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Erst Jugoslawien – jetzt die Ukraine

Die Ukraine steht am Rand eines Bürgerkrieges. Die durch einen Staatsstreich an die Macht gekommene, von Deutschland ermutigte und unterstützte Regierung in Kiew schickt nun Panzer gegen diejenigen Kräfte im Osten der Ukraine, die diese selbsternannte und mit Faschisten durchsetzte Regierung und deren EU-Anbindung ablehnen. Die Gegner der Kiewer Regierung haben in etlichen Städten Parlamentsgebäude und Polizeistationen besetzt und kämpfen für ein Referendum, in dem über den zukünftigen Status ihres Gebietes abgestimmt werden soll. In Odessa im Süden der Ukraine flüchten Gegner der selbsternannten Kiewer Regierung vor Anhängern dieser Regierung, darunter etliche Faschisten des „Rechten Sektors“, ins Gewerkschaftshaus, das in Brand gesetzt wird. Die Ausgänge werden von den Faschisten blockiert. Mehr als 40 Menschen sterben in den Flammen oder beim Versuch, sich durch einen Sprung aus den Fenstern zu retten.

All das hindert die Bundesregierung nicht, die Kiewer Regierung weiter zu unterstützen. Ganz im Gegenteil. Die Besetzungen der Parlamentsgebäude im Osten werden als illegitim verurteilt, während die ebenfalls mit Besetzungen und offener Gewalt sich an die Macht geputschte Regierung als demokratische, rechtmäßige Übergangsregierung der Ukraine anerkannt wird. Die russische Regierung wird beschuldigt, aus reinem Machtkalkül die Krise anzuheizen, um nach der „völkerrechtwidrigen Annexion“ der Krim einen Anlass zu finden, weitere Teile der Ukraine zu annektieren.

Man muss nicht Partei für die russische Regierung ergreifen, sondern nur die jüngste Geschichte anschauen, um festzustellen, dass die Vertreter des deutschen Staates das Völkerrecht so hinbiegen, wie sie es brauchen.

Die Missachtung des Völkerrechts ...

15 Jahre ist es her, als Deutschland das erste Mal nach 1945 wieder Krieg führte, Krieg gegen Jugoslawien. Es war ein Krieg, der durch kein Völkerrecht legitimiert war. Ein Krieg, der von deutscher Seite her geführt wurde, um Jugoslawien endgültig zu zerschlagen, indem ihm auch noch das winzige Kosovo entrissen wird. Ein Krieg, dessen Saat viele Jahre davor gesät worden ist.

Am 3. Oktober 1990, an dem Tag, als die BRD durch die Einverleibung der DDR zum größten Staat Westeuropas wurde, erklärte Bundeskanzler Kohl: „Wir sind uns bewußt, dass die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa eine grundlegende Bedingung für den Frieden ist.“[1] Es war eine bewusste Täuschung, um die Weltöffentlichkeit vor dem nun noch mächtiger gewordenen deutschen Staat zu beruhigen. Denn gleichzeitig begannen deutsche Politiker slowenische und kroatische Lostrennungsbestrebungen von Jugoslawien aktiv zu unterstützen. Nur gut ein Jahr später erkannte Deutschland gegen den Willen der in der Europäischen Gemeinschaft verbündeten Staaten, gegen den Willen der UNO und der USA, Slowenien und Kroatien als eigenständige Staaten an. Es drängte weiter auf Lostrennung und Anerkennung Bosnien-Herzegowinas, trotz aller Warnungen vor den weiteren, absehbaren Bürgerkriegsfolgen. „Serbien muss in die Knie gezwungen werden“, forderte 1992 der damalige Außenminister und frühere Geheimdienstchef Kinkel und scheute sich nicht, dabei an alte Kriegspropaganda anzuknüpfen.

