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Für Dialektik in Organisationsfragen

Vom Kriegsbrandstifter zum Friedensengel

Die Ukraine als weiteres Opfer deutscher Osteuropapolitik, Teil 1

„Wir Europäer lassen uns von niemandem vorschreiben, wie wir zueinanderfinden und ob wir zueinanderfinden ... Hier schlägt das Herz europäisch.“ (Der seinerzeit amtierende Außenminister Guido Westerwelle in Kiew auf dem Maidan am 4.12.2013.) So die Stimme des Aggressors selbst. Und zuvorderst: Wer findet zueinander? Wer sind überhaupt wir? Und: was ist ein europäisch schlagendes Herz? Herr Westerwelle griff tief in den demagogischen Tabaksbeutel und machte sich mitverantwortlich für das nicht mehr zu übersehende „Wie“: ein Bürgerkrieg, dessen Brutalität unübersehbar und dessen Konsequenzen nicht mehr absehbar sind. Anderthalb Jahre nach dem vom auswärtigen Amt mitorganisierten Kriegsgeschrei auf dem Maidan fliegt nun ein deutscher Friedensengel, sich unschuldig gebend, wie er nun einmal ist, über den Schlachtfeldern der Ukraine und ist nur um eins bemüht: um den Frieden. Aber jeder Frieden ist nun mal ein Frieden nach den Vorstellungen bestimmter Klasseninteressen. Es ist kein Wunder, dass sich die Ereignisse in der Ukraine an dem EU-Assozierungsabkommen entzündet haben, an einem Papier, das die Ukraine unter EU-Kuratell stellen sollte und sogar gleiche militärische Interessen vorgibt, ein Papier, das der Präsident Janu­kowitsch erst noch überprüfen wollte. Damit war die Inszenierung seiner Absetzung geboren, der Bürgerkrieg als Mittel hierzu respektiert, wenn nicht sogar forciert. Doch dazu später.

„Europäisch“ heißt in diesem Zusammenhang eine Abgrenzung von Russland, heißt: entweder ist die Ukraine „russisch“ oder „europäisch“. Diese, in jeder Hinsicht unwissenschaftlich gestellte Frage, will der deutsche Imperialismus entschieden wissen. Dazu musste der Krieg her!

In der ersten Hälfte des Zweiteilers wollen wir untersuchen, inwieweit der Vorstoß in die Ukraine, besonders im Westen des Landes, immer auch ein Vorstoß gegen Russland bzw. gegen die Sowjetunion war. Und wir zeigen auf, dass es genuin Vertreter des deutschen Imperialismus sind, die dem russischen Bären ans Fell wollen, auch wenn uns die Medien den US-Imperialismus als den „einzigen“ und ausschließlichen Bösewicht hinstellen.

Im zweiten Teil gehen wir näher auf die EU-Osterweiterung ein, die sich strategisch deutlich von der Nato-Osterweiterung unterscheidet. Und darauf, warum sich der Bürgerkrieg an deutschen und nicht an US-amerikanischen Forderungen entzündet hat und wie deutsche Vertreter es schaffen, vom Kriegsbrandstifter (2013) zum selbsternannten Friedensengel (2015) aufzusteigen.

Von der geteilten Ukraine zur Sowjetrepublik

Die Geschichte der Ukraine und Russlands sind untrennbar miteinander verbunden, schon der Begriff der Kiewer Rus, das erste russische Großreich, das seine Blüte in der Phase zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert hatte, verbindet die Begriffe „Kiew“ und „Russland“ miteinander. Später setzt sich der Begriff „Russland“ für das Gebiet östlich von Kiew durch.

Das alte Zentralgebiet um die „Rus“ hieß dann Ukraine, was übersetzt so viel heißt wie „Grenzland“ oder Land an der Grenze, vgl. ‚Krajina auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, die ironischerweise auch zum Schauplatz eines grausamen Bürgerkrieges in der Phase nach der „Wiedervereinigung“, also der Annexion der DDR durch den deutschen Imperialismus, geworden ist. Zurück zur Ukraine.

