Soziale Gerechtigkeit schaffen, soziale Rechte verteidigen, den Sozialstaat retten!
Diese Wünsche und Forderungen sind zur Zeit landauf, landab zu hören wie eine neue Verheißung - nachdem der Sozialismus so viele Prügel bekommen hat und der Kapitalismus so schrankenlos und schamlos „das Recht des Stärkeren“ durchsetzt.
Wörtlich übersetzt heißt das zunächst einmal: gesellschaftlich. Wenn es um das „Soziale“ geht, dann geht es um die Beziehungen der Gesellschaftsmitglieder untereinander. Nicht um die Kleinigkeiten - daß du vielleicht frisch verliebt bist oder der Nachbar den Fernseher wieder zu laut gestellt hat. Sondern es geht um das, was eine menschliche Gesellschaft überhaupt erstmal zu einer menschlichen Gesellschaft macht, sie von einer Horde Affen unterscheidet und sie am Leben hält: die Arbeit, die Produktion.[1] Die soziale Stellung eines Menschen ist seine Stellung zur Produktion. Und da können wir feststellen, daß es in der Gesellschaft, in der wir leben, zwei große Gruppen von Menschen gibt, die jeweils eine gemeinsame Stellung zur Produktion haben: Die eine Gruppe besitzt den allergrößten Teil der Produktionsmittel - die Fabriken, Maschinen, Forschungsstätten usw. usw. - das ist die Kapitalistenklasse. Die andere Gruppe besitzt nichts, was sie verkaufen könnte, um wenigstens ihren Lebensunterhalt zu sichern, außer ihrer Arbeitskraft - das ist die Arbeiterklasse. Zur Arbeiterklasse gehören alle, auf die diese Beschreibung zutrifft - egal ob ihnen jemand ihre Arbeitskraft abkauft oder ob sie erwerbslos sind, und egal, ob sie überhaupt zur Arbeiterklasse gehören wollen, sich ihrer Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse bewußt sind. Der Unterschied zwischen denen, die zur Arbeit gehen, und denen, die erwerbslos sind, ist zwar für das Leben der einzelnen sehr bedeutsam und kann bei der gegenwärtigen Schwäche der Arbeiterklasse deshalb von bürgerlichen Politikern und Medien ständig noch aufgebauscht werden. Wenn wir aber die beiden großen sich gegenüberstehenden Klassen - Kapitalistenklasse und Arbeiterklasse - sehen, dann stellen wir fest, daß der Unterschied innerhalb der Arbeiterklasse zwischen denen, die erwerbslos sind und denen, die erwerbstätig sind, gar nicht wesentlich ist und daß im Vordergrund die Gemeinsamkeit der Interessen der Arbeiter stehen muß. Es gibt auch viele Menschen, die wir nicht eindeutig der einen oder anderen Klasse zuordnen können, die kleinbürgerlichen „Zwischenschichten“, die keine einheitliche Stellung zur kapitalistischen Produktion haben, keine eigene Klasse bilden und keine eigenen Klasseninteressen artikulieren können.
Erklärung der Fremdwörter, der seltenen Ausdrücke und Namen in Zitaten usw.:
Akkumulation Anhäufung
disponibel verfügbar
Expansivkraft Fähigkeit zur Ausdehnung, Erweiterung
Hephästos griechischer Gott des Feuers und der Schmiede
konsolidiert gesichert, stabilisiert
Lazarusschichte unterste, verarmteste Teile der Arbeiterklasse (Lazarus: Gestalt aus der Bibel, der mit Geschwüren bedeckte Arme im Gleichnis vom „Reichen Mann und armen Lazarus”)
Pauper Armer, Verelendeter
Pauperismus Verelendung, Herabsinken auf das niedrigste Lebensniveau
Potenzen innewohnende Kräfte
Prometheus Gestalt der griechischen Sage, raubte Zeus das Feuer und brachte es den Menschen, wurde dafür von Hephästos (s.o.) an einen Felsen geschmiedet.
Der Kapitalist kauft die Ware Arbeitskraft, weil sie im Gegensatz zu allen anderen Waren die wunderbare Eigenschaft hat, mehr Wert produzieren zu können als sie selbst wert ist. Das ist das Geheimnis, weshalb der Kapitalismus ganz von selbst „funktioniert“ wie eine Naturgewalt (während der Kommunismus als Wirtschaftsordnung der Bewußtheit und Planmäßigkeit mit viel Schweiß, Fehlern und Niederlagen erlernt werden muß. In Konkurrenz zum Kapitalismus kann diese neu entstehende Gesellschaftsordnung auf Dauer nicht existieren, sondern nur im Kampf gegen ihn siegen oder unterliegen). Das heißt aber auch, daß sich ganz von selbst Gesetzmäßigkeiten in dieser kapitalistischen Produktionsweise herausstellen, an denen die Menschen erstmal nichts ändern können, so wie sie auch an den Naturgewalten erstmal nichts ändern können - solange sie sie nicht erforscht haben, um sie schließlich beherrschen zu können.
Eine die Gesetzmäßigkeiten - die nämlich, die uns besonders interessieren muß, wenn viele Menschen nach „sozialer Gerechtigkeit“ rufen - ist:
„Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer die Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschichte der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. ...
Das Gesetz, ... welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation im Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralische Degradation auf dem Gegenpol, d.h. auf Seite der Klasse, die ihr eignes Produkt als Kapital produziert.“ (Karl Marx, Das Kapital)[2]
Wir sehen: die hohe Zahl der Erwerbslosen ist kein Produkt der Politik, sondern Ergebnis der kapitalistischen Produktion. Warum hat es dann eine so lange Zeit in Westdeutschland ohne große Erwerbslosenzahlen gegeben?
Die tatsächliche Ursache kann einen nur schaudern machen: sie liegt in der gigantischen Vernichtung von Produktivkräften, von Menschen und Gütern, durch den vom deutschen Imperialismus, dem deutschen Kapital vom Zaun gebrochenen zweiten Weltkrieg. Diese große Vernichtung hat für das Kapital die Produktion wieder „lohnend“ gemacht. (Weitere Ausführung dazu im Kasten „Warum vernichten die Kapitalisten den geschaffenen Reichtum, statt ihn an uns zu verteilen?“ auf S.6)
Wir sind nun sozusagen im „Normalzustand“ des Kapitalismus angekommen. Als die Nachkriegskonjunktur 1966/67 einbrach und in der BRD 500.000 Erwerbslose registriert wurden, war das noch als mittlere Katastrophe empfunden worden. Die Alleinherrschaft der CDU ging zu Ende und mündete in die „Große Koalition“. In der Krise 1973-75 wurden über eine Million Erwerbslose gezählt; darüber (die „Spionageaffäre“ Guillaume war nur der Vorwand) fiel Bundeskanzler Brandt und wurde durch Helmut Schmidt abgelöst. Über zwei Millionen Erwerbslose dann in der Krise 1980-83, die FDP verließ die Koalition mit der SPD und Kohl konnte ans Ruder gehievt werden. Unter Kohl wurden zwei Millionen Erwerbslose zur Normalität erklärt. Nach 1990, nach der Einverleibung der DDR, eines Territoriums, das der deutsche Imperialismus zeitweilig an die Arbeiterklasse verloren hatte, ist die industrielle Reservearmee auf und über das Niveau der Weimarer Republik geschraubt. Wieder gibt es „ganz normale“ Erklärungen dafür, und tatsächlich ist das auch der Normalzustand in „friedlichen“ Nachkriegszeiten, die schon wieder zu Vorkriegszeiten zu werden drohen. Es ist die „Normalität“, daß im Kapitalismus die Ausbeutung steigen muß, mit weniger, schlechter bezahlten Arbeitern mehr produziert werden muß bis zu dem Punkt, wo die Waren nicht mehr verkauft werden können, während die Not und der Hunger wächst.
