrer Herrschaft. Und sie setzte sich durch – mit Hilfe der Arbeiter!
War es unter diesen Bedingungen überhaupt richtig, gegen die Putschisten zu streiken?
Für die Massen der kommunistischen Arbeiter war das keine Frage: ab dem Tag des Putsches standen sie überall in den Betrieben in der ersten Reihe mit den linken Kräften der USPD, um den Kampfaufruf von SPD, USPD und Gewerkschaften durchzusetzen, der der Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Republik und den von der SPD errungenen Positionen im Staat galt. Nur in der Zentrale der jungen KPD gab es Zweifel: Sollte man für die Verteidigung der Regierung kämpfen, die für das Völkerschlachten des Weltkrieges und für den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich war? Sollte man zum Kampf für diese verhasste bürgerlich-demokratische Republik der Konzerne und Banken aufrufen? Sollte man einen Putsch, der offensichtlich Meinungsverschiedenheiten innerhalb der herrschenden Klasse widerspiegelte, an der Seite eines Teils der herrschenden Klasse vereiteln?[17]
Schon am nächsten Tag wurde – sicherlich auch angesichts der unaufhaltsamen revolutionären Aktivitäten der Mehrheit der KPD-Mitglieder – diese Haltung korrigiert. Die Zentrale der KPD rief zum gemeinsamen Kampf gegen die Putschisten auf, forderte die Entwaffung der Konterrevolution und wandte sich gegen die Wiederkehr der bisherigen Regierung nach der Verjagung der Putschisten, denn unter ihren Augen war der Putsch vorbereitet worden.
Mit dieser Perspektive entwickelten sich auch die Kämpfe der Arbeiter: immer mehr bewaffnete Formationen der Arbeiter bildeten sich in ganz Deutschland, im Ruhrgebiet wurde eine Rote Armee geschaffen. Denn es ging darum, ganze Arbeit zu machen, die Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Republik zu nutzen, um die Konterrevolution endgültig zu verjagen und die 1918 verlorene Macht der Arbeiter zurückzugewinnen. Die Regierung Kapp musste bereits am 17. März auf Grund des Generalstreiks abdanken, aber jetzt gingen die Arbeiter über die Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Republik hinaus. Ab dem 18. März bekämpfte die Führung der SPD energisch die Arbeiter, spaltete die errungene Einheit und entwaffnete als Teilhaber einer bürgerlichen Koalitionsregierung in blutigen mörderischen Kämpfen die Arbeiter.
Die ganze Zeit vor, während und nach dem Kapp-Putsch war die Reserve aus der Arbeiteraristokratie, der Sozialdemokratie, die soziale Hauptstütze des Monopolkapitals. Dass die Arbeiter Recht hatten, als sie über die Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Republik hinausgehen wollten, erwies sich 13 Jahre später, als mit der Machtübertragung an die Faschisten die deutsche Arbeiterklasse ihre größte Niederlage bis dahin erlebte. Sie hatten aber auch Recht gegenüber den „linken“ Bedenken, ob man Risse beim Gegner ausnutzen soll: hätten sie nicht energisch für den Erhalt der bürgerlich-demokratischen Republik gekämpft, wäre doch ihre Einheit niemals innerhalb weniger Tage so gewachsen, dass sie die ersten praktischen Schritte hätten tun können, um über dieses begrenzte Ziel hinauszugehen.
Seit 1924 hatte sich der deutsche Imperialismus in einer Phase der relativen Stabilisierung befunden. Im Jahr 1929 ist das vorbei, die Weltwirtschaftskrise brach aus.
Die nichtmonopolistischen Kapitalisten wurden reihenweise in die Pleite getrieben. Erstmals in der Geschichte Deutschlands nahm die Zahl der kapitalistischen Betriebe ab.
Auch Teile des monopolistischen Kapitals waren von der Krise betroffen. Das betraf vor allem die Kohle-, Stahl- und Eisenindustrie. Demgegenüber waren die Chemie- und Elektro-Monopolisten die großen „Gewinner“ dieser Jahre. Unterschiede innerhalb der Monopolbourgeoisie gab es nicht in der Frage, ob man die NSDAP unterstützt, die sich inzwischen zum Sammelbecken der organisierten kleinbürgerlich-lumpenproletarischen Konterrevolution gemausert hatte. Es gab aber Unterschiede, wieweit man sich schon durch die Weltwirtschaftskrise unmittelbar gezwungen sah, auf die Faschisten als soziale Hauptstütze zu setzen (Kohle-Eisen-Stahl) oder wieweit man die faschistische Diktatur nicht aus Not, sondern aus langfristigen Interessen wollte, da nur die faschistische Wirtschaftspolitik es möglich machte, Höchstprofite durch Krieg und Versklavung zu machen (Chemie-Elektro). Auch hatte die Chemie-Elektro-Industrie auf Grund ihres Kapitalexports gewisse Rücksichten auf das Ausland zu nehmen (USA und Großbritannien), bevor man zur kriegerischen Expansion ausreichend gerüstet war.
Dieser Unterschied führte zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des Monopolkapitals. Ende 1932 forderten Vertreter der traditionen Schwerindustrie, wie Fritz Thyssen und Albert Vögler, die Einsetzung einer Naziregierung mit Adolf Hitler als Kanzler. Aber noch war es nicht so weit. Am 3. Dezember 1932 hatten sich die IG Farben mit Schwerindustriellen wie Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und Otto Wolff darauf geeinigt, dem Repräsentanten der Reichswehr Schleicher die Regierungsgeschäfte zu übertragen. Die Chemie- und Elektromonopole liebäugelten mit einer militär-faschistischen Diktatur, unter der die SPD und die Gewerkschaften durchaus eine bedeutende Rolle als Stütze des Finanzkapitals spielen sollten. Außerdem sollte der so genannte Strasser-Flügel der Nazi-Partei, der vor allem an der Politik der Chemie-Elektro-Konzerne ausgerichtet war, stärker herangezogen werden.
Frohgemut hieß es am 1. Januar 1933 im sozialdemokatischen „Vorwärts“: „Bei der Hochfinanz, bei Schwerindustrie und Großgrundbesitz hat der Hitlerlismus schon seit längerer Zeit abgewirtschaftet.“[18] Während diese Zeilen gedruckt wurden, in der Neujahrsnacht, begannen die Nazis mit einer Terrorwelle, die sich den ganzen Januar über verstärken sollte. Dies war die Situation, in der die Entscheidung fiel, die Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze zu verabschieden und sich hauptseitig auf den faschistischen Mob zu stützen, was auch hieß, der bürgerlich-demokratische Republik den Todesstoß zu geben und an ihre Stelle die faschistische Herrschaftsform zu setzen. Am 4. Januar 1933 einigte sich Hitler mit Papen in der Villa des Bankiers Kurt von Schröder über die baldige Bildung eines von Hitler geführten Kabinetts. Am 7. Januar wurde dieser Entschluss durch ein Treffen maßgeblicher Monopolisten mit Hitler, Göring und Heß besiegelt. Am 28. Januar wurde Schleicher zum Rücktritt gezwungen, und am 30. Januar 1933 wurde den Hitlerfaschisten die Macht übertragen.
Ausschlaggebend dafür, wann die Sozialdemokratie in die zweite Reihe geschickt wurde und die NSDAP als faschistisches Sammelbecken zur sozialen Hauptstütze wurde, waren die Chemie- und Elektro-Monopolisten. Ohne sie waren die Stahl-, Eisen- und Kohle-Barone in einer zu schwachen gesellschaftlichen Postition, die Nazi-Bewegung als soziale Hauptstütze durchzusetzen.
Die Nazibewegung wurde also schon soziale Hauptstütze, bevor ihr auch die Macht im Staat übertragen wurde. Aber dies war die unmittelbare Vorbereitung der faschistischen Diktatur. Welche Faktoren sprachen für die bestimmenden Kreise des Finanzkapitals dafür, die soziale Hauptstütze auszutauschen und auf die faschistische Terrorherrschaft zuzusteuern:
Die NSDAP hatte ihren Höhepunkt in der Zustimmung von kleinbürgerlichen Massen schon überschritten. Sie musste bei der Reichstagswahl vom 6. November 1932 einen erheblichen Stimmenverlust hinnehmen. 33,1% stimmten für die NSDAP gegenüber 37,4% bei der vorangegangenen Wahl. Die KPD dagegen legte zu: Jeder sechste Wahlberechtigte stimmte für sie (16,9%). Daraus ergaben sich ernste Schwierigkeiten für die Monopolbourgeoisie. Die Gefahr der Verkleinerung der faschistischen Reserve drohte, und die Nazis machten durch ihre vermehrten Terroraktionen nur allzu deutlich, dass man keine faschistische Massenpartei hochzüchten kann, ohne sie an der Staatsmacht zu beteiligen. Dies mussten die Konzern- und Bankgewaltigen zur Kenntnis nehmen, auch wenn viele von ihnen über diesen Mob, dieses kleinbürgerlich-lumpenproletarische Sammelsurium die Nase rümpfte.
