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Ein Jahr „Zeitenwende“ – ein Jahr Entsorgung der „historischen Belastungen“

Gut ein Jahr ist es nun her, dass Bundeskanzler Scholz vor dem Parlament erklärte: „Wir erleben eine Zeitenwende“. Kurz darauf verkündete Scholz das 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr. Die Pläne für die Militarisierung des Landes lagen schon lange in der Schublade wie man z. B. in der Süddeutschen Zeitung vom 1. März 2022 lesen konnte. Der Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine war also nur der Anlass, dem Volk zu verkünden, dass unvorstellbar viel Geld für die Aufrüstung ausgegeben werden soll, obwohl doch im Bildungs- oder Gesundheitswesen, beim öffentlichen Verkehr oder im Sozialbereich alles im Argen liegt.

Im Schatten des Krieges: Morgenluft für die Rüstungskonzerne

Doch die 100 Milliarden waren nur der Anfang. Ein Jahr später erklärt Kriegsminister Pistorius, ganz so, wie es ihm vorher die Rüstungsbosse klar gemacht hatten, dass dies nicht reichen wird. Man brauche eher 300 Milliarden und jährlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, d.h. mehr als 77 Milliarden Jahr für Jahr für das Militär und die Kriegsproduktion. Ob die Panzerschmieden Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, die Rüstungssparte von Airbus oder Diehl (Luftverteidigungssysteme): Die Herren der Rüstungsindustrie, die bis vor kurzem noch still im Hintergrund ihre todbringenden Waren samt Profite von den Arbeitern produzieren ließen, sind nun in aller Munde. Sie geben Interviews, sind gefragte Partner der Regierung. So antwortet der Chef des Sensor- und Radarsysteme-Herstellers Hensoldt (Taufkirchen bei München) in einem SZ-Interview auf die Frage nach dem Draht zum Ministerium und Kanzleramt begeistert: „Der steht! Wir tauschen uns regelmäßig aus.“ (Süddeutsche Zeitung vom 28. Februar 2023). Rheinmetall will in Ungarn eine neue Munitionsfabrik aufbauen, in Spanien eine bestehende aufkaufen. Im heimischen Unterlüß soll Nachschub-Munition für den Gepard produziert werden. Und nun kündigt der Konzern an, in der Ukraine den hochmodernen Kampfpanzer namens „Panther“ produzieren zu wollen (siehe Kasten). Krauss-Maffei Wegman plant, die Mehrheit am Stahlwerk FWH Stahlguss GmbH zu übernehmen. Schließlich werden dort die härtesten Legierungen gefertigt – Panzerstahl.

Denn ein Jahr, nachdem erst einmal nur Helme in die Ukraine geliefert werden sollten, ist man beim Kampfpanzer Leopard angekommen. Die Stahlguss GmbH erwartet eine Umsatzsteigerung von 35 auf 50 Millionen Euro und erklärt, sie könne auch auf Drei-Schicht-Betrieb umstellen. Rund um die Uhr schuften für den Krieg, heißt das dann für die Arbeiter dort. Und dabei wird es nicht bleiben.

In aller Öffentlichkeit bereitet der deutsche Staat also Kriege vor. Dieser Staat, dessen Bundeskanzler Kohl vor der Einverleibung der DDR 1989 noch der misstrauischen Welt versichern musste: „Von deutschem Boden muss in Zukunft immer Frieden ausgehen“ (bundesregierung.de).

Kriegswirtschaft

Inzwischen wird offen über „Kriegswirtschaft“ diskutiert. Der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, der schon im November eine „Art Kriegswirtschaft“ gefordert hat, weiß, dass der Begriff „historisch schwer belastet“ ist. Er gebrauche ihn trotzdem „um zu provozieren – und um aufzurütteln.“ (Süddeutsche Zeitung vom 25./26.2.2023) Aufzurütteln? Offensichtlich um die schweren historischen Belastungen endlich abzuschütteln. Denn das letzte Mal, als in Deutschland die gesamte Produktion auf Kriegsvorbereitung und Krieg ausgerichtet worden ist, und das bedeutet Kriegswirtschaft, war vor und während des 2. Weltkrieges. Doch um dieses Kriegsprogramm für ihre Weltmachtpläne durchführen zu können, brauchten die Herren der Banken und Konzerne den Faschismus. Sie brauchten die Zerschlagung der Arbeiterparteien und der Gewerkschaften. Sie brauchten den Rassenwahn vom „deutschen Herrenmenschen“ und „russischem Untermenschen“. Sie brauchten die Folterkeller der Gestapo, die Konzentrationslager, um möglichst jeden Widerstand im Keim zu ersticken und schließlich die Welt überfallen zu können. Auch wenn der Krieg in der Ukraine dazu benutzt wird, uns einzuhämmern, dass all dies endgültig Vergangenheit ist: Jeder sollte daran denken, wenn hier laut über Kriegswirtschaft diskutiert wird.

Noch haben wir keine Kriegswirtschaft. Doch der Weg dahin wird bereits geebnet. Und dazu brauchen sie vor allem unsere Köpfe. „Die eigentliche Zeitenwende ist die, die in den Köpfen der deutschen Bevölkerung stattfinden muss“, meint der Chef der Rüstungssparte von Airbus in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 18./19. Februar 2023, der darauf hofft, dass auch die militärische Luftfahrt nicht mehr „vernachlässigt“ wird. Schließlich ist seit längerem ein deutsch-französisches, milliardenschweres Kampfflugzeugsystem in Planung, um „europäische Souveränität in der Verteidigung“ zu erlangen. Souveränität, um ohne die USA Krieg führen zu können? Mit der vielbeschworenen „Souveränität der Ukraine“ hat das gar nichts zu tun. Lassen wir uns unsere Köpfe nicht vernebeln!

gr

Kriegerische Tradition

Wenige Jahre vor Beginn des 1. Weltkrieges schickte das Deutsche Reich im Streit mit Frankreich und Großbritannien um das Eisenerz Marokkos Kriegsschiffe ins Mittelmeer. Eines davon hieß Panther, weshalb diese deutsche Aggression als „Panthersprung“ in die Geschichte einging.

Im 2. Weltkrieg wurde der von MAN entwickelte Kampfpanzerwagen Panther tausendfach sowohl an der Ost- wie an der Westfront für die mörderischen Großmachtpläne des faschistischen deutschen Reiches eingesetzt. gr

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