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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Beiträge zu den Ursachen der Niederlage des Sozialismus 1989/92

Die Kulturrevolution in der Volksrepublik China

Teil 2: Die „Große Proletarische Kulturrevolution“ in der VR China 1966 – 1976

Wir haben uns im Teil 1 zur Großen Proletarischen Kulturrevolution in China mit dem Kampf zweier Linien auseinandergesetzt. Dieser Kampf zweier Linien hat seine Wurzel in den sich antagonistisch gegenüberstehenden Klassen, dem Proletariat und der Bourgeoisie. Im Sozialismus, der Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus zum Kommunismus, ist der Kampf zweier Linien der Ausdruck des Kampfes der (noch) existierenden Klassen. Der Klassenkampf wird um den Weg geführt, den eine sozialistische Gesellschaft einschlägt (das Tempo, die Zwischenschritte, usw. mit eingeschlossen): weiter zur klassenlosen Gesellschaft oder wieder zurück in Richtung Kapitalismus. Dass es nur zwei Wege gibt, das hat u. E. praktisch und allerspätestens Gorbatschow bewiesen. Es gibt einen „Dritten Weg“, der führt aber nicht dazwischen, sondern zum Kapitalismus.

Die chinesischen Genossen haben auf Grundlage dieser Erkenntnisse ihre Auseinandersetzungen offen geführt, was es uns heute und hier ermöglicht, diese Kämpfe zu untersuchen und Schlüsse daraus zu ziehen. Wir haben im Teil 1 zur Großen Proletarischen Kulturrevolution (KAZ 320) wesentliche Etappen dieses Kampfes in der Periode 1949-1965 behandelt. Wir haben uns dort – flankiert mit einer Chronologie der Ereignisse – mit dem Kampf zweier Linien in Chinas Landwirtschaft, Industrie und Überbau (Staat, Partei, Kultur usw.) im Zeitraum von 1949 bis 1965 beschäftigt – mit ihrer Bedeutung heute und mit Kriterien ihrer Beurteilung. Wir knüpfen nun an dieser Stelle an. Als Ausblick: es wird im Teil 3 (KAZ 322), zum Abschluss des Komplexes Kulturrevolution in China, um die Rolle der Volksbefreiungsarmee während der Kulturrevolution gehen; wir werden uns mit der Frage der Produktivkräfte und ihrer Entwicklung und Bedeutung im Sozialismus auseinandersetzen; es wird einen Beitrag zur Person Mao Tsetungs geben und noch manches mehr zur Kritik an der Großen Proletarischen Kulturrevolution in China.

Ergebnisse der Politik Liu Shaoqis

Die Politik Liu Shaoqis (dem damals wichtigsten Repräsentanten derjenigen in Partei und Staat, die den kapitalistischen Weg gehen wollten) hatte im Glanz der wirtschaftlichen Erfolge, der Produktivitätssteigerungen und Planüberfüllungen, auch zahlreiche Probleme produziert: während die Klassendifferenzierung in Stadt und Land wieder größer wurden, trauten sich auch wieder alle möglichen Träger vergangen geglaubter Ideen und Ansichten hervor und im Schutze des offiziellen „Liberalismus“, begannen diese Kräfte sich zusammenzuschließen, sich zunehmend offen gegen den Sozialismus, gegen die Arbeiter- und Bauernmacht zu positionieren. Die Phase ab 1960/1961 produzierte zudem eine Reihe von Verlierern: die Auflösung von einzelnen Volkskommunen[1], landwirtschaftlichen Genossenschaften und die Ausweitung von Privatwirtschaft auf dem Land setzte Arbeitskräfte frei. Diesen blieb oft nur der Weg der Landflucht, in der Landwirtschaft bleibt zurück, wer nicht weg kann; in den Vororten der Städte bilden sich Slums – kurz gesagt: die Gleichheit der Lebensverhältnisse von Stadt- und Landbevölkerung wurde massiv erschüttert; Kinder von Arbeitern und Bauern mussten sich in weiten Teilen des Landes wieder mit schlechterer Bildung begnügen, als ihre Altersgenossen aus „besserem Hause“, inklusive derer deren Eltern in hohen Funktionen in Staat und Verwaltung tätig waren. Linke Parteimitglieder und revolutionäre Kader aus der Zeit des „Großen Sprungs“ wurden jetzt durch Spezialisten in Wirtschaftsfragen, Fachleute in der Verwaltung und Ingenieure und Techniker in der Produktion ersetzt. Das ganze Erziehungs- und Bildungswesen knebelte und siebte die Schüler und Studenten, statt allen Bildung zu geben und dafür Sorge zu tragen, dass der Widerspruch zwischen Hand- und Kopfarbeit nicht größer sondern kleiner werden sollte. Wir haben diese Entwicklung bereits beschrieben, kurz gesagt: China lief Gefahr seine „Farbe zu wechseln“, es lief Gefahr eine Entwicklung durchzumachen, die es zu einem x-beliebigen Entwicklungsland gemacht hätte, es hatte – „dank“ der offiziellen Politik von Liu Shaoqi und Deng Xiaoping – einen kapitalistischen Weg beschritten.

Exkurs: „Den kapitalistischen Weg gehen“ und der Begriff des „Bürokratismus“

Die chinesischen Genossen nannten ihre Chruschtschows, ihre Gorbatschows „Machthaber in Partei und Staat, die den kapitalistischen Weg gehen“. Wer sich mit der Geschichte des Klassenkampfs im China des 20. Jahrhunderts beschäftigt, stößt immer wieder auf diese Formulierung, auf diese ins Deutsche übersetzte „Formel“. Der China-Kenner Joachim Schickel geht der Bedeutung auf den Grund: „Die Anklage (ein Machthaber in Partei und Staat zu sein, der den kapitalistischen Weg geht) sagt nicht, er ist Kapitalist, sie sagt, seine Theorie und Praxis führen zum Kapitalismus. Das chinesische Wort für ,Bourgeoisie’ allerdings bezichtigt jemanden, Angehöriger der besitzenden Klasse zu sein“. Mitglied der besitzenden Klasse ist im Sozialismus neben der Bourgeoisie (falls noch vorhanden) die privilegierte Schicht von mittleren und hohen Staatsbeamten (in Verwaltung, Wirtschaft, Armee und Partei), von Betriebsleitern, von Professoren, Ingenieuren, u.a.. Sie alle sind im Besitz des Privilegs eines höheren Einkommens und verschiedener Vergünstigungen. Das ist, augenscheinlich oberflächlich gesehen das, was diese Schicht eint. Bei genauerem Hinsehen ist ein Bürokrat jemand, der sich von den Massen entfernt, entfremdet hat, der über ihnen steht, bzw. stehen will. Ein Bürokrat bangt nur noch um seinen Sessel, statt um den Sieg der Revolution. Er entzieht sich der Kontrolle des Proletariats, weil er sich ihnen gegenüber nicht mehr rechenschaftspflichtig fühlt. Er wird faul, selbstgefällig, zum „Fachidioten“, er kommandiert, überzeugt nicht mehr, sondern argumentiert formalistisch.[2] Lenin hat aus erster Hand beschrieben, dass im Sozialismus ein gewisser Grad von Bürokratismus notwendig ist, weil Zentralismus notwendig ist, aber auch weil das Proletariat und seine Verbündeten auf alte und neue Spezialisten, Fachleute, usw. angewiesen sind. Solange das Proletariat auf solche Menschen angewiesen ist, muss es sie „bei der Stange“ halten, in einem gewissen Grade privilegieren und gleichzeitig: sie unnötig machen (und in der Zwischenzeit kontrollieren!), Lenin – und die KPCh hat von ihm gelernt – lehnt deshalb nicht den Zentralismus, den Staat, den Apparat, die Spezialisten, usw. ab.

Er behandelt die Entfremdung der Privilegierten, der Bürokraten von den Werktätigen wie ein Muttermal der alten Gesellschaft, dem beizukommen ist: „Die Arbeiter werden nach Eroberung der politischen Macht den alten bürokratischen Apparat zerschlagen, ihn bis auf den Grund zerstören, von ihm nicht einen Stein auf dem anderen lassen; sie werden ihn durch einen neuen Apparat ersetzen, gebildet aus eben diesen Arbeitern und Angestellten, gegen deren Verwandlung in Bürokraten man sofort die von Marx und Engels eingehend untersuchten Maßnahmen treffen wird: 1. nicht nur Wählbarkeit, sondern auch jederzeitige Absetzbarkeit; 2. eine den Arbeiterlohn nicht übersteigende Bezahlung; 3. sofortiger Übergang dazu, dass alle die Funktionen der Kontrolle und Aufsicht verrichten, dass alle eine Zeitlang zu „Bürokraten“ werden, so dass daher niemand zum „Bürokraten“ werden kann.[3]

Der Trotzkismus spricht – im Gegensatz zu Lenin und zu den chinesischen Genossen – unablässig vom Bürokratismus, heftet ihm verschiedenste Begriffe an (Autokratie, „Stalinismus“, usw.) macht ihn zum „System“, verwischt seine Klassenbasis und weist jedes auftretende Problem im Sozialismus dem Bürokratismus zu.

Beijing – wessen Hauptstadt?

Die chinesische Hauptstadt Beijing, Zentrale von Partei und Staat, entwickelte sich auch zum Zentrum derjenigen Kräfte, die die damalige chinesische Gesellschaft einer Revision unterziehen wollten, oder wie die chinesischen Genossen es nannten: Beijing wurde zum Zentrum der Machthaber (in Partei und Staat) die den kapitalistischen Weg gehen wollten. Mit Leuten wie Peng Chen, Deng Tuo und Wu Han . (vgl. KAZ 320, S. 41) gab es dort eine „Gruppe von Beamten und Literaten, die sich seit Jahren mit wenig verhüllten, antimaoistischen Anspielungen zu Wort meldeten.[4]. An der Spitze dieser Beijinger Gruppe stand einer der sieben Bürgermeister Beijings: Peng Chen (Veteran des Langen Marsches, Vorsitzender des Beijinger Parteikomitees, Mitglied des Politbüros der KPCh und zweiter Mann des Parteisekretariats nach Generalsekretär Deng Xiaoping), Chou Yang (stellvertretender Minister für Kultur) Teng To (früherer Chefredakteur der Beijinger Volkszeitung, Chefredakteur der „Frontlinie“, seit 1959 Kulturreferent des Beijinger Parteikomitees) und Wu Han (stellv. Bürgermeister von Beijing, Professor an der Tsingua-Universität, Sekretär des Beijinger Stadtparteikomitees).

Die Kulturrevolution begann in Auseinandersetzung mit dieser Gruppe, der Startschuss war die Kritik, die der junge Schriftsteller und Propagandafunktionär aus Shanghai Yao Wenyuan an dem Stück „Hai Jun wird seines Amtes enthoben“ geschrieben hat. Diese Kritik, die in Absprache mit den Genossen Mao Tsetung und Jiang Qing verfasst worden war, stellte klar, dass es sich hier nicht um ein beliebiges Bühnenstück handelte, sondern um einen Angriff gegen die Politik der KPCh, gegen den Großen Sprung und die Volkskommunen und letztendlich eine Schützenhilfe für Peng Dehuai[5].

Warum aber dieses Vorgehen von Mao Tsetung? Peng Chen war schon einmal im April 1965 auf einer Politbürositzung von Mao Tsetung auf das Stück angesprochen worden[6] – es rührte sich nichts. Dies musste zu diesem Zeitpunkt schon seltsam wirken, da Peng Chen Chef der „Fünfer-Gruppe für die Kulturrevolution“ des ZKs der KPCh war, die Anfang 1965 gegründet wurde und gerade den Auftrag hatte, Parteimitglieder und Massen im revolutionären Geiste gegen die Ideologien der Bourgeoisie zu wappnen, weiter voranzutreiben. Im September 1965, ebenfalls auf einer Politbürositzung, kritisierten Mao Tsetung und andere Genossen die gängige Praxis in der Kulturpolitik scharf. Peng Chen wurde auf dieser Sitzung beauftragt, die Kritik gegen Wu Hans Drama zu führen. Dies blieb aber der einzige „Erfolg“ Mao Tsetungs. Seine Ansichten zur Kulturpolitik (die im Kern darin bestanden, eine Kultur zu fördern, die die neue Gesellschaft – den Sozialismus und die Diktatur des Proletariats, sowie die neuen herrschenden Klassen – nämlich die Arbeiter und Bauern widerspiegelte) wurden von den Anwesenden jedoch scharf kritisiert – u.a. tritt hier auch das erste Mal Deng Xiaoping offen gegen Mao Tsetung auf[7]. Daraufhin und nachdem Mao Tsetung relativ lange dem Treiben der Gruppe um Peng Chen in Beijing zugesehen hatte, entschloss er sich nun dafür, gegen diese Gruppe vorzugehen. Da jedoch die Presse in Beijing weitgehend unter der Kontrolle von Peng und seinen Leuten war, entschlossen sich Mao Tsetung, Jiang Qing und Yao Wenyuan für den Umweg über Shanghai[8]. Es sei hier auch bemerkt, dass es nicht das erste Mal war, dass der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chinas von Teilen der eigenen Partei beiseite geschoben werden sollte. Seit 1949 kam es immer wieder vor, dass Texte und Schriften Mao Tsetungs nicht oder verzögert veröffentlicht wurden. Manche hätten ihn gerne nur noch als „elder statesman“ behandelt, gut genug für repräsentative Anlässe. Dies bewog ihn wohl bei der Kritik an Wu Han nicht sofort los zu schlagen, nicht sofort die offene Feldschlacht zu wählen sondern einen Schritt zurück zu treten um Situation und Kräfteverhältnisse auszuloten.

Als nun die Kritik an Wu Han am 10. November in der Shanghaier Tageszeitung „Wen Hui Bao“ erschien und später in der Befreiungszeitung (Jiefang Junbao), in dem Blatt der Volksbefreiungsarmee (VBA) nachgedruckt wurde, war Peng Chen außer sich vor Wut und verbot einen Abdruck des Artikels in der Beijinger Presse[9].

Nach scharfen Diskussionen wurde der Artikel schließlich 20 Tage später in der Beijinger Volkszeitung abgedruckt, jedoch mit einem Vorwort, das jegliche politische Dimension des Dramas abstritt und das die Debatte um das Drama auf rein „akademische“ Bahnen lenken wollte. Der Damm war aber bereits gebrochen und es folgten eine Vielzahl von Leserbriefen und Artikeln, Kritiken und Gegenkritiken. Die Debatte war weder akademisch, sondern wurde öffentlich in Zeitungen und Zeitschriften, sie wurde in Studiergruppen und Parteizellen geführt und sie blieb auch nicht auf Wu Han und sein Stück „Hai jun wird entlassen“ beschränkt: erst wurden andere Stücke und Artikel Wu Hans kritisiert, dann weitete sich die Kritik auf andere Schriftsteller und Künstler aus, Filme wurden kritisiert, usw., schließlich ging es in den Diskussionen um Grundfragen der sozialistischen Kultur und wem diese dienen sollte.

Daran konnte auch der sog. „Februarbericht“ aus dem Jahre 1966 nichts ändern, der von der „Fünfer-Gruppe für Kulturrevolution“ abgefasst wurde und der den Titel trug: „Bericht der für die Kulturrevolution verantwortlichen Fünfer-Gruppe über die gegenwärtige akademische Diskussion“. Eine Kernaussage darin war: „Die Diskussion in der Presse sollte nicht auf politische Fragen beschränkt bleiben, sondern die verschiedenen angesprochenen wissenschaftlichen und theoretischen Fragen erschöpfend behandeln.[10] Das entsprach einer Haltung, die eine breite, öffentliche und hochpolitische Auseinandersetzung um einen so wichtigen Bereich des gesellschaftlichen Überbaus wie der Kultur bereits im Keim ersticken wollte – und das noch in der Funktion vom ZK eingesetzter Genossen, deren Auftrag es hätte sein sollen, solche großen öffentlichen Debatten zu fördern.

