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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Der Libyenkrieg und die Fratze des Imperialismus

Der westliche Luftkrieg gegen Libyen geht in den 4. Monat.

Zunächst begonnen am 19. Mai 2011 vom US-Kommando AFRICOM als Operation „Odyssey Dawn“ (Dämmerung des Odysseus) und danach dann als NATO-geführter Angriffskrieg mit dem irreführenden Namen „Unified Protector“ (Geeinter Beschützer), stehen die über 11.000 Luftangriffe schon heute ( 20.6.11) für die zweitlängste völkerrechtswidrige Aggression der NATO, die sogar das 78-Tage-Bombardement Yugoslawiens 1999 in den Schatten stellt. Lediglich der seit 10 Jahren dauernde Afghanistan-Krieg ist bisher unübertroffen – in punkto Einsatz von militärischem Personal und Waffen sowie den Folgen von Tod und Verwüstung.

Kurz, in den Fußspuren des britischen Imperialismus, Benito Mussolinis Italien und Adolf Hitlers Deutschland in Nordafrika sind die Nationen des „Freien Westens“ heute in den militärisch aggressivsten Krieg engagiert, der jemals gegen ein afrikanisches Land geführt wurde.

Nicht nur, dass sie die täglichen Toten und Verwundeten, die Zerstörung der Infrastruktur des Landes und den Verlust der meisten elementaren Lebensgrundlagen von Millionen Männern, Frauen und Kindern verschweigen – die USA und die NATO versuchen darüber hinaus die tägliche Eskalation des Krieges zu verbergen, die sie dem libyschen Volk aufzwingen.

Die Tatsachen, die verheimlicht werden sollen machen das Gegenteil vom proklamierten „Schutz der Zivilbevölkerung“ deutlich: die brutalen ökonomischen und politischen Verwüstungen und die Verachtung aller Rechte des libyschen Volkes.

Die Hauptlinien der konspirativen Vorbereitungen dieses Überfalls auf Libyen sind heute offensichtlich:

– die Einflussnahme auf die inneren Widersprüche im Land durch Einmischung von außen

– das Anheizen eines bewaffneten Konflikts

– eine internationale Desinformations-Kampagne

– die Negierung jeglichen internationalen Rechts

– die erzwungene Blockade des Landes

– die bewaffnete Aggression

Folgerichtig findet auch in deutschen Main­streammedien dieser Krieg kaum noch statt.

Es sei denn, offensichtliche Kriegsverbrechen, wie die Bombardierung eines Wohnviertels in Tripolis am 19. Juni mit 9 Toten und 18 Schwerverletzten oder am folgenden Morgen ein Angriff auf Sorman (130 km westlich von Tripolis) bei dem 15 Zivilisten und 3 Kinder zu Tode kamen, lassen sich nicht mehr verheimlichen, weil z.B. die chinesische Nachrichtenagentur XINHUA u.a. mit eindeutigen Fotos davon berichten. (Jedoch nicht die Schwärme von westlichen Journalisten die in Tripolis stationiert sind.) Der NATO-Sprecher faselt daraufhin von einem „Fehler im Waffensystem“ und kündigt eine „Untersuchung“ an.

„Kundus“ (Afghanistan) lässt grüßen …

Auch die zahlreichen Berichte z.B. von der US-amerikanischen „Fact-Finding-Comission“ (bestehend aus unabhängigen Journalisten aus den gesamten USA, unter Führung der ehemaligen Kongress-Abgeordneten C. Mc. Kinney und dem Ex-General R. Clark), von russischen oder afrikanischen Nachrichtenagenturen, Zeitungen oder Reporten, die vom Kriegshorror berichten, finden keine offizielle Beachtung und schon gar nicht der immer wieder dokumentierte Wille von Libyern, sich der ausländischen Aggression und Einmischung nicht unterwerfen zu wollen. Beispielhaft der totale Medien-Blackout am 17.Juni, als nur über CNN bekannt wurde, dass von den über 6 Millionen Libyern allein 1 Million an diesem Tag in Tripolis’ Straßen für ihre Regierung demonstriert und ihre Solidarität für die in Misrata und Bengasi bekundet hatten, die schon mehrmals gegen den Bürgerkrieg der „Aufständischen“ Stellung bezogen hatten.

Schon am 3.6.2011 hatten 2.000 Stammesführer Libyens in einer Erklärung an die Weltöffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, was die ausländische Aggression für ihr Land bedeutet und wofür sie einstehen.