Es war schnell klar, dass die Schleicher-Regierung der entstandenen Widersprüche nicht lange Herr werden konnte. Und vor allem konnte die Monopolbourgeoisie davon ausgehen, dass die Führung von SPD und Gewerkschaften keinen Widerstand gegen eine schärfere Gangart einlegen würden. Die Risiken, die soziale Hauptstütze auszuwechseln, schienen demnach gering.
Die nichtmonopolistische Bourgeoisie wurde in den Jahren der Weltwirtschaftskrise paralysiert, sie konnte dem Finanzkapital keinen Widerstand entgegensetzen. Dies spiegelte sich auch darin wieder, dass die konservativen Parteien des Bürgertums sich im Auflösungszustand befanden und der Parlamentarismus der Weimarer Republik von einer Krise zur nächsten taumelte. Das Harzburger Treffen der reaktionärsten Parteien, Militaristen, Kapitalvertreter und Junker im Oktober 1931 war bereits ein Zeichen dafür gewesen, dass die Partei „Zentrum“, in deren Tradition die CDU heute steht, als stabilste aller bürgerlich-konservativen Parteien ihre bisherige Bedeutung für das Finanzkapital einbüßte. (Dieses wichtige Kennzeichen einer gefährlichen, zum Faschismus steuernden Entwicklung – die Zerreibung konservativer politischer Kräfte und des Parlamentarismus insgesamt – scheint heute leider sehr stark in Vergessenheit geraten zu sein.)
Der Kampf um die Frage der sozialen Hauptstütze und der Herrschaftsform hatte innerhalb der monopolistischen Bourgeoisie bis Ende 1932/Anfang 1933 eine solche Schärfe angenommen, dass er vom ökonomisch stärksten Teil, den Chemie- und Elektro-Monopolisten, entschieden werden musste, wollten die nicht politisch an Boden verlieren.
Die Ausbeutung der Arbeiter konnte mit den bisherigen Formen nicht mehr wesentlich gesteigert werden. Die Erwerbslosenrate war in schwindelnde Höhen gestiegen, während in einer Großzahl von Betrieben 15 Stunden am Tag gearbeitet wurde. Ende 1932 hatte die Krise ihren Höhepunkt überschritten. Die Konjunktur und planmäßige Ausrichtung der Wirtschaft auf direkte Kriegsvorbereitung erforderte Arbeitskräfte, und die Nazis konnten als Arbeitsbeschaffer hervortreten.
Das waren die Bedingungen, unter denen die Sozialdemokratie den Fußtritt des Kapitals als Dank für jahrzehntelange Bemühungen um Klassenfrieden bekam.
Die Arbeiterklasse war zwar im Vergleich zu heute sehr hochgradig politisch organisiert. Und zugleich war sie zutiefst gespalten. Sie stand mehrheitlich unter dem Einfluss der Sozialdemokratie, aber die Kommunisten waren auch mit verhältnismäßig starken Bataillonen in den Betrieben vertreten. Allerdings war die KPD in den Betrieben dadurch sehr geschwächt, dass ihre Mitglieder seit der Weltwirtschaftskrise bei den Massenentlassungen immer ganz oben auf der Liste des Kapitals standen.
Die Sozialdemokratie mit ihrer Aufgabenstellung, die Arbeiter mit dem Kapital zu versöhnen, wurde von der faschistischen Bewegung scharf bekämpft, und schließlich fanden sich dann unter faschistischer Herrschaft Sozialdemokraten und Kommunisten in den KZs wieder. Die Arbeiter sollten sich nicht mit den Kapitalisten versöhnen, sondern für die Kapitalisten schuften und die Schnauze halten. Dieser Kampf gegen die SPD und gegen die Gewerkschaften richtete sich genau so auch gegen die Arbeiteraristokratie, gegen die SPD- und Gewerkschaftsführer, und nicht nur gegen die Massen von dort organisierten Arbeitern.
So wäre es doch das Natürlichste von der Welt gewesen, wenn SPD und KPD über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg die Einheitsfront gegen den Faschismus geschmiedet hätten. Im Gegensatz zu vielen sozialdemokratischen Arbeitern und unteren Funktionären verweigerte sich die SPD- und Gewerkschaftsführung diesem gemeinsamen Kampf und sang stattdessen das alte Lied vom Extremismus von links und rechts. Auch die letzte Chance, am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtübertragung an die Hitlerfaschisten, wurde vertan: es wurde kein Generalstreik durchgeführt, entgegen der Forderung der KPD und sogar einiger SPD-Führer. Wilhelm Hoegner[19], damals Reichstagsabgeordneter der SPD, nach der Befreiung kurze Zeit bayerischer Ministerpräsident, schrieb über diesen Tag im Versuch, die Haltung der SPD- und Gewerkschaftsführer zu erklären, eine in Wirklichkeit vernichtende Einschätzung:
„Inzwischen baten Führer des sozialdemokratischen Parteivorstands die Führer der Gewerkschaften dringend, den Beginn des Faschismus in Deutschland, den die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unzweifelhaft bedeutete, mit dem Aufruf zum Generalstreik zu beantworten. Allerdings war die Meinung darüber nicht einmal innerhalb der Parteileitung einheitlich, denn der ,Vorwärts’ schrieb, heute Generalstreik machen, hieße die Munition der Arbeiterklasse in die leere Luft zu verschießen. Er dachte offenbar nicht daran, dass sie durch allzu lange Lagerung auch unbrauchbar werden könnte. Die Gewerkschaftsführer stellten sich auf den rein formalen Standpunkt, dass die Ernennung eines Reichskanzlers nach der Verfassung in das Belieben des Reichpräsidenten gestellt sei. Sie übersahen völlig, dass durch eine Kundgebung des Widerstands im Proletariat auch jener einflussreiche Teil der Generalität in der Reichswehr, der mit Schleicher gegen die Auslieferung der Staatsmacht an Hitler war, ermutigt und gestärkt worden wäre. Sie dachten vor allem an die in Menschenaltern aus den Sparpfennigen der deutschen Arbeiterschaft aufgebauten Einrichtungen, ihre Gewerkschaftshäuser, Schulen, Bibliotheken und Siedlungen, die sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollten. Einzelne unter ihnen hatten sich bereits mit dem scheinbar unvermeidlichen Faschismus abgefunden und erwarteten, schlimmstenfalls das Schicksal der italienischen Gewerkschaften zu erleiden und in den Staat eingegliedert zu werden. Der Gedanke, dass es Hitler wagen könnte, die Koalitionsfreiheit anzutasten oder gar die Gewerkschaften zu zertrümmern, war ihnen unvorstellbar. Dafür gab es kein Beispiel in der Geschichte, hatte sich doch noch jede Regierung bisher bemüht, es mit der Milionenorganisation der Arbeiter nicht zu verderben. Selbst Kapp hatte sie umschmeichelt und Schleicher sie zuletzt zu höheren Dingen bestimmt. So glaubten sie, auch eine Hitlerschaft zu überdauern und den Kern ihrer Organisation in bessere Zeiten hinüberretten zu können. Der Erfolg eines Generalstreiks bei 7 Millionen Arbeitslosen in Deutschland schien ihnen zweifelhaft, dass der Hunger der Arbeitslosen nach Arbeit stärker sein würde als die Begeisterung für die sozialdemokratische Sache und ihre Empörung gegen die faschistische Reaktion.