Warum vernichten die Kapitalisten geschaffenen Reichtum, statt ihn an uns zu verteilen?
Je mehr Menschen durch Maschinen ersetzt werden können, umso ungünstiger entwickelt sich für die Kapitalisten das Verhältnis zwischen eingesetztem Kapital und Profit, die Profitrate. Das ist auch der Grund, weshalb viel Kapital brach liegt und nicht investiert wird (Nach Schätzungen des DGB sind das 4,6 Billionen DM - so Klaus Schüller DGB Thüringen, vgl. ND 2.7.1998). Die Kapitalisten versuchen, diesem tendenziellen Fall der Profitrate durch die Vergrößerung der Profitmasse zu begegnen, d.h. sie steigern die Produktion und lassen eine größere Warenmenge erzeugen. „Auf der einen Seite können sich die Kapitalisten nur bereichern, wenn sie die Produktion steigern und immer mehr Waren auf den Markt werfen. Auf der anderen Seite besteht die Bedingung für die Bereicherung der Kapitalisten darin, daß die Arbeiter und anderen Werktätigen nur soviel bekommen, daß sie ihre Arbeitskraft mehr oder weniger erhalten können. Der Widerspruch zwischen diesen beiden Seiten drückt sich darin aus, daß die produzierte Warenmasse auf der einen Seite und die Kaufkraft der arbeitenden Massen auf der anderen Seite immer weiter auseinanderklaffen. Der geschaffene Reichtum selber droht den Kapitalismus immer wieder zu sprengen. ... Zum einen gipfelt der Widersinn des Kapitalismus darin, daß die dauernde Vernichtung von Reichtum zu einem festen Bestandteil des kapitalistischen Systems wird. Dir riesigen Mengen von Rüstungsgütern, die hohen Ausgaben für unnütze Verwaltungsapparate, der Reklameaufwand, der künstlich bewirkte Verschleiß von Verbrauchsgütern usw. sind eine unaufhörliche Wertvernichtung, die der kapitalistischen Epidemie der Überproduktion vorbeugen soll. Zum anderen gipfelt der Widersinn darin, daß Vernichtungskriege zu einem Mittel werden, um die Existenz des Kapitalismus zu erhalten.“ (Programmatische Erklärung der Arbeiter-Basis-Gruppen 1970, dokumentiert in 10 Jahre Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD - 10 Jahre Antwort auf die Frage „Was tun?“, München 1986, S.297/298)
Daß das nicht Naturgesetz bleiben muß, zeigt sich in der gigantischen Freisetzung von Arbeitskraft selbst: es wird der Grundstein für eine Gesellschaft gelegt, die, von der Kapitalistenklasse befreit und auf eigene Rechnung produzierend, all ihren Mitgliedern nur eine kurze Arbeitszeit in der materiellen Produktion zumuten muß, so daß die schöpferische Arbeit, die Arbeit als Lebensbedürfnis und nicht mehr als täglicher Kampf ums Dasein in den Vordergrund tritt.[3] Im Verlauf des Kampfes um diese Zukunft können die Arbeiter schon jetzt die Kraft und Möglichkeit finden, aufgrund dieser Freisetzung von Arbeitskraft für eine allgemeine, vom Staat kontrollierte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung zu kämpfen.
Warum nun spricht Marx bei der Formulierung des allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation von einer aktiven Arbeiterarmee und einer industriellen Reservearmee? Wieso sind wir Soldaten einer Armee? Welcher General befehligt uns, zwingt uns zur soldatischen Disziplin und kettet uns mit solcher Macht an das Kapital, ob wir nun Arbeit „haben“ oder nicht?
Dieser General heißt:
Kann man von Elend sprechen? Was ist Elend?
Ist es Elend, wenn ich mir kein Buch mehr kaufen kann? Oder handelt es sich erst dann um Elend, wenn ich mir keine Wurst mehr kaufen kann (oder kein Brot)?
Ist es Elend, wenn ich mir nur Kleider leisten kann, die von erschöpften und dem Tod geweihten Kindern in irgendwelchen fernen Ländern hergestellt wurden? Oder handelt es sich erst dann um Elend, wenn ich mir meine Kleider aus der Lumpensammlung der Caritas holen muß?
Wir können „Elend“ nicht definieren, denn das hieße, mit unserem Leben schachern, und mit dem unserer Klassenbrüder und -schwestern überall auf der Welt. Es steht uns Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts nicht zu, angesichts der gewaltigen technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten auch nur auf die kleinste Freude zu verzichten. Wir reden von Verelendung, d.h. einer Bewegung, einer Tendenz, die durch die kapitalistische Akkumulation erzeugt wird - die darin besteht, daß wir mit dem ungeheuren Reichtum, den wir schaffen, unsere eigene Verarmung erzeugen. Diese Bewegung ruft Rückwirkungen hervor, entsetzliche, zerstörerische, bis hin zu Weltkriegen - oder aber die bewußte Gegenbewegung der Arbeiterklasse, die diesen Kreislauf durchbrechen kann, indem sie der Kapitalistenklasse die Produktionsmittel entreißt.
Eine relative Verelendung der Arbeiterklasse vollzieht sich ständig, auch in „besten Zeiten“ des Kapitalismus. Sie „besteht darin, daß in der bürgerlichen Gesellschaft der Anteil der Arbeiterklasse an der Gesamtsumme des Nationaleinkommens ständig abnimmt, während der Anteil der Ausbeuterklassen ständig wächst.“[4] Unter Bedingungen der relativen Verelendung der Arbeiterklasse ist durchaus eine Steigerung der Reallöhne, d.h. eine zeitweise Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter möglich - so wie unter den Bedingungen der Nachkriegskonjunktur in der BRD.
