Vor fünfeinhalb Jahren (1999) wurde der Euro als gemeinsame Währung von einer Mehrheit der EU-Staaten eingeführt, Anfang 2002 erfolgte dann die Ausgabe von Scheinen und Münzen in Euro. Die Bargeldausgabe wurde von den Bevölkerungen zwar stärker beachtet, sie war aber doch nur noch eine „optische Umstellung“. Der entscheidende Schritt lag in der Festschreibung der Wechselkurse und weiterer Maßnahmen, die Anfang 1999 durchgeführt wurden. In den mehr als fünf Jahren hat sich mit und durch den Euro einiges verändert. Daher wollen wir den Versuch unternehmen, eine vorläufige Bilanz des Euro zu erstellen. Die Fragen im Mittelpunkt der Betrachtung gehen dabei in zwei Richtungen: Einerseits steht die Frage, wie sich das Konkurrenzverhältnis zwischen dem US-Dollar und dem Euro entwickelt hat, was sich verändert hat gegenüber der mit Abstand wichtigsten Vorgängerwährung des Euro, der Deutschen Mark. Andererseits geht es um die Entwicklung, um Gewinner und Verlierer innerhalb der EU, bzw. der Euro-Länder. Sicherlich können in diesem Rahmen nicht alle wichtigen Aspekte ausreichend analysiert werden, es wird also ein Thema bleiben, das immer wieder von uns bearbeitet werden wird.
Der Wechselkurs des Euro gegenüber seiner selbst erklärten Konkurrenz-Währung, dem US-Dollar hat sich seit 1999 auf und ab entwickelt:
Im Sommer 2000 wurden wir beispielsweise mit massiver Propaganda überzogen, die den damaligen Kursverlust des Euro gegenüber dem Dollar als nationale Katastrophe darstellte. In der KAZ 296[1] wiesen wir darauf hin, dass in der damaligen Schwäche des Euro „keine Veränderung der grundsätzlichen Ziele und der langfristigen Perspektiven der unter deutscher Führung zusammengeschlossenen EURO- Länder“[2] zu erkennen ist und dass diese Kursschwäche keine grundlegende oder dauerhafte Veränderung ist. Mit dem deutlichen Anstieg des Euro in den letzten Monaten bestätigt sich diese Annahme, die bisherigen Schwankungen seit Euro-Einführung sind nicht anders als die der früheren D-Mark gegenüber dem Dollar. Dies bestätigt, dass wir immer sehr wachsam sein sollten, wenn mit Wechselkursen Propaganda gemacht wird, während andere wichtige Dinge in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit gar nicht erwähnt oder diskutiert werden. Die Wechselkursentwicklung ist ein wichtiger Punkt, aber eben nur ein Punkt, der zu untersuchen ist.
Zunächst darf keinesfalls vergessen werden, dass Währungen immer im Zusammenhang stehen mit der realen Wirtschaftskraft eines Landes, bzw. beim Euro einer Summe von Ländern. Der Wert einer Währung, zum Beispiel konkret ausgedrückt in Papier in Form eines Geldscheines, wird letztlich immer bestimmt durch das dahinter stehende und in Waren, Maschinen, Gebäuden usw. ausgedrückte Wirtschaftspotential. Dieses wirtschaftliche Potential ist die in den Produkten vergegenständlichte, geronnene Arbeit. Insofern ist das Papiergeld auch ein Schein, eine Fiktion, es ist kein Wert an sich. Aber es verkörpert als Tauschmittel eine gewisse Summe geronnener Arbeit. Solange die Währung akzeptiert wird, weil zumindest eine gewisse Stabilität existiert, kann man sich mit Geld alles kaufen.
Für unseren privaten Geldbeutel ist ein hoher Euro beispielsweise angeblich gut bei Preisen von Benzin, Gas oder importiertem Obst und Gemüse. Dass dies aber nur sehr eingeschränkt zutrifft, zeigt uns aktuell ein Blick auf die Zapfsäulen an den Tankstellen. Als der Euro vor einigen Jahren niedrig war, war Benzin auf Höchstkurs[3], jetzt wurde der Preis trotz umgekehrten Vorzeichen (starker Euro) überboten. Der Wechselkurs zum US-Dollar ist somit auch nur ein Kriterium, das den Preis beeinflusst. Die Mineralölkonzerne behaupten immer einen Zusammenhang zum Rohölpreis am Markt in Rotterdam oder New York. Dies ist vorgeschoben, weil sie alle eigene Förderanlagen haben und der so genannte Weltmarktpreis deshalb für sie kaum direkte Bedeutung hat. Die Profite der Ölindustrie sind regelmäßig am höchsten, wenn auch der Preis in Rotterdam auf Höchststand ist, obwohl sie das Gegenteil behaupten. Auch bei anderen Produkten unseres Verbrauchs ist der Wechselkurs des Euro zum Dollar eher von kleinerer Bedeutung. Dies ist also kein Grund sich näher mit der Sache zu befassen.
Als der Euro „schwächer“ war, schrien sie: Das ist Ausdruck mangelnder Konkurrenzfähigkeit, wir brauchen „Reformen“, Steuern fürs Kapital und Sozialleistungen runter, Flexibilisierung und Arbeitszeit rauf! Die Forderungen und Maßnahmen erleben wir derzeit auch, nur ist die Begründung „schwacher Euro“ gerade ausgegangen. Dabei müsste der aktuell stärkere Euro von uns gesehen werden auch als Ausdruck und Ergebnis der Verschlechterungen unserer Lage, der Dinge, die wir in den letzten Jahren bereits hingenommen haben[4]. Die Gegenseite wird allerdings statt dessen wieder mal behaupten, dass wir den Gürtel noch etwas enger schnallen müssen, weil der gestiegene Euro-Kurs den Warenexport behindert und leider schon wieder Arbeitsplätze „in Gefahr sind“. Dabei ist der Einfluss von Wechselkursschwankungen auf den Export von Waren keineswegs so hoch wie oft behauptet wird. Denn trotz des hohen Euro stieg der Warenexport deutscher Unternehmen in Länder außerhalb der EU beispielsweise im 1.Quartal 2004 um 10,6%[5] gegenüber dem Vorjahr.
Wechselkurse beeinflussen vor allem auch den Kapitalexport, das Übernehmen schwächerer Konkurrenten, die Ausweitung von Monopolen[6] außerhalb ihrer Heimatbasis: „Sorgen muss sich ein Teil des deutschen Kapitals, denn die Investitionen und Übernahmen US-amerikanischer Konkurrenten wie bei Daimler-Chrysler oder Deutsche Bank/Bankers Trust, die werden teurer und dies bremst den deutschen Imperialismus in seiner Expansion. ... der jetzige Eurokurs ist also ein Hemmnis der deutschen Konzerne in dieser Konkurrenz.“[7] An dieser wichtigen Front kriegen sie jetzt wieder Oberwasser, der gestiegene Euro erleichtert die Expansion, erhöht ihre Möglichkeiten, sich kleinere Konkurrenten außerhalb der Euro-Länder einzuverleiben.