Dieser „Februarbericht“ wurde damals im Namen der „Fünfer-Gruppe“ und im Namen des ZKs der KPCh an die Parteimitglieder und Kader ausgegeben. Das geschah jedoch eigenmächtig und brach die Regeln der demokratisch-kollektiven Arbeitsweise der KPCh. Dieser Bericht wurde genauer gesagt ohne Diskussion innerhalb der „Fünfer-Gruppe“, ohne dass alle ihre Mitglieder den Bericht auch nur gelesen hätten oder seiner Verbreitung zugestimmt hätten, ohne dass auch nur ein ZK-Mitglied ihn gelesen und autorisiert hätte, an die gesamte Partei gesandt! Peng Chen handelte hier auf eigene Faust!

Das „16. Mai-Rundschreiben“

Dieser Winkelzug Peng Chens wird, namentlich von Mao Tsetung, scharf angegriffen. Als Reaktion verabschiedete das ZK ein Dokument, das später allen Beteiligten als programmatische Erklärung und inhaltliche Leitschnur für die gesamte Revolution galt: das Rundschreiben des ZK der KPCh vom 16. Mai 1966 (auch „16. Mai Rundschreiben“ genannt). In diesem Rundschreiben wurden die Thesen des „Februarpapiers“ der „Fünfer-Gruppe“ als „giftiges Unkraut“[11] und „von Grund auf falsch[12] widerrufen, die „Fünfer-Gruppe“ und all ihre Büros wurden aufgelöst und eine neue zuständige Gruppe für die Kulturrevolution gebildet, die direkt dem Ständigen Ausschuss des Politbüros der KPCh unterstellt war. „Peng Chen gab dieses Dokument, das wichtige Fragen der sozialistischen Revolution als Ganzes betrifft, heraus, ohne es überhaupt innerhalb der „Fünfer-Gruppe“ zur Diskussion gestellt oder die Meinungen der anderen Mitglieder angehört zu haben.[13] Weiter heißt es: „Unser Land steht jetzt vor einem Aufschwung in der großen proletarischen Kulturrevolution. Dieser Aufschwung ist ein machtvoller Sturm auf alle ideologischen und kulturellen Positionen der Dekadenz, die noch von der Bourgeoisie und den Überresten des Feudalismus gehalten werden. Anstatt die ganze Partei dazu zu ermutigen, die breiten Massen der Arbeiter, Bauern und Soldaten sowie die Kämpfer für eine proletarische Kultur kühn zu mobilisieren, damit sie weiter vorwärts stürmen können, tut man in den Thesen alles mögliche, um diese Bewegung nach rechts zu zerren.[14]

Es wurde mit dem Rundschreiben deutlich, dass die Zeit der Warnungen ihrem Ende zuging. Das Arbeiter-und-Bauern-Bündnis war im Begriff auseinander zu brechen, den Kindern der Werktätigen wurde der Zugang zu umfassender Bildung verwehrt, Parteikader benahmen sich wie Mandarine[15], auf den Bühnen tummelten sich die „Helden“ des Feudalismus und der Bourgeoise, in den Zeitungen erdreisteten sich die „akademischen Autoritäten“ sich über die werktätigen Massen, sich gegen den Sozialismus zu stellen.[16]Mit unklaren, sich widersprechenden und heuchlerischen Worten wird in den Thesen der heftige Klassenkampf, der gegenwärtig an der kulturellen und ideologischen Front vor sich geht, verschleiert.[17] Der letzte Vorwurf galt Mitgliedern der Kommunistischen Partei und es wurde klargestellt: wer jetzt weiter diesen Weg ging, der verließ die Auseinandersetzungen, die unter „Widersprüche im Volk“ firmierten und nahm dann eine Position ein, die dann nur zu lösen war, wie „Widersprüche zwischen uns und dem Feind“. Und angesichts der Entwicklungen in den anderen sozialistischen Ländern seit den 50er Jahren sprach das Rundschreiben auch ganz klar aus, dass sich „Vertreter der Bourgeoisie, in die Partei, in die Regierung, in die Armee und in die verschiedenen Bereiche der Kultur eingeschlichen haben[18] und „manche erfreuen sich immer noch unseres Vertrauens und werden zu unseren Nachfolgern ausgebildet, z. B. Leute vom Schlage Chruschtschows, die sich jetzt in unsere nächste Nähe eingenistet haben.“[19] Durch diesen Hinweis wurde deutlich, dass es hier nicht nur um Peng Chen oder die „Fünfergruppe“ ging, sondern um mehr. Es war soweit, dass diejenigen in Staat und Partei, die den kapitalistischen Weg gehen wollten, die Auseinandersetzung um Chinas Zukunft in Richtung antagonistische Widersprüche trieben. Bis hierher gab es nur diese Andeutungen. Das „Rundschreiben“, das vom ZK verabschiedet wurde, wurde zusammen mit den „Februarthesen“ an Parteimitglieder bis hinunter zu den Kreiskomitees und den Parteikomitees der kulturellen Institutionen und den Parteikomitees der Armee auf Regimentsebene versandt, damit jede Genossin und jeder Genosse sich selbst Klarheit verschaffen konnte, wer hier wessen Interessen vertrat – aber noch wurde das Papier nur intern innerhalb der Partei diskutiert.

Zu den sich zuspitzenden Auseinandersetzungen in der Partei brodelte es außerhalb vor allem an den Hochschulen. Dort wurde im Juni des Jahres bekannt, dass einige Studenten angefangen haben, revisionistische Tendenzen im Lehrbetrieb zu kritisieren. Einzelne Professoren und auch die Universitätsleitung wurde kritisiert, kapitalistische Ideen zu verbreiten und kapitalistische Zustände zu etablieren. Die Leitung versuchte diese Kritikbewegung im Keim zu unterdrücken, indem sie einige Dutzend „Rädelsführer“ in sog. „Kampfsitzungen“ scharf zu Recht wies. Obwohl die Mehrheit der Schüler und Studenten sich anfangs ruhig verhielt, gab es doch eine Reihe von Studentinnen und Studenten, die sich nicht einschüchtern ließ. Man griff, um der Lage Herr zu werden auf die Methode der „Arbeitsgruppen“ zurück. Die „Arbeitsgruppen“ gab es bereits während Chinas Agrarreform[20]. Sie bestanden aus zuverlässigen Genossinnen und Genossen, die aufs Land gingen, um die Inbesitznahme des Bodens durch die Bauern zu unterstützen. In der Revolutionsgeschichte finden wir zahlreiche Beispiele für solche entsandten Gruppen: Revolutionskommissare des Jakobinischen Wohlfahrtsausschusses in der Französischen Revolution, Bolschewiki in Russland nach der Oktoberevolution, usw. Die „Arbeitsgruppen“, die jedoch 1966 in China geschickt wurden, hatten einen ganz anderen Charakter: es wurden ausgewählte Parteikader auf die Oberschulen, Fachakademien und Universitäten geschickt, die das große Prestige der KPCh nutzten, um gegen die linken Kritiker vorzugehen. Es kam diesen Arbeitsgruppen darauf an „soviel maoistische Rhetorik wie nötig zu übernehmen und mit einer möglichst gemäßigten Praxis zu verbinden[21]. Diese Methode, die wir im ganzen weiteren Verlauf der Große Proletarische Kulturrevolution immer wieder antreffen werden, war die Methode der Täuschung, die letztlich den Sinn haben sollte, die Gemüter zu kühlen und einen wirklichen Kampf gegen die Restauration des Kapitalismus in der Gesellschaft abzuwenden. An Beijings berühmter Beida-Universität (alte Schreibweise: Peita-Universität), wurde dieses Manöver durch den Universitäts-Rektor Lu Ping und den stellvertretenden Parteisekretär geführt, während an der Technischen Universität Beijings TU, der Tsinghua-Uni, diese Aufgabe durch Wang Kuang-mei, der Frau des Staatspräsidenten Lui Shaoqis, erledigt wurde. Nachdem alles versucht worden war, große öffentliche Diskussion, Wandzeitungen u. ä. zu verhindern, bringen Nie Yuanzi und sechs weitere Studentinnen und Studenten der Philosophischen Abteilung der Beida-Universität eine Wandzeitung mit großen Schriftzeichen[22] an: „Warum fürchtet ihr Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen und die Abhaltung großer Anklageversammlungen so sehr? Der Gegenangriff auf die finstere Bande, die einen wütenden Angriff auf die Partei, den Sozialismus und die Lehre Mao Tsetungs unternahm, ist ein Klassenkampf auf Leben und Tod. Die revolutionären Volksmassen müssen vollauf mobilisiert werden, um diese Bande mit Nachdruck und Empörung zu verurteilen. Die Abhaltung großer Versammlungen und das Ankleben von Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen sind die beste Form des Massenkampfes. Ihr ‚führt’ die Massen nicht dazu, große Versammlungen abzuhalten, Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen anzukleben, und schafft verschiedene Tabus. Bedeutet das nicht, dass ihr die Revolution der Massen unterdrückt, ihnen verbietet, die Revolution zu machen, und ihre Revolution bekämpft? Wir werden euch nie erlauben das zu tun![23]

Die Flut bricht los

Mit dieser ersten Wandzeitung, die die Universitätsleitung kritisierte, die Unterdrückung von Kritik öffentlich machte und die die ganze revisionistische Politik der „Arbeitsgruppen“ bloßlegte, lösten die Rebellen eine ganze Flut von lang zurück gehaltener Kritik und angestautem Unmut aus: innerhalb weniger Stunden wurden massenweise Wandzeitungen angebracht. Damit sich diese Initiative weiter entfalten und die Massen das Wort ergreifen konnten, reagieren Mao Tsetung und seine Genossen sehr schnell: am 1. Juni wird der Inhalt der Wandzeitung der Beida-Universität in Rundfunk und Presse bekannt gegeben und Mao Tsetung lobt sie mit den Worten: „Diese Wandzeitung an der Beijinger Universität entspricht voll und ganz dem Marxismus-Leninismus“ und an die revolutionären Studenten gerichtet: „Ich stehe fest hinter Euch!“. Mit diesen Sympathiebekundungen kommt Mao Tsetung auch erneuten Versuchen der Parteirechten zuvor, die revolutionären Studenten als „Parteifeinde“ oder sogar „anti-sozialistische Elemente“ abzukanzeln und zu isolieren.

Und die Bewegung greift schnell um sich: immer mehr Schüler und Studenten trauen sich nun, ihre Meinung zu äußern, Missstände aufzudecken und anzuklagen. Das Bildungswesen litt ja ebenfalls seit den 60er Jahren unter der Linie, die vor allem „Fachidioten“ züchten wollte, die nur an ökonomischen Nutzen dachte und mit Leistungsdruck „Eliten“ hervorbringen wollte. Vor allem greift dieser Elan auch auf andere gesellschaftliche Bereiche über: in Zeitungen und Zeitschriften werden massenhaft Leserbriefe veröffentlicht, Wandzeitungen werden in Büros und Fabriken angebracht. Die Jahre des Liberalismus und des Umsichgreifens des Bürokratismus haben einiges Kritikwürdiges angestaut, die Abkehr von der Massenlinie führt jetzt dazu, dass der arrogante und undemokratische Arbeitsstil mancher Vorgesetzter, Professoren, Lehrer, Techniker, Ingenieure, aber auch mancher Partei-Kader und Beamter in Verwaltung und Staat scharf angegriffen wird.

Die „Arbeitsgruppen“, die dem Ansehen der Partei mehr geschadet haben und die die Bewegung unterdrückt haben, werden nun zurückberufen: „Die Bewegung muss von den Gruppen für die Kulturrevolution an den Schulen und Hochschulen selber geführt werden, die von den revolutionären Lehrkräften, Studenten und Neutralen selbst zu organisieren sind, denn das sind die einzigen Leute an den Lehrinstituten, die überhaupt etwas wissen. Die Arbeitsgruppen wissen nichts ...“[24] Am 3. Juni wird bekannt gegeben, dass das ZK der KPCh das Beijinger Stadtparteikomitee „mitsamt seines Vorsitzenden Peng Chen wegen Behinderung der Kulturrevolution abgesetzt[25] hatte. Am 17. Juni werden alle Schulen und Hochschulen geschlossen, damit die Schüler und Studenten – ohne jegliche Nachteile befürchten zu müssen – sich an dieser Kritikbewegung mit vollem Einsatz beteiligen können. Während andere Städte dem Beispiel Beijings folgten wurde hier das neue Stadtparteikomitee von mehreren Hunderttausenden Demonstranten empfangen. Ein erster Sieg war errungen.

Gegenströmungen

Jedoch ließ sich das chinesische Establishment nicht so einfach klein kriegen. Es begann die sog. „Gegenströmung“, die letztlich Verwirrung stiften und vom wirklichen Gegner ablenken sollte. Was ging vor? In den Hochschulen, Büros, Fabriken, überall dort, wo sich die ersten Anstürme gegen die Bastionen des bourgeoisen Denkens und Handelns entfaltet haben, wurden massiv Wandzeitungen mit Anklagen gegen „konterrevolutionäre Umtriebe“ verbreitet, Angst wurde geschürt, dass die gegenwärtige Bewegung den Sozialismus gefährden könnte. Dann tauchten Anklagen und Vorwürfe gegen solche Genossen auf, die sich anfangs mutig gegen die Machthaber stellten, die den kapitalistischen Weg gehen wollten. Diese Rebellen wurden nun beschuldigt getarnte „Konterrevolutionäre“ oder „Rechtsopportunisten“ zu sein, die Umstürze und andere Gräueltaten planten. Der Spieß wurde einfach umgedreht und es wurde die Begeisterung der breiten Massen über eine Kulturrevolution ausgenutzt, um gegen diese Revolution selbst vorzugehen. Die wirklichen Gegner einer solchen Massenkritik kamen aus der Schusslinie. Die ersten Wandzeitungen waren gar nicht mehr zu finden, da sie verdeckt von den neuen waren, die nun angebliche Enthüllungen gegen die „wahren Feinde der Revolution“ beinhalteten. Die „Gegenströmung“ ging sogar soweit, dass manche Kritiker der ersten Stunde mit Arbeitsverboten, Haus- oder Büroarrest oder sonstigen Demütigungen und Strafen belegt wurden; manche wurden verprügelt, in „Kampfsitzungen“ wurden die Linken öffentlich angegriffen, es wurden Dossiers und Akten über „Störenfriede“ angelegt. Später wurde deutlich, dass diese Maßnahmen vom Staatspräsidenten Liu Shaoqi und seinen Gefolgsleuten geduldet und sogar veranlasst wurden. Aus deren Sicht waren die Kritiken völlig ungerechtfertigt und wurden lediglich von einer Minderheit geäußert. Diesen Pöbel sah man als gefährlich an, da er mindestens das bisher Erreichte (das hohe Niveau der Fachausbildung, die enormen Produktivitätssteigerungen, Professionalität der Partei- und Staatsspitze, usw.) in Frage stellte und kritisierte. Soweit wäre die Haltung noch nachvollziehbar gewesen. Jedoch bedienten sich Liu und die anderen Machthaber der Täuschung, sie unterdrückten Massenkritik und sie gingen gegen die Kritiker selbst vor. Damit aber nicht genug: Mao Tsetung verließ die Hauptstadt um sich auf einer Rundreise durch die Provinzen ein Bild von der Kulturrevolution zu machen, Zhou Enlai war auf Auslandsreisen. Liu Shaoqi berief gemeinsam mit Deng Xiaoping eine Sitzung der Parteispitze ein, um die Kulturrevolution als eine Bewegung abzustempeln, die gegen Partei und Sozialismus gerichtet war. Dieser Beschluss wurde begeistert von Liu´s Gefolgsleuten aufgenommen und in die Tat umgesetzt – bis in den Juli hinein wütete die Gegenströmung gegen die Kräfte, die sich um der Revolution willen gegen die Machthaber wandten, die den kapitalistischen Weg gehen wollten.

