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Für Dialektik in Organisationsfragen

Aktivenportal der IG Metall:

Störung des Betriebsfriedens durch Bundesgerichtshof-Urteil

Das vermittelt die IGM-Führung mit einem am 8. Mai 2024 im IGM-Aktivenportal unter dem Titel „Rechtssichere Betriebsratsvergütung“ veröffentlichtem Info-Papier aus dem IGM-Bereich Betriebspolitik. Der Vorstand feiert darin die von einer Expertenkommission des Bundesarbeitsministeriums „Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung“ ausgearbeitete Gesetzesinitiative zur Änderung der Betriebsverfassung als Erfolg seiner Forderungen an die Regierung. Konkret geht es hierbei um eine Ergänzung der Paragraphen, die im Betriebsverfassungsgesetz vor allem die Bezahlung von der Arbeit im Betrieb freigestellter Betriebsratsmitglieder regeln. IGM-Mitgliedern, Belegschaften und insbesondere den Betriebsräten wird dazu erklärt, dass die Änderungen dem Urteil des BGH von Januar 2023 und der Schaffung notwendiger Rechtssicherheit geschuldet sind. Der BGH hat festgestellt, dass sich Personalverantwortliche strafbar machen können, wenn sie gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verstoßen. Nach dem entsprechenden Gesetzestext gilt dabei für Betriebsratsmitglieder: „Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.“

Zur Erinnerung an 2023: Das hier in der Diskussion stehende BGH-Urteil hat auf eine Reihe „Personalverantwortlicher“ gewirkt, wie „der Stich ins Wespennest“! Offensichtlich in der Annahme, möglicherweise von der damit angedrohten Strafbarkeit betroffen zu sein, sind sie auf die Entgelte der von ihnen „begünstigten“ – korrekter – im Auftrag des Kapitals, der Konzernleitungen bestochenen Betriebsratsmitglieder losgegangen. Dazu hieß es am 10. Januar 2023 im Handelsblatt und vielen anderen Presseorganen und generell in den Medien: „VW muss den Betriebsräten ab Februar die Gehälter kürzen“.

Nach den Handelsblatt-Informationen ist es dabei um Lohn-Kürzungen bei rd. 80 „leitenden“ (was das auch immer heißen soll) – davon 4 mit Managergehältern bedachten VW-Betriebsratsmitgliedern gegangen. Die Kürzungen lagen dabei in Einzelfällen bei 4.000 Euro monatlich. Ein Sprecher des VW-Betriebsrates hat dabei das BGH-Urteil als „Skandal-Urteil“ bezeichnet, das „einem bundesweiten Frontalangriff auf die Mitbestimmung“ gleichkomme. Wir haben darüber in der KAZ 383 im April 2023 auf den Seiten 4 bis 6 unter dem Titel berichtet: Eine „Schreckensnachricht“ für geschmierte Betriebsräte? – und dazu kommentiert: „Ist die Arbeiteraristokratie zu teuer?“ (S. 7)

Die „Frontal-Angriffe“ auf das BGH-Urteil sind offensichtlich dazu gedacht, von den zu dieser Prozess-Geschichte gehörenden und dadurch hochgekochten Bestechungsaffären des VW-Konzerns abzulenken bzw. sie zu verharmlosen. Hierbei versucht die IGM-Führung, ihre Hände in Unschuld zu waschen und den Eindruck zu erwecken, als hätte sie nichts von dem bemerkt, was bei VW und Töchtern wie Traton-MAN abgeht. Dabei wurde über eine Reihe von Jahren durch Arbeits-, Landes- und Bundesarbeitsgericht rechtssicher festgestellt, dass es vielfach um Korruption gegangen ist und geht. Den ganzen damit zur Spaltung und Korrumpierung der Arbeiterklasse, Belegschaften und Betriebsräte verbundenen Angriff des Kapitals lässt der IGM-Vorstand jetzt mehr oder weniger hinter dem o. g. IGM-Papier von einer „rechtssicheren Betriebsratsvergütung“ verschwinden. Von einer Diskussion in Belegschaften und bei Betriebsräten zur „rechtssicheren“ Abschaffung des Einverständnisses mit der Bestechung von Betriebsratsmitgliedern ist dabei keine Rede. Nach fast 1,5 Jahren Urteilsverkündung behauptet die IGM-Führung u. a. darin: „Das BGH-Urteil hat zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt. Teilweise haben Arbeitgeber Betriebsratsmitgliedern die Vergütung gekürzt und Rückforderungen geltend gemacht. In anderen Fällen wurden alle Betriebsräte unter Generalverdacht gestellt, und ihre Eingruppierung überprüft. Presseberichten zufolge sahen sich einzelne Unternehmen mit anonymen Anzeigen und entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert. Das führte in vielen Betrieben zu einer Störung des Betriebsfriedens.“