1648 war sie eigenständiger Kosakenstaat, wurde aber 1651 wieder durch Bündnisse Russlands mit dem osmanischen Staat in Abhängigkeit gebracht. 1796 wurden die südlichen und östlichen Gebiete zu einem russischen Gouvernement zusammengefasst, das tatsächlich den Namen „Neurussland“ trug. Unter Katharina der Großen wurden die Städte Sewastopol, Simferopol und Odessa gegründet (18. Jhd.). Die Ukraine wurde nun als Kleinrussland bezeichnet.

Nach dem Wiener Kongress 1815 konnte Russland die ukrainischen Gebiete östlich von Lwow behalten, die Gegend westlich von Lwow selbst wurde Österreich-Ungarn zugesprochen.

So war die Ukraine, dem Namen entsprechend, immer wieder hin- und hergerissen, zwischen der Stellung als eigenständiger Staat, als Teil Österreich-Ungarns und zu Russland zugehörig. Um diesem territorialen Machtpoker der einstigen russischen und ukrainischen Adeligen ein Ende zu bereiten, hat die Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki KPR (B)) nach der Oktoberrevolution 1917 schließlich den Weg frei gemacht für eine eigenständige Ukraine im Verbund der 15 Sowjetstaaten. Diese Ukraine umfasste beide Teile, sowohl den Osten als auch den Westen. Durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg wurden die von Öster­reich-Ungarn besetzt gewesenen Teile der Ukraine zugesprochen. Allerdings ist die junge Sowjetführung im März 1918 gezwungen gewesen, einen Diktatfrieden mit dem deutschen Imperialismus zu unterschreiben, der das Deutsche Reich ein Gebiet von Finnland bis zum Kaukasus kontrollieren ließ. Diesem „Frieden“ von Brest-Litowsk zum Opfer fielen Weißrussland, Teile des Baltikums und die Ukraine bis Rostow am Don. Nach der Niederlage des deutschen Imperialismus im August 1918 konnte dieser Vertrag annulliert werden,[1] die Ukraine in das neue sozialistische Sowjetrussland eingegliedert werden.

Die richtige Nationalitätenpolitik der Sowjetunion gab den einzig möglichen Lösungsansatz zur Frage der ukrainischen Nation: Vereinigung beider Teile unter Ausschaltung der Herrschaft der Großgrundbesitzer als Voraussetzung für die friedliche Entwicklung des Landes. Als gleichberechtigte Sowjetrepublik war die Ukraine ein wesentlicher Bestandteil der späteren Sowjetunion. Es ist der Imperialismus, der das Land wieder zerfetzt, in Ost und West aufteilt, alle Reaktionäre aus der Gruft der Geschichte befreit und als Geist der Zerstörung wüten lässt, um es gefügig zu machen und den imperialistischen Staaten nolens volens zum Fraß vorwirft.

Eckdaten zur Ukraine

Die Ukraine ist mit 579.320 qkm nach Russland flächenmäßig das größte Land in Europa. (Vgl. BRD 248.000 West + 108.000 Ost.) Mit ihrer Bevölkerung von ca. 45,5 Millionen Einwohnern ist sie der zweitstärkste Staat der ehemaligen Sowjetunion.

Die Nachbarstaaten sind: Belarus, Russland, Moldawien, Türkei (schwarzes Meer), Rumänien, Modawien, Slowakei und Bulgarien, was allein schon eine strategische Schlüsselstellung des Landes vermuten lässt. Für die Beurteilung der jüngsten politischen Ereignisse ist es nicht unwichtig zu erwähnen, dass die Ukraine neben Belarus und Russland eine der drei slawischen Sowjetrepubliken war.

Die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Ukraine ist enorm groß. Die Auslastung liegt bei 71 % des Gesamtterritoriums, was in etwa der Fläche der heutigen BRD entspricht. Mit einem Schienennetz von 21.000 km Länge gilt die Ukraine als infrastrukturell erschlossen.