Die absolute Verelendung der Arbeiterklasse bedeutet direktes Absinken ihres Lebensstandards. Das zeigt sich in verschiedenen Erscheinungsformen:[5]
Der Reallohn - das ist der Nettolohn, vermindert um den Teuerungsanstieg - ist zwischen 1991 und 1997 ständig gesunken. Die Reallohnsumme (d.h. der Reallohn aller Arbeiter und Angestellten zusammen) ging in diesem Zeitraum jährlich um 70 Milliarden Mark zurück. Sie hat sich 1997 gegenüber 1991 um 7,8% verringert.[6]
Selbst nach den geschönten Regierungsangaben arbeiten inzwischen 5,6 Millionen Menschen für 520 Mark (Ost) bzw. 620 Mark (West) im Monat, und sind nicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.[7]
900.000 Erwerbstätige in der BRD haben einen Lohn, der unter dem Sozialhilfesatz liegt, ohne daß sie Unterstützung beim Sozialamt beantragen.[8]
1991 fehlten 5,3 Millionen Arbeitsplätze, 1997 waren es 7,8 Millionen.[9] Daß das jetzige Gerede von „Entspannung im Arbeitsmarkt“ hauptsächlich auf Wahlwerbung mittels ABM-Stellen zurückzuführen ist, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben.
Die Langzeiterwerbslosigkeit (über ein Jahr) hat zugenommen: 1993 waren es noch unter einer Million, im Juni 1998 war die offizielle (also geschönte) Zahl größer als 1,5 Millionen - eine Steigerung um fast 59%.[10] Das heißt aber nicht, daß diese Erwerbslosen für immer als Ausgebeutete wegfallen - das ist nur bei einem Teil von ihnen der Fall. Da es sich um eine Reservearmee handelt, werden immer wieder verbrauchte Arbeitskräfte aus dem immer kräftezehrenderen Produktionsprozeß vom Kapital ausgespuckt, um frische Kräfte, deren „Arbeitsmoral“ und Energie durch zwei bis drei Jahre Brachliegen enorm gestiegen ist, einzusaugen, auch wieder nur für eine begrenzte Zeit. Zu genau diesem Zweck hat in den 80er Jahren die CDU-Regierung den Kündigungsschutz in weiten Teilen aufgehoben und befristete Arbeitsverträge erlaubt. (Früher waren die Gesetze der BRD so, daß nur unbefristete Arbeitsverträge zulässig waren.) Und schließlich kommt vermehrt auch der Tagelöhner wieder, als Schein„selbständiger“, Heimarbeiter usw.
Je länger ein Arbeiter schon seine Arbeitskraft verkauft, desto besser wird er beurteilen können, daß an einem Arbeitstag viel mehr aus ihm herausgeholt wird als vor 10 oder 20 Jahren, daß sich die Arbeitsbedingungen gewaltig verschlechtert haben. Die Intensivierung der Arbeit in Zahlen darzustellen, ist kaum möglich. Wir können zwar feststellen, daß wir in immer weniger Arbeitszeit immer mehr Werte schaffen. Das liegt aber sowohl an der Intensivierung als auch an technischen Neuerungen - und diese Neuerungen (Erhöhung der Produktivität der Arbeit) werden von den Kapitalisten auch immer gleich dazu benutzt, mehr Arbeiter zu entlassen, als durch diese technischen Neuerungen tatsächlich ersetzt werden können. Die Intensivierung der Arbeit drückt sich auch darin aus, daß sich die Krankmeldungen verringert haben, ohne daß sich der Gesundheitszustand der Arbeiter auch nur im geringsten verbessert hätte. Gleichzeitig wird der Arbeitstag verlängert: Im vergangenen Jahr wurden in der BRD 1,8 Mrd. Überstunden gemacht.[11] Gesetze wurden so geändert, daß die Kapitalisten frei über den Arbeitstag verfügen können: die 60-Stunden-Woche ist erlaubt (früher 48 Stunden), das Nachtarbeitsverbot für Frauen wurde aufgehoben, das veränderte Ladenschlußgesetz dehnt den ohnehin schon besonders langen Arbeitstag im Einzelhandel noch weiter aus. Immer weniger Arbeiter haben einen regelmäßigen Arbeitstag. So ergab eine Erhebung in Thüringen, daß dort 47% der Erwerbstätigen am Wochenende oder zwischen 18 Uhr und 6 Uhr morgens arbeiten. Gegenüber 1996 nahm die Abendarbeit zwischen 18 und 23 Uhr um 3,5% und die Arbeit in Wechselschichten um 8,7% zu.[12] Dazu kommt, daß immer längere Arbeitswege in Kauf genommen (und vom Arbeitsamt für zumutbar erklärt) werden, um die Arbeitskraft überhaupt verkaufen zu können.
Ungefähr 856.000 Menschen sind in der BRD obdachlos.[13] Bei einer Untersuchung in Berlin wurde festgestellt, daß in den ärmeren Bezirken (mit einem „negativen Sozialindex“) die vorzeitige Sterblichkeit (64 Jahre) zwischen 10 und 40 Prozent höher liegt als in den Bezirken mit Kapitalisten und „Besserverdienenden“, wo die Lebenserwartung bis zu 6 Jahre höher ist.[14] Die neue Zuzahlungsregelung bei Medikamenten wird zu ernsten gesundheitlichen Problemen in der Arbeiterklasse führen: „Patienten-Zuzahlungen von 9, 11 und 13 Mark je nach Arzneimittelpackungsgröße sowie Zuzahlungsanhebungen bei Massagen, Krankengymnastik, Krankenhausaufenthalten und Rehabilitation haben die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit vom Portemonnaie abhängig gemacht.“[15]
Daß die Ernährung in der Arbeiterklasse immer schlechter wird, beweist der wachsende Erfolg des Verbandes „Deutsche Tafel“, der 40.000 Bedürftige in 100 Städten mit übrig gebliebenen Lebensmitteln versorgt. Von denen, die sich dort Essen holen, sind nicht einmal 20% erwerbslos. Frauen holen „für ihre Kinder frisches Obst und Gemüse, das sonst auf Ihrem Speiseplan fehlen würde. ... Über die Reichweite ihrer Aktivitäten machen sich die Mitarbeiter aber keine Illusionen. ,Natürlich sind das alles Tropfen auf den heißen Stein’, weiß Werth. Und die Armut sei auf diese Weise auch nicht zu verhindern.“[16]
Der Staat als die Instanz, die diese Gesellschaft vertritt (und insofern auch „sozial“ ist), müßte der sich nicht diesem Wahnsinn der Verelendung bei ständig wachsendem Reichtum der Kapitalisten entgegenstellen?
Der Staat ist „ein Produkt der Gesellschaft auf bestimmter Entwicklungsstufe; er ist das Eingeständnis, daß diese Gesellschaft sich in einen unlösbaren Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die zu bannen sie ohnmächtig ist. Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen, nicht sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der ‘Ordnung’ halten soll; und diese, aus der Gesellschaft hervorgegangne, aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der Staat“. (Friedrich Engels)[17]
Und wie wird nun dieser unlösbare Klassenwiderspruch behandelt, wie wird der Konflikt zwischen den unversöhnlich sich gegenüberstehenden Klasseninteressen gedämpft?