Unter der zermürbenden Auswirkung der Weltwirtschaftskrise war ihnen der Glaube an den revolutionären Schwung des Proletariats, wie er beim Kapp-Putsch aufgeflammt war, verloren gegangen. Im täglichen Kampf gegen Lohnherabsetzungen, um Einzelheiten der Tarifverträge und des Arbeitsrechts waren sie gewöhnt, nur das Nächstliegende und jede Möglichkeit eines Ausgleichs widerstrebender Interessen zu sehen. Das erzog nicht zur Zusammenschau der politischen Vorgänge, nicht zur geistigen Erfüllung dessen, was entwicklungsmäßig kommen musste. ... Die letzte Stunde, die der deutschen Sozialdemokratie noch einmal gegeben war, entweder das Schicksal zu wenden oder ehrenvoll unterzugehen, blieb ungenützt. Vergebens warteten die Millionen draußen im Lande auf den Angriffsbefehl. Er blieb aus; den Deutschen aber liegt es nicht, etwas ohne Befehl der Führung, aus eigenem Entschluss zu tun. So scharten sich noch Millionen stumm und treu um die rote Fahne des Proletariats. Aber die Massen hatte eine große Lähmung befallen ...“[20]
Die KPD konnte trotz aller Bemühungen die Einheit der Arbeiter gegen den Faschismus nicht herstellen. 1935 wurde auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale und der Brüsseler Konferenz der KPD Bilanz gezogen und geprüft, ob wirklich alle strategischen und taktischen Möglichkeiten genutzt wurden, um diese historisch neue Situation mit dem größtmöglichen Erfolg zu bewältigen. Denn die Kommunisten konnten sich nicht damit begnügen, im Gegensatz zur SPD-Führung „ehrenvoll“ untergegangen zu sein. Viel wichtiger war es, aus der Niederlage neue Kräfte zu schöpfen. Wilhelm Pieck führte auf der Brüsseler Konferenz aus: „Wir haben mit unserem Hauptangriff gegen die Sozialdemokratie zu der Zeit, als die Taktik richtig war, als in den Stabilisierungsjahren die sozialdemokratischen Illusionen der Wirtschaftsdemokratie und des organisierten Kapitalismus die Arbeiterhirne verkleisterte, und die Arbeiter vom Kampfe zurückhielten, große Erfolge erzielt. Ohne diese Taktik wäre es nicht zu den entscheidenden Kämpfen an Rhein und Ruhr, in Berlin, an der Wasserkante, in Mitteldeutschland und Sachsen gekommen. Die Bourgeoisie hätte in noch viel rascherem Tempo den Lohnabbau und die Beschneidung der demokratischen Rechte und Freiheiten der Arbeiter durchzuführen vermocht. Auch unser Kampf gegen die Weimarer Republik, gegen die bürgerliche Demokratie, war absolut notwendig und richtig, weil sie nicht nur die ,ganze deutsche Konterrevolution’ um sich scharte, sondern weil von ihr aus die schwersten Angriffe gegen die Arbeiterklasse gerichtet wurden. Wir haben mit dieser unserer Taktik gegen die Sozialdemokratie und gegen die Weimarer Republik in dieser Zeit das volle Verständnis großer Teile der deutschen Arbeiterklasse gefunden, wodurch die KPD zu einer Massenpartei wurde.
Aber die Mehrheit der deutschen Arbeiterklasse leistete der Sozialdemokratie Gefolgschaft und setzte ihre Hoffnung auf die bürgerliche Demokratie, auf die Koalitionspolitik der Sozialdemokratie. Und das umso mehr, als die faschistische Bewegung mächtig anschwoll und alle Rechte und Freiheiten der Arbeiterklasse bedrohte. Da wir selbst die faschistische Gefahr unterschätzten und sie der Arbeiterschaft nicht genügend signalisierten, im Gegenteil nach wie vor unseren Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie und gegen die bürgerliche Demokratie richteten, so konnte es nicht ausbleiben, dass wir nicht vermochten, die Arbeiterklasse für den Kampf gegen den Faschismus zu mobilisieren.
Ich möchte das an einem Beispiel näher erläutern. Die Faschisten erzielten bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 mit ihren 6,4 Millionen Stimmen gegenüber den 800.000 Stimmen, die sie noch bei den Maiwahlen 1928 erhalten hatten, einen großen Wahlerfolg. Die Faschisten überflügelten uns bei dieser Wahl um fast zwei Millionen Stimmen. Dieser Vormarsch der Faschisten hätte uns ernst genug die faschistische Gefahr aufzeigen und uns veranlassen müssen, in unserer strategischen Orientierung eine Wendung in der Richtung des Hauptstoßes gegen die Faschisten vorzunehmen und alle Anstrengungen zu machen, die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern zum Kampf gegen den Faschismus zu schaffen.“[21]
Die Schwäche und Hilflosigkeit der Arbeiterklasse führte auch dazu, dass die Nazibewegung den überwiegenden Teil des Kleinbürgertums für sich gewinnen oder auf Dauer einschüchtern konnte – das zeigt die riesige Schar der Mitläufer und Mittäter des Nazi-Regimes. Durch die desorganisierende Tätigkeit der Sozialdemokratie, die dann durch den Naziterror vollendet wurde und den Arbeitern ihre Organisationen raubte, wurden die Arbeiter so vereinzelt, dass die Rückständigsten und politisch Unwissendsten unter ihnen ebenfalls der an das Kleinbürgertum gerichteten Demagogie auf den Leim gingen und mehr oder weniger zu Mitläufern oder Mittätern wurden. Nur wenn die Arbeiterklasse Stärke gezeigt hätte, hätte sie die eigene Klasse gegen den Faschismus zusammenhalten und breite Sympathien bei den Zwischenschichten gewinnen können, die sich ja – bis hin zur Oberschicht der Arbeiteraristokratie – sehr wohl vom Faschismus bedroht fühlten.
Der Faschismus war besiegt. Und statt nun die Wurzeln des Faschismus endgültig auszurotten, wie es solche sozialdemokratischen Führer wie Otto Grotewohl und Otto Buchwitz wollten, nahm der rechte Teil der SPD-Führung sofort den Kampf gegen den Kommunismus und gegen die Einheit der Arbeiterklasse wieder auf. Zunächst ging es darum, den Kampf der Arbeiter für die Vereinigung von KPD und SPD und den revolutionären Kampf für eine demokratisch-antifaschistische Umwälzung, für Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Enteignung der Kriegsverbrechermonopole zu verhindern. Dies gelang den rechten SPD-Führern nur in Westdeutschland, während sie in (ganz) Berlin diesen Kampf erheblich behindern und stören konnten. Nachdem die Verhinderung der demokratisch-antifaschistischen Umwälzung im Westen zur Existenz zweier deutscher Staaten geführt hatte, ging es dann darum, die DDR zu untergraben, zu unterhöhlen, zu unterminieren, die Arbeiter in der DDR zu demoralisieren und zu spalten, und das so lange, bis die DDR wie eine reife Frucht in den Schoß des deutschen Imperialismus fallen würde. Nur die SPD war dazu im Stande, denn dazu gehörte in erster Linie die Entsolidarisierung der Arbeiter in Westdeutschland und ihre Demoralisierung. Nur ein Westdeutschland, das dem Anschein nach keinen Klassenkampf kannte, in dem die Arbeiter so selten streikten wie kaum sonst irgendwo auf der Welt, nur solch ein Westdeutschland konnte als das Paradies erscheinen, für das im Lauf der Zeit eine Million DDR-Bürger die DDR verließen und viele weitere 1989/90 alles hinschmeißen wollten.
Im Einzelnen musste die SPD ihre Taktik je nach Gegebenheiten ändern, das Ziel war aber immer das gleiche. Zum Beispiel:
- Die Unruhen in der DDR am 17. Juni 1953, von der SPD liebevoll „Arbeiteraufstand“ genannt, die zum Ziel hatten, die DDR sofort der BRD einzuverleiben. Die wichtigste Aufgabe war das Schüren der Unzufriedenheit in den Betrieben und die Vorbereitung von Streiks, die nach bürgerlichen Schätzungen bis zu 10 Prozent der Arbeiter der DDR erfassten[22] – eine Aufgabe, der SPD wie auf den Leib geschneidert, die von ihrem Ostbüro in Westberlin aus agierte und durch die offene Grenze in Berlin sowie durch alte Verbindungen in den Betrieben sehr effektiv schalten und walten konnten. Dass sich dann schließlich faschistischer Mob, auch aus Westberlin, dem „Arbeiteraufstand“ anschloss, plünderte, brandschatzte und Naziverbrecher aus den Gefängnissen befreite[23], war eine natürliche Folge dieser Aktion. Das ändert nichts daran, dass ohne tatkräftige Arbeit der SPD kein 17. Juni 1953 möglich gewesen wäre. Die Wirkung auf die Arbeiter in Ost und West war moralisch verheerend, da es – wieder einmal – nicht aus eigener Kraft geschafft wurde, diesen Angriff auf eine international entscheidende Bastion der Arbeiterklasse abzuwehren, sondern sowjetische Panzer mithelfen mussten, die DDR zu retten.
- Die „neue Ostpolitik“ der Regierung Brandt ab 1969. Sie fand bei den Arbeitern große Zustimmung, weil sie der Illusion erlagen, dies sei Friedenspolitik, die der Verständigung mit den sozialistischen Ländern dienen würde. In Wirklichkeit diente diese Politik der Unterminierung der DDR, der Schwächung ihrer internationalen Positionen und ihrer Schwächung gegenüber dem deutschen Imperialismus. So gelang es den „neuen Ostpolitikern“, die sowjetische Regierung so weit über den Tisch zu ziehen, dass die ihre Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung der DDR fallen ließ, sogar den ausdrücklichen Anspruch der BRD auf die DDR tolerierte, und im Westberlin-Abkommen Festlegungen über die Transitwege zwischen Westdeutschland und Westberlin zustimmte, die die Souveränität der DDR ernsthaft berührten. Die DDR wurde immer mehr in die Zange genommen, bis es zu den „Ständigen Vertretungen“ von BRD und DDR im jeweils anderen Staat kam – faktisch eine Anerkennung der Nicht-Anerkennung der DDR durch die BRD.
