Für Dialektik in Organisationsfragen
Die Siemens-Personalchefin Judith Wiese erklärt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (6. Mai 2024), dass sich Deutschland eine Diskussion über kürzere Arbeitszeiten aufgrund des Fachkräftemangels nicht leisten könne. An anderer Stelle wird deutlich, worum es wirklich geht. Auf die Frage, ob eine Vier-Tage-Woche überhaupt realistisch sei, antwortet die Personalchefin: „Die Frage wäre dann auch eher: bei vollem Lohnausgleich?“
Im Geschäftsjahr 2023 erzielte Siemens einen Profit von über 8,5 Milliarden Euro, das höchste Ergebnis seit 2010. Diese für das Siemenskaptal doch höchst erfreuliche Entwicklung soll offensichtlich durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich keinesfalls gefährdet werden.
Die Rüstungsfirma Hensoldt mit Sitz in Taufkirchen bei München, stellt Radare und Sensoren für Panzer, Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge oder Flugabwehrsysteme her. Umsatz und Gewinn steigen auch bei Hensoldt seit der sog. Zeitenwende und der Lieferung von Waffen aus Deutschland an die Ukraine. Doch selbstverständlich alles nur für einen guten Zweck. „Unsere Systeme retten jeden Tag Leben in der Ukraine“, behauptet doch allen Ernstes der Chef von Hensoldt, Oliver Dörre, ehemals Bundeswehroffizier (Süddeutsche Zeitung vom 13. Mai 2024). Seltsam nur, dass jeden Tag, um den dieser Krieg mit massiver militärischer Unterstützung verlängert wird, weitere Menschen sterben. Der Kurs der Hensoldt-Aktie hat sich verdreifacht. Der Hensoldt-Chef freut sich, aber nur „mit Demut“.
Auch der boomende Waffenhersteller Rheinmetall tut nur Gutes. Rheinmetall-Chef Papperger versteigt sich zwar nicht dazu, seine Waffen als Lebensretter schön zu reden. Doch seiner Meinung nach helfe die Rüstungsindustrie, „die Demokratie zu verteidigen“ (Süddeutsche Zeitung 11./12. Mai 2024). Wie es um die Demokratie in der Ukraine bestellt ist, darüber lässt er sich vorsichtshalber genauso wenig aus, wie unsere kriegstüchtigen Politiker.
Gut bestellt ist es auf jeden Fall um den Aktienkurs, der seit Beginn des Krieges in der Ukraine fast um das dreifache gestiegen ist.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter fordert, dass die Ukraine Waffen aus Deutschland auch für Angriffe auf Ziele in Russland nutzen dürfen solle. Und Robert Kiesewetter, CDU, dringt darauf, dass westliche Staaten, wohl auch Deutschland, ihre Luftabwehr 70 bis 100 km in den Westen der Ukraine vorverlagern sollen (Frankfurter Allgemeine Zeitung 27. Mai 2024). Deutsche Soldaten würden dann in der Ukraine unmittelbar Krieg gegen Russland führen.
Schon vor 12 Jahren hatte sein Partei-Kollege Elmar Brok erklärt, dass man die Ukraine, diesen zentralen Staat Osteuropas, keinesfalls an Russland verlieren wolle, aus „geopolitischen Gründen nicht, aus wirtschaftlichen nicht und auch aus historischen Gründen nicht“. „Die Kornkammer Europas“, das habe er in der Schule über die Ukraine gelernt, „gehöre eben nach Europa“ (www.german-foreign-policy.com vom 14. Mai 2012)
Anders, als permanent gewarnt wird, ist die Demokratie nicht durch äußere Mächte bedroht, gegenüber denen sie verteidigt werden müsse, sondern von inneren.
Wie jedes Jahr erschien auch dieses Jahr ein Grundrechte-Report, veröffentlicht von zehn Bürgerrechtsvereinigungen. In diesem wird aufgelistet, wie es um die Grundrechte in Deutschland bestellt ist: Ausgesprochen schlecht. Dabei wird nicht nur auf die Erstarkung der AfD verwiesen, sondern auch auf die immer weitergehende Einschränkung der demokratischen Rechte durch den Staat: Verbote von Versammlungen und Demonstrationen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, Präventivhaft für Klimaaktivisten, Erklärung unliebsamen Widerstands zur kriminellen Vereinigung, menschenunwürdiger Umgang mit Flüchtlingen, Zerschlagung des Asylrechts... Dieser Report ist durchaus nicht umfassend. Doch was darin aufgelistet ist reicht, dass der frühere Innenministers Gerhart Baum (FDP) bei seiner Vorstellung erklärte: „Unsere Grundrechtsordnung ist Gefährdungen ausgesetzt, wie ich sie noch nie in meinem Leben erlebt habe.“ (Süddeutsche Zeitung 23. Mai 2024)
gr
Artikel aus „Auf Draht“ vom 11.6.2024, einer Zeitung, die vor Betrieben verteilt wird. Herausgegeben von DKP München und Gruppe KAZ München.
Rote Karte für den BVB: Eine Kampagne der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) 2024 zum Werbedeal von Rheinmetall und dem Dortmunder Fussballerstligisten BVB. Mittlerweile gibt es auch viele Fanproteste gegen diesen Deal.