Der Begriff „Welt“-währungsreserven ist verwirrend und unzutreffend. Denn es handelt sich selbstverständlich nicht um irgendwelche „Schätze der Welt“ oder hilfreiche Mittel zur Unterstützung unterdrückter Völker oder Konten der UNO. Die so genannten Weltwährungsreserven sind die Summe der von Regierungen oder Zentralbanken (wie z.B. der Bundesbank) verwalteten Gelder, die einige Staaten in anderen Währungen oder Gold[8] besitzen. Insgesamt werden derzeit rd. 2,5 Billionen US-Dollar (oder: rd. 2,1 Billionen Euro)[9] zu den „Welt“währungsreserven gerechnet. Dabei besitzen 10 Länder fast 60% der Gesamtsumme.
In den letzten 30 Jahren haben sich Währungsreserven verzwanzigfacht. Diese Entwicklung hängt mit der Auflösung des festen Währungskurssystems von Bretton-Woods zusammen. Das Bretton-Woods-System wurde 1944 installiert und bestimmte die währungspolitische Entwicklung nach dem 2.Weltkrieg. In diesem System war alles auf den US-Dollar ausgerichtet. Alle einbezogenen Währungen[10] hatten einen festen Umrechnungskurs zum US-Dollar, im Gegenzug hatte sich die USA verpflichtet, jeden Dollar gegen eine feste Menge Gold zu tauschen. Diese Verknüpfung sollte verhindern, dass die USA die Stellung ihrer Währung in diesem System ausnutzt und unkontrolliert neue Dollar in Umlauf bringt. Die Golddeckung der Währungen bestand aber nur bis 1969, als Frankreich tatsächlich den Umtausch seiner Dollarreserven in Gold forderte, wurde der Schein des Systems offen gelegt und in der Folge beendet. Daraus folgte das bis heute praktizierte System schwankender Wechselkurse zwischen den Hauptwährungen, gleichzeitig wurde die geschichtliche Bedeutung von Gold als „allgemeine letzte Reserveeinheit“, als über und hinter allen Währungen stehende Größe weiter reduziert[11]. Die Bedeutung von Gold ist seitdem immer weiter zurückgegangen[12], an den heutigen „Welt“währungsreserven hat es noch einen Anteil von rd. 11%.
Währungsreserven sind Verteidigungs- und Angriffsreserven, sind das Schießpulver in Währungskriegen, also nichtmilitärischen, ökonomischen Auseinandersetzungen. Die Zentralbanken (zum Beispiel Bundesbank oder Europäische Zentralbank (EZB)) können – wenn gewollt – mit Reserven in anderer Währung versuchen den Wechselkurs des Euro zu „stützen“, indem sie ihre Reserven gegen ihre eigene Währung tauschen. Das geht nur in bestimmten Umfang und natürlich nur solange, wie man noch Reserven in fremder Währung hat. Wechselkurse können nicht dauerhaft „bestimmt“ werden.
Gerade abhängige Länder versuchen (im Rahmen ihrer jeweiligen finanziellen Möglichkeiten) Reserven anzusammeln, um gegebenenfalls versuchen zu können, einen starken Kursverfall ihrer Währung mit der Folge des Ausverkaufs ihrer Wirtschaft verhindern oder abmildern zu können. Den größten Anteil an Währungsreserven haben daher so genannte Schwellenländer: Beispielsweise besitzen China, Taiwan, Südkorea, Hongkong und Singapur zusammen rd. 30% aller „Welt“währungsreserven. Da die Währungen der imperialistischen Hauptländer (USA, Deutschland und Frankreich, Großbritannien, Japan) sowieso die Einheiten sind, in denen die Auseinandersetzung abgerechnet wird, sind diese normalerweise nicht auf die Bildung übermäßiger Reserven angewiesen, so haben beispielsweise alle Euro-Länder zusammen nur 11% der Währungsreserven. Hinsichtlich der Währungsreserven sind drei Hauptgruppen von Ländern zu unterscheiden: Erstens die imperialistischen Hauptländer (benötigen normalerweise keine hohen Reserven), die so genannten Schwellenländer (besitzen den Großteil der Reserven) und die große Gruppe abhängiger Länder, die ohnehin keine ausreichenden Mittel haben und deren Währungen im Normalfall nicht als allgemein tauschbar zu den Hauptwährungen akzeptiert sind.
Je umfassender und häufiger die eigene Währung anderswo akzeptiert wird (bzw. werden muss), desto größer ist als eine Option die Möglichkeit Schulden aufzunehmen und (unter Inkaufnahme einer Inflation, der Abwertung der Währung und möglicher weiterer Nachteile) diese durch „Drucken“ zusätzlichen Geldes quasi aus Luftbuchungen zurückzuzahlen. Man hat die Möglichkeit sich bei anderen zu bedienen, sich deren Mittel nutzbringend zu leihen und diese am Ende zu entwerten. „Mit einer als Leitwährung akzeptierten Währung kann sich ein Land also zunächst im Ausland verschulden ... d.h. eben in der ganzen Welt beliebig Reserven und Ressourcen für sich und seine Zwecke mobilisieren. Wenn es dann mit der Rückzahlung hapert, z.B. ... weil die Eroberungspläne nicht aufgehen, kommt es wieder zur Entwertung. Sie trifft aber nicht nur die einheimischen Sparer, sondern verteilt sich schön über die ganze Welt.“[13] Diese Variante funktioniert nicht einfach und schon gar nicht glatt, vor allem muss man zunächst auch Gläubiger finden, die einem im Vertrauen auf die Rückzahlung Kapital zur Verfügung stellen. Aber es bleibt immer eine potentielle Möglichkeit so vorzugehen. Diese Option steht aber eben nur Ländern zur Verfügung, die eine echte Leitwährung besitzen[14].
Die USA hingegen besitzen nur 3% der „Welt“währungsreserven, aber 68% aller Reserven werden in US-Dollar gehalten. Im Einzelnen verteilen sich die „Welt“währungsreserven auf folgende Währungen:
Währung Anteil in %
US-Dollar 68%
Euro 13%
Japanischer Yen 5%
Britisches Pfund Sterling 4%
Schweizer Franken 1%
Sonstige 9%
Quelle: Monatsbericht Deutsche Bundesbank, Januar 2003, S. 17
Für die imperialistischen Hauptländer kommt es also darauf an, dass ein möglichst hoher Anteil der Reserven der anderen Länder in ihrer Währung gehalten wird. Dabei ist aktuell zu berücksichtigen, dass Japan momentan von dieser Regel abweicht und seine Währungsreserven auf Grund der dortigen, seit Jahren krisenhaften Entwicklung erhöht hat: Währungsreserven sind auch ein Indiz dafür, welche Position man in der Konkurrenz gerade einnimmt. Die Währungsreserven der BRD sind seit Jahren rückläufig, was als Stärke in der Konkurrenz gewertet werden kann. Am Rande ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass die Reserven der BRD weiterhin in der Hand der Bundesbank sind, an die mit Euro-Einführung errichtete Europäische Zentralbank (EZB) wurde nur ein kleiner Teil übertragen.