- In den achtziger Jahren: Die SPD setzt als Oppositionspartei fort, was die Schmidt-Regierung schon begonnen hatte: die Abkoppelung von den USA, die „Friedens“politik, die „uns Deutsche in Ost und West“ als Opfer der atomaren Aufrüstung von USA und UdSSR sieht. Im Juni 1989 besucht Gorbatschow die BRD. Er wird von der Sozialdemokratie den Stahlarbeitern im Ruhrgebiet als Friedensbringer vorgestellt. Erneut keimt in den Arbeiter Hoffnung auf Frieden auf: sie jubeln Gorbatschow zu. So steht die westdeutsche Politik, die DDR in den Schwitzkasten zu nehmen, indem man Glasnost und Perestroika von ihr fordert, auf festen Füßen.
- Als 1990 das Werk der Zerschlagung der DDR endlich vollbracht ist, steht noch einmal eine große Aufgabe vor den Teilen der SPD, die maßgeblich die Gewerkschaften beherrschen und beeinflussen. Es geht um die restlose Zerschlagung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes in der DDR, um die Angliederung der Arbeiter in der zerschlagenen DDR an die westdeutschen Gewerkschaften. Dieses Werk ist so gründlich gelungen, dass große Teile der so forsch errungenen „neuen“ gewerkschaftlichen Organisierung schon bald wieder zusammenbrach (1992 waren auf dem Gebiet der früheren DDR noch 43 Prozent der Erwerbstätigen gewerkschaftlich organisiert, 1999 waren es nur noch 15 Prozent[24]. Tausende Arbeiter in der einverleibten DDR sind aus der Gewerkschaft aus Enttäuschung und Wut ausgetreten.
Das Zerstörungswerk ist so weit schon vollendet, und auch in Westdeutschland sind bereits so viele gewerkschaftliche Positionen schon aufgegeben, dass für das Monopolkapital mehr und mehr die Frage steht, ob es sich noch rechnet, einen großen Teil der Extraprofite in die Oberschicht der Arbeiteraristokratie, in die SPD- und Gewerkschaftsführung zu stecken. Das ist eine der Ursachen für die heutige gefährliche Rechtsentwicklung. So ist der Kurs der SPD den „Extremismus von rechts und links“, gegen den „Totalitarismus“ – auf Deutsch: gegen die Kommunisten und gegen die Arbeitermacht – stets selbstmörderisch, heute wie vor 1933.
Italien war das erste imperialistische Land, in dem der Faschismus 1922 unter Führung des politischen Abenteurers Mussolini von der Monopolbourgeoisie an die Macht gebracht wurde.
Der italienische Imperialismus war äußerst geschwächt aus dem 1. Weltkrieg hervorgegangen, er konnte sich gegen die imperialistischen Konkurrenten in Europa und in Amerika kaum behaupten. Er war gerade noch verschont geblieben von der revolutionären Erhebung der Arbeiter, die 1920 sogar Fabriken besetzt und mit der Leitung der Produktion begonnen hatten. Die rechten Sozialistenführer hatten die Bourgeoisie noch einmal gerettet – so schätzten es wenigstens die Sprachrohre der Bourgeoisie selbst ein.[26]
Die Monopolbourgeoisie brauchte die Arbeiteraristokratie als soziale Hauptstütze, auch wenn sie auf Grund ihrer misslichen außen- und innenpolitischen Lage gern schon alle Hunde der faschistischen Bewegung auf die Arbeiterklasse losgelassen hätte. Aber diese Hunde waren noch nicht scharf genug, der faschistischen Bewegung, die genau wie in Deutschland aus dem 1. Weltkrieg entstanden war, fehlte noch die Massenbasis. Trotzdem setzte die Monopolbourgeoisie in ihrer verzweifelten Situation auf die faschistische Diktatur. In Mussolini fanden sie den geeigneten „Führer“. Er hatte sich in seiner Jugend der sozialistischen Bewegung angeschlossen und kämpfte gegen die Reformisten in der sozialistischen Partei – allerdings von einem kleinbürgerlichen, antimarxistischen Standpunkt aus. Nachdem er sich den Interventionisten angeschlossen hatte, die für eine Beteiligung Italiens am 1. Weltkrieg an der Seite Deutschlands kämpften, wurde er aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen. „Mussolini – ein Mensch, dem jeder moralische Halt fehlte, der völlig prinzipienlos war, der Abenteuerlust mit Berechnung und Wendigkeit, Menschenverachtung mit Popularitätssucht vereinte; ein Karrieremacher, der in seinen Mitteln nicht wählerisch war, der alle Veränderungen in der politischen Situation rasch zu erfassen und sich ihnen anzupassen verstand; ein Heuchler und Poseur, der Grausamkeit und Rachsucht mit dem Glanz eines ,zivilisierten Europäers’ tarnte; ein Demagoge, der die Gabe einer geschwollenen und oberflächlichen Beredsamkeit besaß, die aber auf die Menge Eindruck machte - Mussolini erwies sich als der geeignete ,Heros’ und das geeignete Werkzeug für die reaktionärsten Elemente der italienischen Bourgeoisie.
Mussolini war für sie ein wertvoller Fund, nicht nur wegen seiner moralischen ,Qualitäten’, nicht nur als Anführer einer zu allem fähigen terroristischen und konterrevolutionären Bande, sondern auch als eine ehemals prominente Persönlichkeit der sozialistischen Bewegung, die ihre schwachen Seiten und die Mängel ihrer Führer kannte und über große Erfahrung im Umgang mit den Massen verfügte. In der Person Mussolinis und seiner nächsten Mitstreiter hatte die Bourgeoisie nicht nur die Henker der Arbeiterklasse, sondern auch erfahrene Provokateure gefunden.“[27]
Am 28.Oktober 1922 führte Mussolini mit seinen Anhängern den berüchtigten „Marsch auf Rom“ durch, und wurde einen Tag später vom König mit der Regierungsbildung beauftragt. Der „Marsch auf Rom“ war weder eine militärische Aktion, noch sonst ein Aufmarsch von wirklich bedrohlichem Ausmaß. Dazu waren die Faschisten noch zu schwach. Sondern es handelte sich um eine gelungene Inszenierung unter den Augen des Staatsapparats und vom Wohlwollen der Großbourgeoisie getragen. Der antifaschistische Kampf der Arbeiter war erfolglos geblieben. Nach den ersten Terrorakten der Faschisten 1921 schrieb der sozialistische Opportunist Filippo Turati an die Arbeiter Apuliens: „Reagiert nicht auf Provokationen, gebt keinen Anlass dazu, antwortet nicht auf Kränkungen! Seid ehrlich, geduldig und vernünftig! So wart Ihr Tausende von Jahren, so bleibt auch jetzt. Haltet aus, seid nachsichtig und vergebt sogar!“[28]
So geführt (die Kommunistische Partei wurde erst 1921 gegründet und war sehr schwach) konnte der antifaschistische Kampf nur eine Niederlage erleiden, obwohl die Massenbasis der Faschisten noch nicht so groß war. Anfang 1922 wurde ein antifaschistischer Generalstreik vorzeitig durch die Reformisten abgebrochen.
Welche Maßnahmen führte die Regierung Mussolini nun durch – außer der Verhaftung und Ermordung zahlreicher Kommunisten und antifaschistischer Arbeiter? Zum Beispiel:
- Der durch die Revolution 1920 erkämpfte 8-Stunden-Tag wurde aufgehoben, und auch sonst wurden alle Einschränkungen für die Kapitalisten aufgehoben (z.B. in der Steuergesetzgebung).
- In allen Schulräumen mussten das Bild des Königs und das Kruzifix angebracht werden.
- Die Pressefreiheit wurde eingeschränkt.
- Ein Wahlgesetz wurde erlassen, wonach die Liste, die die relative Stimmenmehrheit auf sich vereinigte, zwei Drittel der Parlamentssitze erhielt (dies entsprach ganz dem Sinn Mussolinis für Inszenierungen: es handelte sich um die Inszenierung der Illusion von bürgerlicher Demokratie, dabei war mit diesem Gesetz das Parlament schon praktisch außer Kraft gesetzt).
- Die Überwachung der Gewerkschaften wurde verfügt.
Die sozialdemokratischen Parteien, die Kommunistische Partei und bürgerliche, nicht-faschistische Parteien wurden in dieser Phase des Mussolini-Faschismus noch nicht verboten.
Am 10. Juli 1924 ermordeten die Faschisten den sozialistischen Abgeordneten Matteotti. Dies rief die Empörung aller antifaschistischen Kräfte hervor und führte zu einer tiefen Krise des Faschismus. Die antifaschistischen Parteien verließen das deformierte Parlament und bildeten ein Komitee, den „Aventinischen Block“. Der Vorschlag der KPI, den Generalstreik auszurufen, wurde aus Furcht vor der Arbeiterklasse abgelehnt.