Doch auch als Transitland für fossile Brennstoffe hat die Ukraine enorme Bedeutung. Die Pipelines wurden von Arbeitern und Ingenieuren der Sowjetunion verlegt und warfen in Form von Volkseigentum keinen Profit ab. Nach der Transformation in privatkapitalistisches Eigentum, oder anders ausgesprochen, nach der Enteignung des sowjetischen Proletariats, ist ein Tauziehen entstanden, darum, wer den Profit aus dem einstigen gesellschaftlichen Eigentum für sich verbuchen kann.

Die Ukraine als Sowjetrepublik und der Kampf um Osteuropa

Die Befreiung vom Hitlerfaschismus durch die Völker der Sowjetunion und durch die Anti-Hitler-Koalition jährt sich am 8. Mai dieses Jahres zum 70. Mal.

Ein Grund zu feiern? Ja und nein! Wir danken den Völkern der Sowjetunion, der Anti-Hitler-Koalition sowie den Partisaneneinheiten der Welt für die Befreiung. 70 Jahre danach stehen sich jedoch wesentliche Teile der größten Staaten der ehemaligen Sowjetunion teils in Bürgerkriegszuständen, teils Gewehr bei Fuß in einer quasi militärischen Auseinandersetzung gegenüber. „Hitlers Träume haben sich erfüllt“, ist bereits eine Redewendung, die im russischen Alltag Einzug gefunden hat. SNG steht in Russland für die Abkürzung GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten), welche ein lockerer Staatenverbund ehemaliger Sowjetrepubliken ist, aber eben auch für die oben angeführte Redewendung. 1992 löste sich die Sowjetunion auf, ein Staat, der aus der Oktoberrevolution 1917 hervorgegangen war und fünfundsiebzig Jahre Bestand hatte. Seit ihrer Gründung war die Sowjetunion allen Ausbeutern und erst recht allen Ausbeuterstaaten ein Dorn im Auge, die internationale Bourgeoisie organisierte sich gegen den Staat der Arbeiterklasse. Ganz nach der Brecht­schen Formel „wenn wir sie nicht mehr nähren wollen, sind sie sich plötzlich einig.“

Es folgte der Bürgerkrieg der faschistischen weißen Garden, mit voller Unterstützung derjenigen imperialistischen Länder, die sich wenige Monate zuvor noch in einem Weltkrieg um die Neuaufteilung von Absatzmärkten, Einflusssphären und Rohstoffen gegenseitig die Klinge an den Hals legten. Bereits im Ersten Weltkrieg wurden 50.000 Ukrainer in deutscher Gefangenschaft zu ukrainischem Nationalismus und antirussischem Aufbegehren angespornt.

Nachdem mit der Oktoberrevolution 1917 das zaristische Russland durch die revolutionäre Arbeiterklasse aus dem Kreis der imperialistischen Staaten herauskatapultiert worden war, hatten die übriggebliebenen imperialistischen Länder nun einen gemeinsamen Feind mit der Macht im Staat: das revolutionäre Proletariat.

Kein Mittel war dem Kreis der übriggebliebenen imperialistischen Staaten ungelegen, die junge Sowjetmacht zur Strecke zu bringen. Faschistische Generäle, Räuberbanden und Kriegsverbrecher sammelten sich unter der Fahne der „Weißen“ gegen die Völker der zukünftigen Sowjetunion. Selbst das im Weltkrieg besiegte Deutschland durfte wieder Soldaten in den Krieg schicken, in den Krieg gegen den Sowjetstaat. Bis auf ein Sechzehntel seiner Größe wurde das Territorium des sozialistischen Sowjetrusslands zusammengestaucht. Wie ein Wunder wirkt es, dass die Völker der Sowjetunion trotzdem nach fast vier Jahren Weltkrieg und dazu nach drei Jahren Bürgerkrieg einen Arbeiter- und Bauernstaat aufbauten, der innerhalb anderthalb Jahrzehnte zu einem der mächtigsten Industriestaaten der Welt aufsteigen sollte, mit einer Verteilung der Güter und Reichtümer des Landes, die der Erweiterung der Produktion und der Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung dienen sollten. Keine Bodenspekulation, keine Profitmaximierung, keine Überproduktionskrisen und keine Massenarbeitslosigkeit; das waren die ökonomischen Merkmale der sozialistischen Sowjetgesellschaft.