Engels schrieb dazu:
„Da der Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Klassengegensätze im Zaum zu halten, da er aber gleichzeitig mitten im Konflikt dieser Klassen entstanden ist, so ist er in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittelst seiner auch politisch herrschende Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse.“[18]
Dieser Staat der Kapitalistenklasse hat noch eine weitere Aufgabe neben der, die „Klassengegensätze im Zaum zu halten“:
Die öffentliche Gewalt „verstärkt sich aber in dem Maß, wie die Klassengegensätze innerhalb des Staats sich verschärfen und wie die einander begrenzenden Staaten größer und volkreicher werden - man sehe nur unser heutiges Europa an, wo Klassenkampf und Eroberungskonkurrenz die öffentliche Macht auf eine Höhe emporgeschraubt haben, auf der sie die ganze Gesellschaft und selbst den Staat zu verschlingen droht.“[19]
Dies wurde vor über 100 Jahren von Engels geschrieben und wirkt für die heutige Situation geradezu prophetisch. Dabei erweist sich hier nur die Stärke marxistischer Analyse und Theorie, die das Wesentliche herausarbeitet, das sich bei der Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus dann noch schärfer und klarer als zu Engels’ Lebzeiten herauskristallisiert: Klassenkampf und Eroberungskonkurrenz verschärfen sich gleichermaßen, so daß als zweite Aufgabe neben der Dämpfung des Klassengegensatzes, dem Niederhalten der Arbeiterklasse für den Staat die Wehrhaftigkeit gegen die imperialistischen Konkurrenten steht.
Von dieser realistischen Warte aus betrachtet, schrumpft der ganze „Sozialstaat“ zu einem bürgerlichen Kampfbegriff zusammen, der der herrschenden Klasse durchaus geholfen hat und hilft, die Staatsfunktionen zur Niederhaltung der Arbeiterklasse und zur Kriegsfähigkeit gegen imperialistische Konkurrenten besser, weil undurchschaubarer auszuüben. Nach der Niederschlagung der Hitlerfaschisten, als die großen Kapitalisten in den Gefängnissen saßen oder sich irgendwo verkrochen hatten, war der Kapitalismus in Verruf geraten als System, das zur schlimmsten Barbarei führt, das Faschismus und Krieg erzeugt. Es war notwendig, dieses mörderische System freundlicher zu verhüllen, zumal im Osten Deutschlands die demokratisch-antifaschistische Umwälzung mit der Enteignung der Kriegsverbrecher und der Bodenreform die radikale Beseitigung der Ursachen von Faschismus und Krieg verhieß. Die nette Art von Kapitalismus wurde v.a. von dem CDU-Politiker Ludwig Erhard propagiert, der bei Gründung der BRD Wirtschaftsminister wurde und von 1963 bis 1966 Bundeskanzler war. Sein Leitgedanke ist: ein dritter Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus, Wohlstand für alle. Dieser „Sozialstaat“ war ein Kampfinstrument gegen die DDR, Lockmittel, um die DDR auszubluten, hochqualifizierte Arbeiter und Intellektuelle umsonst zu bekommen und mit den Scharen von Republikflüchtigen aus der DDR Zeugen gegen Sozialismus und Antifaschismus. Worin bestand die Verlockung: Soziale Sicherheit gab es scheinbar auch dann, wenn man die Kapitalisten in Ruhe ließ, wenn man nicht den mühseligen Klassenkampf auf sich nahm, wenn man nicht die Last auf sich nahm, als Arbeiter die Produktion und das Schicksal der arbeitenden Menschen selbst in die Hände zu nehmen. Es lebt sich bequem als Knecht, warum Herr der Produktion sein wollen und sich von der ganzen kapitalistischen Welt bekämpfen und für jeden Fehler verhöhnen lassen! Die politische Ausrichtung der „Sozialstaats“-Maßnahmen gegen die DDR wird besonders deutlich am Beispiel der hundertprozentigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: sie war nur teilweise Ergebnis des harten Kampfes der westdeutschen Arbeiter 1956/57, der das Lohnfortzahlungsgesetz von 1957 zur Folge hatte, das die Kapitalisten verpflichtete, vom dritten Krankheitstag an das Krankengeld auf 90 Prozent vom Nettolohn aufzustocken. 1961 kam dann das Gesetz, das eine Aufstockung vom zweiten Tag an auf 100 Prozent vorsah. Das war sozusagen „geschenkt“: Es hatte seit 1959 keinen größeren Streik mehr in der BRD gegeben. Und es spricht Bände, daß dieses Gesetz zu einem Zeitpunkt kam, als die größte Kampagne des deutschen Imperialismus zum Ausbluten der DDR vor 1989 lief, eine Massenabwanderung aus der DDR von westdeutscher Seite organisiert wurde. Einen Monat und einen Tag nach dem Lohnfortzahlungsgesetz, am 13. August 1961, sah die Deutsche Demokratische Republik keinen anderen Ausweg mehr, als in ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Völkerfriedens ihre Grenzen dicht zu machen. Im übrigen bewährte sich der „Sozialstaat“ auch als Instrument, den durch die Nachkriegskonjunktur verursachten Mangel an Arbeitskräften auszugleichen durch die Anwerbung von Arbeitskräften aus anderen Ländern. Ohne die ungeheure Arbeitsleistung der vielen Arbeiter aus anderen Ländern, die für wenig Lohn die widerlichste Arbeit machen mußten, wäre der deutsche Imperialismus heute nicht die Nr. 1 in Europa. Jetzt sind es nach offizieller Lesart genau diese Arbeiter, die „unseren Sozialstaat“ bedrohen, wenn sie ihre Ansprüche geltend machen.
Die Zeiten haben sich geändert: Es gibt keine Nachkriegskonjunktur mehr, es gibt keine DDR mehr, und die Losung Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ ist nun offensichtlich Schall und Rauch. Marx, obwohl totgesagt, hat recht behalten mit dem von ihm entdeckten allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, der Tendenz zur absoluten Verelendung. Mit der Verarmung des Arbeiters kommt die herrschende Klasse in ein Dilemma, das im Kommunistischen Manifest so beschrieben wird:
„Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt sich noch schneller als Bevölkerung und Reichtum. Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Gesellschaft als regelndes Gesetz aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, d.h. ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft.“[20]
Es gibt nur zwei Richtungen, in die sich der hier geschilderte Widerspruch bewegen kann: entweder die Arbeiterklasse bekämpft diese untergehende Klasse - die auf keinen Fall von allein untergeht - und nimmt ihr die Produktionsmittel und die Herrschaft, ohne sich um die Kassandrarufe des Bürgertums zu kümmern, daß das doch schon mal schiefgegangen sei. Schon eine Wendung der Arbeiterbewegung in diese Richtung würde das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeitklasse verändern und so bessere Voraussetzungen schaffen, den Kampf gegen Verelendung, Rassismus und Kriegsvorbereitung zu führen und dabei die notwendige eigene Organisierung voranzutreiben. Oder aber die deutsche Bourgeoisie geht wieder den Weg von Faschismus und Krieg - und da ist sie schon ganz fleißig dabei. Sie wird mit diesem Weg, ob sie will oder nicht, die Zeit ihrer eigenen Herrschaft verkürzen. Ob die Arbeiterklasse ein drittes Weltkriegsabenteuer überleben würde, ist aber auch fraglich.