Sheik Ali Chef der Stammesführer übergab sie Joanna Moriarty und anderen Mitgliedern der o.g. Faktenfindungsdelegation. (s. Kasten)

Aber trotz aller Friedensangebote der libyschen Regierung (unterstützt z.B. von Chavez/Venezuela oder Zuma/Südafrika) oder dem Anfang Juni von Gaddafis Sohn veröffentlichten Vorschlag zur Durchführung international überwachter Wahlen – der gewaltsame Regime-Wechsel steht nach wie vor ganz vorn auf der Tagesordnung des US-Imperialismus und seiner Vasallen in Bengasi.

US-Präsident Obamas Anweisung Gaddafi zu töten erinnert an Georg W. Bushs Befehl zu Beginn des Irak-Krieges, Saddam Hussein zu liquidieren. Ein Mordbefehl, der sowohl einen Bruch des internationalen wie des US-Rechts darstellt.

Und „unsere Partner“ jenseits des Atlantiks?

Im Interesse deutscher Konzerne und ihrer – zumindest angenommenen – besseren Chancen bei der Verteilung der Kriegsbeute, stellt sich der deutsche Außenminister Westerwelle (FDP) hin und verkündet – ganz „his masters voice“- zynisch und der Großmachattitüde des deutschen Imperialismus angemessen ebenfalls: „Gaddafi muss weg“. Zusatz: „Damit er nicht mehr Krieg gegen sein eigenes Volk führen kann“. Folgerichtig versicherten Westerwelle und „Entwicklungshilfeminister“ D. Niebel (FDP) den sog. Rebellen in Bengasi ihre Solidarität, eröffneten dort ein deutsches Verbindungsbüro und anerkannten den „Übergangsrat“ (aus CIA-Agenten, Überläufern und versprengten AL Qaida-Kadern) als „legitime Vertretung des libyschen Volkes“. (www.n-tv.de, 13.6.2011)

Dass es der Bundesregierung dabei auch um die Intensivierung der Abwehr von Kriegsflüchtlingen aus Nordafrika geht, ist ein weiterer Grund für diese Politik.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière legte am Rande eines NATO-Treffens nach und erklärte die grundsätzliche Bereitschaft deutsche Soldaten nach Libyen zu entsenden. Sie sollten zwar weiterhin nicht (wenigstens nicht offiziell) am laufenden Aggressionskrieg beteiligt werden[1], aber vor Ort sein, „um den Frieden zu sichern“ (mit UN-Mandat natürlich), den man derzeit herbeizubomben vorgibt.

Ein vergleichbarer „Friedenseinsatz“ hat Afghanistan schon die militärische Besetzung des Landes und das allgemeine Chaos beschert und würde mit ziemlicher Sicherheit eine Fortsetzung von Krieg und Bürgerkrieg auch in Libyen zur Folge haben.

Libyen ist ein reiches Land (weiß der SPIEGEL) und der Wiederaufbau des Landes dürfte auch deutschen Firmen nutzen. Libyen braucht alles: neue Straßen, Telekommunikation, Wohnungen, Eisenbahnen und Kraftwerke – und es hat ein Vermögen von 180 Mrd. Dollar um dafür zu zahlen. Libyens Zukunft könnte glänzend sein, ein neues Dubai am Mittelmeer und auch Deutschland will davon profitieren.

Doch nicht nur die Profite beim Wiederaufbau und der Neuverteilung – auch der großen noch unentdeckten Reserven – gilt es für die deutschen Konzerne im Auge zu behalten, sondern ebenso die Sicherung der bereits mit Gaddafis Regierung abgeschlossenen Verträge und Ausbeutungsrechte, bzw. Produktionsanlagen von Firmen wie z.B.: BASF, DEA/RWE, Wintershall, Siemens E.on und andere.

(s. auch KZ 334: „Nordafrika: Der Kampf der arabischen Massen und ihre Gegner“)

Wie Roland Segura von TELESUR (multistaatlicher TV-Sattelitensender Lateinamerikas mit Sitz in Venezuela) am 6.6.2011 berichtet, wurden bei 40% der insgesamt zu dieser Zeit von der NATO geflogenen 8400 Luftangriffen Munition mit angereichertem Uran (DU) eingesetzt. Neben den direkten Konsequenzen solcher Bombenangriffe ist festzuhalten, dass DU eine radioaktive Substanz ist, die schwerste Schädigungen des Nieren- und Verdauungstraktes verursacht, sowie Lungen- und Knochenkrebs und Missbildungen bei Neugeborenen.