Schwimmen im Jangtse

Am 16. Juli 1966 betritt Mao Tsetung wieder die politische Bühne mit einem öffentlichkeitswirksamen Schwimmen im Jangtse. Damit lösten sich allerdings nicht nur zahlreiche Gerüchte um den schlechten Gesundheitszustand des Vorsitzenden in Wasser auf. Nachdem er in einer Stunde das andere Flussufer erreichte zieht Mao Tse-Tung einige politische Schlussfolgerungen über den Nutzen des (Langstrecken-) Schwimmens: „Schwimmen hat seine Gesetze; beherrscht man diese, ist es leicht, schwimmen zu lernen. Das Schwimmen ist eine Übung im Kampf gegen die Naturgewalten. Stählt euch in großen Flüssen und Seen. Das Schwimmen in Flüssen mit Gegenströmungen festigt Willenskraft und Mut.“

Vom 1. bis 12.August findet dann das Elfte Plenum des ZK der KPCh statt. Dort gelang es Mao Tsetung, Zhou Enlai, Jiang Qing, Lin Biao und Chen Boda eine Mehrheit des ZKs davon zu überzeugen, die Kulturrevolutionäre zu unterstützen und alle Gegenströmung und sonstigen Maßnahmen gegen die Rebellen zu unterlassen. Als im ZK über den „Beschluss des ZKs der KPCh über die Große Proletarische Kulturrevolution“ (der sog. „16-Punkte-Beschluss“) abgestimmt wird, wird dieses Dokument nicht einstimmig verabschiedet – sondern mit einer knappen Mehrheit. Das bedeutet zum einen, dass sich zumindest die Mehrheit des ZKs bewusst dafür entschloss, die Große Proletarische Kulturrevolution durchzuführen und dass zum anderen das ZK keine Versammlung lauter Ja-Sager war. Die Überzeugungsarbeit war so schwierig, dass sich am 5. August Mao Tsetung demnach sogar veranlasst fühlte, an die Öffentlichkeit zu gehen, indem er seine berühmte Wandzeitung unter der Überschrift „Bombardiert das Hauptquartier“ schrieb: „Die erste marxistisch-leninistische Wandzeitung Chinas (vom 25. Mai 1966) ist wirklich herrlich geschrieben. Genossen, lest diese Wandzeitung nochmals! Aber in den letzten fünfzig Tagen haben gewisse führende Genossen in genau entgegengesetzter Weise gehandelt. Indem sie sich den reaktionären Standpunkt der Bourgeoisie zu Eigen machten, haben sie die schwungvolle Bewegung der Kulturrevolution niedergeschlagen. Sie haben die Tatsachen auf den Kopf gestellt, aus Schwarz Weiß gemacht, alle Meinungen, die von ihren eigenen abwichen, erstickt und einen weißen Terror errichtet. Wenn man dies in Zusammenhang bringt mit der Rechtsabweichung 1962 und mit den falschen Tendenzen 1964, die scheinbar ‚links‘, in Wirklichkeit aber rechtsgerichtet waren, sollte das einen nicht veranlassen, hellwach zu werden?[26] Aber bereits am 18. Juli schrieb Mao Tsetung eine Wandzeitung, die weniger bekannt ist:

„Was wird man nach der Revolution sehen?

In den Augen vieler ist der Satz „wir werden ja später sehen“ wie eine Atombombe.

Indem man diesen Satz benutzt, will man einer „Handvoll Rebellen“ drohen, sich mit erhobenen Händen zu ergeben. Es scheint mir, dass ich persönlich über das Ende der Revolution nachdenken muss. Bin ich auf Seiten der Rechten? - Nein!

Wird China am Ende der Bewegung nicht mehr proletarisch, sondern bürgerlich sein? Absolut nein!

Wovor habe ich Angst? Haben wir nicht gesehen, was sie nach der ersten Periode wollen?

Intrigen, Drohungen, „schwarzes Material“ ... Die Hüte fliegen in die Luft und die Schlagstöcke breiten sich über die Erde aus. Wir haben schon Schläge bekommen und Beulen am Kopf. Man hat bereits die grundsätzlichen Verdammungsurteile eines Generals [Liu Shaoqi] gehört.

Wenn man ins Meer getaucht ist, ist man nicht mehr als ein Wassertropfen. Auf den Spitzen der Bergkette Hu darf es keine Wolken mehr geben.

Diejenigen, die man in der ersten Periode als Konterrevolutionäre und Gammler bezeichnet hat, haben keine Angst vor dem Tode. Da das Volk keine Angst vor dem Tode hat, weshalb denn die Todesdrohung?

Was wird man in der letzten Periode der Bewegung sehen?

Der Himmel ist von Staub gereinigt.

Die Ebene ist voller Sonnenlicht und Blumen.

Und wenn die Bergblumen sich entfalten, lachen die Pflaumenblüten

mit ihnen.

Und wenn Sie mir nicht glauben, so schauen Sie besser hin und warten Sie eine Weile.“[27]

Der „16-Punkte-Beschluss“ gehört mit zu den wichtigsten Dokumenten der Großen Proletarischen Kulturrevolution. Er ist vielerorts zugänglich[28] und es empfiehlt sich, ihn im Ganzen zu lesen. Am 18. August erlebt Beijing eine Massenkundgebung von über einer Million jugendlicher Roter Garden auf dem Platz des Himmlischen Friedens und eine symbolische Vereinigung von Mao Tsetung und seinen Genossen mit den Roten Garden, einig in dem Ziel: China darf nicht seine Farbe wechseln.

Die Roten Garden

Wer nichts über die Kulturrevolution weiß, der hat aber schon etwas von den Roten Garden gehört. Grund genug, uns näher mit ihnen zu beschäftigen. Zuallererst fällt auf, dass die Keimzellen der Kulturrevolution ebenfalls Kollektive sind. Wir denken, dass dies ein nicht unwesentliches Charakteristikum ist: hier agieren keine „wild gewordenen“ Individuen, sondern hier treten von Anfang an organisierte Menschen auf, die sich zusammenfinden um die Zukunft der Revolution in die eigene Hand zu nehmen. Andererseits greift auch das wechselseitige Verhältnis Individuum – Kollektiv, wo das Individuum das Kollektiv vorantreibt und das Kollektiv das Individuum „anschiebt“.

Ein weiteres Merkmal ist, dass die Roten Garden ohne Aufforderung oder gar Befehl zustande kamen. Sie entstanden spontan, aus Einsicht in die politische Notwendigkeit sich zusammenzuschließen und sich den Revisionisten in Partei und Staat in den Weg zu stellen. Die erste Abteilung der Roten Garden, die in dieser Revolution entstand, bildete sich Ende Mai 1966 in einer der Tsinghua-Universität angegliederten Mittelschule. Die Jugendlichen banden sich rote Baumwollarmbinden um und stempelten sie gelb mit den chinesischen Zeichen für Hung Wei Ping, „Rote Garden“. Diese Idee wurde begeistert aufgenommen und nachgeahmt: weitere Schüler, Studenten, junge Arbeiter bildeten eigene Abteilungen – später bildeten sich Rote Garden in Büros, in Kultureinrichtungen, in Fabriken, in Volkskommunen und landwirtschaftlichen Brigaden und in Ministerien. Die Jugend ging voran, große Teile der chinesischen Gesellschaft folgten ihnen. Der Mehrheit der Rotgardisten-Abteilungen, die sich in den folgenden Jahren bildeten, vereinigten sich wiederum zu Organisationen mit mehreren Hunderttausend Mitgliedern und Zweigstellen, über das ganze Land verteilt! Und obwohl es Kämpfe zwischen einzelnen Abteilungen und Organisationen geben wird (die allen bürgerlichen Übertreibungen zum Trotz zu 95% mit dem roten Buch[29], mit Faust und Stock ausgetragen werden) bleiben gemeinsames Handeln und Kollektivität bestimmendes Moment dieser Bewegung.

Wer waren die Roten Garden und was bewog sie zu rebellieren?

Der Kern der Rebellion waren die Schüler und Studenten, die Kinder von Arbeitern und Bauern waren (vgl. KAZ 320, S. 40). Nach dem „Großen Sprung“ und mit dem Einsetzen des Liberalismus und Ökonomismus, als China unter Liu Shaoqis Führung einen kapitalistischen Weg beschritt, wurden diese Jugendlichen auf vielerlei Arten benachteiligt. Nur wer dem neuen Leistungsdruck entsprechen konnte (wenn bspw. der familiäre Bildungshintergrund besser war, o.ä.) hatte Zugang zu den Eliteschulen und -universitäten, die im Gegensatz zu den restlichen Schulen und Universitäten seit Anfang der 60er Jahren bezuschusst wurden. Während die Kinder der mittleren und höheren Kader, der Beamten, der städtischen Mittel- und Oberschichten mit ihrem Abschluss Karriere machen konnte, blieben die Kinder der (eigentlich) herrschenden Klassen auf der Strecke – ähnlich, wie in einem kapitalistischen Land.

Ein besonders rebellischer Teil der Roten Garden waren die Jugendlichen, die von der „Landverschickung“ zurückkamen. Die „Landverschickung“, die seit den 50er Jahren zur Praxis wurde, hatte anfangs die positive Absicht den Graben zwischen Stadt und Land etwas geringer zu machen: jugendliche „Städter“ sollten auf dem Land von den Bauern lernen, mit ihnen leben und arbeiten und sollten ihrerseits ihr kulturelles, technisches Wissen weitergeben, so dass ein Austausch, ein Zusammenwachsen stattfinden konnte. Doch mit Einzug des Ökonomismus wurde dieser Austausch pervertiert und wandelte sich in sein Gegenteil, besser gesagt in sein doppeltes Gegenteil. Hier zuerst eine Darstellung von der „Landverschickung“ besser gestellter Kinder, deren Eltern(teil) mittlere oder hohe Kader waren und die selbst sog. „Kaderschulen“ besuchten: „Das Verhältnis zur manuellen Arbeit, das in den Kaderschulen herrscht, wird von den Rotgardisten ausführlich und ironisch geschildert. Wenn die Schüler aufs Land gehen (hsia-fang), um in einer Kommune bei der Ernte oder bei der Frühjahrspflanzung zu helfen, dann rüsten sie sich mit allerlei Utensilien aus, wie: Mundtücher, Taschentücher, Handtaschen, Früchte, Brot und Süßigkeiten. Die Fahrt in das ausgewählte Dorf erfolgt mit Autos, die Rotgardisten verwenden den Ausdruck: ‚chiao-ch’e’, Sänftenfahrzeug, um die Kontinuität mit den Inspektionsreisen der alten Gentryelite hervorzuheben. Schon die Tatsache, dass sie keine öffentlichen Verkehrsmittel verwenden, trennt sie vom einfachen Volk (lao-pai-hsing). Kein Wunder, dass die armen und die mittleren Bauern bemerken: ‚Wie können die denn arbeiten? Die kommen doch bloß zum Vergnügen.’ Wenn die Kaderkinder im Dorf angelangt sind, so leben sie in besonderen Quartieren. Sie finden das Wasser ‚schmutzig und voll von Bakterien’, sie sind um ihre Gesundheit besorgt (chien-k’ang ti-yi) und bei der Arbeit denken sie zuerst an die eigene Sicherheit (an-ch’üan ti-yi). In den Pausen und nach Feierabend wird aus den mitgebrachten Vorräten kräftig gegessen und getrunken. Die ganze ‚hsia-fang’-Expedition wird wesentlich als angenehme Unterbrechung vom Schulalltag und als Sommerfrische aufgefasst, eine Einstellung, die mit ‚yi-Iei shen-shou’ charakterisiert wird, was soviel bedeutet wie: ‚Die Ärmel reichen bis über die Hände’, und die Haltung von Personen kennzeichnet, die nicht an körperliche Arbeit gewöhnt sind. Und das Ganze, so schließen die Rotgardisten die Darstellung ironisch, nennen sie: ‚Ein Opfer der Arbeit verrichten.’“ Was bedeute aber für diese Jugendlichen ein Besuch einer Kaderschule? „Wer eine der Kaderschulen besucht und dort seine Schlussprüfung abgelegt hat, braucht sich um seine weitere Zukunft keine Sorgen zu machen. Er kann sich den Studienplatz wählen, die großen Universitäten stehen ihm offen, ohne dass weitere Examina abverlangt würden. Dazu kommt das Vorrecht, die Hochschule wechseln zu dürfen. Später erwartet ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit ein einträglicher Posten in der gehobenen Laufbahn. Die Schulen für Kaderkinder sind ein wirksames Medium, durch das sich Chinas neue Elite perpetuiert. Der Geist, der sich an diesen Anstalten entwickelt, wird mit ‚aristokratisch’ (kuei-tsu) umschrieben. An anderer Stelle ist von der ‚Schicht der kleinen Herren’ (shao-yeh chieh-ts’eng) die Rede, die hier herangezogen wird. Die Rotgardisten zitieren Stimmen aus dem Volke: ‚Diese Art Schule ist nicht für uns bestimmt, wir werden nicht hineingelassen’ und sie fügen hinzu: ,Die Kinder der Funktionäre sind der Gesellschaft und den arbeitenden Menschen entfremdet. Sie vergleichen das Essen, die Kleidung, die Autos; sie achten auf die Stellung des Vaters ... sie entwickeln ein intensives Gespür für Privilegien, ein Gefühl der eigenen Überlegenheit. Sie betrachten sich als ,wohlgeboren’. In den Unterrichtsstunden wird ihnen ständig geschmeichelt und auf ihre künftige bedeutende Aufgabe verwiesen. Man betitelt sie liebevoll als ‚lung-tzu lung-sun’, wörtlich ‚Söhne und Enkel von Drachen’, also: ,Nachkommen von bedeutenden Menschen’ und fügt hinzu: ‚Ihr müsst eifrig studieren, ganz wie Eure Väter, dann werdet Ihr später hohe Beamte (ta-kuan) werden.’ Liu Jen, der zweite Sekretär des Beijinger Stadtkomitees, bemerkt auf einer Inspektionstour: ‚Hier werden die künftigen Führer erzogen.’ In der Schule vorwärts kommen (shang-hsüeh), Beamter werden (tang-kuan), Wissenschaftler werden (tang k’o-hsüeh-chia) – das sind die Lebensideale, die in diesen Kreisen vorherrschen.“[30]

Durch Auflösung der Volkskommunen stieg in China wieder die Landflucht. Mit der Landflucht stieg der Bevölkerungsdruck in den Städten und nicht allen konnte Arbeit gegeben werden. So verkam die „Landverschickung“ dazu, Platz für die Tüchtigen (erfolgreichen, leistungsstarken und mit Beziehung ausgestatten), in den Städten zu schaffen und endete für viele in einer Sackgasse. Zudem wurden die „Landverschickten“ von den Bauern, Landarbeitern und Kadern zunehmend als Konkurrenz betrachtet, was ihren Stand dort noch schwerer machte.[31]

Die nächste Gruppe, die sich zu Roten Garden zusammen schlossen, waren die Jungarbeiter. Auch sie litten unter den Auswirkungen des kapitalistischen Wegs. Wie in allen Revolutionen und beim Aufbau des Sozialismus wurde der Jugend – als der Zukunft des Sozialismus und Träger der Revolution - auch in China vor und nach der Befreiung 1949 große Bedeutung zuerkannt. Oder wie hatte es Mao Tsetung so schön ausgedrückt: „Die Welt ist euer und auch unser; aber letzten Endes ist sie euer. Ihr jungen Menschen blüht auf in frischer Morgenluft; ihr seid gerade in dem Alter, da ihr euch strahlend erhebt wie die Morgensonne (...). Auf euch ruht alle Hoffnung ... Die Welt gehört euch. Die Zukunft Chinas gehört euch.“[32] und: „Die Jugend ist unter allen gesellschaftlichen Kräften die positivste und die lebendigste Kraft. Sie ist sehr lernbegierig und denkt äußerst wenig konservativ, besonders in der Periode des Sozialismus.“[33] Doch in dem Maße, wie revolutionäres Bewusstsein nach dem „Großen Sprung“ nicht mehr gefragt ist, so geht es auch mit dem jugendlichen Elan. In der Logik, in der sich alles um Technik, um Effizienz und ausschließlich (!) um Ökonomie dreht, sind Erfahrung und (Fach-) Wissen gefragt, Eigenschaften, mit der die Jugend nicht aufwarten kann. Besonders betroffen von diesem Kurs sind die Lehrlinge, die nicht selten als Ballast angesehen werden: sie sollen erstmal ruhig halten und etwas leisten. Ihnen wird nichts richtig beigebracht, sie müssen Drecksarbeiten erledigen, werden zu billigen Arbeitskräften degradiert – getreu dem kapitalistischen Motto: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Miese Zustände werden von den Auszubildenden in den Jahren der Großen Proletarischen Kulturrevolution ans Licht gebracht.

