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Zum Gedenken an Peter Gingold

(8. März 1916 – 29. Oktober 2006)

Liebe Genossinnen und Genossen!

Wir mussten und müssen in diesen Jahren von vielen unserer Besten Abschied nehmen. Sie, die die Nazibarbarei überleben konnten, wirkten und wirken weiter als Antifaschisten, als Genossen in dieser Republik – um die faschistische Gefahr, die dieses System so in sich trägt zu bekämpfen, aufzuklären und die Träger der Gefahr zu entlarven.

Es stimmt, die Genossen sind in einem Alter, in dem uns der Abschied nicht so schwer fallen sollte, uns nicht wie ein Donnerschlag treffen könnte. Sollte man meinen.

Auch Peter Gingold konnte noch seinen 90. Geburtstag in würdigem Rahmen feiern, eine stattliche Jahreszahl, wie man meint. Aber was die Genossen, was Peter für uns ist, da wird für den Abschied. diese Tatsache des Alters, nicht tröstlicher.

Sein Leben und Widerstand in der unmittelbaren Gefahr durch die deutschen Faschisten werden uns immer Vorbild und Maßstab sein. Nach all dem Erlebtem, dem Terror, der Ausrottung von Verwandten und Freunden durch die Mörder, hielt er nicht still. Er hatte den Aufbruch, den Sieg gesehen. Er war im Kampf, und über alle Niederlagen als Genosse und Mensch ein echter Menschenfreund geworden.

Durch seinen Kampf in der Résistance blieb er zeitlebens persönlich und politisch Frankreich verbunden, wurde dort sogar hochdekoriertes Mitglied der Ehrenlegion. Während ihm und seiner Familie durch die unbarmherzige politische Entwicklung in Westdeutschland, die wieder alle die Naziverbrecher in Amt und Würden sah, nicht nur jegliche Anerkennung ihrer Leistung versagt wurde, sondern mehr, er weiter verfolgt, in die Illegalität, durch das Verbot der KPD getrieben wird – wurde er uns ein „Reisender im Mutmachen“. Er hielt die Mehrheit für den Antifaschismus gewinnbar und verfolgte dieses Ziel mit unglaublicher Willens- und Tatkraft. Denn der Faschismus kam nicht vom Himmel, er hat sich durch die Anerkennung vom Abbau sozialer und demokratischer Rechte angekündigt und hat durch Antisemitismus und Rassismus seinen Weg in die Hirne und Herzen der Menschen zu finden versucht. Über diese Schritte klärte er auf und öffnete die Augen der Besucher für die aktuellen Entwicklungen, ohne sie durch Gleichsetzungen zu den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts zu bagatellisieren.

Nie resignieren, und wenn welche resignieren, dann macht ihnen Mut! Ich war seit 1989/90 so etwas wie ein Reisender im Mutmachen. Seither resignieren viele, die für eine andere Welt eingetreten waren. Dann versuche ich ihnen gewissermaßen Mut zu geben, indem ich sage: Nehmt doch mein Leben von 90 Jahren, nehmt das von Ernst Melis, von den Menschen, die immer gekämpft haben, meinem Bruder und anderen, die dieses Alter erreicht haben. Was hat sich im Laufe unseres Lebens alles verändert?

Als ich auf die Welt kam, war ich Untertan von Kaiser Wilhelm und viele dachten, dieses Kaiserreich würde ewig bestehen. Als ich nach zwei Jahren zu laufen anfing, war das Kaiserreich verschwunden und die Weimarer Republik da; und die dauerte auch nur vierzehn Jahre. Dann kam das so genannte ,Tausendjährige Reich’ der Nazis. Es lebte keine tausend Jahre. Ein klein bisschen haben wir dazu beigetragen, dass es nur zwölf Jahre dauerte und zerschmettert wurde. Dann glaubten wir wirklich, ein Drittel der Erde gehe unabänderlich, unweigerlich dem Sozialismus entgegen. 1989 war es auch verschwunden.

Dann begann ich meinen Freunden und Genossen zu sagen: Jetzt nicht wie Jammerlappen auf dieser Erde herumstehen, sondern nur noch darüber nachdenken und analysieren, wie so etwas geschehen konnte. Denn der erste Versuch eines Arbeiter- und Bauernstaates, die Pariser Commune, dauerte nur drei Monate, und Karl Marx jammerte nicht, sondern analysierte die Ursachen der Niederlage. Dann kam ein zweiter Versuch – auf deutschem Boden sogar –, der existierte immerhin 70 Jahre. Und der dritte Versuch – das könnt ihr Euch vorstellen – der wird nicht so schnell verschwinden.

Deshalb sage ich immer wieder, besonders wenn ich vor jungen Menschen spreche: Es bleibt nie wie es ist; das war der berühmte Spruch von Bert Brecht. Ich habe die tiefste Nacht der Menschheit erlebt, als das Hakenkreuz über Europa schwebte und fast alle Staatsmänner der Welt glaubten, sich mit Hitler arrangieren zu müssen. Doch dann erlebte ich das Morgenrot der Menschheit, den 8. Mai 1945. Wir haben in unserem Leben diese Verzweiflung erlebt, aber trotzdem nicht resigniert, so sage ich dann, um meinen Optimismus, der kein Zweckoptimismus ist, zu vermitteln. Das ist meine, das ist die Lebenserfahrung unserer Generation, die damals gekämpft hat.“ (Peter Gingold am 10. März 2006, Auszug entnommen aus Einladung zur Gedenkfeier am 5. November 2006 in Frankfurt/Main, vollständig in der Dokumentation zum 90. Geburtstag des Antifaschisten und Kommunisten Peter Gingold aus Frankfurt am Main: „Résistance = Widerstand – ein Leben lang!“ von Ulrich Schneider und Horst Gobrecht, Herausgeberin: Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora / Freundeskreis e.V.)

Sein Leben, sein Kampf ist uns Vorbild und Kraft. Seinen Kampf zu unserem Kampf machen, ist uns Ehre und Verpflichtung.

Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg!!
Hoch die internationale Solidarität!

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