Für Dialektik in Organisationsfragen
Nach der Einverleibung der DDR durch den westdeutschen Staat versicherte der damalige Kanzler Kohl der misstrauischen Welt, von diesem nun größeren Deutschland werde „nur Frieden ausgehen“. Fast 30 Jahre später erklärt die Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer, Deutschland müsse zukünftig „offen damit umgehen, dass wir – so wie jedes andere Land dieser Welt – eigene strategische Interessen haben“. Die Bundesrepublik sei wie kein anderes Land darauf angewiesen, dass es „offene Handelswege“ gebe. Und diese müssen eben notfalls auch militärisch durchgesetzt werden.
Nun steht bereits seit 1993 in den sogenannten Weißbüchern der Bundeswehr, dass diese auch strategische Interessen der BRD „verteidigen“ soll, und das bedeutet zuallererst im Interesse der Monopole Absatzmärkte für Waren und Kapital und ungehinderten Zugang zu den benötigten Rohstoffen notfalls auch mit militärischen Mitteln zu gewährleisten. Doch wer liest schon Bundeswehrweißbücher? Auch ist die Bundeswehr längst mit über 3.000 Soldaten im Rahmen von EU-, Nato- oder internationalen Militäraktionen im Ausland aktiv – vom Kosovo über Afghanistan bis hin zum afrikanischen Kontinent. Dass von der BRD „nur Frieden ausgehe“, können also seit langem schon nur diejenigen behaupten, die der offiziellen Propaganda glauben: Der Einsatz der Bundeswehr diene dem Schutz von Demokratie und Menschenrecht, sichere den Frieden.
All das reicht offensichtlich nicht in diesen krisenhaften Zeiten, weshalb die Kriegsministerin nun offen verkündet, dass es um die strategischen Interessen der BRD geht – dieses Staats der Siemens und Quandts, von BASF, ThyssenKrupp oder Deutsche Bank. Und diese strategischen Interessen sind weltweite. So spricht Kramp-Karrenbauer an der Bundeswehrhochschule vor ihrem Publikum in Uniform auch gleich noch Bundeswehreinsätze im Indopazifik an, also weit weg von hier und nahe bei der VR China. Eine neue Qualität hat zudem, dass sie mit ihren Aussagen offen die Geschichte entsorgt. „So wie jedes andere Land dieser Welt“ habe Deutschland strategische Interessen – das heißt nichts anderes, als endlich Schluss zu machen mit der auferlegten militärischen Zurückhaltung aufgrund der besonderen deutschen Geschichte. Und diese bedeutet, dass eben nicht „jedes Land“, sondern nur ein einziges es war, das zwei Weltkriege anzettelte, einer verbrecherischer als der andere. Die Kriegsministerin und ihre Einflüsterer in den Konzernetagen sind offensichtlich der Meinung, es sich nun wieder leisten zu können, unbehindert davon offen ihre strategischen Interessen anzumelden.
Doch Kramp-Karrenbauer erklärt auch noch weiteres Ungeheuerliches. In der Bevölkerung stelle sie „eine gewisse Entwöhnung“ zu solchen Fragen fest, die rückgängig gemacht werden müsse. Wir sollen uns also wieder an Kriegsvorbereitung und Krieg gewöhnen. Deshalb auch die öffentlichen Gelöbnisse der Rekruten, wie am 18. November unter anderem in München. Auf dem Transparent des Verdi- Arbeitskreises „Aktiv gegen rechts“ auf der Kundgebung gegen dieses Militärspektakel stand: „Jubel für militärische Schauspiele ist eine Reklame für den nächsten Krieg“ (Kurt Tucholsky, 1927).
gr
Artikel aus „Auf Draht“ vom 3.12.2019, einer Zeitung, die vor Münchner Betrieben verteilt wird. Herausgegeben von DKP München und Gruppe KAZ München.