Dieser generellen Haltung gegenüber der Jugend entspricht auch, dass „die rasche Mobilität, die die Jugend in den Jahren zwischen 1958-1960 genoss, einer nachhaltigen Stagnation weicht; wie der ‚Kaderschub‘ dieser Jahre zum Stillstand kommt und sich gerade die ersehnten Positionen in Partei, Verwaltung und Wirtschaft wieder mit ‚Experten‘ reiferen Alters anfüllen.[34] Ähnlich geht es auch den Schülern der Halb-Arbeit-Halb-Studiums-Schulen[35]. Früher waren sie noch hoch angesehen, weil sie doch dem Ideal des intellektuellen Arbeiters und des arbeitenden Intellektuellen entsprachen und Vorbild waren, im Ringen um die Verringerung des Widerspruchs zwischen Hand- und Kopfarbeit. In der Phase der Restauration wird diese polytechnische Ausbildung abgewertet und peinlich genau zwischen „Ganztagsschüler“ und sog. „Arbeitsschülern“ unterschieden – mit den entsprechenden Folgen.

Die nächste Gruppe sind die Jugendlichen aus Bauernfamilien. Betroffen durch die Auflösung von Volkskommunen und der Politik der „Drei Freiheiten und eine Festlegung“[36] werden einerseits Arbeitskräfte „freigesetzt“, die vorher in Produktionsgenossenschaften und Volkskommunen arbeiteten. Zweitens gelingt es vielen kleinen und unteren Mittelbauern nicht, sich gegen die seit Beginn der 60er geförderten und gehätschelten Groß- und oberen Mittelbauern zu behaupten. Die die es können – die ländliche Jugend – verdingt sich bei den Großbauern oder versucht sich sonst wie über Wasser zu halten: als Land- und Vertragsarbeiter[37], Saisonarbeiter und Erntehelfer auf Staatsgütern, usw.

Diese Gruppen sind, wie bereits erwähnt, die ersten, die sich spontan zusammenschließen um gegen die Machthaber in Partei und Staat zu rebellieren, die den kapitalistischen Weg gehen wollten und unter deren Politik sie zu leiden hatten. Sie, die durch den Leistungsdruck in Uni und Schule „ausgesiebt“ wurden, die nach dem Motto „nehme jede Arbeit an“ durchs Land zogen, um Geld zu verdienen, die aus den Städten aufs Land verschickt wurden oder geduldet als Lehrlinge die Drecksarbeit verrichten durften, sie sind es, die nicht erst überzeugt werden müssen, das etwas faul ist im Staate. Ihnen schließen sich im weiteren Verlauf Arbeiter, Bauern und revolutionäre Intellektuelle an und gemeinsam mit den Parteilinken um Mao Tsetung nehmen sie den Kampf gegen die „Vier Alten“ auf.

Der Kampf gegen die „Vier Alten“ bedeutete Kampf gegen die alten Ideen, die alten Gebräuche, die alten Gewohnheiten und die alte Kultur. Er war eine Kampfansage gegen all die Erscheinungen, die die alte Ausbeuterordnung und ihre Klassen – vor allem der Feudalherren und die Bourgeoisie mitsamt ihren Lakaien – repräsentierte. Letztlich galt es etwas, wörtlich gemeint, gerade zu rücken! Der Sozialismus ist die Übergangsgesellschaft zur klassenlosen Gesellschaft. Sie ist die Gesellschaftsordnung, in der die Werktätigen ihr Leben in die eigene Hand nehmen. Die Kriegs-, Hunger- und Ausbeutungsdiktatur der gesellschaftlichen Minderheit, der Bourgeoisie, wird durch die Diktatur des Proletariats (und seiner Verbündeten), also durch die Mehrheit der Gesellschaft ersetzt. Jedoch, wie wir versucht haben an einigen Beispielen nachzuzeichnen: eine Minderheit wird begünstigt und obere Mittel- und Großbauern, Bourgeoisie, Techniker, Ingenieure und mittlere, sowie höhere Kader und Beamte mitsamt ihren Kindern. Es hatte sich einiges an Wut angestaut. Als Mao Tsetung der Jugend zuruft „Ihr müsst den Staatsangelegenheiten eure Aufmerksamkeit widmen und die große proletarische Kulturrevolution unbeirrt zu Ende führen,“ wird diese Aufforderung begeistert aufgenommen.

Berichtigung:

In der letzten Ausgabe der KAZ fehlt auf den Seiten 22/23 der Autor der „Chronologie wichtiger Daten aus dem Kampf um die Entwicklung des Sozialismus in der VR China 1949-1966“. Diese Chronologie wurde vom Gen. Lobo ausgewählt, zusammengestellt und geschrieben.

Gegen die „Vier Alten“

Mit dem „16-Punkte-Beschluss“ und dem Ende der Gegenströmung ist der Damm endgültig gebrochen und es bricht eine Revolution aus. Die Roten Garden nehmen diese Revolution, ihre Revolution sehr ernst und die „Muttermale des Kapitalismus“, also die „Vier Alten“ sind zahlreich überall vorhanden, bzw. seit 1960/61 wieder vertreten. Das ZK der KPCh schrieb in seinem „16-Punkte-Beschluss“: „In der Großen Proletarischen Kulturrevolution ist die einzige Methode für die Massen, sich (selbst, die AG) zu befreien, und die Methode in allem für sie zu handeln, darf nicht angewendet werden. Vertraut den Massen, stützt euch auf sie und achtet ihre Initiative. Befreit euch von der Furcht. Habt keine Angst vor Unordnung. Vorsitzender Mao hat uns oft gesagt, dass Revolution nicht derart verfeinert, sanft, gemäßigt, gütig, höflich, zurückhaltend und großmütig sein kann. Die Massen müssen sich in dieser großen revolutionären Bewegung selbst erziehen und es lernen, zwischen richtig und falsch und zwischen der korrekten und unkorrekten Art, etwas zu tun, zu unterscheiden.[38] Und in dieser Einschätzung behielt das ZK recht. Anfangs erlebte insbesondere Beijing eine Flut von revolutionärem Überschwang: Männer mit Elvis-Presley-Frisuren und Frauen mit Zöpfen wurden angehalten, keine so „dekadenten“ Haarfrisuren zu tragen – manchen wurden unsanft die Haare abgeschnitten; Kosmetika und andere Modeartikel galten als bourgeois – die Menschen sollten sich um Klassenkampf und Revolution kümmern und nicht um Äußerlichkeiten; Restaurants wurden aufgefordert einfache und günstige Speisen anzubieten – wer sollte sich die üppigen Menüs denn leisten? Lichtreklame, Straßennamen nichts war sicher vor den Roten Garden. Sie durchsuchten Häuser von Kapitalisten oder alten Guomindang-Mitgliedern und brachten neben allerlei „bourgeoisen Plunder“ (Fräcke, Ballkleider, Pelzmäntel, Gold- und Silberbarren, u.a.), aber auch ganz andere Dinge zum Vorschein: Guomindangfahnen und -orden, sowie andere Ehrengaben der Chiang Kai-shek-Clique, Waffen aller Art, alte Besitzurkunden über Maschinen, Fabriken und Ländereien. Offenbar waren unter den Durchsuchten auch Leute, die sich für „die Zeit nach den Roten“ gewappnet wissen wollten. Professoren, Lehrern, manchem Parteifunktionär wurden Papierhüte aufgesetzt und sie wurden durch die Straßen geführt, so erging es bspw. der Clique um Peng Chen: Wu Han, Teng To und anderen. Manche der alten „Autoritäten“ wurden so behandelt, manche wurden verprügelt, wieder andere wurden als Karikatur oder in Wandzeitungen lächerlich gemacht. Es gab auch Tote. Wir werden uns im Teil 3 (KAZ 322) mit den Todesopfern dieser Revolution auseinandersetzen.

Im August und September gab es in allen Städten Chinas Rote Garden und die Situation wurde teilweise recht undurchsichtig. Denn es gab nicht nur revolutionäre Taten, sondern auch geradezu kriminelle: ganze Banden von Ganoven banden sich rote Armbinden um, um dann auf Streiftouren zu gehen, Häuser von „Kapitalisten“ zu plündern usw.[39] Als Reaktion darauf bildeten sich Gruppen von Nachbarn, die verhinderten, dass willkürlich irgendwelche Hausdurchsuchungen vorgenommen wurden – ohne dass ein Vertreter des Nachbarschaftsausschusses anwesend war. Ein Beispiel, wie die Massen sich selbst erzogen. Irgendwann wurden prinzipiell solche Durchsuchungen für illegal erklärt. Neben solchen krassen Fällen, gab es aber auch Jugendliche, denen es auch einfach nur Spaß machte sich aufzuspielen – bspw. wurde der überstrenge Pförtner einer Schule verprügelt oder andere „Privatrechnungen“ beglichen. Wenn diese Schüler und Studenten nicht von ihrer Abteilung erzogen wurden, gab es immer noch die Mitglieder der Kommunistischen Partei und der Jugendliga, die sich einmischten, es gab die Zeitungen, die ausführlich berichteten, aber auch kritisierten – vor allem gab es aber die Wandzeitungen, die überall angebracht werden durften und in denen auch alles geschrieben werden durfte, also auch Klagen gegen die Roten Garden. Formen der „großen Demokratie“ – Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen und große Debatten – das waren die Methoden einer großen Erziehung, die auch kriminelle oder brutale Machenschaften stoppen konnten. Die Bourgeoisie hat Angst und kann, wenn Massen in Bewegung kommen, wenn Revolution gemacht wird, nur an Chaos und Meuchelmord denken, an Raub und Plünderung. In der Kulturrevolution wurden die Schranken der Revolte vom Klassenbewusstsein vorgeschrieben – wenn der Kampf gegen die „Vier Alten“, gegen den Revisionismus „scharf“ geführt wurde, dann aber nicht „rücksichtslos“[40]. Wo die „Widersprüche im Volk“ gelöst werden sollen, genügen Argumente, Wandzeitungen, große Debatten – bei „Widersprüchen zwischen uns und dem Feind“, wenn der Widerspruch zu einem antagonistischen geworden ist – ist der Zorn der Massen groß. Die Kulturrevolution trug ersten Widerspruch gründlich aus. Die Bourgeoisie will vergessen machen, dass auch sie (und vorher die Sklavenaufstände, die Bauernkriege, u.a.) den zweiten Widerspruch auszutragen hatte, um an die Macht zu gelangen. Letzte Anmerkung: habt keine Angst vor den Massen, keine Furcht vor Unordnung. Das gab Mao Tsetung und seine Genossen denjenigen in Partei und Staat mit auf den Weg, die in ihrer Furcht bereits wie die Bourgeoisie dachten.

Wandzeitungen

In diesem Zusammenhang muss auch etwas zu den Wandzeitungen gesagt werden. Jack Chen, Redakteur der Wochenzeitung Beijing Review (früher: Peking Rundschau), der die GKPR selbst miterlebte und an ihr teilnahm, schildert die Bedeutung der Wandzeitungen sehr lebendig: „Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen waren das eigentliche Medium dieser Debatte. Sie hingen überall; sämtliche Wände waren mit ihnen verklebt. Unsere Kantine war unbenutzbar, weil sie jetzt voller Wandzeitungen hing. (...) In Abständen von etwa einem halben Meter waren Drähte von Wand zu Wand gespannt, an denen die drei (...) Meter langen Wandzeitungen hingen. (...) Die jeweiligen Organisationen [gemeint sind hier die Rebellen-Organisationen und Rote-Garde-Abteilungen der Universitäten, der Fabriken, Büros und Volkskommunen, der Ministerien, usw. ] mussten Papier und Tusche für Wandzeitungen kostenlos zur Verfügung stellen, aber als das Papier ausging, benützten wir alte Zeitungen.“ Es „entwickelte sich ein eigener literarischer Stil. Die besten waren kurze, zwingend argumentierende Essays, die einen Punkt unwiderlegbar erläuterten. Klarheit und Ausdruckskraft waren entscheidend. (...) Dichterische Übertreibung war ein anerkannt wichtiges Element dieses Stils. Kein Revisionist konnte jemals nur ‚einen Fehler machen‘; er ‚verübte zum Himmel schreiende Verbrechen‘. Die Taten der Reaktionäre waren unweigerlich (...) ‚wild und rücksichtslos‘ (...). Angesichts der Kritik durch die Rebellen waren sie stets ‚voller Hass bis in den Tod und durch ihre bloße Existenz erschreckend‘. Es war ‚in‘, vor Maos Namen das Adjektiv ‚groß‘ zu setzen. Niemand dachte sich etwas dabei, einen unbeliebten Minister ‚in Öl zu sieden‘ oder ‚seinen Hundekopf zu zerschmettern‘. Diese beiden letzten Ausdrücke kamen jedoch außer Mode, als berichtet wurde, dass Ausländer sie wörtlich nahmen. (...) Um angesichts der ständig komplizierter werdenden Auseinandersetzungen die Orientierung zu behalten, musste man nicht nur die Wandzeitungen der eigenen Organisation, sondern auch die nahe stehender (...) lesen. (...) In den Großen Räumen in denen die Wandzeitungen hingen, war es meistens still wie in einer Bibliothek. Während die Lesenden sich durch dieses Papierdickicht schlängelten, war höchstens ein leises Murmeln zu hören. Man las hauptsächlich. Man verdaute das Gelesene.“[41] Der Auftakt zur Großen Proletarischen Kulturrevolution begann mit Kulturkritik. Im Verlauf der Kulturrevolution erleben wir eine Vielfalt von Kunst und künstlerischer Ausdrucksformen. Um ihrer Meinung, bzw. dem Standpunkt einer Roten Garden-Abteilung oder eines anderen Kollektivs Ausdruck zu verleihen, gab es Wandzeitungen auf buntem Papier, es gab Cartoons und Zeichnungen, Gemälde und Fotografien, es gab Flugblätter in allen Größen und Formen, Zeitungen in großem Umfang und Auflage („Bleiwüsten“ oder professionell gestaltete bebilderte Zeitungen) und es wurden Gedichte gedichtet und selbst gemachte Lieder gesungen, Laientheater aufgeführt usw., usw. Auch das gehörte zu diesem „Fest der Kritik“!