Wenn vom Anteil des Euro an den „Welt“währungsreserven gesprochen wird, geht es also nicht um die eigenen Reserven der Euro-Länder, sondern um den Anteil der Währung Euro an allen Reserven auf der Welt. Die Euro-Länder besitzen (zusammen genommen) 11% der Währungsreserven (davon Deutschland nur rd. ein Fünftel), 13% der Währungsreserven auf der Welt werden hingegen in Euro gehalten. Der Anteil des Euro an den Währungsreserven ist seit seiner Einführung 1999 trotz der vorübergehenden Kursschwäche ausgebaut worden, auch wenn das langfristige Ziel eines gleich hohen Anteils des Euro gegenüber dem Dollar (jeweils ca. 40%) noch weit entfernt ist. Dabei ist das Ziel einer Relation Dollar zu Euro = 1:1 auch wieder eine Frage, die nur durch heftige und – wie wir am Beispiel des Irak-Krieges sehen – auch mit kriegerischen Elementen geführte Auseinandersetzungen beantwortet wird, also letztlich auch eine Frage von Krieg und Frieden. Erwähnenswert, dass der Irak seine Währungsreserven (19 Mrd. Dollar) im Jahr 2000 von Dollar auf EURO umtauschte.[15]
Auch in der Position des Geldgebers (Gläubigers) gibt der Besitz einer Leitwährung Macht und Luxus. In der heutigen Phase des Kapitalismus (imperialistische Phase) herrscht Überproduktion, bzw. chronische Unterbelastung der Betriebe. Alle relevanten Faktoren (Arbeitskräfte, technischer Entwicklungsstand, Kapitalstock, Rohstoffe, Infrastruktur usw.) ermöglichen eine deutlich höhere Produktionsmenge von Waren als die zahlungskräftige Nachfrage zulässt. Die zahlungskräftige Nachfrage ist somit die Grenze der Produktion, dies führt zu Überproduktion und Kapitalvernichtung (produzierte Ware kann nicht abgesetzt oder bezahlt werden, Maschinen sind nicht ausgelastet, Kapitalinvestitionen scheitern). Diese Situation mindert die zu realisierende Rendite auf das eingesetzte Kapital. Damit bekommt der Kapitalexport steigende Bedeutung: In den so genannten Schwellenländern, den „neuen Märkten“[16] ist diese Entwicklung für einen gewissen Zeitraum, in der Phase des aufstrebenden Wachstums gebremst oder scheinbar aufgehoben. Daher werden immer wieder gerne Kredite an diese Länder vergeben, eine „interessante Renditealternative“ heißt es. Der Kapitalexport (egal ob direkte Beteiligung an Unternehmen und/oder Kreditgewährung) erfolgt nicht in der Währung der Kreditempfänger, sondern in den Leitwährungen. Der Kapitaldienst (Zins und Tilgung) muss daher in fremder Währung geleistet werden. Also benötigen die Länder Deviseneinnahmen, sie müssen Waren und/oder Rohstoffe erfolgreich exportieren oder „Tafelsiber“ (sofern vorhanden) zur Bedienung der Kredite verkaufen. Sobald die einheimische Währung an Wert verliert[17], verteuert sich die Rückzahlung entsprechend, die produzierten Waren und alle Werte in dem Land werden abgewertet. Der Verfall der einheimischen Währung erfolgt vor allem dann, wenn die zunächst meist rasante, aufstrebende Entwicklung ins Stocken gerät, durch eine Sättigung (also auch hier wieder Überproduktion) die Renditeprognosen auf das eingesetzte Kapital in sich zusammenfallen. Dann müssen immer mehr Waren oder Rohstoffe als Gegenwert für die Rückzahlung hergegeben werden, die Preise nach außen fallen, im Land gibt es oftmals Inflation, Abwertung der Ersparnisse usw. Diese Verbilligung der Exportwaren auf Grund von Währungskursverfall steigert die Ausbeutung in erheblichem Umfang, Sozialleistungen werden gestrichen usw. Die Verbilligung trifft aber auch die Arbeiterschaft in den Metropolen, wenn zum Beispiel südkoreanische Autos auf Grund des Währungsverfalls zu Dumpingpreisen auf den Markt kommen und in der Folge Preise der Marken aus den Hauptländern reduziert werden. Das führt dazu, dass auch die Kapitalisten hierzulande versuchen, die Ausbeutung noch weiter zu steigern. Sie kämpfen darum, dass z.B. die Löhne gesenkt werden oder die Arbeitszeit verlängert wird.
Folgender Nutzen aus Bargeld ist für die Herausgeber der am weitesten verbreiteten und stärksten Währungen besonders groß:
Mit jedem in Umlauf befindlichen Geldschein gibt der Besitzer des Geldscheines dem Staat, der die entsprechende Währung herausgibt praktisch einen zinslosen Kredit. Für den Erhalt des Geldscheines zahlt er vorher: sein Konto wird belastet, den Geldschein hat er aber noch nicht ausgegeben. Da die jeweilige Nationalbank die zinslos zur Verfügung gestellten Mittel auf der anderen Seite wieder anlegen kann, entsteht letztlich aus allen umlaufenden Geldscheinen ein Zinsgewinn. Wenn nun – wie bei den wichtigsten Währungen (US-Dollar, Euro usw.) – das Bargeld auch außerhalb des Landes (z.B. der Euro in Osteuropa) als inoffizielle Zweit- oder Schwarzgeldwährung benutzt wird, ist dieser Gewinn aus dem Bargeldumlauf (so genannte Seignorage[*]) entsprechend höher. Der Seignoragegewinn macht derzeit für die US-Notenbank schätzungsweise ca. 10 Mrd. Dollar jährlich aus, für die Bundesbank – also indirekt den deutschen Staatshaushalt – immer noch ca. 1 Mrd. Euro. Dabei geht man davon aus, dass rd. die Hälfte aller Dollarscheine außerhalb der USA verwendet werden, beim Euro sollen dies rd. ein Drittel sein. Vom Verfall und Vertrauensverlust einer Landeswährung in einem abhängigen Land profitieren sie also schon auf diesem Weg, da die Menschen dann immer beginnen, die einheimische Währung gegen Bargeld in Leitwährungen (Dollar, Euro usw.) zu tauschen.