Dennoch kam es im Juli zum Generalstreik, an dem trotz der Sabotage der rechtssozialistischen Gewerkschaftsführung 500.000 Werktätige teilnahmen. Die Zersetzung der antifaschistischen Bewegung durch die ausdrücklich „gewaltfreie“ Haltung des Aventinischen Blocks und das Zurückweichen der sozialdemokratischen Führer, die gleichzeitig zu einem Aufschwung der faschistischen Bewegung führte, war aber zu weit fortgeschritten. Die Arbeiterklasse konnte ihre Bündnispartner nicht halten und zum Kampf zusammenschließen. Umso grausamer war die Rache der Faschisten. Die Bourgeoisie hatte endgültig genug von der Demokratiespielerei und den Kompromissen mit den Arbeiterorganisationen. Mussolini beendete sein Lavieren zwischen Terror und Kompromiss und steuerte im Auftrag des Monopolkapitals in den nächsten zwei Jahren konsequent die völlige Ausschaltung der Arbeiterbewegung und der bürgerlichen Demokratie an. Für diese Entwicklung waren nicht zuletzt die kriegerischen Interessen der Monopolbourgeoisie ausschlaggebend: die Aggression auf dem Balkan konnte nicht erfolgreich fortgesetzt werden, weil andere Imperialisten dem italienischen den Weg versperrten. Neue Positionen am Mittelmeer konnten nicht errungen werden. Der Konkurrenzkampf mit den anderen Imperialisten war in den letzten Jahren immer erbitterter geworden. Dem italienischen Imperialismus fehlten ausländische Absatzmärkte, er war auf den Import von Rohstoffen und Ausrüstungen für die Großbetriebe angewiesen. Er setzte auf Krieg, um sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Und dazu brauchte er den Faschismus hundertprozentig.
Bis zum Oktober 1926 wurden die wesentlichsten noch vorhandenen (wenn auch z.T. verstümmelten und kaum anwendbaren) demokratischen Errungenschaften außer Kraft gesetzt. Das Streikrecht fiel am 6. Oktober. Am 31. Oktober wurde ein missglücktes Attentat auf Mussolini als Vorwand benutzt, blutige „Strafexpeditionen“ gegen Antifaschisten durchzuführen. Alle antifaschistischen Parteien wurden verboten.
Hier endete auch die Funktion der Arbeiteraristokratie und der sozialdemokratischen Führer als Hauptstütze der Monopolbourgeoisie. Dass sie weiterhin eine Reserve der Herrschenden waren, bewiesen die reformistischen Gewerkschaftsführer, als sie am 4. Januar 1927 die „Selbstauflösung“ des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes (CGL) verkündeten.
Die Flexibilität und Kompromissfähigkeit Mussolinis und seiner Mitstreiter, die mit größter Brutalität und Feindseligkeit gegen die Arbeiterklasse gepaart waren, erweckten bis zum Sturz des italienischen Faschismus die Aufmerksamkeit der internationalen Bourgeoisie. Es gab Überlegungen, ob nicht der italienische Faschismus eine „annehmbare“, „zivilisierte“ Abart des Faschismus sei.
Seit 1945 ist bei der deutschen Monopolbourgeoisie auch „Demokratie“ angesagt, denn der sture Antidemokratismus des Hitlerfaschismus war doch weltweit zu sehr in Verruf geraten - zumal bei den einstigen imperialistischen Kriegsgegnern, in deren Windschatten man wieder zur alten Größe zurückfinden wollte. Die Wiederauflage eines Faschismus im „demokratischen“ Gewand, in dem die Sozialdemokratie vorerst noch Hauptstütze der Bourgeoisie ist, bis sie durch Kompromisse und Demokratiespielereien so weit in heillose Verirrung und Zersetzung getrieben wird und die faschistische Bewegung so weit gestärkt wird, dass der Faschismus deutscher Prägung wieder Platz greifen kann – das ist in unserem Land so unwahrscheinlich nicht.
Was sagen uns nun diese historischen Erfahrungen, wie wir kämpfen müssen?
Unser Ziel ist eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Voraussetzung dafür ist, dass in jedem imperialistischen Land die Arbeiterklasse ihre Ausbeuter stürzt, dass also bei uns der deutsche Imperialismus gestürzt wird. (Dabei ist es heute noch unentschieden, wie weit der heute sich immer noch entwickelnde Widerstand in der einverleibten DDR zu einem eigenständigen Kampf gegen die BRD führt oder zu einer Vereinigung der Arbeiterklasse in Ost und West zum Sturz der deutschen Monopolbougeoisie.)
Wir können aber unsere Bourgeoisie nur dann stürzen, wenn wir ihre Reserven in der Gesellschaft schwächen, neutralisieren oder teilweise sogar zu uns herüberziehen. Dabei müssen wir beachten, welche der beiden Reserven jeweils die soziale Hauptstütze der Herrschaft der Banken und Konzerne ist, was die Herrschenden anstreben, was ihre Auseinandersetzungen und Kämpfe untereinander bedeuten ... Die soziale Hauptstütze bekämpfen heißt nicht, die andere Reserve außer Acht lassen. Aber ein Grundsatz gilt in jeder Situation, solange wir es mit diesen beiden Reserven der Bourgeoisie zu tun haben:
Gemeinsam mit den Sozialdemokraten gegen die Faschisten – dafür kämpfen wir!
Gemeinsam mit den Faschisten gegen die Sozialdemokraten – niemals!
An dem historischen Beispiel des Kampfes gegen die Kapp-Putschisten können wir sehen, dass dieser Klassenkampf sich in zwei Etappen vollzieht. In der ersten Etappe (in der wir uns jetzt auch befinden) haben die sozialdemokratischen, parteilosen und kommunistischen Arbeiter ihre Einheit geschmiedet gegen den faschistischen Angriff, haben das Mittel des politischen Generalstreiks angewendet, haben begonnen, die Konterrevolution zu entwaffnen und sich selbst zu bewaffnen. Damit kamen sie zum Beginn der zweiten Etappe, wo es um die Macht der Arbeiter, den Sturz der Bourgeoisie gegangen wäre, um die Konterrevolution endlich in Schach zu halten. An der Schwelle dieser Etappe hätte auch eine Arbeiterregierung stehen können, die den Kampf der bewaffneten Arbeiter hätte zentralisieren können. All dies wurde von der SPD vereitelt und bekämpft. Dennoch ist es eine große Ermutigung für uns, dass die Arbeiter damals so weit gegangen sind, denn das beweist, dass die Abwehr eines faschistischen Angriffs der Monopolbourgeoisie ein Etappenziel auf dem Weg zum Sturz der Bourgeoisie ist. Die Arbeiterklasse kann sich also ohne diesen konsequenten antifaschistischen Kampf nicht entwickeln, nicht ihre frühere Stärke zurückgewinnen.
Es geht bei diesem Kampf darum, die Monopolbourgeoisie daran zu hindern, die sozialdemokratische gegen die faschistische Reserve als soziale Hauptstütze auszuwechseln und schließlich die faschistische Terrorherrschaft zu errichten. Dabei können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: wenn Massen von Sozialdemokraten in den antifaschistischen Kampf einbezogen werden, dann bekämpfen wir nicht nur die faschistische Gefahr, sondern der Klassenversöhnung wird auch der Boden entzogen. So hieß es zum Beispiel in einem gemeinsamen Flugblatt der Bezirksvorstände der SPD, der USPD und der KPD des Bezirks Niederrhein, in dem zum Generalstreik gegen den Kapp-Putsch aufgerufen wird: „Der einheitliche Kampf ist zu führen mit dem Ziele:
1. Erringung der politischen Macht, durch die Diktatur des Proletariats bis zum Siege des Sozialismus, auf der Grundlage des Rätesystems.
2. Sofortige Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweige.“[29]
Wir können also viel gewinnen, wenn wir für die Abwehr des faschistischen Angriffs der reaktionärsten Teile des Kapitals kämpfen. Und wir können sehr viel verlieren, wenn wir das nicht tun: Der Faschismus an der Macht ist „die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“[30]
Die Monopolbourgeoisie übt immer eine Diktatur aus – schließlich können wir nicht die Deutsche Bank oder Daimler-Chrysler abwählen oder zur Rechenschaft ziehen, aber sie bestimmen, was in diesem Land geschieht. Die Monopole üben diese Diktatur in zwei Formen aus: der der bürgerlich-demokratischen Republik oder der der faschistischen Diktatur. Der Faschismus unterscheidet sich von der bürgerlichen Demokratie nur dadurch, dass er die Negation (Verneinung) der Demokratie zur Staatsideologie erhebt, dass der dem Imperialismus eigene absolute Drang nach Gewalt und Reaktion die absolute Negation der Demokratie auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens, im Staat, im Betrieb, in der Familie, auf der Straße oder im Kegelklub am klarsten zum Ausdruck bringt.