Die Staubwolken von DU-Explosionen sind hochtoxisch und können sich u.U. tausende von km verbreiten. Der Abbau radioaktiver Partikel kann Millionen von Jahren dauern und für Generationen die Lebensgrundlagen schädigen.

Das libysche Volk hat das Recht sich selbst zu regieren. Ständige Angriffe aus der Luft zu jeder Stunde des Tages haben das Leben der Familien in Libyen völlig zerrissen. Es hat nie irgendwelche Kämpfe in Tripolis gegeben und dennoch werden wir täglich bombardiert. Wir sind Zivilisten und werden von Briten und der NATO getötet. Zivilisten sind Leute ohne Gewehre, aber die Briten und die NATO schützen nur die bewaffneten Kreuzzügler aus dem Osten und agieren als deren Stoßtrupp. Wir haben die UNO-Resolutionen gelesen und dort steht nicht, dass unschuldige Zivilisten bombardiert werden sollen. Es steht nichts über die Ermordung der legitimen Behörden in ganz Libyen.

Das libysche Volk hat das Recht seine eigenen Führer zu wählen. Wir haben die Besatzung durch fremde Länder über Jahrtausende erlitten. Erst in den vergangenen 41 Jahren haben wir gesehen, dass sich unser Land entwickelt. Erst in den vergangenen 41 Jahren haben wir gesehen, dass alle Libyer ein besseres Leben genießen und dass unsere Kinder ein besseres Leben haben werden als wir es hatten. Aber jetzt, durch die Bombardierung unseres Landes durch die Briten und die NATO sehen wir die Zerstörung unserer neuen und entwickelten Infrastruktur.

Wir Führer sehen die Zerstörung unserer Kultur. Wir Führer sehen die Tränen in den Augen unserer Kinder wegen der ständigen Furcht vor dem „Terrorregen“ am Himmel, den die Bomber verursachen. Unsere alten Menschen leiden unter Herzproblemen, zunehmender Diabetes und Kräfteverlust. Unsere jungen Mütter verlieren täglich ihre Babies durch den Stress der Bombardements. Diese verlorenen Babies sind die Zukunft von Libyen. Sie werden nie ersetzt werden. Unsere Armee ist von den britischen und NATO-Bomben zerstört worden. Wir können uns gegen diese Angriffe nicht verteidigen.

Als Stammesführer von Libyen müssen wir die Briten und die NATO fragen, warum sie beschlossen haben, gegen das libysche Volk Krieg zu führen. Es gibt einen kleinen Prozentsatz von Dissidenten im Osten Libyens, die einen bewaffneten Aufstand begonnen haben gegen die legitime Regierung. Jedes Land hat das Recht, sich gegen bewaffnete Erhebungen zu wehren. Weshalb kann Libyen sich nicht selbst verteidigen?

Die Stammesführer von Libyen fordern, dass alle Akte der Aggression von den Briten und der NATO sofort eingestellt werden.

http://www.tlaxacal-int.org/article.asp?reference=5036

Zwischenimperialistische Widersprüche

Die vielfältigen ökonomischen und militärstrategischen Interessen an diesem nordafrikanischen Land verschärfen die Widersprüche zwischen den imperialistischen Akteuren.

Ein Beispiel dafür aber auch wie es anders sein kann, gibt uns der afrikanische Autor Paul Pougala:

„Es begann 1992, als 45 afrikanische Staaten die RASCOM (Regional African Satellite Communication Organization) gründeten. Afrika sollte seinen eigenen Satelliten bekommen und dadurch die Kommunikationskosten auf dem Kontinent deutlich gesenkt werden. Damals waren Telefonate nach oder aus Afrika die teuersten auf der Welt. Das lag an den jährlichen Gebühren von 500 Millionen Dollar, die Europa für die Nutzung seiner Satelliten wie Intelsat selbst für Inlandsgespräche verlangte. Ein eigener afrikanischer Satellit hätte nur 400 Millionen Dollar gekostet und dem Kontinent die jährlichen Gebühren von 500 Millionen erspart. Welcher Banker würde ein solches Projekt nicht finanzieren? Aber das größte Problem war: Wie soll sich ein Sklave von der Ausbeutung durch seinen Herrn befreien können, wenn er dazu eben diesen Herrn um Unterstützung bitten muss?