Die Provinz wird von der Revolution heimgesucht

Verlassen wir Beijing, stellvertretend für die anderen Großstädte Chinas und wenden wir unseren Blick auf die Provinzen. Hier wurde Mitte August 1966 deutlich, dass sich die Provinzchefs – die, da nach dem „Großen Sprung“ die große Dezentralisierung vonstatten ging, vor allem in ökonomischen Fragen zu wichtigen Schaltstellen wurden und mit zahlreichen Kompetenzen ausgestattet wurden – sich nicht so einfach entmachten ließen.[42] Die rotgardistische Presse sprach häufig von der Bildung „unabhängiger Reiche“ und meinte damit die Provinzen, die den Kelch der Kulturrevolution an sich vorbeiziehen lassen wollten. Aus den Roten Garden Beijings werden Tausende der zuverlässigsten Rotgardisten in alle Provinzen geschickt, um sich dort mit den unteren Kadern und den Massen zu vereinigen, damit in ganz China die Revolution vorankam. Dabei ging es letztlich darum, Verbindungsbüros einzurichten, damit die Gefahr von Separatismus und Gegenautoritäten gar nicht erst aufkommen konnte. Doch man kann sich leicht vorstellen, dass dies mit einigen Schwierigkeiten verbunden war. „Ortsfremdheit, großstädtisches Gebaren und überzogene Radikalität hatten ihnen [den Roten Garden, die AG] wenig Freunde geschaffen.“[43]Ganz im Gegensatz zur warm gesessenen Führung, die ‚ihre‘ Provinz schon zehn oder mehr Jahre regierte und das lokale organisatorische Instrument meisterhaft zu spielen verstand.[44] Dazu kam einerseits, dass viele der linken Kader der Partei nach dem „Großen Sprung“ an allen wichtigen lokalen Positionen durch die Fachleute, Experten und Bürokraten ersetzt wurden, die ganz im Geiste der „Kadererziehung“ Liu Shaoqis mehr angepasste, gutgläubigen Weisungsempfänger waren als kritische, selbständig denkende und handelnde Kommunisten. So gelingt es den Provinzchefs anfänglich durch Rückgriff auf ihr großes Repertoire von Scheinmanövern, von Verleumdungen, über Drohung bis hin zu „Kampfsitzungen“ in den Provinzhauptstädten mit Reue und Selbstkritik und Krokodilstränen, die ländlichen Kader ruhig zu halten. Beliebt ist auch das Schauspiel „Mit roten Fahnen gegen rote Fahnen kämpfen“: ausgemachte Linke werden – vor ausgesuchtem Publikum – als Rechte diffamiert und bestraft oder abgekanzelt. Vielerorts wird nach solchen „Massenversammlungen“ die Kulturrevolution als erfolgreich beendet erklärt. Beispiele hierfür sind zahlreich[45], ähnlich wie auf dem Land versuchen auch die Leitungen vieler Fabriken den Sturm auf diese Weise abzuwenden oder Blitzableiter (meist Kader der zweiten und dritten Garnitur) auf eine Bühne zu stellen, an denen sich die Massen ihr Mütchen kühlen sollten. Wenn es offensiv gegen die Rotgardisten und ihre linken Verbündeten geht, darf dabei nicht vergessen werden, dass die Bürokraten in Partei, Verwaltung und Wirtschaft auch „die Herren der Akten“ waren, d.h. es stand ihnen vergleichsweise unendlich viel Material zur Verfügung, um die Rebellen schlecht zu machen. Die Machthaber in Partei und Staat, die einen kapitalistischen Weg einschlagen wollten, zeigten sich als äußert geschickt und einfallsreich – sie hatten schließlich Prestige, Einkommen, auch Macht zu verteidigen, so dass Chen Boda in einem Leitartikel am 13.12. 1966 bemerkte, „dass die Gegner in der Partei ständig die Taktik wechseln und immer neue Tricks verwenden“[46].

Januarsturm

Die Monate November und Dezember wurden von beiden Seiten von Rebellen, wie Parteirechten benutzt um sich zu konsolidieren, einen Überblick über das Schlachtfeld zu gewinnen, um sich zu vergewissern, wer zu wem hält. Überall werden Verbindungen geknüpft. Schanghai wird zu der Stadt, die das Schicksal der Revolution entscheiden wird. Schanghai war schon früh eine Hochburg der Parteilinken – auf den ersten Blick und vertreten durch den Genossen Ko Ching-Shih. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass es in dieser – wichtigen Wirtschafts- und Kulturmetropole Chinas – Liu Shaoqi gelungen war „seine“ Männer in hohe Posten unterzubringen: Tsao Ti-Chiu und Chen Pei-hsien. Diese beiden spielten schon in den 50er und vor allem 60er Jahren eine wichtige Rolle, wenn es gegen das Mao Tsetung-Denken ging. Zum Beispiel und bezeichnenderweise waren sie es, die Liu Shaoqis Schrift „Über die Selbstschulung der Kommunisten“ (deutscher Titel: „Wie werde ich ein guter Kommunist?“) in einer Auflage von 400.000 Exemplaren unter Shanghais Kader verteilen ließ, während sie die Verbreitung der Ausgewählten Werke des Vorsitzenden Mao Tsetung aktiv behinderten.[47] Wer die Schrift von Liu gelesen hat, weiß von welcher Schrift hier die Rede ist: moralisierend, den Klassenkampf bagatellisierend und mehr nach Disziplin verlangend als nach revolutionärem Bewusstsein und kritischem Geist. Interessant ist auch, dass die beiden Shanghaier Liu-Gefolgsleute beratend tätig waren als Peng Chen seine „Februarthesen“ abfertigte. Nicht überraschend also, wenn es diesen beiden daran lag, die Kulturrevolution zum Stillstand zu bringen. Auch diese „alten Hasen“ im Politgeschäft ziehen alle Register der Täuschung der Massen: alte Zielgruppen der Anti-Revisionismus-Kampagne von 1957 werden wieder „hervorgeholt“ und kritisiert, um von sich selbst abzulenken. Arbeitsgruppen werden entsandt, um mit dem Prestige der Partei die Rebellen kaltzustellen und diese zu diffamieren. Sie gründeten zudem sog. „Kulturrevolutionskomitees“, die in allen Schulen, Fachhochschulen, Büros und Fabriken und in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen Kritik und Rebellion zumindest kanalisieren wollten, wenn sie sich schon nicht vermeiden ließen.[48] Im November schließen sich alle Shanghaier Rebellen-Gruppen (die in Schanghai vor allem aus Arbeitern bestehen) zu einen Revolutionären Rebellen-Oberkommando der Shanghaier Arbeiter (RRO) zusammen, um mit geballter Kraft vorzugehen. Ihnen gelingt es im November 40.000 Menschen zu mobilisieren, um gegen die bürokratischen Machthaber des Parteikomitees zu demonstrieren. Als die Menge vor die Zentrale der Partei marschiert und verlangt den Oberbürgermeister und das Stadtparteikomitee zu sprechen, werden sie bis 2 Uhr nachts hingehalten. Die Versammelten beschließen, drei Delegationen nach Beijing zu schicken, um von der Situation und der Haltung der Shanghaier Machthaber gegenüber der Massenkritik zu berichten und Rat einzuholen. Zwei Gruppen, die mit Zügen unterwegs sind werden aufgehalten, die erste in Nanking, die zweite in Anting (20 Minuten vor Schanghai). Die dritte Gruppe bricht zu Fuß auf und schließt sich der aufgehaltenen Gruppen in Anting an. Schließlich intervenieren Zhang Chunqiao, der ehemalige Leiter der Propagandaabteilung des Shanghaier Stadtparteikomitee und Chen Boda: sie verlangen Aufklärung vom Stadtparteikomitee und stellen sich – im Namen der gesamten Kulturrevolutiongruppe beim ZK – hinter den RRO. Die Parteichefs von Schanghai mussten nun den RRO als revolutionäre Massenorganisation anerkennen, konnte sie nicht mehr länger ignorieren – nicht zuletzt, weil sie durch ihr entschlossenes Vorgehen bewiesen haben, dass sie es ernst meinen und sie es waren (und nicht Tsao Ti-Chiu und Chen Pei-hsien), die die Partei repräsentierten. Doch sie gaben nicht auf, sondern gingen jetzt nur vorsichtiger, und man kann sagen heimtückischer, vor. Die RRO, die die Verantwortung für die Produktion in Schanghai übernahm, indem sie bspw. alle Arbeiter aufforderte an ihre Arbeitsplätze zu gehen, damit die Versorgung nicht zusammenbrechen würde. Es galt aber auch zu zeigen, dass man gewillt war, den Kampf gegen die Revisionisten weiterzuführen und die Produktion voranzutreiben. An dieser Stelle wollten die alten Machthaber ansetzen: sie bewilligten „über Nacht“ zahlreiche Lohnerhöhungen, die Monate auf sich warten ließen; sie führten Sonderprämien ein, für besonders verdiente Arbeiter; sie verschenkten Reisegutscheine, damit die Arbeiter nach Beijing reisen konnten, um revolutionäre Erfahrungen auszutauschen.[49]Dieser Geldregen, führte zum seltsamen Phänomen eines massenhaften Einkaufsrummels, mitten in der Kulturrevolution[50] und führte dazu, dass Geschäfte belagert wurden und die Versorgung bis nach Beijing gestört wurde. Dann wurde plötzlich der jahrelang gestellten Forderung nachgegeben, dass Saisonarbeiter genauso viel Lohn bezahlt bekommen sollten, wie Stammarbeiter. Schließlich versuchte man die Bauern gegen den RRO zu mobilisieren, indem man ihnen einredete, die Arbeiter des RRSA kämpften gegen die Bauern.

Dieser „schwarze Wind des Ökonomismus“ und die Manöver der Täuschung zeigten ihre Wirkung: die Rechten, also das Stadtparteikomitee rief alle Arbeiter und explizit alle Partei- und Jugendligamitglieder auf, in ihre „Rote Arbeitermiliz-Abteilung“ einzutreten (deren Vorgänger die sog. „Arbeitsgruppen“ und sog. „Kulturrevolutionkomitees“ waren). Das Stadtparteikomitee behauptete, dass hier mehrere 100.000 Mitglieder organisiert wären, die gegen die „konterevolutionären Machenschaften des RRO“ vorgehen würde. Die Krönung war, dass man an das ZK der KPCh schrieb, um die „Rote Arbeitermiliz-Abteilung“ (später auch verächtlich „Scharlachrote Garde“ genannt), offiziell als eine Massenorganisation der Großen Proletarischen Kulturrevolution anzuerkennen, um dann alle weiteren Kämpfe als Kämpfe zwischen zwei Massenorganisationen darzustellen.

Ausschlaggebend für Gewaltkonfrontationen war die Frage, wer über die in Schanghai ansässige „Befreiungszeitung“ herrschen sollte: die RRO oder die „Rote Arbeitermiliz-Abteilung“? Es kam zur Belagerung des Verlagsgebäudes, die mehrere Tage und Nächte anhielt. Schlägereien blieben nicht aus. Verhandlungen und Handgreiflichkeiten gab es Tag und Nacht. Schließlich einigte sich die RRO mit dem Stadtparteikomitee, die Zeitung gemeinsam zu nutzen, aber die „Rote Arbeitermiliz-Abteilung“ – also die „Scharlachroten Garden“ des Stadtparteikomitees – verweigerten diesen Kompromiss und wollten so tun, als ob sie die letzten standhaften Linken wären, die jetzt gegen das Bündnis RRO und Parteikomitee rebellierten. Das war eine Finte und ein Vorwand, um die RRO-Büros der Stadt zu stürmen und alle dort Angetroffenen brutal zusammenzuschlagen. Die RRO bat abermals in Beijing um Hilfe. Am 11.12. organisierte sie eine eigene Massenveranstaltung mit 600.000 Menschen. Das war der Anfang vom Ende des Shanghaier Stadtparteikomitees: Bauern erkannten, dass sie getäuscht wurden und sandten Unterstützung aus ihren Volkskommunen für die RRO; „eine ganze Gruppe von Kadern, die von Chen Pei-hsiens Gaunereien genug hatten, rebellierten und schlugen sich auf die Seite des RRO[51]; schließlich brach auch die „Roten Arbeitermilizen“ auseinander und gingen erbittert gegen ihre Führung vor, die sie übel getäuscht hatte und sie glauben ließ, sie würden die proletarische Seite verteidigen.

Anfang Januar 1967 rief der „Ökonomismus“ große Störungen der Versorgung hervor, Knappheit überall, Produktionsausfälle, die Arbeit im Hafen lag danieder. Die nun zur stärksten Macht gewordenen RRO wandte sich an die gesamte Shanghaier Bevölkerung, informierte sie über die dramatische Situation und rief dazu auf jetzt die Macht zu übernehmen, „gegen den ‚Ökonomismus‘ anzukämpfen, die Produktion in Gang zu halten und die Intrigen der Revisionisten zu vereiteln.[52] Die Arbeiter übernahmen Stück für Stück die ganze Stadt: Fabrik nach Fabrik, den Hafen, die Elektrizitäts- und Wasserwerke, die Gleisanlagen und die Fernsprechämter, sowie Radiostationen, Zeitungsredaktionen und Dru­ckereien. Die RRO bat die Volksbefreiungsarmee um Hilfe, um die wichtigsten Einrichtungen gemeinsam mit den vom RRO gestellten Volksmilizen, zu schützen. Am 6. Januar1967 strömten drei Millionen auf den Platz des Volkes und setzen das Stadtparteikomitee und den Oberbürgermeister Shanghais ab. Die Massen hatten schließlich gesiegt!

Revolutionskomitees

Die Rote Fahne, das Theorieorgan der KPCh, schrieb nach dem Sieg in Schanghai: „Die gegenwärtige Entmachtung der Handvoll Personen innerhalb der Partei, die an der Macht sind und den kapitalistischen Weg gehen, wird nicht durch Entlassung und Reorganisation von oben, sondern durch die Massenbewegung von unten bewirkt (...) Da eine Anzahl von Einheiten in denen (diese Personen) sich verschanzt haben, in Organe für eine Diktatur der Bourgeoisie verwandelt worden sind, dürfen wir sie nicht so übernehmen, wie sie sind, auf Reformismus zurückgreifen (...) Wir müssen sie restlos zerschmettern.“[53]

Die Revolution trat nun in ein wichtiges Stadium ein. Erstens: Um wirklich eine Veränderung herbeizuführen und die bourgeois-reaktionären Machthaber zu entmachten, reichten die Roten Garden alleine nicht aus. Um diesen hartnäckigen Widerstand einer Minderheit, die in ihrem eigenen und letztlich im Interesse der Bourgeoisie handelte, die nichts unversucht ließ, um an der Macht zu bleiben, bedurfte es eines festen Bündnisses aller Roten Garden und einer Einheitsfront mit Arbeitern, Bauern und revolutionären Intellektuellen um die „große Demokratie“ zu verwirklichen. Die Zeit war gekommen, wo sich jede und jeder Rotgardist fragen musste, ob sie, er, ob die eigene Rotgardisten-Abteilung noch im eigenen Saft schmorte oder ob sie bereit und in der Lage war, sich ernsthaft der Machtfrage zu stellen, was auch bedeutete, dass die Zeit vorbei war, wo Aktionen aufs Geratewohl und eine gewisse Disziplinlosigkeit (man erinnere sich an den strengen Pförtner einer Beijinger Schule) in Ordnung waren. Die alten Machthaber nahmen Chaos, Versorgungsschwierigkeiten, vielleicht sogar Hunger und Tote in Kauf, nur um zu zeigen: „die Kulturrevolution führt uns an den Abgrund“. Diese Handvoll Revisionisten trieb Widersprüche soweit, dass sie zu antagonistischen wurden – ihre Macht musste jetzt gebrochen werden, oder die Revolution würde beendet sein. Das war die Lehre von Schanghai. Man musste dieser Clique organisiert und diszipliniert entgegen treten. Es ging schließlich um den Beweis: können wir uns selbst regieren, selbst verwalten? Können wir wirklich selbst die Produktion fortführen und sie sogar steigern? Oder hatte Liu Shaoqi Recht, wenn er vertrat, dass es dazu Fachleute, Experten, Spezialisten brauchte?

Zweitens: die Situation wurde in manchen Teilen des Landes so ernst, dass die Beijinger Kulturrevolutionsgruppe beschloss, nun der Volksbefreiungsarmee (VBA) zu erlauben „zum Schutz der Linken“ einzugreifen – so, wie sie es in Shanghai tat. In der nächsten Ausgabe der KAZ werden wir uns mit dem Charakter der Volksbefreiungsarmee (VBA) und ihrer Rolle während der Kulturrevolution auseinandersetzen.

Drittens war nun auch die Zeit gekommen, sich zu überlegen, inwieweit die alten Machtstrukturen der damaligen Situation noch gerecht wurden. Nicht nur, wir haben es weiter oben bereits erwähnt, dass China zu wenig junge Menschen in Staat und Partei hatte, auch die ganze Regierungs- und Staatsstruktur entsprang noch der besonderen chinesischen Phase der „Neuen Demokratie“. Wann, wenn nicht jetzt, als sich das Versagen der alten Strukturen erwies und diese Strukturen sich gegen die Massen richten konnten, sollte man diese zwei Probleme lösen?