Faschismus bedeutet: Volksgemeinschaft – Wir Deutschen gegen den Rest der Welt. Und das wird systematisch vorbereitet. Wir Deutschen kämpfen gegen undeutsche korrupte Zustände, die man bislang nur aus Bananenrepubliken kannte. Wir Deutschen kämpfen gegen amerikanische Zustände. Wir Deutschen kämpfen gegen britisches Rindfleisch. Wir Deutschen kämpfen für deutsche Arbeitsplätze. Wir Deutschen sind die Umweltfreundlichsten, Humanitärsten und Tolerantesten, usw. ... Und irgendwann hat man uns so weit, dass wir Deutschen gegen die Völker der Welt in den Krieg ziehen.
Wenn wir es nicht schaffen, die Bourgeoisie an der Auswechselung der sozialen Hauptstütze zu hindern, wenn der unmittelbare, akute Angriff auf die bürgerlich-demokratische Republik durch die faschistische Konterrevolution droht, dann wird die Aufgabenstellung für die Arbeiterklasse viel schwieriger, auch wenn ihr dann breitere Bündniskräfte zuwachsen werden, da der Faschismus das gesamte demokratische Kleinbürgertum und die ganze Arbeiteraristokratie elementar in ihrer Existenz bedroht. Es geht in dieser Situation darum, dass die Arbeiterklasse alle diese Kräfte um sich schart, um die faschistischen Elemente des Finanzkapitals mit Gewalt daran zu hindern, ihre Terrorherrschaft zu errichten. Ist das überhaupt möglich, wenn schon der reaktionärste Teil der Monopolbourgeoisie nicht daran gehindert werden konnte, direkt die faschistische Herrschaftsform anzusteuern?
Aus der Geschichte wissen wir, dass das wohl möglich ist. Wir sehen an dem Beispiel des 30. Januar 1933, dass ein Generalstreik der sozialdemokratischen, parteilosen und kommunistischen Arbeiter die Einheit und Kraft der Arbeiterklasse so manifestiert hätte, das alle Gegner des Faschismus im Volk sich um die Arbeiter gruppiert hätten und der gewaltsame Sturz des Faschismus, bevor noch der Mob seinen Marsch durchs Brandenburger Tor gewagt hätte, in greifbare Nähe gerückt wäre.
Wurde auch diese Chance vertan und konnte der Faschismus an der Macht sich konsolidieren, dann muss diese Macht gemeinsam mit eben diesen Bündnispartnern gestürzt werden.
Eine Woche nach der Machtübertragung an die Hitlerfaschisten – am 7. Februar 1933 – fand sich das Zentralkomitee der KPD mit führenden Funktionären der Partei in einer Ausflugsgaststätte in der Nähe von Berlin, im Sporthaus Ziegenhals ein, um über die neu entstandenen Fragen der Strategie und Taktik zu beraten. Es war die letzte ZK-Sitzung, an der der Vorsitzende der KPD Ernst Thälmann teilnahm, bevor er eingekerkert und 11 Jahre später schließlich ermordet wurde[31]. In seinem Referat sagte Thälmann:
„Schon die ersten Taten der Hitlerregierung beweisen den ganzen tiefen Ernst der Situation. Es wäre ein Verbrechen, irgendwelche legalistischen Illusionen in unseren Reihen zu dulden. Wir müssen in der ganzen Arbeiterklasse darüber Klarheit schaffen, dass es wahrscheinlich keine andere Art der Ablösung dieser Regierung geben kann als ihren revolutionären Sturz.
Das bedeutet nicht, dass der Sturz der Hitlerregierung und der Sieg der proletarischen Revolution unbedingt ein und dasselbe sein muss. Wir stellen die Frage des Kampfes für den Sturz der Hitlerregierung, die Frage der Beseitigung der Hitler-Hugenberg-Regierung als unmittelbare Aufgabe. Wir stellen sie in jeder Stunde, wir stellen sie heute, wir stellen sie morgen, übermorgen, wir stellen sie in den nächsten Wochen und Monaten, ohne dass wir unter allen Umständen zu 100 Prozent sagen können, dass, wenn uns der Sturz der faschistischen Diktatur gelingt, dies schon mit dem Sieg der proletarischen Revolution direkt verbunden ist. Das müssen wir so scharf sagen, weil wir den heftigsten Feldzug ideologischer Art in den Massen gegen jede Theorie des ,Abwirtschaftenlassens’ der Hitlerregierung führen müssen. Diese Feststellungen schließen jedoch – ich betone das noch einmal – keineswegs aus, dass der Kampf zum Sturz der Hitlerregierung gleichzeitig in den Kampf um die volle Macht des Proletariats umschlagen kann.
Hier darf es kein Schema geben, sondern nur eine dialektische Betrachtung. Weder legen wir uns darauf fest, die Hitlerregierung erst in dem Augenblick zu stürzen, wo die Situation schon für den vollen Sieg der proletarischen Revolution reif ist, noch lassen wir außer Betracht, dass ... die Fristen des revolutionären Aufschwungs und für die volle Entfaltung der revolutionären Krise heute viel kürzer sind als in den bisherigen Abschnitten der Geschichte des proletarischen Klassenkampfes.
Der wüste faschistische Terror in Deutschland, dem wir jetzt entgegengehen, ändert nichts an unserer revolutionären Perspektive. Sowenig wir eine Unterschätzung der Hitlerregierung, der furchtbaren Gefahr, die der Arbeiterklasse Deutschlands von der offenen faschistischen Diktatur droht, dulden, sowenig lassen wir eine Überschätzung dieser Regierung, ihrer Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Proletariat zu.“[32]
Tatsächlich dauerte der Hitlerfaschismus, der sich 1.000 Jahre vorgenommen hatte, nur 12 Jahre. Es war aber nicht die deutsche Arbeiterklasse, sondern die Sowjetunion im Bündnis mit anderen Staaten und Völkern, die ihn niederrang. Thälmann, dessen Einschätzung 1935 vom VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale und von der Brüsseler Konferenz der KPD bestätigt wurde, behielt Recht mit der Erwägung, dass der gewaltsame revolutionäre Sturz des Faschismus nicht unbedingt identisch sein muss mit der Errichtung der Macht der Arbeiterklasse. Es mussten in Deutschland zunächst alle faschistischen Überreste ausgerottet werden, und dazu musste die durch den Faschismus geschwächte deutsche Arbeiterklasse alle Kräfte des Volkes zusammenfassen. Im Westen gelang das bekanntlich gar nicht, im Osten Deutschland entstand die politische und ökonomische Formation, die dieser Kampfaufgabe entspricht: die demokratische Republik, das ist eine bürgerliche Republik ohne Monopolkapital, mit starkem gesellschaftlichem Gewicht der Arbeiterklasse und antifaschistischer Zielsetzung. Daher hat auch die DDR ihren Namen bekommen: Deutsche Demokratische Republik, auch wenn sie dann 1952 zur sozialistischen Republik wurde. Die demokratische Republik kann nur ein Übergang sein, damit die Arbeiterklasse aus dem Faschismus herauskommt und wieder Stärke als Klasse gewinnt. Ihre Widersprüche wurden im Fall der DDR von den Imperialisten zur ständigen Bedrängung und Unterminierung genutzt. Schützen konnte sich diese demokratische Republik nur mit Hilfe der bewaffneten Macht der Sowjetunion. Die demokratische Republik, wie sie in den ersten Jahren der DDR verwirklicht wurde, kann nicht unser nächstes Ziel sein, da sie die Konsequenz aus der Niederschlagung des Faschismus an der Macht war. Unser nächstes Etappenziel muss es sein, den faschistischen Angriff zu vereiteln, um auf diesem Weg an die sozialistische Revolution heranzukommen.
Die Herrschaftsform der Bourgeoisie ist heute noch die bürgerlich-demokratische Republik, nicht die faschistische Herrschaft. Dass bürgerliches Recht und bürgerliche Demokratie immer mehr abgebaut und ausgehöhlt werden, ist im Zeitalter des Imperialismus kein Widerspruch dazu, da Imperialismus Reaktion auf der ganzen Linie heißt und die bürgerlich-demokratische Republik nur dadurch existiert, dass sie sich durch reaktionäre Maßnahmen selbst zerstört.
Das Monopolkapital stützt sich noch hauptsächlich auf die Sozialdemokratie, nimmt noch die klassischen Formen des Burgfriedens und der Klassenversöhnung wahr, lässt noch eine gewisse gesellschaftliche Bedeutung der Gewerkschaften zu, auch wenn die immer geringer wird.