Der sogenannte „Umbau des Sozialstaats“ geht nicht nur so vor sich, daß die Arbeiter um ihre eingezahlten Sozialversicherungs- und Steuerbeiträge gebracht werden, daß Gesetze zum Schutz der Arbeitskraft reihenweise gestrichen oder ausgehöhlt werden. Sondern er besteht auch darin, daß die Arbeiter mehr und mehr in die Fänge der polizeilichen Fürsorge kommen, ihre Solidarität zerstört wird, Rassismus und Militarismus in die Reihen der Arbeiter hineingetragen wird.
Schon von Anbeginn des Erhardschen Wirtschaftswunders bis heute bekommen wir für jeden Bettelpfennig, den wir aus den Sozialkassen zurückhaben wollen, pausenlos das chauvinistische Wohltätigkeitsgeschwätz zu hören: die ganze Welt beneidet uns um unser Sozialsystem! „Uns geht’s ja noch Gold“ ist die Devise. Damit soll glauben gemacht werden, daß wir mit Wohltaten überhäuft werden. Und vergessen soll gemacht werden, daß wir unsere Arbeitskraft verkaufen, daß die arbeitenden Menschen alle Werte schaffen, daß die Arbeiterklasse ihre Erwerbslosen, Rentner, Kranken und Invaliden selbst zahlt. Wir sollen wie fromme Schafe dem Verzicht huldigen - statt daß wir dadurch, daß wir unsere Arbeitskraft so gut wie möglich verkaufen, das Kapital in unserem Land angreifen und damit den Arbeitern in anderen Ländern die beste Unterstützung geben.
Es geht in Richtung Faschismus, wenn uns der Klassenkampf ausgetrieben und das „Gemeinwohl“ eingebleut wird. Das System der deutschen Fürsorge konnte schon einmal - unter den Hitlerfaschisten - mühelos in ein Überwachungs-, Disziplinierungs- und Mordsystem verwandelt werden, unter der Hand, ohne großes Aufsehen. Man denke nur an die Scharen von medizinischem Personal - vor allem Ärzten - die Massenmord als „Rassenhygiene“ betrieben und „unwertes Leben“ gnaden- und gewissenlos vernichteten. Und heute? Es sind in Berlin bereits Krankenhäuser bekannt geworden, in denen Notfälle nicht behandelt wurden, sondern stattdessen die Polizei alarmiert wurde - weil die Patienten im Verdacht standen, „illegale“ Ausländer zu sein.[21] Die öffentliche Meinung hat sich gewandelt. Ausgerechnet, wenn angeblich „kein Geld in den Kassen ist“, werden Kranke bemitleidet, weil man sie nicht sterben läßt, wird unsere Überalterung beklagt und plappert inzwischen jedes Kaffeekränzchen darüber, daß wir den Tod nicht verdrängen dürfen, daß der Tod zum Leben gehört.
Ein weiterer reaktionärer Angriff auf die Gehirne der Menschen ist die Ächtung der Lohnarbeiter und die romantische Verklärung des Kleingewerbetreibenden. In Wirklichkeit ist an der Zunahme der „Selbständigen“ nichts romantisch, sie ist nur ein Indiz für die absolute Verelendung. Sie führt zur Vereinzelung der betroffenen Arbeiter, zur völligen Verausgabung der Arbeitskraft, zur ständigen Existenzbedrohung und zur politischen Schwächung der Arbeiterklasse und ist damit ein weiteres Einfallstor für faschistische Demagogie.
Und der liebste Pappkamerad, mit dem die reaktionäre Propagandamaschine die Arbeiter gegeneinander hetzen und vom kapitalistischen Klassengegner ablenken will, ist der Sozialschmarotzer. Er ist in der Regel dunkelhäutig, hat neun Kinder und fährt mit seinem Mercedes von einem Sozialamt zum anderen, um abzukassieren. Er steht dafür, daß man nach unten tritt, wenn man sich nicht mehr gegen das Kapital zu kämpfen traut. Er steht stellvertretend im Visier des reaktionären Mobs, stellvertretend für eine Million Kinder und Jugendliche unter 18, die in diesem Land von Sozialhilfe „leben“ müssen, stellvertretend für die Arbeiter aus anderen Ländern, deren Erwerbslosenquote 20 Prozent[22] beträgt (die Gesamterwerbslosenquote betrug zum selben Erhebungszeitpunkt 11,4%). Er dient dazu, alle Arbeiter gegeneinander zu hetzen, die Klassensolidarität restlos zu zerstören.
Bezeichnend für den reaktionären „Sozialstaats-Umbau“ ist die von den Hitlerfaschisten bekannte Verbindung von Fürsorge und Polizei, der Einsatz von Fürsorgemaßnahmen als Disziplinierungs-, Bestrafungs- und Belohnungsinstrument.
- Einschneidend in dieser Hinsicht war 1986 die Änderung des §116 im „Arbeitsförderungsgesetz“, die das Arbeitsamt zur Streikbrecherbehörde macht: Arbeiter, die aufgrund von Streiks in anderen Betrieben entlassen werden - d.h. kalt ausgesperrt werden - bekommen aufgrund des § 116 kein Arbeitslosengeld.
- Ein Meilenstein auf dem Weg zur Fürsorge als reaktionäres Strafinstrument ist nach der Einverleibung der DDR das Rentenstrafrecht: Zehntausende werden nachträglich mit Rentenkürzung (Strafrente) wegen „staatsnaher“ Arbeit für die DDR bestraft.
- Und gerechterweise muß man sagen: es wird nicht nur bestraft, es wird auch belohnt. SS-Leute in Lettland - eine Bande, die besonders berüchtigt war für ihr grausames Vorgehen v.a. gegen jüdische Bürger - bekommen nun noch nachträglich Rente vom Bonner Staat.