In der Tat hielten Weltbank, Internationale Währungsfonds, die USA und Europa die Afrikaner über 14 Jahre hinweg mit vagen Versprechungen hin. Gaddafi hat 2006 dieses sinnlose Betteln bei den westlichen »Wohltätern« mit ihren exorbitanten Zinssätzen beendet. Der libysche Staatsführer legte 300 Millionen Dollar auf den Tisch. Die Afrikanische Entwicklungsbank steuerte weitere 50 Millionen bei. Die Westafrikanische Entwicklungsbank beteiligte sich mit 27 Millionen. So bekam Afrika am 26. Dezember 2007 seinen ersten Kommunikationssatelliten. Anschließend stellten China und Russland ihre Technologie zur Verfügung und halfen beim Start von Satelliten für Südafrika, Nigeria, Angola, Algerien. Ein zweiter Satellit für ganz Afrika wurde im Juli 2010 ins All geschossen. Der erste Satellit, dessen Technologie zu 100 Prozent aus Afrika kommt und in Afrika, vor allem in Algerien, hergestellt wird, ist für 2020 geplant. Man erwartet, dass dieser Satelliten mit den besten in der Welt konkurrieren kann und nur ein Zehntel kostet. Eine echte Herausforderung!

Eine symbolische Geste von lediglich 300 Millionen Dollar hat so das Leben für einen ganzen Kontinent verändert. Durch Gaddafis Libyen hat der Westen nicht nur die 500 Millionen Dollar pro Jahr verloren, sondern auch die Milliarden an Schulden und Zinszahlungen, die für den ursprünglichen Kredit in alle Ewigkeit in exponentieller Weise zu zahlen gewesen wären. Sie hätten dazu beigetragen, das verdeckte System der Ausbeutung des Kontinents aufrecht zu erhalten.

Es war das Libyen Gaddafis, das ganz Afrika seine erste wirkliche Revolution in der modernen Zeit ermöglichte: die Erschließung des ganzen Kontinents für Telefon, Fernsehen, Radio und viele andere Anwendungsbereiche, wie Telemedizin und Fernstudium. Zum ersten Mal gibt es dank des WiMax-Systems[*] kostengünstige Internetverbindungen über den ganzen Kontinent bis in die ländlichen Zonen.“

J.P.Pougala, palestine-solidarite.org 31.3.2011

* Wiax ist ein schnelles Funkübertragungssystem für Internet

Deutschland hat sich dank seiner wirtschaftlichen Stärke in Libyen, Saudi Arabien und den arabischen Golfstaten eine Position privilegierter wirtschaftlicher Zusammenarbeit sichern können. Keineswegs möchte es daher sein Ansehen in der arabischen Welt beschädigen.

Dank Berlusconi haben auch italienische Unternehmer lukrative Verträge mit Libyen abschließen können. Sie haben daher viel zu verlieren.

Weil im Gegensatz dazu britische und US-Konzerne weniger erfolgreich waren, sind sie heute ganz vorne dabei, eine Neuverteilung des libyschen Kuchens zu erreichen. Der Krieg gegen Libyen ist also die Fortsetzung der ökonomischen Auseinandersetzung mit militärischen Mitteln.

Wie das Rennen um die „nordafrikanischen Fleischtöpfe“ ausgeht, ist noch nicht entschieden.

Zumal der US-Imperialismus bis heute weitgehend „die Fäden in der Hand behält“ und nach Einschätzung von Antiimperialisten in der ganzen Welt, die Rekolonialisierung Afrikas betreibt. Mit dem herausragenden Ziel, die VR China von den Rohstoffquellen dieses Kontinents abzuschneiden und Afrika in bewährter Abhängigkeit und Zersplitterung zu halten.

Dazu gehört auch, die finanziellen Institutionen der Afrikanischen Union zu sabotieren, deren Entstehung (s.o.) zum großen Teil durch libysche Investitionen möglich gemacht wurde.