Die Bundesbank hat mit rd. 30% den größten Kapitalanteil an der Europäischen Zentralbank (EZB) und erhält folglich auch den größten Teil vom Gewinn, also auch den größten Anteil aus dem Gewinn durch den Bargeldumlauf. Auch in diesem Punkt hat sich die BRD wieder einmal durchgesetzt, zunächst hatten andere Zentralbanken die gleichberechtigte Verteilung des Gewinnes an alle Euro-Länder gefordert. Da die EZB aber den nationalen Zentralbanken zu unterschiedlich hohen Anteilen gehört, ist sie also noch nicht einmal formal ein gleichberechtigter Zusammenschluss der nationalen Zentralbanken der Euro-Währungsländer.
Insgesamt ist dieser Zinsgewinn aus dem Bargeldumlauf ein interessanter und beachtlicher, aber bei weitem nicht der wichtigste Vorteil, wenn eine Währung als Leitwährung verwendet wird.
* Siehe auch KAZ 288 zur Euro-Einführung, S. 16 „Wer schützt die Deutschen vor sich selbst?“
In dieser Entwicklung treten dann wieder die Kapitalgeber auf den Plan und verlangen zur Begleichung der Rückzahlung Sicherheiten, Rohstoffe, Firmen oder was noch so vorhanden ist. Damit erfolgt der Ausverkauf des Landes komplett, ein eigenständiger Entwicklungsweg ist ausgeschlossen, die Abhängigkeit auf höherer Stufe wieder hergestellt. Das Instrument der starken Währungen, die Macht über die Leitwährungen ist hierfür immer ein zentraler Baustein. Die Verschuldung in einer fremden Währung, einer der Hauptwährungen ist qualitativ immer eine ganz andere Sache als die Verschuldung in eigener Währung. So ist die Staatsverschuldung der BRD, der USA und anderer imperialistischer Länder ein Vielfaches dessen, was die schwächeren, abhängigen und zurückgebliebenen Länder an Schulden haben. Der Unterschied besteht darin, dass die einen in ihrer eigenen Währung verschuldet sind und die anderen in den Währungen der Unterdrückernationen. Allein die Tatsache, dass nur eine kleine Zahl von Währungen mit schwankenden Kursen und in dem notwendigen Umfang im Marktgeschehen ohne Stockungen gegeneinander getauscht werden kann, zeigt, wie groß die in den Währungen ausgedrückte Macht ist.
Weil die Frage von Verschuldung und Kapitaltransfer so bedeutsam ist, war es ein weiteres Ziel der Euro-Einführung, die Verwendung als weltweite Anleihewährung zu steigern. Dabei geht es darum, dass praktisch nur die Länder, deren Währungen zu den Hauptwährungen gehören in eben dieser Landeswährung Schulden aufnehmen können. Alle anderen müssen ihre Schulden in fremder Währung, nämlich in einer der Hauptwährungen (also Dollar, Euro oder Yen) aufnehmen; der Kapitalimport läuft dann also in der Währung des Kapitalexporteure. Auch auf diesem Gebiet hat der Euro seit seiner Einführung kontinuierlich hinzugewonnen und bringt so weitere Vorteile für seine Herausgeber. Der Anteil des Euro als internationale Anleihewährung ist seit seiner Einführung von etwas über 20% auf rd. 30% weltweit gesteigert worden[18], eine Steigerung um die Hälfte. Der Zuwachs ging zu einem Drittel zu Lasten des US-Dollar, zu zwei Dritteln allerdings zu Lasten des japanischen Yen, dessen Anteil sich seit Euro-Einführung fast halbiert hat:
Währung Anteil 1999 Anteil 2003
US-Dollar 47% 44%
Euro 21% 30%
Japanischer Yen 17% 10%
Sonstige 15% 15%
Quelle: Monatsbericht Europäische Zentralbank, November 2003, S. 79
Gerade der kontinuierliche Zuwachs gegenüber dem Yen zeigt, das erste Ziel war die Durchsetzung als eindeutige Nummer zwei und dies ist schnell und vollständig erreicht worden. Bis zur Euro-Einführung lag der Yen lange gleichauf mit der Summe der Euro-Vorgängerwährungen (insbesondere DM und französischer Franc), noch bis Mitte 1998 war er sogar hinter dem Dollar knapp auf dem zweiten Platz. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Wechselkursentwicklung allein zur Beurteilung von Währungsentwicklungen nicht ausreichend ist.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verwendung des Euro bei der Abwicklung von grenzüberschreitenden Handelsgeschäften (Waren-/Rohstofflieferungen). Die Abwicklung von Geschäften in ihrer eigenen Währung hat für die Kapitalisten eines Landes immer deutliche Vorteile. Sie bedeutet vor allem Unabhängigkeit, geringe Gebühren und klare Kalkulationsmöglichkeit. Insbesondere mit Einführung des Euro-Bargeldes 2002 hat sich der Anteil der Geschäfte der Euro-Länder, für die als Abrechnungswährung Euro vereinbart wurde um etwa 15% erhöht auf insgesamt fast 50% aller Importe und Exporte. Die Quote bei den Einfuhren (Importen) ist mit 45% etwas niedriger als die bei den Ausfuhren (Exporten) mit rd. 50%. Dazu schreibt die Europäische Zentralbank: „Der Unterschied zwischen dem Anteil am Import und dem Anteil am Export spiegelt den Einfluss der Rohstoffe – die weitgehend in US-Dollar fakturiert[19] sind – auf die Importe ins Euro-Währungsgebiet wider.“[20] Einerseits hat die Abrechnung der Rohstoffe (insbesondere Öl) also einen hohen Einfluss auf die Gesamtquote, andererseits ist sie keinesfalls die allein bestimmende Größe (wie oft dargestellt wird). Eine Differenz von 5% ist nicht wenig, aber eben doch nur 5%. Öl ist also nicht die Erklärung aller ökonomischer Fragen, so wie das Wechselkursverhältnis von Euro und US-Dollar nicht die Lage der Weltökonomie in einer Zahl ausdrückt. Insgesamt steigt der Anteil in Euro abgerechneter Handelsgeschäfte an und dies bedeutet, dass ein weiteres Ziel der Euro-Initiatoren zumindest nicht verfehlt wurde. Hinsichtlich der Abrechnung von Öl ist noch festzuhalten, dass auch die OPEC die Lage prüft:„Der anhaltend starke Euro beschäftigt auch die Erdöl fördernden Länder, allen voran das elf Staaten umfassende Opec-Kartell, das rund ein Drittel des weltweiten Bedarfs fördert und die Preisbildung dominiert. Die Opec-Ölminister diskutieren seit geraumer Zeit eine Abkehr vom Dollar als Referenzwährung für den internationalen Ölhandel. In Russland, derzeit das Land mit der weltweit größten Ölförderung, gibt es ähnliche Erwägungen. Der niedrige Dollar-Kurs wertet die Kaufkraft der Ölförderländer ab und schmälert deren Möglichkeiten, im Euro-Raum oder in Japan zu investieren. ‚Mit einiger Sorge‘ kommentierte dies die jüngste OPEC-Konferenz Anfang Dezember in Wien. Denkbar wäre eine komplette Neuorientierung auf den Euro als Leitwährung für den Ölhandel, aber auch ein Währungskorb aus Dollar, Euro und Yen.“[21]
Der Euro hat seit seiner Einführung auf allen wesentlichen Gebieten hinzugewonnen. Der Wechselkurs ist nach vorübergehender Schwäche in den ersten Jahren aktuell ebenfalls angestiegen. Die mit der Euro-Einführung verbundenen Aussichten, die Herausforderung der USA und ihrer Währung Dollar bleiben unverändert und zielstrebig die Motivation insbesondere Deutschlands und Frankreichs. Sie gehen ihrem Ziel, der Währung des anderen Räubers (der USA) zunächst Punkte abzunehmen und letztendlich zumindest in wesentlichen Bereichen den Rang abzulaufen, weiter entgegen und sie sind in den letzten Jahren auch durchaus vorangekommen. Die Schritte sind kleiner als manche erwartet haben, aber sie sind kontinuierlich da. Von einer einigenden und vermittelnden „Friedenswährung“ Euro, von der Beseitigung nationaler Egoismen ist weiterhin nichts zu sehen, ganz im Gegenteil: Der Euro schürt die Konkurrenz auf allen Ebenen: Zwischen den Euro-Ländern, zwischen den Euro- und anderen EU-Ländern und außerhalb der EU gegenüber dem US-Imperialismus und dem japanischen Imperialismus; der Euro führt zur Zuspitzung der Widersprüche.