Eine neue Entwicklung zeichnet sich ab seit ca. Anfang 1999 bei den Kämpfen unter den bürgerlichen Kräften, bei ihren Umgruppierungen und Neuformierungen:
- Im Februar 1999 gewann die CDU die Landtagswahl in Hessen mit der von der CSU initiierten rassistischen Unterschriftenkampagne gegen die Tolerierung mehrerer Staatsangehörigkeiten. Das Neue an der Kampagne war nicht, dass die CDU rassistisch ist. Sondern das Neue ist, dass nun auch wesentliche Teile der CDU zu dem Mittel greifen, das sonst der CSU vorbehalten war: den kleinbürgerlich-lumpenproletarischen Mob gegen die bürgerliche Demokratie auf die Straße zu bringen und aggressiv gegen Anghörige anderer Völker zu formieren. Es gab gewisse Widersprüche in der CDU gegen die Kampagne, die sich aber kaum Gehör verschafften.
- Ab November 1999 wird die CDU (nicht die CSU) als konservative Kraft systematisch zerrieben. Der Korruptionsvorwurf bedient die faschistische Demagogie von der „schmutzigen Politik“, womit die bürgerliche Demokratie gemeint ist.
- 1999/2000 verschärfen sich die Kämpfe im bürgerlichen Lager sogar so weit, dass sie aus proletarischer Sicht ausnutzbar werden. Der Streit um das Holocaust-Mahnmal, das von allen Antifaschisten verteidigt werden sollte, zeigt diese tiefe Zerrissenheit im bürgerlichen Lager[33]. Da die äußerste Reaktion sich auf dieses Mahnmal eingeschossen hat, ist auch das Spektrum seiner Verteidiger immer breiter geworden - obwohl Leute wie Helmut Kohl zu den Förderern dieses Mahnmals gehören. Und wir sehen diese Zerrüttung im bürgerlichen Lager, wenn ein prominentes Mitglied der CDU, Michel Friedmann, sich immer wieder in den letzten Monaten auf die Seite von Antifaschisten stellt[34]. Aber auch international werden die Widersprüche in der Bourgeoisie gegen den deutschen Imperialismus ausnutzbar – wenn zum Beispiel Portugal, Frankreich und Belgien keinen Faschismus in Europa und keinen Anschluss Österreichs mehr dulden wollen. Auch diese für die Arbeiter und Antifaschisten positive Entwicklung ist ein Zeichen einer Verschärfung der Kämpfe in der Bourgeoisie, ist ein Zeichen der wachsenden faschistischen Gefahr, die stets in der Geschichte auch den antifaschistischen Widerstand verbreitert hat.
Werden aus dieser Entwicklung von den Kommunisten und Antifaschisten keine praktischen Konsequenzen gezogen, dann wird uns früher oder später der faschistische Angriff überrollen (niemand weiß wann, niemand weiß, wie sich die Entwicklung der nächsten Monate und Jahre gestaltet, nur eins wissen wir mit Sicherheit: dass der Angriff auf die bürgerliche Demokratie seit dem letzten Jahr eine neue Qualität bekommen hat - und allein das zu ignorieren, wäre mehr als fahrlässig).
Was können wir tun? Zum Beispiel:
- Roland Koch, Ministerpräsident von Hessen, gehört abgesetzt und hinter Gitter. Aber nicht dafür, dass er illegal Gelder genommen hat. Sondern dafür, dass er diese Gelder zum Zweck der Moblisierung des rassistischen Mobs gegen Menschen aus anderen Ländern verwendet hat, mit der Unterschriftensammlung der CSU/CDU, mit der er die Landtagswahl gewonnen hat.
- Wir müssen gegen die Neonazis kämpfen. Und wir müssen gleichzeitig darüber aufklären, dass die eigentliche Gefahr von der CSU und dem reaktionärsten Teil der CDU ausgeht. Wir dürfen dieser reaktionären Sammlungsbewegung nicht ihr demokratisches Mäntelchen lassen (es ist eine der Funktionen der Neonazis, der Stoiber-Bewegung diesen demokratischen Anstrich zu geben).
- Den „Neubeginn“ der CDU sollten wir nicht begrüßen, sondern fürchten. Wir brauchen kein Anti-Korruptions-Gesetz, sondern antifaschistische Gesetze. Wir brauchen keine sauberen, gesetzestreuen Unterdrücker, sondern gar keine.
- Über das Denkmal für die ermordeten Juden muss diskutiert werden. Aber nicht darüber, welches Denkmal ästhetisch oder politisch besser wäre. Sondern darüber, wie wir um dieses Mahnmal so kämpfen können, dass es nicht den vom Monopolkapital gewünschten Schlussstrich markiert, sondern zum Fanal gegen den wachsenden Antisemitismus wird.
- Die kleinbürgerlichen Verteidiger der bürgerlichen Demokratie müssen dann bekämpft werden, wenn sie die bürgerliche Demokratie gegen links verteidigen, wenn sie über den Sozialismus herfallen und über Kommunisten und konsequentere Antifaschisten. Aber sie sind dann Bündnispartner, wenn sie die bürgerliche Demokratie hauptsächlich gegen rechts verteidigen, egal, ob uns ihre Worte und Taten nun immer hundertprozentig gefallen oder nicht.
- Wir bekämpfen SPD und Grüne, wenn sie für Krieg gegen andere Völker sind, wenn sie sich in dieser Frage der Regierungskoalition und ihren Parlamentsfraktionen unterordnen. Dieselben, die Krieg, Embargo und Besetzung verteidigen, können aber gegen die faschistische Gefahr zu Bündnispartnern werden.
Wenn wir nicht in dieser Richtung arbeiten, dann werden wir auch eine Chance vertun, im Land und international die Risse innerhalb der Bourgeoisie für den antifaschistischen Kampf zu nutzen und damit der Arbeiterklasse die demokratische Rückendeckung zu geben, die sie braucht, um sich endlich wieder zu konsolidieren, zu stärken und als Klasse wieder sichtbar zu werden. Denn das ist unsere einzige Hoffnung.
Arbeitsgruppe „Entwicklung der SPD“
1 Für diesen Artikel wurden die „Thesen zur Strategie und Taktik – Ein Versuch, einen strategischen Plan für die westdeutsche Revolution vorzugeben“ (geschrieben von Helge Sommerrock, von der III. ordentlichen Delegiertenkonferenz des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD 1980 verabschiedet) als Grundlage genommen. Zur Sicherung der historischen Fakten wurde zusätzlich die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in 15 Kapiteln, herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Berlin 1967/1968, herangezogen.
2 Berechnungen dazu: „Wann wird ein Mensch zu einem Kapitalisten“, KAZ Nr. 291, S.8 und „Die deutsche Bourgeoisie“, KAZ Nr.291, S.20
3 Es gab 1997 in der BRD 855 Menschen mit einem Vermögen von 50 Millionen DM und mehr, und 2109 Menschen mit einem Vermögen von 20 bis 50 Millionen DM (nach Süddeutsche Zeitung, 8./9.1.2000).
4 Die Arbeiter hätten dabei zunächst die Schwierigkeiten gehabt, die in jedem sozialistischen Land sichtbar waren und daraus entstehen, dass die sozialistische Produktion sich nicht spontan aus der Warenproduktion ergibt wie die kapitalistische, sondern bewusste und planmäßige Produktion ist. Das Lernen, wie man das macht, beinhaltet jede Menge Fehler, müsste aber überhaupt nicht zum Scheitern oder Zusammenbrechen führen. Die Ursache für die Entwicklung, die schließlich zu der großen Niederlage 1989/91 führte, war zu einem sehr großen Teil (wenn nicht sogar hauptsächlich) der Tatsache geschuldet, dass die Imperialisten der Welt in ihrer verschwindend geringen Zahl eben nicht allein den Kampf gegen den Sozialismus führen mussten.
5 Karl Marx/Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, Marx-Engels, Ausgewählte Schriften in 2 Bänden, Berlin 1970, Bd.1, S.35
8 Marx/Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, a.a.O., S.28/29
7 Siehe dazu: „Das Kleinbürgertum in Westdeutschland“, KAZ Nr.291, S.30
8 Marx/Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, a.a.O., S.35/36
9 Die Geschichte lehrt, dass in revolutionären Situationen große Teile der kleinbürgerlichen Schichten für die Sache der Arbeiterklasse gewonnen werden können, z.B. die arme Bauernschaft und die untersten Schichten des städtischen Kleinbürgertums. Das liegt zum einen daran, dass diese Werktätigen ein ebenso schweres, wenn nicht sogar ein schwereres Los als die Arbeiter haben. Zum zweiten - und das ist der wichtigere Grund - bietet die Zukunft der Arbeiter, die sozialistische Gesellschaft, diesen Schichten eine Perspektive. Diese Perspektive stellte sich in den bisherigen sozialistischen Ländern in der Errichtung z.B. von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, Handwerksgenossenschaften, Konsumgenossenschaften usw., kollektivem Eigentum dar, das frei vom Würgegriff der Konzerne und Banken ist.