Ein Lösungsansatz kam aus Schanghai. Dort, wo eine Sieges- und Hochstimmung herrschte, wie 1949, zeigte sich gleichzeitig welche große Kraft die große Demokratie der Diktatur des Proletariats haben kann. Ohne zu zögern saßen alle Massenorganisationen, Rotgardisten-Abteilungen, Parteigruppen, Jugendliga-Sektionen, Arbeitermilizen und VBA-Abteilungen zusammen, um die Stadt zu reorganisieren, das entstandene Machtvakuum auszufüllen. Dieser Prozess war öffentlich, die Diskussionen und Beschlüsse für alle einsehbar, diskutierbar und änderbar. Keine Gruppe oder Organisation – auch nicht die Armee – hatte mehr zu sagen, als die andre. Es gab zwar Rotgardisten-Verbände, die sich wichtiger nahmen – sie spielten aber in kürzester Zeit keine Rolle mehr. Es war Volksdemokratie in seiner ganzen Größe. Hier entstand auch die Idee der Revolutionskomitees. Die Revolutionskomitees beruhten auf dem Prinzip der sog. „Dreierverbindung“: Vertreter der Massenorganisationen der Kulturrevolution (Rote Garden, RRSA in Schanghai, usw.), dann die linken, revolutionären Kader der KPCH und Vertreter der VBA. „Nach dem Shanghaier Vorbild eines Revolutionskomitees auf der Grundlage dieser ‚Dreierverbindung‘ wurden in den folgenden Monaten auf allen Ebenen – von der landwirtschaftlichen Produktionsbrigade über Volkskommune, Stadtbezirk und Kreis bis hinauf zur Provinz – derartige Komitees als Selbstverwaltungsorgane eingerichtet. Sämtliche Werkstätten, Fabriken, Schulen, Universitäten oder anderen Institutionen, Theater, Krankenhäuser, Geschäfte, Restaurants, Reedereien und Eisenbahnverwaltungen errichteten ihr eigenes Revolutionskomitee, das für ihre Angelegenheiten zuständig war.[54]

Die landesweite Etablierung der Revolutionskomitees dauerte noch einige Zeit. „Nach dem Muster des Shanghaier Januarsturms liefen in der nun folgenden Periode der Kulturrevolution die meisten Kämpfe ab: das Ringen der revolutionären Massenorganisationen um Einheit; der Zusammenschluss zu Einheitsfronten; die Entmachtung der revisionistischen Führungsschicht und die Errichtung von Revolutionskomitees als den neuen Verwaltungs- und Betriebsführungsorganen Chinas. Es kam in anderen Städten und Gebieten zu heftigen Kämpfen und blutigen Auseinandersetzungen, teilweise zu regelrechten Gefechten. Bei den Arbeitern und Bauern vollzieht sich die Bildung der Revolutionskomitees ziemlich rasch und ist bis 1968 abgeschlossen. In Schulen und Universitäten, in zahlreichen Kultureinrichtungen, Verlagen, Redaktionen, kurz dort, wo viele Intellektuelle und Kader konzentriert sind, dauert diese Phase verhältnismäßig länger. Wir wollen nur andeuten: es gibt Zusammenstöße zwischen Rebellengruppen und VBA – der sog. „Wuhan-Zwischenfall“ macht ziemlichen Wirbel; es werden auch Rebellengruppen aufgelöst, die mit aller Macht versuchen die Konstituierung der Revolutionskomitees hinaus zu zögern oder zu verhindern, wie z.B. die Rotgardisten-Abteilung „Eins-Sechs-Fünf“ und andere sog. ultralinke Gruppierungen. Insgesamt gesehen tritt aber die Kulturrevolution in die Phase „Kampf-Kritik-Umgestaltung“: Kampfgegen jene Leute an der Macht, die den kapitalistischen Weg eingeschlagen haben“ (Punkt 1); Kritikan den typischen reaktionären akademischen ‚Autoritäten‘ der Bourgeoisie (...) an verschiedenen reaktionären Ansichten in Philosophie, Geschichte, politischer Ökonomie und im Erziehungswesen, in Literatur- und Kunstwerken und -theorien, in Theorien in den Naturwissenschaften und auf anderen Gebieten (Punkt 11); Umgestaltungder Erziehung, Literatur und Kunst und aller anderen Teile des Überbaus, die nicht der sozialistischen Wirtschaftsbasis entsprechen, damit die Konsolidierung und Entwicklung des sozialistischen Systems gefördert werden“ (Punkt 1). Die Losung, „Kampf-Kritik-Umgestaltung“, die aus dem 16-Punkte-Beschluss des ZKs vom August 1966 abgeleitet wurde, konnte sich nach dem Januarsturm erst richtig entfalten, da Kampf-Kritik-Umgestaltung auf der Basis der Revolutionskomitees sehr gezielt und praktisch angegangen werden konnte.

Ergebnisse der Kulturrevolution

Die Kritiker der Kulturrevolution interessieren sich meist für die erste Phase der Revolution: die Roten Garden und ihre Praxis, der Januarsturm, die folgenden Gefechte und Fraktionskämpfe mit Verletzten und Toten. Was geschah aber, als sich die Revolutionskomitees im ganzen Land durchgesetzt haben und die Partei sich durch eine Praxis der Massenlinie wieder ihr Ansehen bei den Massen zurückgewonnen hat?

Einige Ergebnisse wollen wir nun genauer betrachten:

Proletarischer Internationalismus: Auf der Basis der neuen Machtorgane des Proletariats konnte eine neue Kultur, ein neues Bewusstsein einsetzen, das weit über den Tellerrand des eigenen Landes hinausragte. Durch die Selbsttätigkeit der werktätigen Klassen und ihren erfolgreichen Kampf, wurde auch das Bewusstsein für den internationalen Kampf des Proletariats geschärft: China leistete praktische Hilfe in jeglicher Form für Revolutionäre in den abhängigen Ländern und in den imperialistischen Zentren. Aber auch geistig-ideologische Hilfe wurde geleistet. Hieß es noch in China zu Beginn der Kulturrevolution: „Rebellion gegen die Reaktionäre ist gerechtfertigt“, so rief jetzt das chinesische Proletariat und seine Bündnispartner den Völkern der Welt zu: es gibt gerechte und ungerechte Kriege. Kriege gegen den Imperialismus und seine Lakaien sind gerechtfertigt! China selbst verpflichtete sich vor der Welt „nicht nach Hegemonie“ zu streben und rief alle Völker auf, China zu kritisieren, wenn es die Farbe wechseln würde.

Vor allem gab es aber Veränderungen im Land selbst.

Das Erziehungswesen – die Jahre zuvor auf Selektion ausgerichtet – erlebte massive Veränderungen. Die Revolutionskomitees beschlossen, als der Schulbetrieb wieder aufgenommen wurde, Arbeiter aus den Betrieben in die Schulen und Universitäten zu entsenden, um dort die Ausbildung neu in Gang zu bringen und dass auf dem Land diese Aufgabe von den Bauern übernommen werden soll[55]. Mit welchem Hintergrund und mit welchem Ziel? Der Grundgedanke war: Der gesamte Überbau einer Gesellschaft (einschließlich der Bildung und des Erziehungswesens) lebt „auf Kosten“ des Proletariats und der Bauern. Mit dem Sozialismus wurden Produktionsverhältnisse erkämpft, in denen Bildung und Erziehung denen im vollen Maße zukommen soll, die diesen „Luxus“ erarbeitet haben. Wir haben versucht nachzuskizzieren, inwieweit dieser Anspruch – Wissen, Kultur (im Sinne von Lesen, Schreiben) für alle – durch die chinesischen Chruschtschowianer zugunsten einer mittelmäßigen Bildung für alle und einer höheren, einer Spezial- und Fachausbildung für die Kinder der Bourgeoisie, des städtischen Kleinbürgertums und der mittleren und hohen Kader und Beamten, in den Hintergrund trat. Die Kinder derer, die die Reichtümer schufen, wurden benachteiligt. Damit sollte Schluss sein: Auf Empfehlung ihrer Arbeitskollegen konnten sich Jugendliche, Arbeiter und Bauern um Studienplätze bewerben – Unterkunft und Verpflegung wurde dann von den jeweiligen Einheiten in Fabrik oder Volkskommune voll bezahlt. Diejenigen Arbeiter und Bauern, die studieren gehen durften, egal welchen Alters, wurden von diesen Einheiten in Betrieb oder Volkskommune selbst bestimmt, Auswahlkriterien waren dabei nicht nur ihre Handfertigkeiten, sondern vor allem auch ihr politisches Bewusstsein.[56] Die Trennung zwischen Kopf- und Handarbeit wurde dadurch abgebaut – zumindest war es erstmal nicht mehr möglich, dass ein Beamtensöhnchen, ohne jegliche praktische Erfahrung, aber mit einem Ingenieur-Diplom den Arbeitern vor die Nase gesetzt werden konnte, um sich dann (auf Grundlage seines Spezial- und Fachwissens), wie ein Mandarin aufzuführen. Letzteres eine Tendenz, die nicht nur nicht von Liu Shaoqis Linie bekämpft wurde, sondern sogar noch gefördert. Das Proletariat und die Bauern konnten nun also unmittelbarer bestimmen, wer (etwas pathetisch ausgedrückt) in den Genuss ihrer Früchte Arbeit – in Form von Bildung und Wissen – kommen sollte und zweitens welche Inhalte dort vermittelten werden sollten: Theorie (Bücher, Unterricht) und Praxis (direkt in den Fabriken und auf den Feldern lernen, selbst arbeiten, usw.), Technik/Naturwissenschaft und Politik/Philosophie. Es brauchte Spezialisten, Fachleute, Ingenieure aus den Reihen der Werktätigen kommend, die ihre Kenntnisse „dem Volke dienend“ wieder zurück in ihre Klasse trugen. Dieses Konzept hieß „Schule der Offenen Tür“ und sollte andeuten, dass Unterrichts-, Vorlesungs- und Seminarraum und das Leben „draußen“ nicht mehr länger getrennt sein sollten. Der praktische Unterricht sollte übrigens schon früh in der Schule begonnen werden. Exemplarisch sei hier auf das „Sieben-Punkte-Programm“ des Revolutionskomitees der Tsinghua-Universität hingewiesen, dass 1968/1969 aufgestellt wurde: „1.) Verbindung von Schulwissen mit Fabrikerfahrung (im Bau von Automaten, Generatoren etc.); 2.) wissenschaftliche Experimente; 3.) Errichtung eines Landwirtschaftsbetriebs in der Provinz Kiangsi; 4.) Beteiligung an der Regulierung des Huangho; 5.) technische Neuerungen; 6.) Entsendung von Lehrern in Fabriken und Volkskommunen, damit sie von Arbeitern und Bauern erzogen werden; 7.) Entsendung von Studenten in Industrie und Landwirtschaft, damit sie fabrik- und agrartechnische Neuerungen ausprobieren und verbessern sowie neues Lehrmaterial heimbringen.[57]

Auch an Notengebung und Prüfungen wurde anders herangegangen: sie sollten nicht mehr „aussieben“, sondern sie sollten vielmehr dazu dienen, festzustellen, welche Lücken im Verständnis bei den Lernenden noch existieren und was bei den Lehrenden zu kurz kam. Damit wurde auch ein neues Herangehen an das Lernen in Bildungsinstitutionen insgesamt gewagt: kein „Büffeln“ kurz vor den Klausuren mehr, um nach der Prüfung einen Großteil wieder zu vergessen, sondern permanentes Lernen. Letzteres sollte auch gefördert werden, indem die Schüler ermutigt wurden, sich gegenseitig zu helfen, miteinander zu diskutieren und sich gegenseitig zu kritisieren – auch und vor allem die Lehrer! Anti-intellektuell, wie es den Chinesen vorgeworfen wurde, haben sich die Kulturrevolutionäre nie verstanden. Wissen und Bildung sollte aber nicht mehr länger Privatangelegenheit und Privileg einzelner, nicht mehr individuellem Ansehen und Karriere dienen, es sollte allen, vor allem den Werktätigen zu Gute kommen. Dies drückt sich auch in der wachsenden Zahl von Schulen und Universitäten aus, die in den Jahren der Kulturrevolution gegründet wurden – die Mehrheit auf dem Land. Dies drückte sich auch in der Tatsache aus, dass die Studierenden ihre Studienzeiten verkürzen konnten. Dies drückte sich auch in der großen Zahl von Arbeiter- und Bauernkindern die jetzt in den Unis studierten. Zuletzt noch ein uns wichtiger Aspekt: die Arbeiter, Bauern und Studenten sahen all diese Konzepte zur Umwandlung des Bildungs- und Erziehungswesens als Experimente[58] an, die sich erstmal in der Praxis bewähren sollten – so effizient machen es die Massen!

Das Gesundheitswesen wurde ebenfalls umgemodelt. Wenn es bislang galt, hochqualifizierte und spezialisierte Ärzte auszubilden, die mit dem modernsten Gerät in zentralen Krankenhäusern arbeiten konnten, so wurde die breite medizinische Versorgung vernachlässigt. Ersteres war zumindest verständlich in einem Land, das sich aus eigener Kraft aus Kolonialismus, Feudalismus und Imperialismus befreite und nun höchste Standards anstrebte. Die allgemeine medizinische Versorgung – besonders auf dem Land – war dadurch teilweise katastrophal. Es wurden – wiederum nach dem Großen Sprung – kleine Kliniken in der Provinz geschlossen, alte chinesische Medizin (Naturheilkunde und Akupunktur) war verpönt, man griff lieber zu modernen Mitteln (Tabletten, etc., die allerdings meist aus dem Ausland importiert werden mussten). Die Kulturrevolution änderte dies: sie untersuchte wissenschaftlich den Nutzen der traditionellen Medizin und fand bis dahin völlig neue Anwendungen und Methoden heraus (bspw. konnte mittels der Akupunktur anästhesiert werden u.a.). Die Kulturrevolutionäre lehnten aber weder die moderne Medizin ab noch hoben sie die alte in den Himmel, sondern sie kombinierte beide miteinander, um größtmöglichen Nutzen zu bringen. Darüber hinaus behielt sie Spezialistenausbildung bei, förderte aber im großen Umfang die Ausbildung von sog. „Barfußärzten“[59], die in grundlegenden hygienischen und medizinischen Methoden und Behandlungsformen geschult wurden, damit sie das Gesundheitssystem entlasten konnten, ihr Wissen direkt weitergeben konnten (Hygiene, Hausapotheke) und um selbst bei kleinen und mittleren Unfällen, sowie Krankheiten helfen zu können oder zumindest in der Lage zu sein, schwere Fälle zu diagnostizieren.

Während es auch Neuerungen in der Kultur gab – Form und Inhalt sollte in den Dienst der Massen gestellt werden, sie sollte allen zugänglich sein, usw. – gab es noch viele weitere Verbesserungen, Neuerungen, Ummodelungen. Mitten in den „Wirren der Kulturrevolution“ wurde eine der wohl bedeutendsten Kulturgüter Chinas ausgegraben: die Terrakotta Armee des Kaisers Qin, im Jahre 1974.

Als letztes sei hier noch auf die „7. Mai Kaderschulen“ hingewiesen, die allen Parteikadern die Möglichkeit geben sollte, eine bestimmte Zeit auf dem Land zu verbringen, dort alle praktischen Tätigkeiten auszuführen, um sich selbst zu versorgen, bei gleichzeitigem intensiven Studium der marxistischen Wissenschaft. Praktische Arbeit und politische Schulung, das waren die Hauptmerkmale der „7. Mai Kaderschulen“. Es gab aber verschiedene Bewertungen dieser Schulen: Diejenigen, die Mao Tsetungs „Massenlinie“ verfolgten und bestrebt waren, als Kommunisten in allem was sie taten die Verbindung zu Massen nicht zu verlieren, empfanden diese Schulen als Möglichkeit, zumindest auf Zeit, so wie 80 % der chinesischen Bevölkerung zu leben und zu arbeiten und dies mit politischer Ausbildung zu verbinden. Für andere war dies nutzlose Zeit oder eine Strafe, wenn sie – was auch vorkam – von ihrem Revolutionskomitee aufgefordert wurden dorthin zu gehen.