- Man stelle sich folgendes vor: es würde ein Mindestlohn für alle eingeführt, gleichzeitig erhalten alle Frauen Arbeitsverbot. Was würde geschehen? Die Kapitalisten würden versuchen, möglichst viel weibliche Arbeitskraft zu Niedrigstlöhnen in Schwarzarbeit zu beschäftigen. Und es würden sich auch einige nicht klassenbewußte Arbeiter finden, die - statt gegen das Arbeitsverbot für Frauen zu kämpfen - Polizei spielen und gegen ihre Kolleginnen Seite an Seite mit der Staatsgewalt vorgehen würden. So etwas ist bei uns unmöglich? Ganz und gar nicht. Das hier geschilderte passiert in diesem unserem Lande, nur in etwas anderer Form: am Bau gibt es den gesetzlich garantierten Mindestlohn, und die Grenzen werden für Arbeiter z.B. aus Polen dichtgemacht - Arbeitsverbot! Also kaufen die Kapitalisten polnische Arbeiter zu Schnäppchenpreisen für Schwarzarbeit. Und statt nun dafür zu kämpfen, daß alle Arbeiter gleiche Bedingungen für den Verkauf ihrer Arbeitskraft haben - daß also die Grenzen für Arbeiter aus anderen Ländern aufgemacht werden, kein Arbeiter mehr „illegal“ ist und damit der Mindestlohn wirklich für alle gilt und kontrolliert werden kann - unterstützt die Gewerkschaftsführung noch die Razzien der Polizei und läßt sich zum Hilfspolizisten für diese Maßnahme staatlichen Rassismus mißbrauchen.
- Unbeachtet von der Öffentlichkeit und unter dem irreführenden Titel „Änderung des Medizinproduktegesetzes“ hat der Bundestag die polizeiliche Überwachung der „Sozialleistungs“-Empfänger beschlossen. „Der Mitte Juni vom Parlament geänderte Paragraph des Sozialgesetzbuches läßt den Angaben zufolge weit gefaßte Auskünfte über Bürger beispielsweise vom Arbeitsamt an die Polizei zu. Auch Einrichtungen wie Berufsgenossenschaften, Versorgungsämter oder Krankenkassen dürften nun Auskunft über die momentane Anwesenheit von Ratsuchenden geben. Bislang war dafür eine richterliche Anordnung notwendig.“[23]
- Ein Höhepunkt rassistischer Gesetzgebung im Sinne der nationalistischen Fürsorge „für uns Deutsche“ soll die Änderung des „Asylbewerberleistungsgesetzes“ werden. Was seit Jahrzehnten in der BRD unbekannt war, würde damit eingeführt: der offiziell sanktionierte Hunger, und zwar als Druckmittel, um die Asylbewerber, die es überhaupt noch schaffen, zu uns hereinzukommen, möglichst schnell wieder hinauszujagen. Welche Flüchtlinge davon betroffen sind, ist ins Belieben der örtlichen Sozialämter gestellt, dafür sorgen die gummiartigen Formulierungen im Gesetz. „Mit diesem Wahlkampfgesetz wird die unmenschliche Botschaft verbreitet: Für Flüchtlinge nicht einmal das Existenzminimum. Wer aus Angst nicht freiwillig geht, kann zukünftig ausgehungert werden. Die Androhung von Hunger und notdürftiger ärztlicher Versorgung wird zum Mittel der Flüchtlingspolitik gemacht.“[24]
- Die ganz normale staatliche Unterstützung bei großen Katastrophen (es gibt tatsächlich auch noch welche außerhalb der kapitalistischen Akkumulation, z.B. Hochwasserkatastrophen) ist nun inzwischen auch nicht mehr zu haben ohne Treuebekenntnis zum Vaterland. Früher wurden an Rhein oder Donau bei Hochwasser staatliche Organisationen einschließlich Rekruten und Gerät der Bundeswehr zur Katastrophenhilfe eingesetzt, selbstverständlich, ohne von den gequälten Opfern Gegenleistungen zu verlangen. So war das, bis die DDR einverleibt war und es eine Hochwasserkatastrophe an der Oder gegeben hat. Da verlangte nach getaner Arbeit durch u.a. Rekruten der Bundeswehr Kriegsminister Rühe von der Stadt Frankfurt/Oder, daß sie ein öffentliches Gelöbnis in ihrem Stadtgebiet (das direkt an der polnischen Grenze liegt) zuläßt. Das Stadtparlament Frankfurt lehnte diese Zumutung ab - und wurde zurechtgewiesen, bekämpft und erpreßt vom Rühe-Ministerium: das sei Undankbarkeit. Schließlich wurde erreicht, daß das Gelöbnis nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben ist. Aus Dankbarkeit hat das Volk den Militarismus zu feiern und mit ihm gemeinsam in Richtung Polen zu drohen (zumal, wenn man so frisch in die deutsche Volksgemeinschaft aufgenommen wurde wie die „befreiten“ DDR-Bürger und gleich mit Hochwasserproblemen ankommt). Untertanengeist und Militarismus an jedem Ort und 24 Stunden am Tag, Kanonen statt Butter, das ist die Konsequenz der „Reformen“ der CDU/CSU-Regierung, des „Umbaus des Sozialstaates“.
Angesichts dieser Entwicklung genügt es nicht mehr, einfach Forderungen zu stellen, die unsere Notlage mildern und unsere Verelendung aufhalten sollen. Alle Forderungen der Gewerkschaften, der Armen und Entrechteten werden inzwischen von den Nazi-Hilfstruppen aufgegriffen und gegen uns gewendet: Arbeit („für Deutsche zuerst“)! Den Sozialstaat verteidigen („gegen Sozialschmarotzer und Asylanten“)! Gegen das Kapital (und zwar das „raffende“ Kapital und überhaupt gegen die „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“)!
Wir sind dabei, in eine Falle zu laufen - weil und insofern wir uns nicht als eine Klasse begreifen, egal welcher Nationalität und Hautfarbe wir sind, egal ob wir unsere Arbeitskraft verkaufen können oder erwerbslos sind. Begreifen wir das nicht, werden wir gegeneinander gejagt und schließlich gegen andere Völker gehetzt. Unsere eigenen Forderungen werden uns selbst ans Messer der Bourgeoisie liefern, wenn nicht unsere erste Forderung ist: Schluß mit Rassismus und Nationalismus, gleiche Bedingungen für den Verkauf der Arbeitskraft, gleich welcher Nationalität, gleich, ob aus Ost oder West! Verbot und Bestrafung der Hetze gegen in Not geratene Arbeiter, aus welchem Land sie auch kommen! Mindesteinkommen und offene Grenzen!
Der Kampf in dieser Richtung würde die Konkurrenz unter den Arbeitern verringern, und das allein schon würde die wirtschaftliche, politische und moralische Lage der Arbeiter schlagartig verbessern. Es würde sich dadurch nichts grundsätzlich ändern an der Wirkung des allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation. Aber nur auf diesem Wege könnten wir die Kraft als Arbeiterklasse finden, Seite an Seite mit den Arbeitern anderer Länder mit der kapitalistischen Akkumulation überhaupt Schluß zu machen, eine Gesellschaft zu erkämpfen, in der die Akkumulation der Reichtümer, die wir schaffen, nicht zur Verelendung, zu Rassenhaß und Krieg führt, sondern zum besseren Leben aller Arbeitenden.