Die USA, ein Land im wirtschaftlichen Niedergang, spielen ihre stärkste Karte aus, die militärische. Am 1. Oktober 2008 haben sie AFRICOM (Kommando für Afrika) gegründet. Der ganze afrikanische Kontinent (mit Ausnahme Ägyptens) wurde unter einheitliches US-Kommando gestellt, dem Armee, Marine, Luftwaffe, Spezialeinheiten (für Landungen, Staatsstreiche, verdeckte Operationen) unterstehen. Dieses Projekt ist jedoch auf den Widerstand der meisten afrikanischen Länder gestoßen. Keines war bereit, den Hauptsitz von AFRICOM in seinem Land zu akzeptieren. So musste man den Sitz in Stuttgart (s.a. KAZ 333, „Nordafrika ...“) belassen. Eine Demütigung. So gesehen ist der angestrebte Sturz Gaddafis auch eine klare Warnung an die afrikanischen Staatschefs. Libyen hat in der Vergangenheit – trotz zahlreicher Zugeständnisse Gaddafis an westliche Regierungen und Konzerne – keine Vereinbarung mit AFRICOM oder der NATO akzeptiert. Die USA und Großbritannien hatten einst strategisch wichtige Militärbasen in Libyen. Gaddafi jagte Briten und Amerikaner 1969-70 aus dem Land, schloss die Militärbasen und verstaatlichte das libysche Öl.

Es lohnt sich den Weg libyschen Öls in imperialistische Verfügungsgewalt zu verfolgen. (siehe Kasten auf Seite 15)

Es liegt auf der Hand: der US-geführte Krieg hat das Ziel, Libyen wieder unter imperialistische Kontrolle zu bringen. Nicht nur wegen seiner ÖL- und Gasreserven. Sondern ebenso als strategischen Vorposten, von dem aus die Imperialisten in jedes afrikanische Land leichter als bisher intervenieren können – sollte es sich ihrer Kontrolle entziehen.

Syrien und der Libanon, aber auch der Iran, stehen schon seit Jahren auf der Agenda des US-Imperialismus.

lobo, 24.6.2011

1 So hatte „In Washington Bundeskanzlerin Merkel jüngst dem amerikanischen Präsidenten Obama zugesagt, sich im Nachkriegslibyen humanitär und politisch zu engagieren.: Beim Wiederaufbau des Landes und auch beim Aufbau einer neuen Polizei.“ (FAZ.NET 14.6.2011)

Libyen und die Spur des Öls

Dass Libyen – noch vor Nigeria und Angola – das Land mit den größten Ölreserven auf dem afrikanischen Kontinent ist, dürfte bekannt sein (die jW berichtete am 4.4.2011 darüber). Das bedeutet: Alle Ölmonopole haben ein Interesse an Libyen. Im übrigen nicht nur, um die Quellen dort auszubeuten, sondern in erster Linie, um darüber verfügen zu können – sie gegebenenfalls also auch nicht auszubeuten, etwa um damit das Angebot drosseln und den Preis entsprechend heraufsetzen zu können. Weniger bekannt gemacht wird die Tatsache, dass „die“ Ölmonopole kein monolithisches Kartell mit völlig gleichgerichteten Interessen sind, sondern der Kampf auch im Kartell weitergeht – um die Quote nämlich, also um den Anteil an den Ölquellen, an den Profiten, an der Beute.

Wer verstehen will, weshalb die US-Regierung und die britische Regierung letztlich über die NATO auf Libyen losgehen, Sarkozy-Frankreich mit Italien zunächst die Führung übernehmen will, sich dann aber „einordnet“ und schließlich die Merkel-Regierung gar keine Soldaten schicken will, aber mit den Rebellen in Benghasi anbändelt – wer das verstehen will, muss der Spur des Öls etwas genauer nachgehen.

Hier einige Fakten, die helfen können das Knäuel zu entwirren:

Als das libysche Volk mit Muammar al Gaddafi an der Spitze den König Idriss davon jagte (1969) gab es über die Verstaatlichungen der folgenden Jahre zunächst heftige Auseinandersetzungen mit British Petroleum (BP –damals noch in staatlichem Besitz), die sich vollständig aus Libyen zurückzog. Ab 1982 verbot US-Präsident Reagan den Import von Rohöl aus Libyen, die Ölmonopole Exxon und Mobil (damals noch nicht fusioniert) zogen sich aus Libyen zurück. Dies fiel in eine Zeit relativ niedriger Ölpreise auf dem Weltmarkt. Durch den Rückzug aus Libyen war das Angebot gedrosselt. 1986 wurde das Embargo gegen Libyen verschärft; dadurch sollten u.a. auch Außenseiter des Ölkartells, sogar wenn sie aus den USA kamen, getroffen werden wie Amerada Hess, Occidental Petroleum u.a.