In allen Bereichen der chinesischen Gesellschaft, in der Wissenschaft, im Militär wurde ebenfalls „Revolution gemacht“, wir wollen hier lediglich noch ein paar Beispiele bringen, was sich in Industrie und Landwirtschaft änderte: auf dem Land blühten die Volkskommunen auf – um 1970 betrug ihre Zahl an die 74.000 in ganz China, in denen ca. 590 Millionen Menschen lebten und arbeiteten[60] – viele Großprojekte konnte durch die kollektive Arbeit und durch das revolutionäre Bewusstsein der Massen verwirklicht werden: Erweiterung der Anbauflächen (12 Mio. Hektar Neuland wurden gewonnen[61]), Terrassenbau, industrielle Produktion auf dem Land, Viehzucht im großen Stil, usw. Aber auch die oben erwähnte Errichtung von Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, die Verbesserung der Infrastruktur und die Einführung der sog. „Fünf Garantien“[62] zeugten von der freigesetzten Kraft. In der Industrie wurden zuallererst unnütze Regeln und Vorschriften abgeschafft, die nach Ansicht der Revolutionskomitees die Arbeit behinderten und Formalismus und Bürokratismus förderten. Die Verwaltung und Betriebsführung wurde vereinfacht, so dass alle damit freigesetzten Arbeitskräfte in der Produktion eingesetzt werden konnten. Die Arbeiter, die nun wieder „Herren“ über den gesamten Produktionsprozess waren, steigerten die Produktion, verbesserten die Produktionsanlagen und entwickelten neue, schnellere und bessere Maschinen. Das Wissen, das nur ein Arbeiter haben kann, all die Tricks und Kniffe „seiner“ Maschine konnten nun direkt in die Produktion zurückfließen. Im Imperialismus nennt man das „Vorschlagswesen“ oder „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ und will den Arbeitern dieses unbezahlbare Wissen gegen lächerliche Prämien abluchsen. Genosse Zhou Enlai gab 1975 vor dem Nationalen Volkskongress einen Rechenschaftsbericht in seiner Funktion als Ministerpräsident, in dem er auch über die wirtschaftlichen Erfolge der Kulturrevolution zu sprechen kam (wenn er Schätzungen angibt, so deshalb, weil der vierte Fünfjahresplan im Jahr seines Berichts, also 1975, endete – die endgültigen Zahlen standen Zhou demnach nicht zur Verfügung, die Tendenz des dritten und vierten Fünfjahresplan wird deutlich): „In Chinas Landwirtschaft sind in 13 aufeinander folgenden Jahren reiche Ernten eingebracht worden. Im Jahre 1974 war der Gesamtwert der landwirtschaftlichen Produktion laut Schätzung um 51 Prozent höher als 1964. Das ist der überzeugende Beweis für die Überlegenheit des Systems der Volks­kommune. Seit der Befreiung ist die Bevölkerung unseres Landes zwar um 60 Prozent angewachsen, aber die Produktion ist bei Getreide um 140 Prozent und bei Baumwolle um 470 Prozent gestiegen[63]. In unserem Land, mit seiner Bevölkerung von annähernd 800 Millionen, ist der Grundbedarf der Volksmassen an Nahrung und Kleidung gesichert. Der Gesamtwert der industriellen Produktion war 1974, laut Schät­zung, um 190 Prozent höher als 1964. Bei den wichtigsten Erzeugnissen ist die Produktionssteigerung in diesem Zeitraum sehr groß: bei Stahl um 120 Prozent, bei Rohkohle um 91 Prozent, bei Erdöl um 650 Prozent, bei elektrischem Strom um 200 Prozent, bei Kunstdünger um 330 Prozent, bei Traktoren um 520 Prozent, bei Baumwollgarn um 85 Prozent und bei Kunstfasern um 330 Prozent. Im vergangenen Jahrzehnt haben wir, gestützt auf die eigene Kraft, 1.100 große und mittelgroße Projekte fertig gestellt, erfolgreich Wasserstoffbomben getestet und künstliche Erdsatelliten gestartet [erster Satellit „Dong Fang Hong-1“ im Jahr 1970, der zweite Satellit „Shijian-1“, 1971, usw. die AG]. Im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Erschütterungen und zur Inflation in der kapitalistischen Welt sind die Einnahmen und Ausgaben unseres Staates ausge­glichen. Unser Staat hat weder Auslands- noch Inlandsschulden. Die Preise sind stabil.[64] Soweit Zhou Enlai zu den „chaotischen Jahren, die die chinesische Volkswirtschaft ruinierten“, wie die Kulturevolution betitelt wurde.

Der chinesische Chruschtschow

Bei all diesen Erfolgen und Errungenschaften der Große Proletarische Kulturrevolution stellt sich auch die Frage, wie kulturvoll die Große Proletarische Kulturrevolution mit ihren Gegner umgegangen ist. Uns steht es nicht an über die Formen zu urteilen, mit denen ein Volk (im Sinne des nicht statischen marxistischen Begriffs – alle unterdrückten, sich befreienden oder befreiten Klassen und nicht im Sinne des völkisch-bürgerlichen Begriffs von „Volk“) mit seinen Gegnern umgeht. Jede Revolution muss ihre Formen finden, wie sie mit ihren Gegnern fertig wird und wir werden, wenn die Reihe an uns ist, unsere Formen finden. In China wurden die Lehren aus der Sowjetunion gezogen. Mao Tsetung sagte dazu einmal: „Köpfe wachsen nicht nach wie Schnittlauch“ und ging daher den Widersprüchen im Sozialismus auf den Grund, untersuchte den Klassenkampf im Sozialismus und stellte seine Theorie von den „Widersprüchen im Volk und Widersprüchen zwischen uns und dem Feind“ auf. Die Revolutionäre in China handelten danach. Derjenige, der zur Zielscheibe massiver Kritik wurde, der zwar anfangs nicht namentlich genannt wurde, sondern nur „chinesischer Chruschtschow“, der Staatspräsident Liu Shaoqi, der die Führung in der Phase 1960-1966 innehatte. Wie wurde mit ihm verfahren? Der Umgang mit ihm steht stellvertretend für andere, die eine andere Linie vertraten, jedoch nicht für Konterrevolutionäre. Es ging zwar gegen eine ideologische Strömung, die letztlich die Interessen der Bourgeoisie und eine Handvoll Machthaber in Partei und Staat, die den kapitalistischen Weg gehen wollten, vertrat – es ging aber nicht um Einzelpersonen. Es ging um Klassenkampf, um die Beseitigung der Bourgeoisie als Klasse, nicht um die Beseitigung ihrer Repräsentanten, Freunde oder Befürworter.

Das XII. Plenum des ZK beschäftigte sich mit der Frage, wie man mit Liu Shaoqi umgehen sollte im Rahmen der Vorbereitungen zum IX. Parteitags. Liu Shaoqi, Galionsfigur des Revisionismus in China – zusammen mit Deng Xiaoping, der Clique um Peng Chen in Beijing, den führenden Kadern in Schanghai u. a. – wurde überhaupt erst 1967 offiziell namentlich genannt! Am 31.10.1968 wurde er aus der Partei ausgeschlossen und aller Ämter enthoben. Er, seine Frau und seine Kinder wurden während der gesamten Große Proletarische Kulturrevolution von der Partei geschützt – er hielt sich an einem geheimen, bewachten Ort auf und verstarb 1974 an einem Krebsleiden[65]. Deng Xiaoping – die Nummer zwei der Kritik, wurde nicht aus der Partei ausgeschlossen, er büßte allerdings sein Amt als Generalsekretär ein. Kritisiert wurde er damals, „weil er versäumte, in die (...) Aktionen einer ‚pro-bürgerlichen revisionistischen Clique‘ einzugreifen; weil er ‚sechs Jahre keinen Rechenschaftsbericht mehr ablegte‘; (...); weil er letzten Endes, vieles personifizierte, was die Kulturrevolution bekämpfte: Trennung von den Massen, Selbstgefälligkeit, Routinestil, Herrschaftsallüren, Formalismus[66] und verrichtete in der Provinz während der Kulturrevolution eine Tätigkeit als Klempner[67].

IX. Parteitag 1969

Der IX. Parteitag der KPCh, der unter anderem eine positive Bilanz der Kulturrevolution zog und die Politik der letzten Jahre bestätigte: die „Massenlinie“ als bestimmendes Moment der Politik der KPCh, das Recht auf Meinungsäußerung, Kritik, großen Debatten und dem Anbringen von Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen, sowie das Streikrecht bestätigte, er weist auch personell interessante Züge auf, die wir hier darstellen wollen. 1.512 Delegierte nahmen an diesem Parteitag teil. Sie wurden von den Revolutionskomitees des Landes entsandt. Bei den Delegierten des Parteitags zeigten sich zwei wichtige Folgen der Großen Proletarischen Kulturrevolution: es waren so viele Arbeiter, Bauern und Vertreter der Massenorganisationen vertreten, wie noch nie zuvor! Zum anderen war der Anteil von jungen Genossen unübersehbar – auf lokaler und oberster Ebene waren es junge Kader, die das neue China der Kulturrevolution repräsentierten.

Das oberste Gremium der Kommunistischen Partei, das Politbüro, erlebte einige Neuerungen: durch ihre Tätigkeiten in den Revolutionskomitees war der Anteil der VBA-Angehörigen größer als vorher (jetzt 40%, vorher 25%), das Verhältnis der Politbüro-Mitglieder aus Beijing im Vergleich zur Provinz, das 60 zu 40 betragen hatte, lag jetzt umgekehrt bei 40 zu 60. Im vorherigen ZK waren ein Viertel der Mitglieder aus Ministerien – jetzt betrug ihr Anteil nur noch 10 Prozent. Insgesamt wurde das ZK bzgl. der Anzahl ihrer Vollmitglieder fast verdoppelt: waren vorher 97 Mitglieder im ZK, waren es jetzt 170 Vollmitglieder.

Lin Biao wurde auf diesem Parteitag zum Nachfolger Mao Tsetungs bestimmt. Eine Entscheidung, die später revidiert wurde, da sich Lin Biao tief in innere Fraktions- und Machtkämpfe verstrickt hatte.

Die Lin Biao-Affäre ...

Lin Biao verstarb 1971 bei einem Flugzeugabsturz über der Mongolei, als er versuchte, mit seiner Familie in Richtung Sowjetunion zu fliegen. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass er sich auf der Flucht befand. Diese These wurde bislang nicht widerlegt. Dafür gibt es allerdings zahlreiche Vermutungen und Gerüchte, „Geheimdokumente“ und sonstiges, die Lin Biao zur Last gelegt werden – viel wurde über seine letzten Tage und Wochen geschrieben. Wir lassen all dies bei Seite und wollen uns zwei Aspekten widmen: der Frage des Personenkults und der Kritik an Konfuzius, die nach Lin Biaos Tod im Zusammenhang mit der Kritik an verschiedenen Vorstellungen Lin Biaos einsetzte und das doppelte Ziel verfolgte „Kritik an Konfuzius und an Lin Biao“.

Zum Personenkult. Gab es Personenkult? Ja es gab ihn. Es gab ihn sogar massiv! Mao Tsetung-Porträts, -Plakate, -Anstecker, usw. usf. Bis zu einem gewissen Grade war dieser Personenkult eine Hochachtung und Ehrung der Rolle der Persönlichkeit Mao Tsetungs in der chinesischen Revolutionsgeschichte. Eine Ehrung für den Mann, der die Massen lehrte, sich selbst zu befreien und sie kühn mobilisierte, demjenigen der sich als gewählter Vorsitzender seit Jahrzehnten als kluger, mutiger und lebensnaher Steuermann erwiesen hatte. Der Personenkult wurde auch von Mao Tsetung – so sagte er zu dem amerikanischen Journalisten Edgar Snow[68] – bewusst nur 1965 anerkannt, als es so aussah, als würde er bei seite geschoben. Mao Tsetung hat ein klares Verhältnis zum Personenkult gezeigt, Edgar Snow zitiert: „Welcher Unsinn! rief Mao Tsetung aus. Immer dieses Bedürfnis verehrt zu werden! (...) Zum Beispiel die so genannten „Vier Großen“ (...). Was für ein Unsinn! sagte er wieder. (...)“[69].

Auf der anderen Seite war dieser Personenkult, so negativ man ihn auch beurteilen will, ein Kult um eine Person, die darum bemüht war, gegen Dogmen oder Kulte vorzugehen, Autoritäten anzugreifen und zu kritisieren, die überhaupt gegen jeglichen Stillstand, gegen statisches Denken kämpfte und immer von der Kraft der Volksmassen ausging. Es verdient jede und jeder Hochachtung, der sich hinstellt und Verantwortung übernimmt, der einen Posten übernimmt, der sich mit seiner ganzen Person „ins Rampenlicht“ stellt, nicht um des Rampenlichts willen, sondern für eine richtige Sache. Hier in der BRD gibt es heute von dieser Sorte Menschen zu wenig – im Kampf gegen imperialistische Kriege und faschistische Gefahr! Die Verehrung endet allerdings dort, wo der Mensch, der Hochachtung verdient, auf ein Podest gestellt wird, unerreichbar, übermenschlich. Dann beginnt der Prozess, in dem Masse und Individuum sich voneinander trennen, weil der Kult sie von einander entfernt.

Nun, die Formen des Kults um Mao Tsetung waren teilweise kurios, bizarr und auch lächerlich. Sie waren sicher auch manchmal Ausdruck von fehlendem oder rückständigem Bewusstsein, manchmal Ausdruck von jugendlichem Übereifer. Jedoch wurde dieser Kult nicht von „oben“ betrieben, gefördert oder befohlen, er entwickelte sich von „unten“, spontan, ja sogar gegen die offiziellen Weisungen (die Straßennamen und Statuen nach lebenden Menschen verbot).

Aber es gab eine Person in der Führungsriege der Kulturrevolution, die den Kult beförderte, statt ihn einzudämmen: Lin Biao. Die völlige Übertreibung mit den sog. „vier großen“ – „großer Führer, großer Lehrer, großer Oberkommandierender und großer Steuermann“ – ging auf ihn zurück. Bereits am 8. Juli 1966 schrieb Mao Tsetung an seine Frau Jiang Qing besorgt über diese Tendenzen bei Lin Biao: „Das Zentrum [das ZK] drängt mich, weil es jene Rede meines Freundes [Lin Biao] veröffentlichen will (...). Einigen seiner Vorstellungen gegenüber habe ich ein sehr unsicheres Gefühl. Ich habe niemals geglaubt, dass diesen paar Büchlein von mir eine derart große Geisterkraft[70] innewohnt. Nachdem die nun von ihm in den Himmel gehoben werden, wird sie bald auch das ganze Land in den Himmel heben. (...) In einer Frage von allerschwerster Bedeutung gegen die eigene Überzeugung anderen zustimmen zu müssen, das ist mir doch in meinem ganzen Leben jetzt zum ersten Mal passiert, (...) im April diesen Jahres habe ich auf der Hangchou-Konferenz zum Ausdruck gebracht, dass diese Formulierungen meines Freundes nicht meine Zustimmung hätten, doch was konnte das schon bewirken? Im Mai auf der Konferenz in Beijing drückte er sich genau so aus, in Zeitungen und Zeitschriften stand so etwas mit einer noch übleren Penetranz, sie hoben mich tatsächlich in den Himmel als Wunder über allen Wundern (...) je höher man jemanden in den Himmel hebt, desto schwerer schlägt er auf. (...) Diese Worte darf man jetzt nicht veröffentlichen. Die Linken drücken sich jetzt alle so aus. Wenn man das veröffentlichte, würde man ihnen eine kalte Dusche verpassen, das wäre eine Unterstützung für die Rechten.[71]

Man muss heute sagen, dass sich Lin Biao durch die Förderung eines Personenkults um Mao Tsetung wohl vor allem an sich selbst dachte: schien doch ein wenig des Glanzes, den er um Mao Tsetung aufbaute, auf ihn selbst zurück. Nebenbei bemerkt: dies gilt auch für alle anderen. Das gegenseitige Überbieten in den Lobpreisungen des „großen, großen, großen, Großen“ ließ manche scheinbar erst selbst wachsen – das dadurch jemand „über sich hinaus gewachsen“ ist, ist zu bezweifeln.