Arbeitsgruppe „Sozialstaat”
1 Es scheint auf den ersten Blick „zu dürftig“ zu sein, die Arbeit als Unterscheidungsmerkmal der menschlichen Gesellschaft zum Affenrudel zu benennen. Aber Sprache, Kultur, Wissenschaft, Politik etc. sind im Zusammenhang und auf Grundlage der menschlichen Arbeit entstanden. Zum Beispiel die Sprache: erst durch die Ausbildung der Arbeit kam es bei den ersten Schritten der Entwicklung der Menschen dazu, daß sich die Menschen etwas zu sagen hatten: „Der unentwickelte Kehlkopf des Affen bildete sich langsam aber sicher um, durch Modulation für stets gesteigerte Modulation, und die Organe des Mundes lernten allmählich einen artikulierten Buchstaben nach dem anderen aussprechen.“ (Friedrich Engels, Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, in Marx/Engels Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Bd.2, S.70)
2 Marx/Engels Werke Bd. 23, S.673-675
3 Die Arbeit als erstes Lebensbedürfnis umfaßt kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche Betätigung und ist Voraussetzung dafür, daß sich Kunst und Wissenschaft überhaupt ohne jede kleinliche Einschränkung entwickeln können.
4 Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie, Politische Ökonomie - Lehrbuch 1: Die bürgerliche Produktionsweise, Berlin 1955, Nachdruck Frankfurt/M 1971, S.166/167
5 vgl. ebenda, S.167-168
6 isw Grafikdienst Nr.5, München 1998, S.7
7 Neues Deutschland (ND) 2./3.5.1998
8 taz 22.4.1998
9 isw Grafikdienst Nr.5, München 1998, S.2
10 Im September 1993 wurden 951.391 Langzeiterwerbslose gezählt, das waren 27,6% aller Erwerbslosen. Im Juni 1998 waren es 1.512.608 Langzeiterwerbslose, d.h. 37,1 Prozent aller Erwerbslosen. Der Anstieg der Langzeiterwerbslosen in diesem Zeitraum betrug 58,8 Prozent. (Eigene Berechnungen aus den Zahlen der offiziellen Statistik)
11 ND 25.3.1998
12 ND 17.6.1998
13 ND 6.5.1998
14 ND 16./17.5.1998
15 ND 12.5.1998
16 ND 5.6.1998, S.8
17 Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats in: Marx/Engels, Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Bd.2, S.293
18 Ebenda, S.295
19 Ebenda, S.294
20 Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in: Marx/Engels Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Bd.1, S.37
21 ND 27.5.1998 (Lokalteil Berlin-Brandenburg)
22 vgl. ND 8.5.1998. Die Daten sind von Mitte 1997
23 ND 4./5.7.1998, S.4
24 Pressedienst PDS Nr.29, 17.7.98, Berlin, S.10
Nachdem die Regierung unter Helmut Schmidt im Sparhaushalt 1982 bereits einen Nachkriegsrekord an Einschnitten und Belastungen beschlossen hatte, folgte im Oktober 1982 Kohl als Bundeskanzler, der noch rigidere Einschnitte vorhatte. Eine (sicher nicht vollständige) Auflistung im folgenden:
1982
Oktober Registrierte Erwerbslosigkeit = 1,6 Millionen
Dezember Veränderung des Mietrechts:
– weniger Mieterschutz.
– Erleichterung von Mieterhöhungen.
Streichung des Bafög für Schüler. Umstellung des Bafög für Studenten auf Darlehensform.
1982 Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit mit 60 Jahren.
1983
Januar Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung erhöht sich von 4 auf 4,6%. Der Bezug von Arbeitslosengeld wird verkürzt.
Der Beitrag zur Rentenversicherung erhöht sich von 18 auf 18,5%.
Erhöhung der Mehrwertsteuer von 13 auf 14%.
1983 Verschiebung des Rentenanpassungstermins vom 1.1. auf 1.7. jeden Jahres. Absenkung der Bemessungsgrundlage für die Beitragszahlung der Bundesanstalt für Arbeit.
Dezember Registrierte Erwerbslosigkeit = 2,349 Millionen
1984
Januar Senkung des Arbeitslosengeldes, Kurzarbeitergeldes und Schlechtwettergeldes. für Erwerbslose ohne Kinder von 68 auf 63%, der Arbeitslosenhilfe von 58 auf 56%.
Kürzung der Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld für Jugendliche von 75 auf 50% des Facharbeiterlohnes.
1985
Januar Beteiligung der Rentner/innen an den Krankenversicherungsbeiträgen mit 4,5% (inzwischen: 6,5%).
Februar Die Sperrzeiten bei „selbstverschuldeter“ oder selbstveranlaßter Kündigung werden im Arbeitsförderungsgesetz von 8 auf 12 Wochen verlängert. Der Beitrag zur Rentenversicherung erhöht sich von 18,5 auf 18,7%.
Der Beitrag zur Rentenversicherung erhöht sich von 18,7 auf 19,2%.
April Verabschiedung des Beschäftigungsförderungsgesetzes: Befristungen bis zu 18 Monaten ohne sachlichen Grund sind möglich.
Dezember Registrierte Erwerbslosigkeit = 2,347 Millionen
1986
April §116 Arbeitsförderungsgesetz wird geändert: Mittelbar von einem Streik Betroffene (,,kalte“ Aussperrung“) erhalten keine Arbeitslosenunterstützung.
Juli Änderung des Schwerbehindertengesetzes: Der besondere Kündigungsschutz entfällt in den ersten sechs Monaten.
1988
Januar Kosten für Arbeitsförderungsmaßnahmen werden vom Bundeshaushalt auf die Bundesanstalt für Arbeit abgewälzt.
1989
Januar Gesundheitsreformgesetz:
– drastische Erhöhung der Eigenbeteiligung beim Zahnersatz.
– Wegfall bzw. Kürzung des Sterbegeldes.
– Kürzung der Zuschüsse für Badekuren.
– Erhöhung der Selbstbeteiligung im Krankenhaus und bei stationären Kuren von 5,-auf 10,- DM je Tag.
Belastung insgesamt = 7 Milliarden
Juli Das Beschäftigungsförderungsgesetz wird bis 1995 verlängert.
Anrechnung von Ausbildungszeiten in der Rentenversicherung nur noch sieben Jahre (bisher 13).
1990
Oktober Einverleibung der DDR: Der Sozialversicherung der DDR werden die Regelungen der Reichsversicherungsordnung übergestülpt. Die bisherigen staatlichen Zuschüsse der DDR fallen weg, stattdessen werden Gelder von den „Sozialkassen-West” in zweistelliger Milliardenhöhe jährlich nach „Deutschland-Ost” verschoben (ca. 50 Milliarden in den ersten Jahren, heute kaum weniger).
(s. auch Artikel: „Was war in der DDR anders?”, S. 30)
1991
Januar Erhöhung der Mineralölsteuer um 0,03 DM für unverbleites Benzin und 0,02 DM für verbleites Benzin.
Februar Erhöhung der Tabak- und Versicherungssteuer.
April Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag wird auf 6,8% erhöht.
Juli Erhöhung der Versicherungssteuer auf 10%.