Während dieser Zeit waren weiterhin in Libyen vertreten: vor allem Elf Aquitaine (heute fusioniert in Total) aus Frankreich, ENI/Agip aus Italien sowie die Wintershall und die VebaÖl aus der BRD. Auch Shell (Niederlande/England) hatte die Brücken nie ganz abgebrochen. Und die libysch-staatliche National Oil Company (NOC) schloss Abkommen mit Ölgesellschaften aus Bulgarien und Rumänien, aber auch aus Brasilien und mit der österreichischen OMV. Trotz der Verschärfung der Sanktionen 1992 (im Zusammenhang mit dem Lockerbie-Vorfall) kam u.a. die belgische Petrofina (heute auch zu Total gehörig) neu ins Spiel.

Damals zeigte sich schon die Konstellation um die Neuaufteilung der Ölquellen, bei der italienische, französische und schließlich deutsche Energie-Monopole die Vormacht der US-amerikanischen und britischen Monopole brechen wollten. Es sei in diesem Zusammenhang nur daran erinnert, dass die USA und das Vereinigte Königreich dem stärkeren Eindringen von Total und von russischen Ölkonzernen in den Irak 2003 mit dem Krieg zuvor kamen.

2004 lockerten die USA das Embargo und nahmen 2006 Libyen offiziell aus der Liste der ausgerechnet von der US-Regierung so genannten „Schurkenstaaten“. Aber die größten Brocken waren schon verteilt. Immer größer im Geschäft die italienische ENI, seit 2000 auch mit der Gaz de France verbunden, und die BASF-Tochter Wintershall (Erdölförderung in Libyen seit 1958). Mit großem Tamtam und Gerhard Schröder als Vortänzer bei Gaddafi wurde 2004 die deutsche Präsenz bekräftigt. Die deutsche RWE ist seit 2003 in Libyen, E.on und ihre Tochter Ruhrgas sind seit 2008 vertreten.

Die größten Abnehmer von libyschem Öl und Gas sind ENI-Agip aus Italien und BASF/Wintershall, RWE und E.on aus der BRD, gefolgt von Total und Gaz de France. Von zentraler Bedeutung ist die Greenstream-Pipeline, die in Sizilien mit dem algerischen Gas (Trans-Mediterranean Pipeline) zusammentrifft und zu den norditalienischen Verteilerstationen geführt wird.

Eine kleine Besonderheit am Rand: Die in Italien, in der BRD und der Schweiz vertretene Tankstellenkette Tamoil gehörte der NOC. Ab 2007 durfte der US-„Investor“ mit dem wunderbaren Namen Colony Capital dort die Mehrheit übernehmen. Colony Capital, das sonst vor allem in Hotels und Spiel-Casinos z.B. in Las Vegas „macht“, besitzt im Übrigen auch die Mehrheit an Michael Jacksons Neverland Ranch. Hinter Colony Capital steht die Familie Fertitta, der Beziehungen zur Mafia nachgesagt werden.

Neben diesem gewöhnlichen und bekannten Spiel der Monopole und der imperialistischen Staaten traten aber auch Russland und die VR China in Libyen auf. Die VR China nahm 2010 mehr als 12 Prozent der libyschen Rohölexporte ab. Seit 2005 exploriert und fördert die chinesische staatliche Ölgesellschaft CNPC in Libyen. Die russische Gazprom bot 2008 gar an, die gesamte libysche Gasproduktion abzunehmen.

Angesichts solcher „Bedrohungen“ hatten die Monopole aus USA und UK am meisten durch den Krieg zu gewinnen und gegenüber früher zurück zu gewinnen . Die in Libyen etablierten Monopole aus Italien, Frankreich und der BRD mussten abwägen, ob sie lieber an die USA und England oder an das sozialistische China und an Russland verlieren wollten. Der von Sarkozy repräsentierte französische Imperialismus entschied sich für eine Vorwärtsstrategie und hat inzwischen den Schulterschluss mit Berlusconi durchgesetzt. Die zwiespältige Reaktion des US-Imperialismus lässt sich an der dortigen Kritik von rechts an Obama ablesen: Entweder führen oder aussteigen. Der deutsche Imperialismus – in dem bei Schröder/Fischer bewährten Kostüm „ friedlich und humanitär“ unterwegs – rechnet in der Maske des Biedermanns auf libysche Sympathien und fette Konzessionen.

Corell

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