Selbst das Sturmtief der sogenannten Weltwirtschaftskrise zog an den mächtigen Kombinaten der Arbeiterklasse vorbei. Unterentwickelt blieben die Gebiete der Ukraine um Lwow bis Tarnopol im Westen des Landes, die aufgrund des Kräfteverhältnisses im Bürger- und Interventionskrieg 1921 an den polnischen General Pilsudski abgetreten werden mussten. Die Fünfjahrpläne zur modernen Industrialisierung der Sowjetunion fallen so ziemlich genau in die Zeit, in der die „Westukraine“ in Händen faschistischer Banden war. Die Teile der Wetukraine waren der Sowjetunion von 1921 bis 1939 entrissen gewesen, bis die Sowjetunion auf vertraglicher Grundlage diese Gebiete zurückerhielt.

Industrialisierung und Aufbau im Osten des Landes, Rückständigkeit, gekoppelt an Herrschaft von Großgrundbesitz und Kapital im Westen der Ukraine sollten ein Ungleichgewicht im Lande erzeugen, das im Zuge der weiteren Entwicklung der Sowjetunion, auch nach der Befreiung 1945, nicht mehr kompensiert werden konnte. Es ist beachtlich, dass es Historikern in Westdeutschland lieber ist, die Gebiete um Galizien mit der Stadt Lwow (die reaktionäre Schreibweise Lemberg!) wären nicht an die Sowjetunion gegangen, sondern in Händen faschistischer Herrschaft geblieben. Stalin hätte mit Hitler „Polen aufgeteilt“, so die offizielle Version. Dass diese Gebiete vorläufig vom Faschismus, auch vom polnischen, befreit gewesen waren, wird nicht erwähnt, im Gegenteil, die Rückgabe an die Sowjetunion wird in offizieller Schreibweise als Raubzug Stalins deklariert.

Die faschistischen und nationalistischen Banden im Westen der Ukraine galten seit der Oktoberrevolution und der Annexion durch Pilsudski immer als strategische Reserve, als Feind im Innern der Sowjetunion. Aus diesen Reihen geht auch ein Stepan Bandera hervor, der bereits unter dem Präsidenten Juschtschenko am 22.1.2010 zum „Helden der Ukraine“ erklärt wurde. Ihm zu Gedenken wurde in Lwow ein etwa 30 Meter hohes Denkmal gewidmet. Diese Feinde konnten selbst nach der Befreiung 1945 nicht im Zaum gehalten werden. Kämpfe mit westukrainischen (!) Separatisten dauerten noch mehrere Jahre an, mindestens aber bis 1947.

Nun, an diese Zeitachse, in die frühen Zwanziger Jahre, legt die Geschichte die Axt an, hier bereits trennen sich in der Einschätzung Freund und Feind; wer die Westukraine aus historischer Perspektive lieber in den Händen der Faschisten behalten hätte, hat die ideologische Grundlage dafür, die Menschen im Osten des Landes heute des Terrorismus und der Separation zu bezichtigen, kurzum die Menschen im Osten für die „Bösen“ zu halten und im Westen der Ukraine für die „Guten“.

Hier aber zeigen sich Klasseninteressen, die bis heute nichts an ihrem Wesen, besonders im westlichen Teil der Ukraine, geändert haben. Hier liegen die Wurzeln der Dankbarkeit aller Reaktionäre dafür, das Sowjetgebiet verkleinert zu haben, das deutsche Reich mit seinen Vasallen nach Osten geschoben zu haben und für die Möglichkeit, Stalin die Schuld „der Teilung Polens“ in die Schuhe zu schieben.