Solange diese revolutionäre Perspektive noch nicht greifbar ist, sind diese Schichten kaum als Bündnispartner der Arbeiterklasse gewinnbar. Wenn es um den Kampf gegen den Faschismus geht, treten aber andere kleinbürgerliche Schichten an die Seite des Proletariats, sofern ein proletarischer antifaschistischer Kampf tatsächlich sichtbar ist. Das war der Fall, als Schriftsteller und andere Künstler und Intellektuelle sich auf die Seite der Sowjetunion im Krieg gegen Hitler-Deutschland stellten.
10 Siehe dazu auch KAZ Nr.292 mit dem Schwerpunktthema Gewerkschaften
11 Kupon=Zinsschein. Als „Kuponschneiden“ hat man früher das Einstreichen von Profiten aus Aktien usw. bezeichnet (die Arbeitsgruppe)
12 Kommis: alte Bezeichnung für Handlungsgehilfe (d. Arbeitsgruppe)
13 W.I. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Vorwort zur französischen und deutschen Ausgabe von 1920, Lenin Werke Bd.22, S.198
14 Honoratioren: besonders geachtete Bürger - Bürgermeister, Pfarrer, Arzt, Schuldirektor ...
15 Strauß auf dem Nürnberger CSU-Parteitag am 5.7.1970, zitiert nach Dokumentation „Stoppt Strauß“, Hrsg. v. Anti-Strauß-Komitee, München 1978
16 Spiegel vom Oktober 1970, zitiert nach KAZ Nr.58, S.5
17 Siehe Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Kapitel VII, hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Berlin 1967, S.74
Maßgeblich beteiligt an dieser Unklarheit in der Zentrale der KPD war das Mitglied der Berliner Bezirksleitung der KPD Ernst Reuter-Friesland – später nur noch als Ernst Reuter bekannt, und zwar sehr bekannt: nach seinem Ausschluss aus der KPD 1922 trat er zur SPD über, und stand in den Jahren 1945 bis 1953 (ab 1950 als „Regierender Bürgermeister“ von Westberlin) an der Spitze des Kampfes gegen den Kommunismus im Allgemeinen und die DDR im Besonderen. Die Kontinuität seines Verhaltens liegt darin, dass er stets der Arbeitereinheit gegen den Faschismus verständnislos bis ablehnend gegenüberstand – und das, obwohl er die KZs der Nazis auch von innen kennengelernt hatte.
18 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Kapitel IX, hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Berlin 1968, S.178
19 Wilhelm Hoegner war einer der bekanntesten deutschen Sozialdemokraten und trotz seines hohen Ansehens, das er bei vielen Münchner Arbeitern bis zu seinem Tod (1980) genoss, keinesfalls ein Linker. Sein hier zitiertes Buch „Die verratene Republik“ enthält wüste antikommunistische Ausfälle. Über seine Politik der „königlich-bayerischen Sozialdemokratie“ ist in dem Buch „Wir in Bayern. Ein Lesebuch zu Geschichte und Gegenwart“ von Peter Willmitzer, München 1985, Näheres zu erfahren. Umso bemerkenswerter ist seine Einschätzung des 30. Januar 1933.
20 Wilhelm Hoegner, Die verratene Republik – Deutsche Geschichte 1919-1933, München 1979, S.373-374
21 Wilhelm Pieck, Erfahrungen und Lehren der deutschen Parteiarbeit im Zusammenhang mit den Beschlüssen des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale – Bericht an die Brüsseler Konferenz der KPD, in: Die Brüsseler Konferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands (3.-15. Oktober 1935), Hrsg.: Klaus Mammach, Frankfurt/Main 1975, S.78-79
22 Siehe Hermann Weber, Geschichte der DDR, München 1986, S.241
23 „In Berlin und einigen anderen Städten drangen Horden von Provokateuren in Warenhäuser, Buchhandlungen, Büros demokratischer Organisationen und staatlicher Dienststellen ein, zerschlugen Fenster, Türen und Einrichtungen, legten Brände an und rissen Transparente und Fahnen der DDR und der Arbeiterbewegung herunter. Funktionäre der SED und der Massenorganisationen, Aktivisten und klassenbewusste Arbeiter wurden niedergeschlagen und misshandelt. Einige erlagen ihren Verletzungen. Verurteilte Kriegsverbrecher, wie die ehemalige Kommandeuse des Konzentrationslagers Ravensbrück, Erna Dorn, die aus den Gefängnissen herausgeholt wurden, riefen unter der Losung ,Freiheit’ zum Mord an Partei- und Staatsfunktionären auf. Auf Kundgebungen stimmten ehemalige SS- und SA-Leute das Horst-Wessel-Lied an. Einige Provokateure wollten verletzte Personen selbst aus den Krankenhäusern herausholen, um sie ,fertig zu machen’. In Milzau, Kreis Merseburg, drangen Terroristen in das Kinderheim des Ortes ein und misshandelten die anwesenden Lehrer und Erzieher. In Magdeburg ermordeten die Provokateure drei Mitarbeiter staatlicher Dienststellen, die den Putschisten entgegentraten.“ (Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Kapitel XIII, Hrsg.: Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Berlin 1969, S.233)
24 WSI - Mitteilungen der Hans-Böckler-Stiftung 10/99
25 Als Grundlage für dieses Kapitel dienten außer den „Thesen zur Strategie und Taktik“ eine Untersuchung aus der Sowjetunion: S.M. Slobodskoj, Der italienische Faschismus und sein Zusammenbruch, Berlin 1948, und aus der DDR die Weltgeschichte in Daten, Berlin 1965
26 Die bedeutendste bürgerliche Zeitung von Mailand, „Corriere della Sera“, schrieb am 29.9.1920, nach dem Beschluss der Allgemeinen Arbeiterkonföderation über die Auslieferung der Fabriken an die Unternehmer: „Italien war vom Untergang bedroht. Wenn die Revolution nicht ausbrach, so geschah das nicht, weil wir es verstanden haben, ihr zu widerstehen, sondern weil die Allgemeine Arbeiterkonföderation keine Revolution wollte.“ (Slobodskoj, S.48)
27 Slobodskoj, S.54
28 Slobodskoj, S.64
29 Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands, Hrsg. (Neuauflage): Rotfront Verlag, Kiel o.J., Faksimile des Flugblattes auf S.77
30 Georgi Dimitroff, Arbeiterklasse gegen Faschismus, Bericht an der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale, erstattet am 2.August 1935 zum 2. Punkt der Tagesordnung des Kongresses: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampfe für die Einheit der Arbeiterklasse gegen Faschismus, Hrsg.: ZK des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD, Regensburg 1975, S.6-7
31 Am 20. Jahrestag dieser Tagung, am 7. Februar 1953, wurde an der Stätte dieser Tagung eine Ernst-Thälmann-Gedenkstätte eingerichtet. Sie hat die Barbarei der DDR-Einverleibung bislang überstanden und wird durch einen Freundeskreis betreut, der zum Jahrestag der Ziegenhalser Tagung, zu Thälmanns Geburtstag und zum Jahrestag seiner Ermordung dort Kundgebungen durchführt, und der Führungen durch die Gedenkstätte anbietet. Je mehr wir die faschistische Gefahr in unseren täglichen Kampf einberechnen müssen, umso wichtiger wird auch der Erhalt dieser Gedenkstätte, deren Bestand zurzeit nicht gesichert ist.
32 Aus dem Referat Ernst Thälmanns auf der Tagung des ZK der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals, in: Die illegale Tagung des Zentralkomitees der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals bei Berlin, Schriftenreihe Geschichte des Dietz Verlages Berlin, Berlin 1984
33 Siehe dazu: „Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas - Wessen Nutzen, wessen Schaden?“ in KAZ Nr.294, S.22/23
34 Dies zeigt nicht nur die Teilnahme Friedmanns an verschiedenen antifaschistischen Kundgebungen, sondern auch z.B. seine Haltung zu der offiziellen Jubelfeier in Berlin am 9. November 1999 anlässlich des 10. Jahrestages der Öffnung der Staatsgrenze der DDR: „Michel Friedmann, Präsidiumsmitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland, äußerte sich besorgt darüber, dass die NS-Pogrome von 1938 durch die Feiern zum Tag der Maueröffnung in Vergessenheit geraten könnten. Der 9. November müsse der Tag bleiben, an dem schwerpunktmäßig an die Zerstörung der Synagogen und der Zivilisation erinnert werde, sagte der Frankfurter CDU-Politiker in einem Hörfunk-Interview. Ihm sei an diesem Tag nicht nach Feiern, sondern nach Trauern zu Mute. Auch am Jahrestag der Maueröffnung dürfe die Erinnerung an die Pogrome nicht ,weggeschoben’ werden.“ (Neues Deutschland, 10.11.1999, S.1)