Später fand man bei Lin Biao einige Aufzeichnungen, Anstreichungen in Bücher und Exzerpte in denen Tendenzen bei ihm sichtbar wurden, dass er all die Jahre ein Anhänger von Konfuzius war und blieb. Das erklärte auch den Hang zum Kult. Einerseits, weil die philosophische Richtung aus der Sklavenhaltergesellschaft, dessen wichtigster Repräsentant Konfuzius war, „angeborene Genies“ verehrt und das „gemeine Volk“ und „mindere Tätigkeiten, wie Handarbeit“ abfällig behandelt, andererseits weil es einen starken Hang zum Ritual gibt – getreu den konfuzianischen Worten: „Es gibt vieles auf Erden, das Allerwichtigste aber ist: Selbstzucht üben und das Ritual wieder einführen“. Im Zusammenhang mit diesem Zitat wurde folgendes herausgefunden: „In weniger als drei Monaten, zwischen Oktober 1969 und Januar 1970, schrieben er [Lin Biao] und seine Mitverschworenen bei vier Gelegenheiten diese Worte auf [vier] Schriftrollen, die sie sich gegenseitig zum Geschenk machten und als ihr Motto in ihr Schlafzimmer hängten.“[72]

Die Betonung des Rituals ist die Betonung von „oben und unten“, es gilt, dem „Untergebenen“ darin zu erziehen, zu disziplinieren sich in „Selbstzucht“ zu üben, nicht das Bestehende in Frage zu stellen – schon gar nicht die „angeborenen Genies“ (und die Männer an ihrer Seite).

... und die Kritik an Konfuzius

Wie die Chinesen mit der Affäre Lin Biao umgingen, gehört dabei mit zu den größten Kapiteln der Kulturrevolution. Man muss sich das vorstellen: der „engste Freund und Kampfgefährte“ Mao Tsetungs Lin Biao, Verteidigungsminister der VR China, Mitstreiter der Großen Proletarischen Kulturrevolution von Beginn an – ein Verräter, Karrierist und Doppelzüngler? Der „Nachfolger des Vorsitzenden“ und damit zweiter Mann im Staat – ein Anhänger reaktionärer Ideologie? Eine Staatskrise wäre woanders zu anderen Zeiten nicht verwunderlich gewesen! Nicht in der VR China und nicht nach dieser Revolution. Erstens: der Kampf zweier Linien wurde – wir haben es bereits erwähnt – schon früh und öffentlich in der Partei, in der Gesellschaft geführt. Dieser Kampf galt als normal, im Sinne von unvermeidlich. Die Chinesen haben schon viele „große Männer“, manches „Genie“ kommen und gehen sehen: den Kaiser, Chiang Kai-shek, Wang Ming, Lin Biao.

Zweitens: in der Kritik an Lin Biao und Konfuzius wurden beide Seiten Lin Biaos gesehen: seine Verdienste und sein Verrat. Die Zitatensammlung, die er herausbrachte; die Reform der VBA, die sie zu einer Armee des Volkes und für das Volk machte, u.a. wurden anerkannt. Demgegenüber stand sein Verrat. Wenn wir sagen, wir lassen die Gerüchte um Verschwörungen beiseite, so konnten dies die Chinesen nicht tun. Ab wann hat er sich gewendet, welche Anzeichen gab es bereits? Dies und mehr musste natürlich auch geklärt werden und es wurde geklärt.

Drittens: Statt einer Staatskrise gab es die Kampagne zur „Kritik an Lin Biao und Konfuzius“. Es wurde klar, dass es Zeit war die Ideen des Konfuzius scharf zu bekämpfen. Sie gehören zur Jahrtausendalten Tradition der chinesischen Kultur und sind daher in ihr tief verwurzelt, wie bei uns das Christentum. Daher wurde die Affäre Lin Biao genutzt, um sich jetzt diesem hartnäckigen Gegner zu widmen – dem konfuzianischen Denken.

Den Kaiser zum Teufel gejagt und ebenso den Imperialismus und seine Lakaien, Chiang Kai-sheks weiße Truppen auf eine Insel verbannt, den Einfluss der Bourgeoisie und des Revisionismus gründlich zurückgewiesen und in den 70er Jahren machen sich die Massen auf und studieren, kritisieren und verjagen in großen Debatten, auf Wandzeitungen überall im ganzen Land, den ältesten aller Geister Chinas – Konfuzius. Übrigens nahmen die Partei und die Massen mit dieser Kampagne eine gute alte Tradition wieder auf: die „Bewegung 4. Mai“ vom Jahre 1919. Wir zitieren Joachim Schickel: „Die Bewegung für die neue Kultur vom 4. Mai war eine revolutionäre gegen den Imperialismus und Feudalismus gerichtete Bewegung des chinesischen Volkes, die am 4. Mai 1919 ausbrach. Sie war gleichzeitig eine Bewegung für eine neue Kultur, die einen konsequenten Kampf gegen die feudale Kultur führte. Sie stand unter zwei großen Losungen: „Nieder mit der alten Moral, hoch die neue Moral!“ und „Nieder mit der alten Literatur, hoch die neue Literatur!“.[73] Damals trugen Studenten ein Transparent „Nieder mit dem Konfuzius-Laden!“. 1973/1974 nahm das chinesische Volk diesen Kampf wieder auf und erschütterte den Konfuzius-Laden nachhaltig.

KAZ-Fraktion „Ausrichtung
Kommunismus“, D. B. Phu

1 „Trotz späterer Einschränkung der kollektiven Aspekte (...) blieb die Volkskommune durch alle Änderung der politischen Linie der folgenden fünfzehn Jahre (hier: von 1958/59 bis 1973/74) hindurch erhalten.“ Zit. Nach: Hoffmann, Rainer: Kampf zweier Linien, Klett-Cotta, Stuttgart, 1978, S. 34

2 Es wäre zu überprüfen, ob der Bürokrat im Sozialismus eine gewisse ähnliche Erscheinung darstellt, wie der Arbeiteraristokrat in den imperialistischen Ländern.

3 Lenin, W.I.: Staat und Revolution, AW Bd. III, Dietz, Berlin, 1983, S. 572

4 Unter anderem waren dies zwischen 1961 und 1962 die allwöchentliche Kolumne von Teng To „Abendgespräche am Yenshan“ („Abendgespräche am Schwalbenberg“), oder die „Notizen aus dem Drei-Familien-Dorf“, die Teng To, Wu Han und Liao Mosha zu dritt publizierten. Schließlich war es Wu Han der bereits 1959 die Generalabrechnung Peng Dehuais mit Mao Tsetung und Peng Dehuais Amtsenthebung, in dem Stück „Hai Jui beschimpft den Kaiser“ verarbeitete (vgl.: Schickel, Joachim: Dialektik in China, in: Kursbuch 9, Suhrkamp, Frankfurt/M, 1967, S. 68 f. und Rainer Hofmann: Kampf zweier Linien, S. 58

5 Peng Dehuai, der ehemalige Verteidigungsminister, machte sich als großer Kritiker des „Großen Sprungs“ einen Namen und (damit) zum Wortführer der Parteirechten. Er wurde – so stellt es Wun Han dar, indem er die Vergangenheit benutzt – vom „Kaiser“ Mao Tsetung, da er ein mutiger Beamter war (genau so wie Hai Jun damals) „seines Amtes enthoben“.

6 Hoffmann, Rainer, Klett-Cotta, Stuttgart, 1978, S. 59 (Fußnote 5)

7 ebenda, S.60

8 Mao Tsetung später darüber: „Das Beijinger Parteibüro und die Parteizentrale erwiesen sich als völlig unzulänglich. Im September letzten Jahres (1965) habe ich gefragt: wenn das Parteizentrum revisionistisch würde, was könnten dann die lokalen Organisationen tun? Damals wurde mir klar, dass ich meine Vorstellungen in Beijing nicht mehr durchsetzen konnte. Warum begann die Kritik an Wu Han in Shanghai und nicht in Beijing? Weil in Beijing keiner bereit war, diese Aufgabe anzupacken.“ Zit. Nach: Hofmann Rainer: a.a.o., S. 60 (Fußnote 8)

9 vgl.: Chen, Jack: Chinas Rote Garden, Klett-Cotta, 1977, S. 195 und: Hoffmann, Rainer: a.a.O., S. 60

10 Chen, Jack: a.a.O., S. 193

11 Hoffmann, Rainer: a.a.O., S. 62

12 Chen, Jack: a.a.O., S. 198

13 Schickel, Joachim: Mao Tsetung: Der Große Strategische Plan, Edition Voltaire, Hamburg, 1969, S. 129

14 ebenda, S. 129

15 Als Mandarine wurden die privilegierten und korrupten Beamten des kaiserlichen Chinas bezeichnet.

16 vgl.: Schickel, Joachim: Dialektik in China, in: Kursbuch 9, Suhrkamp, Frankfurt/M, 1967, S.68ff

17 Schickel, Joachim: Mao Tsetung: Der Große Strategische Plan, Edition Voltaire, Hamburg, 1969, S. 129

18 ebenda, S. 136

19 Schickel, Joachim: Mao Tsetung: Der Große Strategische Plan, Edition Voltaire, Hamburg, 1969, S. 137

20 vgl.: Der Kampf zweier Linien in Chinas Landwirtschaft und Industrie 1949-1966, KAZ 320, S. 26

21 Hoffmann, Rainer: a.a.O., S. 67

22 Wandzeitungen mit kleinen Schriftzeichen wollten die Universitätsleitung, die „Arbeitsgruppen“ Liu Shaoqis und auch Leute wie Peng Chen. Die Rebellen fertigten aber Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen: überall gut sichtbar und auffallend, wie bspw. Transparente, um daher besser um Massenkritik zu fördern.

23 Chen, Jack: a.a.o., S. 210

24 Hoffmann, Rainer: a.a.O., S.71

25 Chen, Jack: a.a.O., S. 211

26 zit. nach: Beijinger Volkszeitung, 5. August 1966, S.1

27 Schickel, Joachim: Mao Tsetung: Der Große Strategische Plan, Edition Voltaire, Hamburg, 1969, S.146 f.

28 z.B. in: Schickel, Joachim: Mao Tsetung: Der Große Strategische Plan, Edition Voltaire, Hamburg, 1969, S.127-137; http://www.infopartisan.net/archive/maowerke/Mao_Grossartiges _Document.htm#Rundschreiben

29 Das „kleine rote Buch“ – im Westen „Mao-Bibel“ betitelt, ist eine Zitatensammlung von Mao Tsetung, das 1965 von Lin Biao für das Studium innerhalb der Armee herausgegeben wurde. Während der Kulturrevolution wurde es in großer Auflage gedruckt und verbreitet. Für viele Chinesen war die Zitatensammlung Mao Tsetungs von großer Bedeutung, da einige der darin veröffentlichten Zitate bis dahin unbekannt waren.

30 Hoffmann, Rainer: Entmaoisierung in China, Weltforum, München, 1972, S. 158-159

31 Hoffmann, Rainer: Maos Rebellen – Sozialgeschichte der chinesischen Kulturrevolution, Hoffmann und Campe, Hamburg, 1977, S. 48-54; Hoffmann, Rainer: Kampf zweier Linien, a,a,O,, S. 65 f.

32 Mao Tsetung: Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung, Fischer, Frankfurt/M., 1969, S. 128 f.

33 ebenda, S. 129

34 Hoffmann, Rainer , Kampf zweier Linien, a.a.O., S. 58

35 vgl. KAZ 320, S. 40

36 1. die erhöhte Zuteilung von Ländereien für private Nutzung, 2. die Errichtung von (mehr) freien Märkten und 3. von kleinen Betrieben mit eigener Verantwortung für Gewinn und Verlust. Sowie 4. die individuelle Festlegung der Ertragsquote jeder Bauernfamilie.

37 Die Existenz von Vertragsarbeiter beruht auf der Einführung eines zweistufigen Lohnsystems und geht auf eine Klausel im Text des Dritten Fünf-Jahres-Plans (1966-1970) zurück, die die Betriebe auffordert – Stichwort Produktivität und Rationalität – 30% der regulären Arbeiter durch billigere Vertragsarbeiter zu ersetzen.

38 Schickel, Joachim, Der große strategische Plan, a.a.O., S. 159

39 Chen, Jack: a.a.O., 23 1f.

40 vgl.: Schickel, Joachim: Dialektik in China, in: Kursbuch 9, a.a.O., S. 63 f.

41 Chen, Jack, a.a.O., S. 233 ff.

42 Hoffmann, Rainer, Kampf zweier Linien, a.a.O., S. 74 f.

43 ebenda, a.a.O., S. 77

44 ebenda

45 vgl.: Hoffmann, Rainer: Kampf zweier Linien, a.a.O., 78 ff.

46 zit. nach: Leitartikel: „Die Diktatur des Proletariats und die Große Proletarische Kulturrevolution“, in: Rote Fahne, vom 13.Dezember 1966, aus: Hoffmann, Rainer: Kampf zweier Linien, a.a.O., S.80

47 vgl.: Chen, Jack: a.a.O., S. 249

48 vgl.: Chen, Jack: a.a.O., S. 250 f.

49 vgl.: Chen, Jack: a.a.O, S. 255

50 Hoffmann, Rainer: Kampf zweier Linien, a.a.O., S. 90

51 Chen, Jack: a.a.O., S. 258

52 Chen, Jack: a.a.O., S. 259

53 Chen, Jack: a.a.O., S. 261

54 Chen, Jack: a..a.O., S. 264

55 Wenyuan, Yao: „Die Arbeiterklasse muss bei allem die Führung innehaben“ , 1968, zit.: nach: Kampf-Kritik-Umgestaltung: Proletarische Schule und Universität in China, Theorie und Praxis, Nr. 6, Oberbaum, Berlin, 1972, S. 6

56 Vgl.: Myrdal Jan, Liu Lin, Bd. 2, Verlag Neuer Weg, Stuttgart, 1985, S. 130

57 zit. Nach: Schickel, Joachim: Mobilisierung der Massen, a.a.O., S. 36

58 Schickel, Joachim: Mobilisierung der Massen, a.a.O., S. 43 ff.

59 der Namen „Barfußärzte“ wurde gegeben „(...) weil sie neben ihrer Behandlungstätigkeit auch zur Feldarbeit hinausgingen, wobei sie wie alle anderen ihre Hosenbeine aufgerollt trugen und die Schuhe ausgezogen hatten.“ Zit. nach: Chen, Jack: Ein Jahr im Dorf Glückseligkeit – Bericht eines chinesischen Intellektuellen nach der Kulturrevolution, Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf/Köln, 1974, S. 218

60 Schickel, Joachim: Mobilisierung der Massen, a.a.O., S. 158

61 Chen, Jack: Chinas Rote Garden, a.a.O., S. 399

62 Die Volkskommunen sicherten mit den „fünf Garantien“ allen Mitgliedern genügend Essen und Nahrung, genügend Kleidung, genügend Brennstoff/Strom, ein ehrenvolles Begräbnis und Ausbildung für die Kinder, vgl.: Myrdal, Jan: Liu Lin, S. 38 f.

63 weitere Angaben macht Jack Chen: 1949, bei einer Bevölkerung von 500 Mio. Menschen, betrug die Ernte 110 Mio. Tonnen Getreide, 1974 betrug bei knapp 800 Mio. Menschen 250 Mio. Tonnen Getreide. Ebenso stieg die Obst- und Gemüseproduktion, die Zahl der Schweine stieg um das Viereinhalbfache (auf 260 Millionen) und Schafe und Ziegen auf das Dreieinhalbfache (auf 56 Millionen). Vgl.: Chen, Jack: Chinas Rote Garden, a.a.O.., S. 400 f.

64 zit. nach: Schickel, Joachim: Im Schatten Mao Tsetungs - Chinas nahe Geschichte, Fischer, Frankfurt/M., 1982, S. 189

65 Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass von anderen Quellen beschrieben wird, dass Liu in Haft gestorben sei.

66 Schickel, Joachim: Im Schatten Mao Tsetungs – Chinas nahe Geschichte, a.a.O., S. 14

67 Böke Henning: Maoismus, Schmetterling, Stuttgart, 2007, S. 80

68 Snow, Edgar: Chinas lange Revolution, DVA, Stuttgart, 1973, S. 87

69 ebenda

70 Jack Chen übersetzt das Wort „Geisterkraft“ mit „übernatürlicher Wirkung“, vgl.: Chen, Jack: Chinas Rote Garden, a.a.O., S. 362

71 Martin, Helmut: Mao intern, Carl Hanser, München, 1974, S.192 ff.

72 Schickel, Joachim: Konfuzius – Materialien zur einer Jahrhundert-Debatte, S. 198

73 Schickel, Joachim: Konfuzius, a.a.O., S. 269 (Fußnote 19)

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