1992
Januar Rentenreformgesetz:
Ablösung der bruttolohnbezogenen Rente durch Nettolohnanpassung.
Gesundheitsstrukturgesetz:
– Zuzahlungen für alle Arzneimittel.
– Erhöhung der Zuzahlungen bei Krankenhausaufenhalt.
– Ausschluß kieferorthopädischer Leistungen für Erwachsene aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.
Weitere Belastungen im Volumen = 3,2 Milliarden durch das Gesundheitsstrukturgesetz.
März Anhebung der Tabaksteuer.
Juli Der zunächst auf ein Jahr befristete „Solidaritäts“-zuschlag wird verlängert.
Dezember Registrierte Erwerbslosigkeit = 3,126 Millionen
1993
Januar Kürzung bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Volumen von 6 Milliarden.
Erhöhung der Mehrwertsteuer von 14 auf 15%.
Steueränderungsgesetz von 1992
– Zinsabschlagssteuer: 30%.
– Erhöhung der Versicherungssteuer von 10 auf 12%.
– aber: Entlastung für Unternehmen und Selbständige bei der Gewerbe- und Vermögenssteuer um 4 Milliarden.
Dezember Registrierte Erwerbslosigkeit = 3,689 Millionen
1994
Januar Arbeitsförderungsgesetz:
– Kürzung der Lohnersatzleistungen um 3% (ohne Kind) bzw. 1% (mit Kind).
= Einsparvolumen ca. 5 Milliarden.
Erhöhung des ,,Kohlepfennigs”: Strom wird um 1% teurer.
Erhöhung der Mineralölsteuer:
für Benzin um 0,16 DM, für Diesel um 0,07 DM.
Anhebung der Kfz-Steuer für Diesel-PKW um 7,50 DM/l je 100 ccm.
März Verabschiedung des Arbeitszeitrechtsgesetzes. Es tritt anstelle der Arbeitszeitordnung mit folgenden Hauptänderungen:
– die zulässige tägliche Arbeitszeit wird von 8 auf 10 Stunden erhöht.
– die zulässige wöchentliche Arbeitszeit wird von 48 auf 60 Stunden erhöht.
– alle bisher zum Schutz der Gesundheit der Frau dienenden Beschäftigungsverbote werden aufgehoben – außer im Bergbau.
– der Beginn der Nachtarbeitszeit wird von 20 Uhr auf 23 Uhr verschoben.
– die Sonn- und Feiertagsarbeit wird jederzeit möglich gemacht. (s. hierzu auch KAZ 255/256, S.3)
April Verabschiedung des „Beschäftigungsförderungsgesetzes”: Das „Beschäftigungsförderungsgesetz” von 1994 verlängert das bis 1995 geltende Beschäftigungsförderungsgesetz bis zum 31.12.2000 und enthält u.a.:
– die bisher mögliche Zwangsarbeit für Sozialhilfeempfänger wird nun auch für Bezieher von Arbeitslosenhilfe möglich.
– die Zumutbarkeit wird aufgeweicht. (siehe auch KAZ 253, S.6)
Dezember Registrierte Erwerbslosigkeit = 3,560 Millionen
1995
Januar Erhöhung der Versicherungssteuer auf 15%.
Wiedererhebung des „Solidaritäts“-zuschlages von 7,5%.
Einführung der Pflege-Versicherung (1% vom Bruttolohn – 0,5% „Arbeitgeber”-Anteil und 0,5% „Arbeitnehmer”-Anteil). Für das Kapital fällt zum Ausgleich der Buß- und Bettag als Feiertag weg, d.h. die Arbeiter müsen einen Tag länger arbeiten. Ausnahme: Sachsen, wo die Arbeiter den vollen Beitrag allein zahlen müssen.
Dezember Registrierte Erwerbslosigkeit = 3,790 Millionen
1996
März Wegfall des Schlechtwettergeldes in der Bauwirtschaft.
Juli 2. Stufe der Pflegeversicherung (1,7% Bruttogehalt – 0,85% „Arbeitgeber”-Anteil und 0,85% „Arbeitnehmer”-Anteil).
Oktober „Aktionsprogramm für Investitionen und Arbeitsplätze” mit der Konsequenz:
– Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung des Arbeitsförderungsgesetzes und Abschaffung des in den ersten vier Monaten geltenden Berufs- und Qualifikationsschutzes.
– Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 80% des Entgelts.
– Aufhebung des Kündigungsschutzes für Beschäftigte kleinerer Betriebe.
– Einschränkung der Sozialauswahlkriterien bei betriebsbedingten Kündigungen.
– Kürzung des Krankengeldes um 10 auf 70%.
aber: Abschaffung der Steuern auf Gewerbe-, Kapital- und Betriebsvermögen im Volumen von 9 Milliarden.
Dezember Registrierte Erwerbslosigkeit = 4,6 Millionen
1997
Januar „Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung im Bereich der Rentenversicherung und Arbeitsförderung”:
- Verschlechterungen beim Kündigungsschutz.
- Schrittweise Anhebung der Altersgrenze in der Rentenversicherung.
- Anerkennung von Ausbildungszeiten erst ab dem 17. Lebensjahr und nur noch bis max. 3 Jahre.
März „Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung”:
- Für Pendler drei Stunden lange Fahrtwege zumutbar.
- Abfindungen werden bis auf geringe Freibeträge auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet, d. h. es wird solange das halbe Arbeitslosengeld bezahlt, bis der anrechenbare Teil der Abfindung (fiktiv) verbraucht ist.
Die dritte Stufe der Gesundheitsreform bringt Erhöhung der Zuzahlung bei Kuren von 12 auf 25 DM mit sich; ferner werden die Zuzahlungen für Medikamente drastisch heraufgesetzt.
1998
Januar Arbeitslosengeld wird generell nur noch monatlich nachträglich gezahlt.
Januar Registrierte Erwerbslosigkeit = 4,8 Millionen
April Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 16%.
Informationen v. a. nach: Interessensgemeinschaft Arbeit, Gesundheit und Soziales bei der PDS: 15 Jahre Sozialabbau, Januar 1998
Faltblatt des GEW-Hauptvorstandes zur Tarifrunde 98 im öffentlichen Dienst
Vor dem Arbeitsamt in Berlin, 5. März 1998
Demonstration der IG Metall in Herne, März 1984
Stuttgart 1993.
Gegen die Änderung des §116, Hannover 1986
Protest gegen die Ausgliederung von Siemens-Kollegen in eine neue GmbH, München Juni 1998. Die Ausgliederung bedeutet, daß länger und „flexibler“ für weniger Lohn gearbeitet werden soll.
1996: Die Streichung des Schlechtwettergeldes bedeutet 5.000 DM Einbuße im Jahr für die Kollegen auf dem Bau.
Bundesweiter Protest der Studenten 1997
Protest gegen Sozialabbau 1994.
Frankfurt/Main 1992
Aktionstag der Erwerbslosen Frankfurt/Main, März 1998