So ist die Europäische Zentralbank (EZB) beispielsweise kein einfacher Ersatz der nationalen Zentralbanken. Die Bundesbank gibt es weiterhin, sie besitzt weiterhin Gold- und Devisenreserven, nur einen kleineren Teil hat sie der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt übergeben. Und das war auch keineswegs geschenkt, die Bundesbank erhielt so rd. 30% der Kapitalanteile, 30% des Eigentums an der EZB, denn diese gehört den Nationalbanken der Euro-Länder zu ganz unterschiedlichen Anteilen. Natürlich purer Zufall, dass die Deutsche Bundesbank wieder mal das größte Stück vom Kuchen abgekriegt hat und deshalb natürlich auch den größten Teil vom Gewinn der EZB überwiesen bekommt. Die EZB ist also nicht die Nachfolgerin der Bundesbank, sondern eher die Tochtergesellschaft.
Zu der Annahme, der Euro sei eine „Friedenswährung“, noch ein Gedanke: Ginge es nur darum wie welche Dinge abgerechnet werden und nicht darum, welche Währung man verwendet, also Hauptsache, man hat eine einheitliche Währung, dann könnte man sich getrost der (derzeit noch) Hauptwährung US-Dollar anschließen. Warum erkennt man denn den Dollar nicht als Weltgeld an? Das wäre doch für alle praktisch und einfach, Wechselkurse gibt es gar nicht mehr, feste Kalkulationsgrundlagen, geringe Abrechnungskosten, eine wirklich praktische und weltumspannende Idee der EU wäre das gewesen, die USA hätte sicherlich nichts dagegen.
Das geht doch nicht, höre ich da einige rufen, da könnten wir ja gleich ... . Vorsicht: Das ist das Lied unserer Herren! Uns kann es tatsächlich egal sein, ob sie ihre Geschäfte in Euro oder Dollar abwickeln und welche Gesichter auf unseren Geldscheinen gedruckt sind, das hat mit unseren Interessen nichts zu tun. Für uns kommt es darauf an, dass sie mit dem Euro den Kampf verschärfen wollen gegen ihre Konkurrenten aus den USA. Daimler schluckt erst Chrysler und dann gegen die nächsten; Siemens sollen wir verteidigen gegen General Electric; die Citibank darf „unsere“ Deutsche Bank nicht übernehmen? Es hat uns noch nie gut getan in diesen Kämpfen für „unsere“ Monopole in den Krieg zu ziehen, insofern entspricht der Euro nicht unseren Interessen, er gefährdet sie!
Entgegen der Propaganda fürs Publikum (also uns), der deutsche Staat sei der größte „Nettozahler“ der EU, „wir“ würden nur die wuchernde Brüsseler Bürokratie finanzieren usw. ergibt sich ein anderes Bild, wenn man die Gewinner der Euro-Einführung identifiziert: „Der deutsche Außenhandel ist seit Beginn der Währungsunion insgesamt betrachtet kräftig gestiegen ... Bis zum ersten Halbjahr 2003 haben die Exporte von Waren ... um durchschnittlich 7% und die Importe um 5,5% pro Jahr zugenommen.“[22] und weiter: „Bemerkenswert ist dabei, dass von allen EWU-Ländern[23] ... vor allem Deutschland seinen realen Weltmarktanteil nennenswert ausbauen konnte. Der Anteil der übrigen EWU-Länder an den realen weltweiten Exporten zusammen genommen blieb dagegen in dieser Zeit nahezu unverändert.“[24] Dabei wurden die größten Zuwächse in Ost- und Südosteuropa erzielt, also außerhalb des Euro-Gebietes, aber auch innerhalb der Euro-Länder wurde der Marktanteil des deutschen Kapitals auf breiter Front erhöht: „Eine überproportionale Ausweitung ihrer Ausfuhrlieferungen konnten deutsche Unternehmen von Anfang 1999 bis zum ersten Halbjahr 2003 beispielsweise in den stark wachsenden Ländern Spanien (durchschnittlich 10,5% pro Jahr), Griechenland (8%) und Irland (7%) erzielen, die zugleich ... gegenüber heimischen Anbietern besonders deutlich an Boden verloren haben. Letzteres gilt in abgeschwächtem Maße auch für Italien, das ebenfalls ein wichtiges Zielland deutscher Exporte innerhalb des Euro-Raums ist (Anfang 1999 bis erstes Halbjahr 2003: + 7,5%)“[25] In der Gegenrichtung läuft es dabei ganz anders: Die Importe aus allen anderen Euro-Ländern zusammen nach Deutschland sind seit Beginn der Währungsunion sogar leicht (um 1%) zurückgegangen und machen jetzt 45% aus. EU und Euro sind also keineswegs Mittel zur Belebung des gegenseitigen (Waren-)Austauschs, sondern nützen in erster Linie wenigen Ländern (zuallererst dem deutschen Imperialismus) und verstärken somit die unterschiedliche, ungleichmäßige Entwicklung seiner Mitgliedsländer. Dass eine ungleichmäßige Entwicklung erfolgt, ist ein allgemeines ökonomisches Gesetz im Kapitalismus, dass dieses Gesetz auch gilt innerhalb der EU und zwischen den Euro-Ländern zeigt, dass es keinen „EU-Imperialismus“ oder „Euro-Imperialismus“ gibt, sondern weiterhin die national zuzuordnenden Kapitalisten, die versuchen, sich untereinander die Profite abzujagen.
