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VW-Prozess

Das „Schmieren von Betriebsräten ist keine strafbare Handlung

Das hat das Landgericht Braunschweig mit etwas anderen Worten am 28. September 2021 so entschieden. Der als „König von Wolfsburg“ bezeichnete Bernd Osterloh, bis am 23. April 2021 VW-Konzernbetriebsratsvorsitzender, wurde nicht zu hoch bezahlt. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hatte vier VW-Manager wegen Untreue – „teils im besonders schweren Fall“ – angeklagt. Sie sollen den Milliarden-Konzern-Profit durch „überzogene Betriebsrats-Gehälter“ über 5 Millionen geschmälert haben. In der Zeit von 2011 bis 2016 wäre hierbei allein durch das Gehalt von Osterloh für VW „ein Schaden von 3,1 Millionen Euro entstanden“ (s. „Operatives Ergebnis“ 2011).

Manager, die den Betriebsrat oder Betriebsratsmitglieder schmieren, um den Konzern zu schädigen? Bei dem, was die VW-Konzernleitung dazu seit Jahren im Koffer und Archiv hat, musst du darauf auch erstmal kommen (KAZ 376, S. 41). Das Landgericht hat die Forderung der Staatsanwaltschaft nach Bewährungs- und Geldstrafen für die Manager abgelehnt und sie vom Vorwurf vorsätzlicher Pflichtwidrigkeit und Untreue freigesprochen. „Es sei kein strafbares Verhalten nachweisbar.“ Lt. Prozessbericht der Süddeutsche Zeitung (SZ 29.09.2021) wurde für die Beweisführung der Jahresverdienst 2015 von Osterloh, der als Zeuge geladen war, vergleichsweise herangezogen. Zu dem Zeitpunkt betrug das nach Meinung der Staatsanwaltschaft strafbare „königliche Entgelt“ 17.000 Euro mtl. plus jährlicher Boni-Zahlung bis zu 560.000 €. Das macht zusammen rd. 764.000 Euro im Jahr und um noch etwas genauer zu sein 63.333 € im Monat. Das ist annähernd das 20fache des monatlichen Durchschnittslohns aller in Vollzeit beschäftigten Lohnabhängigen in der BRD, Er liegt lt. Studien bei 3975 € Brutto (u. a. „Statista“, Studie J. Rudnika 05.10.2021). Mit dieser außertariflichen „Boni-Entgeltgruppe“ wird jeder Betriebsratsvorsitzende innerhalb von zwei Jahren zum Millionär, soweit er sich damit kaufen lässt.

So wie es aussieht, hat die Staatsanwaltschaft ihre Schadensrechnung offensichtlich nicht ins Verhältnis zur VW-Profitmarge gestellt. Im für 2011 veröffentlichten Konzern-Geschäftsbericht wird z. B. dazu ein erzieltes „Operatives Ergebnis“ – also ein Profit – von über 11 Milliarden Euro angegeben. Im Verhältnis zu den 5 Millionen für den Betriebsrat ist der Gewinn mehr als das Zweitausendfache. Der Betriebsrat liegt mit einem halben Promille (Tausendstel) im Bereich der berühmt-berüchtigten Erdnüsse, der „Peanuts“[1]. Sie wurden über die Jahre 2011 bis 2016 – wie es landläufig heißt – aus der Portokasse bezahlt. Dem Fonds, den nicht nur Monopole zur Bezahlung der Betriebsräte bzw. zur Abgeltung von „Sondereinflüssen“ in Reserve halten.