… um alte Ziele auf dem Balkan zu verfolgen

Knapp 80 Jahre vorher zog das mit Österreich-Ungarn verbündete deutsche Kaiserreich mit dem Schlachtruf „Serbien muss sterbien!“ in den 1. Weltkrieg. Die Bestrebungen der aufkommenden Kapitalisten in Serbien, einen einheitlichen, slawischen Staat auf dem Balkan zu errichten, unabhängig von den Großmächten, sollten ein für allemal zerschlagen werden. Der österreichische Kaiser schrieb kurz vor Beginn des 1. Weltkrieges an den deutschen Kaiser, Serbien müsse „als Machtfaktor am Balkan ausgeschaltet“ werden. Doch es kam anders. Mit der Niederlage des Deutschen Reiches, zu der auch die serbische Armee beigetragen hatte, wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen ausgerufen. Auf der Friedenskonferenz 1919 erklärte der Ministerpräsident dieses Staates, Pasic, dieser werde ein Bollwerk gegen den „deutschen Drang nach Osten“ sein. Ein Bollwerk, das im 2. Weltkrieg selbstverständlich wieder zerschlagen werden musste. Im Frühjahr 1941 erteilt Hitler den Befehl: „ … alle Vorbereitungen zu treffen, um Jugoslawien militärisch und als Staatsgebilde zu zerschlagen.“[2] Jugoslawien wurde ein zweites Mal überfallen und in 10 Okkupationszonen zerlegt. SS, Gestapo und Wehrmacht sowie einheimische, faschistische Kollaborateure, wie die kroatische Ustascha, wüteten in Jugoslawien mit unvorstellbarer Grausamkeit. Doch unter Führung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens wuchs der Widerstand. Die jugoslawischen Partisanenheere, Arbeiter, Bauern, Handwerker, Akademiker, schlugen schließlich die faschistischen Besatzer zurück und befreiten das Land. Am 29.11.1945 wurde die Föderative Volksrepublik Jugoslawien proklamiert. Sie hatte 47 Jahre Bestand, 47 Jahre, in denen Serben, Kroaten, Slowenen, Bosnier friedlich miteinander lebten, bevor sich der deutsche Imperialismus wieder anschickte, die Welt zu seinen Gunsten neu aufzuteilen.

Weg frei für den deutschen Drang nach Osten …

Die Herrschaften haben erreicht, was sie erreichen wollten. Jugoslawien ist inzwischen in sechs kleine Staaten und das winzige Kosovo zerschlagen. Kosovo, bis dahin in vier Besatzungszonen aufgeteilt, wurde 2008, wiederum auf Drängen Deutschlands, völkerrechtswidrig als eigenständiger Staat anerkannt, gegen den Willen Serbiens und vieler anderer Staaten. Gegen den UN-Beschluss von 1999, in dem die Unverletzlichkeit der serbischen Grenzen garantiert worden ist.[3] Noch immer sitzt das zweitgrößte Auslandskontingent der Bundeswehr im Kosovo. Keiner dieser Staaten ist alleine lebensfähig, die Armut ist groß und die Erwerbslosigkeit hoch. Doch der führende Einfluss des Staates der deutschen Monopole auf der Balkanhalbinsel ist abgesichert. Das war der Grund, warum sich damals die deutschen Regierungen, von Kohl bis zu Schröder, zu glühenden Verteidigern des Selbstbestimmungsrechts der Teilrepubliken Jugoslawiens aufspielten, einen furchtbaren Bürgerkrieg vom Zaune brachen und schließlich selbst Krieg führten.

… hin zur Ukraine

Heute pocht die Regierung der Großen Koalition auf die territoriale Integrität des ukrainischen Staates, befeuerte zuvor die Proteste der EU-orientierten Kräfte und unterstützt nun die selbsternannte Regierung in Kiew – egal, wie sehr sich diese auf faschistische Kräfte stützt. Die Ukraine, dieses große Land im Süden der Russischen Föderation, das auf dem Weg zu den reichlichen Bodenschätzen am Kaspischen Meer liegt, wollen die Herrschaften als Ganzes in ihrem Einflussbereich – und dem Einfluss Russlands entreißen. Darum geht es und nicht um irgendein Völkerrecht.

gr

Aus: Auf Draht 13.5.2014

Wer genau ist Oleg Tjagnibok? Oleg Tjagnibok ist ein nationalistischer ukrainischer Politiker. Er ist seit 2004 Vorsitzender der Allukrainischen Vereinigung „Swoboda“ und seit 2012 auch Fraktionsvorsitzender der Swoboda-Fraktion im ukrainischen Parlament.

Im Dezember 2012 wurden Tjagnibok und sein Stellvertreter Ihor Miroshnychenko vom Simon-Wiesenthal-Zentrum auf Platz 5 seiner „Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs“ gesetzt. Tjagnibok hatte behauptet, die Ukraine werde von einer „jüdisch-russischen Mafia“ regiert und Miroshnychenko hatte die Schauspielerin Mila Kunis als „dreckige Jüdin“ bezeichnet.

1 zitiert nach Ralph Hartmann „Die ehrlichen Makler“, Berlin 1998, S. 19

2 ebenda S. 44

3 siehe dazu: www.german-foreign-policy.com vom 10.4.2014 „Regierungsamtliche Vokative“

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