Keine anderen Konzerne profitieren so stark vom Euro wie die hiesigen. Dass sie natürlich auch schon längst die größten Handels„partner“ der neuen EU-Länder sind und die größten Kapitalexporteure in diese Staaten sowieso, passt dazu. Sie vergrößern ihren Absatz, verdrängen einheimische Konkurrenten in allen Euro-Ländern und erhöhen so ihren Profit. Ob der deutsche Staat, den sie sowieso nicht bezahlen, an anderer Stelle noch ein paar Euros für zentrale Aufgaben der EU gibt, ist dagegen betrachtet unbedeutend. Der Euro ist eine hilfreiche Waffe des deutschen Imperialismus bei der Ausweitung seiner Möglichkeiten in allen Regionen Europas. Und wie erkennbar ist, liegt er hier auch klar vor seinem in den letzten Jahren wieder so innigen Partner Frankreich.
Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Grundlage der Währung Euro festgelegt. Für die Teilnahme am Euro wurden mehrere Voraussetzungen beschlossen, von denen heute vor allem die Grenze von 3% Neuverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Punkt der Auseinandersetzung ist. Diese Grenze der Neuverschuldung ist von der BRD und Frankreich schon mehrere Jahre überschritten worden. Nach den Verträgen hätte dies zu entsprechenden Strafverfahren und der Drohung von Milliarden-Bußgeldern führen müssen. Doch Gleiches ist eben nicht gleich, wer wollte von den Euro-Ländern denn den beiden ernsthaft drohen? Also keine Strafverfahren trotz eindeutiger Vertragsverstöße!
Ganz anders für die anderen Länder, insbesondere die neu beigetretenen EU-Staaten in Osteuropa. Nachdem zunächst Portugal ein so genanntes Defizitverfahren über sich ergehen lassen musste, hat die zuständige Kommission unmittelbar nach dem Beitritt der neuen EU-Länder gegen sechs der zehn Neulinge ein Verfahren wegen überhöhter Neuverschuldung eröffnet[26]. Auch wenn die vorgesehenen Strafen noch nicht möglich sind, weil die Länder zwar jetzt in der EU, aber von der Euro-Teilnahme noch weit entfernt sind, zeigt es die Machtverhältnisse deutlich auf. Also können insbesondere die deutschen Konzerne als größte Exporteure von Waren und Kapital in die neuen EU-Länder alle damit verbundenen Vorteile Profit bringend nutzen, die bisherigen einheimischen Firmen und die dortigen Arbeiter sind die Verlierer, Strukturen werden zerschlagen.
Am Euro teilzunehmen ist für die neuen EU-Mitglieder in weiter Ferne. Dennoch müssen sie ihre jeweiligen Währungen sofort an den Euro binden (ohne den Euro zu haben). Sie geben ihre währungspolitische Souveränität auf, die immer auch ein Stück staatlicher Souveränität ist. So hat nach einem Bericht der American Express Bank von 03.05.2002 der Zloty in den ersten Monaten dieses Jahres durchschnittlich um 2% nachgegeben, was für den Export polnischer Waren günstig war. Dass diese Möglichkeiten mit der Anbindung an den Euro gestrichen werden, hat zum Beispiel Italien bereits seit längerem erfahren. Vor dem Euro konnte Italien durch Abwertung seiner Währung seine Möglichkeiten für den Warenexport immer wieder stützen. Da dieser Weg mit dem Euro ausgeschlossen ist, haben sie seit Euro-Start deutlich verloren, können weniger exportieren, dagegen erobern nicht zuletzt deutsche Konzerne immer größere Marktanteile. Auch für die neuen EU-Länder gilt nun: „Mit dem Beitritt sind die neuen Mitgliedsstaaten nach Artikel 124 des EG-Vertrages verpflichtet, ihre Wechselkurspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu behandeln. Abwertungen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen sind im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes daher nicht erlaubt. Darüber hinaus wird erwartet, dass sich die beitretenden Länder nach dem EU-Beitritt – wenn auch nicht unbedingt sofort – am Wechselkursmechanismus beteiligen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie einen entsprechenden Antrag stellen und dass eine Einigung über den Leitkurs und die Bandbreite erzielt worden ist.“[27] Sicherlich verspricht sich die polnische Bourgeoisie durch den EU-Beitritt ein paar mehr Krümel vom Tisch der Herren Europas, dem polnischen Volk wird der Beitritt wohl kaum etwas nützen. Dennoch ist zu der Frage: „Warum tun die das, wenn insbesondere Deutschland und Frankreich doch immer die Gewinner der EU auf allen Ebenen sind?“ festzustellen, dass diese Staaten auf Grund der schon bestehenden Abhängigkeit ohnehin wenig Möglichkeiten haben. Ohne den EU-Beitritt sieht es (unter kapitalistischen Vorzeichen) genauso schlecht aus: Auch dann kommt ausländisches Kapital ins Land und verdrängt einheimisches Kapital und dessen Marktanteil, der Zugang zu Krediten ist erschwert und die Zinsen sind höher usw. Letztlich ist die Frage EU-Beitritt ja oder nein unter diesen Vorzeichen die Wahl zwischen Pest oder Cholera, zwischen Untergang hierum oder Untergang dortherum.
In der Frage der Beurteilung des Euro zeigt sich auch wieder der strukturelle Nachteil der bestimmenden Euro-Länder (insbesondere BRD, daneben Frankreich) gegenüber den USA. Sie haben nur eine gemeinsame Währung und wollen damit die Vorherrschaft der USA, des US-Dollar angreifen. Aber noch sind sie zwei Staaten und Nationen, sie konkurrieren einerseits und andererseits schließen sie ein Bündnis gegen andere Konkurrenten, ein Bündnis auf Zeit. Dazu kommen kleinere, die zwar nicht viel zu melden haben, aber eben dennoch eine formale Eigenständigkeit besitzen. Die USA hingegen sind ein Staat, eine Nation und können somit schneller und gezielter agieren. Auch die in diesem Artikel mehrfach angesprochene Option als Inhaber einer Leitwährung durch Ausweitung der Geldausgabe Schulden quasi durch Gelddrucken zurückzahlen zu können, ist für die USA leichter als für die Euro-Länder. Auch hier müssten sie zunächst die voraussichtlich wieder unterschiedlichen Interessen und Widersprüche – zumindest zwischen den stärksten Euro-Ländern – zunächst regeln, bevor es anlaufen könnte. Das dauert länger und ist einfach schon vom Verfahren her trotz der Überlegenheit der BRD und Frankreichs wackeliger und schwieriger. Solche strukturellen Nachteile der stärksten Euroländer bedeuten nicht einfach Handlungsunfähigkeit oder gar Harmlosigkeit, solche Nachteile können schnell in Aggressivität umschlagen, weil nur so versucht werden kann, diese Widersprüche im Sinne der BRD oder Frankreichs zu lösen.