Nach Aussagen im IGM-Aktivenportal klagen zurzeit noch eine Reihe von Betriebsratsmitgliedern mit Rechtsschutz der IGM gegen Gehaltskürzungen und Rückforderungen der Kapitalisten. Der IGM-Vorstand hat hierbei den Bestechungsgeldern den Kosenamen „Überzahlung von Betriebsratsmitgliedern“ verpasst. Wie es heißt, gab es bei den Prozessen Erfolge vor Arbeits- und bei ersten Fällen vor Landesarbeitsgerichten. Dabei wird erwartet, dass einige Prozesse erst vom Bundesarbeitsgericht BAG entschieden werden können bzw. werden müssen. Was juristisch bedeutet, einer der Prozessbeteiligten oder auch beide – die IGM oder eine Konzernleitung – will bzw. wollen ein Grundsatzurteil erwirken, um damit die viel bemühte Rechtssicherheit im Klagefall herzustellen. In dem Zusammenhang hat die oben erwähnte Expertenkommission aus dem Bundesarbeitsministerium erklärt, was für die Eingruppierung und Lohnfindung freigestellter Betriebsratsmitglieder auszuschließen ist: „Kein zulässiges Kriterium ist, dass Betriebsratsmitglieder mit Vorständen und Managern ,auf Augenhöhe verhandeln’ oder ,komplexe Aufgaben’ wahrnehmen oder in ,unternehmerische Entscheidungsprozesse eingebunden’ sind. Hier knüpft die Gesetzesbegründung an die BGH-Entscheidung an. Ohne Bezug zu einer konkreten Stelle im Betrieb und dessen Anforderungsprofil besteht kein Anspruch auf eine höhere Vergütung nach § 78 Satz 2 BetrVG. Der bloße Zuwachs an Kompetenzen, Kenntnissen und Fähigkeiten während der Amtsausübung als Betriebsratsmitglied reicht nicht aus. Auch bei anderen Beschäftigten führt der bloße persönliche Kompetenzzuwachs nicht ohne weiteres zu einem höheren Vergütungsanspruch.“

Mit diesen Feststellungen werden die Versuche, z. B. Anerkennung und Bezahlung angeblicher Management- oder anderer sogenannter Co-Management-Aufgaben von Betriebsratsmitgliedern, in der Regel von Vorsitzenden (Begründungen von Osterloh, dem ehemaligen VW-BR-Vorsitzenden) sowie die IGM-Forderungen nach „Berücksichtigung erworbener Qualifikationen, Erfahrungen und wahrgenommener Aufgaben“ abgelehnt.

Wie oben bereits angemerkt, werden den Paragraphen 37 Abs. 4 und 78 Zusätze angefügt, von deren Formulierungen sich die IGM-Führung eine erleichterte Lohnfestsetzung sowie der dafür geforderten Rechtssicherheit für freigestellte Betriebsratsmitglieder verspricht. Korruptionsversuche des Kapitals werden durch diese Änderungen voraussichtlich nicht ausgeschlossen. Ob es wieder dazu kommt und die bisher jahrelang geübte Praxis fortgesetzt wird, ist abhängig von den Konsequenzen, die Belegschaften und Betriebsräte aus diesen Vorgängen für ihr Handeln ziehen.

Zu den Einzelheiten – z. B. Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, sie steht als gesetzliche Regelung noch aus – müssen wir auf die Inhalte des BetrVG und des o. g. am 8. Mai 2024 im IGM-Aktivenportal veröffentlichten Papier verweisen.

Ludwig Jost

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