Den „Boni-Entgeltgruppen“ soll eine gesetzliche Basis verpasst werden

Im Prozessverlauf sind die Kapitalvertreter unterstützt vom Betriebsrat zu der Auffassung gekommen, dass das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geändert werden muss. Bisher heißt es dort zur Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder in §37 Abs. 1 „Die Mitglieder des Betriebsrates führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.“ Diese Feststellung kann lt. Gesetzeskommentierung durch Satz 2 aus „§78 Schutzbestimmungen“ wie folgt ergänzt werden: „Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.“ Gemessen an den Osterloh-Bezügen reicht das einigen zur Lohnbestimmung und um den Geruch von evtl. Bestechung loszuwerden, offensichtlich nicht mehr aus. Ein Sprecher des VW-Betriebsrates hat zum Gerichtsurteil festgestellt: „Die Entscheidung sendet nun hoffentlich ein klares Signal an den Gesetzgeber: Das Betriebsverfassungsgesetz ist in Sachen Betriebsratsvergütung rund fünfzig Jahre alt und an dieser Stelle reformbedürftig.“ (Alle Infos SZ 29.09.2021, in Anführungszeichen wörtliche Wiedergabe)

Das sieht auch der IGM-Vorstand mit dem Vorsitzenden Hofmann als stellvertretenden VW-Aufsichtsratsvorsitzenden an der Spitze so. Lange vor der Urteilsfindung in Braunschweig hat er seine „Signale“ an die kommende Bundesregierung ausgesendet. In Punkt 16 seiner Bundestagswahl-Broschüre „Für eine Politik des fairen Wandels“ stellt er unter der Überschrift „Runderneuerung statt Facelift: neue Rechte für moderne Betriebsräte“ zum Betriebsverfassungsgesetz u. a. fest: „Zu den Arbeitsgrundlagen von Betriebsräten gehört auch die Frage der Vergütung. Für die Eingruppierung bleibt in der Regel völlig unberücksichtigt, welche Fähigkeiten und Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit erworben wurden und welche Verantwortung übernommen wird. Manche Betriebsrät*innen sehen sich andererseits dem Verdacht der persönlichen Bereicherung ausgesetzt. Um faire und nachvollziehbare Regelungen zu ermöglichen, fordert die IG Metall deshalb, bei der Bemessung des Arbeitsentgeltes und der allgemeinen Zuwendungen auch die zur Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen wie auch die auf Dauer wahrgenommenen Aufgaben zu berücksichtigen.“

Erreicht werden soll das durch die folgende Ergänzung in Absatz 4 des Paragrafen 37 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG):

„Berücksichtigung der zur Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen wie auch der auf Dauer wahrgenommenen Aufgaben.“

Bleiben wir beim Beispiel Osterloh für die „wahrgenommenen Aufgaben“, dann werden die „modernen Betriebsräte“ immer mehr zu einer Trainingsbasis Einzelner für den Wechsel auf die andere Seite. Wobei der Betriebsrat bzw. sein Vorsitzender die Belegschaft mit markigen Sprüchen zur Akzeptanz von immer neuen Sparpaketen verbunden – wie jetzt mit massiver Kurzarbeit und möglichen Entlassungen – und Leistungssteigerungen anfeuert. Sozusagen die Voraussetzung zum Erwerb höherer Weihen im Management, womit sich dann die erwähnten Gehälter und evtl. Boni-Zahlungen für die „modernen Betriebsräte“ mit den alten Problemen rechtfertigen lassen.

(Infos und kursiv gesetzte Zitate des IGM-Vorstands sind aus der Info-Wahlbroschüre FAIRWANDEL Juni 2021)

Ludwig Jost

1 Die Formulierung bezieht sich auf den Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper. Im Zuge des Schneider-Immobilienskandals 1994 wurde dieser in einer Pressekonferenz nach offenen Handwerkerrechnungen in zweistelliger Millionenhöhe gefragt, die Firmen waren dadurch in ihrer Existenz bedroht. Kopper nannte diese Millionenbeträge für die Deutsche Bank „Peanuts“, da sie aus seiner Sicht geringfügig waren. Peanuts wurde in der Folge zum Unwort des Jahres gewählt, Peanuts wurde und ist bis heute Ausdruck für alle angeblich oder tatsächlich kleineren Beträge.

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