Die Einschränkung auch der formellen Eigenständigkeit der Euro-Länder soll unter anderem über die möglichen Strafmaßnahmen bei zu hoher Staatsverschuldung erfolgen. Abgesehen davon, dass gerade die BRD und Frankreich schon mehrfach gegen die Kriterien verstoßen und sich somit eigentlich selbst ein Verfahren eröffnen müssten (was sie nicht tun und auch nicht zu tun brauchen, weil sie eben die Vormachstellung haben), ist ein solches Strafverfahren nicht gleichzusetzen mit den Möglichkeiten in einem einheitlichen Staatsgebiet. Die Bildung eines einheitlichen europäischen Staates ist – auch mittel- bis langfristig – nicht realistisch. Bis heute gibt es –abgesehen vom Euro – keine nennenswerten wirklich gemeinsamen, institutionellen Dinge, die nationalstaatliche Institutionen ersetzen würden[28]. Wer sollte überhaupt Teil dieses einheitlichen Staates Europa sein? Die Euro-Teilnehmerländer, alle EU-Mitglieder, alle „Willigen“ aus diesen beiden Kreisen oder wer? Die großen Differenzen zeigen sich schon wieder bei der als Sicherheits- und Verteidigungspolitik hoch gelobten Kriegspolitik der EU. Hier ergibt sich ein wieder anderer Kreis von Teilnehmerländern, weil sich einzelne Staaten neutral verhalten und diese so genannte EU-Armee sowieso nur auf Kontingente der Einzelstaaten zurückgreifen kann, also keine gemeinsame oder einheitlich stationierte und befehligte Armee darstellt[29].
Je genauer man sich die Strukturen und Kompromisse (die eben Ausdruck der unterschiedlichen und auch innerhalb der EU konkurrierenden, einzelstaatlichen Interessen sind) ansieht, desto deutlicher wird: Die Vereinigten Staaten von Europa sind entweder unmöglich oder reaktionär[30]. Wobei hierzu ergänzt werden muss, dass auch die „Variante reaktionär“ keinerlei Einheitlichkeit der beteiligten Staaten bedeutet. Die Widersprüche sind mit der langen Entwicklung des Kapitalismus zum monopolistischen Kapitalismus, zur höchsten Stufe, der Phase des Imperialismus an dieser Stelle so weit fortgeschritten, dass ein einheitlicher europäischer Staat nicht mehr möglich ist. Die Entwicklungen um die EU-Verfassung bestätigen dies[31]. Die staatliche Aufteilung in Europa ist und bleibt ein Nachteil im Kampf Euro gegen Dollar. Aber Imperialisten, die sich im Nachteil befinden, werden deshalb keinesfalls friedfertiger (oder „vernünftiger“): Im Gegenteil, sie versuchen ihre Nachteile durch stärkere und höhere Aggressivität zu überdecken, zu überwinden. Das hat die Geschichte – gerade des deutschen Imperialismus – immer wieder und bis heute nachhaltig und blutig geprägt.
Mit der Einführung des Euro verbinden sich langfristige Ziele.
Auch auf dem Gebiet der Währung wird von der BRD und Frankreich hauptsächlich und zunehmend der US-Imperialismus herausgefordert. Dies verschärft die Widersprüche zwischen den Imperialisten dieser Länder, erfolgt in aggressiver Form und ruft seinerseits Aggressivität hervor.
Seit der Einführung des Euro hat man sich von den damit verbundenen Zielen auf keinem Gebiet entfernt, in allen Bereichen hat man seine Position gegenüber dem US-Dollar, unabhängig von Wechselkursschwächen, ausgeweitet. Hauptsächlich jedoch wurde zunächst in Ausnutzung der jahrelangen Krise des japanischen Imperialismus der Yen mit Hilfe des Euro auf den klaren Platz 3 verwiesen.
Berichte über Konsumpreissprünge durch den Euro haben unterschiedliche Zwecke. Sofern sie wirklich die Frage des Gegenwerts unseres Lohnes berühren, sind sie wichtig und auch ein Feld der Gewerkschaften. Vielfach sind sie lediglich Teil der Propaganda von rechts, die entweder eine andere Strategie (Machtausweitung des deutschen Imperialismus mit der früheren DM) vorschlägt und/oder ablenken will von den Angriffen auf Löhne, Lebenshaltungskosten (z.B: Praxisgebühr), Sozialleistungen usw.
Die Maastricht-Kriterien dienen offensichtlich nur dazu, die schwächeren Euro-Länder zu maßregeln und in deren innere Verhältnisse eingreifen zu können oder EU-Länder, die dem Euro beitreten wollen, raushalten zu können, wenn sie nicht genehm sind. Die Kriterien sind kein unabhängiger oder für alle gleichermaßen gültiger Maßstab, sondern auch ein Machtinstrument[32].
Die Entwicklung der Euro-Länder ist sehr unterschiedlich. Vor- und Nachteile, Gewinner und Verlierer verteilen sich sehr differenziert. Einen einheitlichen (oder gar geeinigten) „EU-Imperialismus“ gibt es nicht! Im Gegenteil verschärft sich die Konkurrenz und verschärfen sich die Widersprüche auch innerhalb und zwischen den EU- und Euro-Staaten.
Die strukturelle Schwäche des Euro gegenüber dem US-Dollar, die gerade auch darin besteht, dass der Euro die Währung mehrer Staaten ist, bedeutet keinesfalls eine Minderung der Aggressivität. Im Gegenteil erhöht sie die Aggressivität, weil nur so – also trotz dieser Schwäche – das Ziel der Ausweitung ökonomischer und politischer Macht durch den Euro, erreicht werden kann. Gerade weil sie an der Stelle schwächer sind, müssen sie angreifen, sie können und wollen nicht dauerhaft als zweiter Sieger dastehen. Andererseits kann die USA nicht zusehen, wie ihre jahrzehntelang scharfe Waffe im ökonomischen Krieg, ihre Währung, durch den Euro stumpfer wird. Währungen sind ein Teil der Waffen, mit denen die Widersprüche zwischen Imperialisten, die Jagd um die Beute der Räuber ausgetragen werden. Da der Krieg die Fortsetzung der Ökonomie mit anderen Mitteln ist, ist die Entwicklung von Währungen auch bedeutsam bei der Beurteilung der kriegerischen Auseinandersetzungen.
Gerade die Frage, welche Entwicklung Russland, die Mehrzahl arabischer Staaten und China währungspolitisch nehmen werden, ist von zentraler Bedeutung für das künftige Kräfteverhältnis, welches auch mit dem US-Dollar und dem Euro ausgedrückt wird.
Wenn sie trommeln, müssen wir uns rüsten. Wenn sie angreifen, müssen wir zurückschlagen. Wenn sie schreien: „Euro, das Geld der Friedensmacht! Gegen die blutige Dollarherrschaft!“ sagen wir: Nicht für oder gegen die USA ist die Frage: Der Hauptfeind steht im eigenen Land und heißt Deutscher Imperialismus!
AG Zwischenimperialistische Widersprüche
1 KAZ 296, September 2000, S. 47-49: „Wer braucht einen hohen EURO?“
2 KAZ 296, September 2000, S. 47
3 In der Folge wurde im Jahr 2000 die für viele Kollegen wichtige Entfernungspauschale angehoben, die ab 2004 im Rahmen der letzten Steueränderung wieder reduziert wurde.
4 Wobei auch hierfür gesehen werden muss, dass dies zwar in einem gewissen, nicht genau zu messendem Umfang, zutreffen kann, aber viele weitere Faktoren Kursverhältnisse beeinflussen.
5 FAZ 12.05.2004
6 Den Begriff Monopol(e) verwenden wir hier wieder im Sinne von Lenin, wie er ihn insbesondere in seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ definiert hat. Demnach ist unter Monopol nicht wie in der bürgerlichen Wirtschaftslehre und Gesetzgebung ein einzelner Konzern zu verstehen, der einen Gesamtmarkt annähernd beherrscht, sondern eine kleinere Zahl von Kapitalkonzentrationen (Konzerne – Monopole), die in Summe das Geschehen bestimmen.
7 KAZ 296, September 2000, S. 49, aus: „Wer braucht einen starken Euro?“
8 Mit einem geringen Anteil von ca. 4% zählt man auch Währungsreserven des Internationalen Währungsfonds (IWF) und sogenannte IWF-Sonderziehungsrechte zu den „Welt“währungsreserven. Diese werden im Rahmen von entsprechenden Kreditvergaben, die regelmäßig an extrem ausbeuterische Bedingungen geknüpft sind, eingesetzt, sind aber für unsere hier behandelte Frage nicht näher bedeutsam, bzw. zu untersuchen.
9 Diese und folgende Zahlen in diesem Zusammenhang aus: Monatsbericht Deutsche Bundesbank, Januar 2003, S. 15ff. „Währungsreserven: Entwicklung und Bedeutung in der Währungsunion“
10 sofern sie konvertibel, also als direkt tauschbar mit dem US-Dollar akzeptiert waren, was – genau wie heute – nur für einen Teil aller auf der Welt verwendeten Währungen zutraf.
11 Währungen sind Einheiten, besondere Waren, die gegen alle anderen Waren getauscht werden können, das gibt ihnen diese besondere Funktion und Beachtung. Gold hatte dabei eine Sonderstellung, weil es lange vor den heutigen Währungssystemen eine allgemein anerkannte Größe war. Auch war der Abbau von Gold wesentlich arbeitsintensiver und aufwendiger als die Herstellung von Geldscheinen und Münzen. Dabei macht den Wert eines Geldscheines, einer Münze oder eines Goldstückes letztlich immer das dahinter stehende und in Waren, Maschinen, Gebäuden usw. ausgedrückte Wirtschaftspotential aus.
12 Natürlich gewinnt Gold zeitweilig in bestimmten Regionen und Ländern auch als Zahlungsmittel gelegentlich wieder an Bedeutung, gerade in Phasen großer Krisen, Zeiten starker Kapitalvernichtung und Währungskrisen wie z.B. Ende der 90er-Jahre in der Asienkrise. Dies ändert jedoch die logische und grundsätzliche Entwicklung, wonach bestimmte Währungen (insbesondere US-Dollar, Euro, japanischer Yen) die geschichtliche Funktion von Gold übernommen haben nicht. Eine grundsätzliche, weltweite Veränderung dieser Entwicklung ist nur bei massiven, gewaltigen Entwicklungen denkbar, also bei extremer Zuspitzung der Widersprüche, Kapitalvernichtung durch Weltkrieg oder ähnliches.
13 KAZ 288, S. 16
14 Also zur Zeit den USA, den herrschenden Euro Ländern (insbesondere BRD und Frankreich), Japan (allerdings immer weniger), Großbritannien und der Schweiz (in kleinerem Umfang).
15 http://www.pm-magazin.de/de/wissensnews/wn_id579.htm
16 In den 90er-Jahren waren dies beispielsweise insbesondere Mexiko und die südostasiatischen „Tigerstaaten“, heute wird China als solcher Markt gesehen, wobei die Situation aufgrund der sozialistischen Grundlage China nicht in jeder Hinsicht vergleichbar ist.
17 Beispielsweise durch politische Krisen, stockender Warenabsatz (Überproduktionskrise), Kapitalabfluss, hohe Kapitalvernichtung
18 Diese und in dem Zusammenhang nachfolgende Zahlen aus: Monatsbericht der Europäischen Zentralbank (EZB), November 2003, S. 79 ff.: „Die internationale Rolle des Euro: die wichtigsten Entwicklungen seit Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion“
19 = berechnet; abgerechnet; in Rechnung gestellt
20 Monatsbericht der Europäischen Zentralbank (EZB), November 2003, S. 81
21 FTD, 30.12.2003
22 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank Oktober 2003, S. 17, „Wettbewerbsposition und Außenhandel der deutschen Wirtschaft innerhalb des Euro-Raums“
23 = alle am Euro beteiligten Länder
24 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank Oktober 2003, S. 21, „Wettbewerbsposition und Außenhandel der deutschen Wirtschaft innerhalb des Euro-Raums“
25 ebenda, S. 25
26 Süddeutsche Zeitung 13.05.2004
27 Monatsbericht Deutsche Bundesbank, Juli 2003 „Wirtschafts- und währungspolitische Zusammenarbeit der EU mit den beitretenden Ländern nach Unterzeichnung des Beitrittsvertrages“
28 Vergleiche hier unter anderem auch: KAZ 307: „Verfassung für Europa“, April 2004, insbesondere S. 4 ff. „Der Verfassungsentwurf für Europa: Was bedeutet er und was sein Scheitern?“
29 Im Übrigen stellen die BRD und danach Frankreich auch hier die mit Abstand größte Anzahl an Soldaten.
30 Lenin, sinngemäß.
31 Siehe auch KAZ 307, „Der Verfassungsentwurf für Europa: Was bedeutet er und was sein Scheitern ?“; S. 4 ff.
32 Entscheidend bei Machtinstrumenten ist, wer diese in der Hand hat. Dass die BRD, trotz mehrmaligem Verstoß gegen das Verschuldungskriterium straflos bleibt, während die beigetretenen EU-Länder sozusagen zur Begrüßung ein Defizitverfahren bekommen, belegt dies eindeutig.
Montenegro: Dort, wie auch im Protektorat Kosovo, war die DM Landeswährung und jetzt der EURO.
„Die EZB bleibt deutsch!“