Anderthalb Jahre, also von 1939 bis 1941, von der Rückübertragung der sowjetischen Gebiete aus faschistisch polnischen Händen, hatte die Sowjetunion Zeit, die Herrschaft der Arbeiterklasse aufzurichten, bevor SS und Wehrmacht im Auftrag deutscher Junker und des deutschen Finanzkapitals in das Gebiet der Ukraine einfielen und es sich unterwarfen.

Der Arbeiterklasse an der Macht blieb kaum genügend Zeit, die faschistischen Elemente politisch zu bekämpfen und die Sowjetmacht zu festigen. Kein Wunder also, dass die Faschisten im westlichen Teil der Ukraine von Teilen der Bevölkerung als „Befreier“ empfangen wurden. War doch der ideologische Nährboden für alle möglichen nationalistischen und faschistischen Varianten immer noch gegeben. Kein Wunder weiterhin, dass sich hieraus die SS-Division „Galizien“ speiste, durchtränkt von Antisowjetismus, Antisemitismus und von verquarzten nationalistischen Zielen. Auch die Ukraijinska Powstanska Armija (UPA), von Stepan Bandera 1942 gegründet, operierte militärisch in nicht unerheblichem Maße mit der Hitlerarmee für eine „freie“ Ukraine, frei von Herrschaft der Arbeiterklasse, frei von Bodenreform, frei von Juden ...

Am 30. Juni 1941, neun Tage nach dem Überfall auf die Sowjetunion, gründeten in Lwow Faschisten mit der 1929 in Wien entstandenen Organisation Ukrainischer Nationalisten einen eigenständigen Staat, der sich als Bündnisstaat Hitlers verstand. Doch die Faschisten hatten andere Pläne für die Ukraine, eine hundertprozentige Unterwerfung unter das Hitlerdiktat, mit schonungsloser Ausbeutung der als Untermenschen deklarierten slawischen Einwohner in der Landwirtschaft oder zur Verschleppung zur Zwangsarbeit an Rhein und Ruhr.

Die Aufgabe für ukrainische Faschisten bestand seit eh und je in der Erfüllung deutscher Herrschaftsansprüche, als blutrünstiger Keil im Kampf gegen die Sowjetunion (bis 1992) und heute gegen Russland. Allein, die Sowjetmacht konnte sich nach der Befreiung 1945 stabilisieren, separastische Tendenzen aus dem Westen der Ukraine nie ganz besiegen.

1954 kam die autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim durch einen Beschluss des Obersten Sowjets an die Ukraine.

Der Zerfall der Sowjetunion

1992 löste sich der Staatenbund in seine 15 einstigen Teilrepubliken auf. Die sowjetische Verfassung garantierte den Austritt der einzelnen Republiken, der Grund, warum der Zerfall der Sowjetunion friedlich vonstatten gehen konnte. Bereits die bürgerliche Regierung Finnlands (die Arbeiter Finnlands kämpften für den Sozialismus an der Seite Russlands, wurden aber mit Unterstützung des deutschen Militärs geschlagen) hatte sich kurz nach der Revolution für einen Weg außerhalb Sowjetrusslands entschieden, ein Umstand, der von der sowjetischen Regierung respektiert worden war.

Nun, wie sollten die komplizierten Fragen der seit 1992 existierenden Einzelstaaten der ehemaligen Sowjetunion gelöst werden? Nach 70 Jahren Staatenverbund war es zu einem hohen Grad der Verschmelzung in allen gesellschaftlichen Bereichen gekommen und somit auch des Militärs! Hatte die Sowjetunion doch die stärkste Verteidigungsarmee der Welt, verteilt eben auf die verschiedenen Teilrepubliken. Und da ist es kein Zufall, dass die Schwarzmeerflotte der Sowjetunion im Süden auf der Krim stationiert war.

1992 erklärte Russland die Abtretung der Krim prophylaktisch für nicht rechtmäßig, sie war auch so verfassungsmäßig nicht vorgesehen gewesen.[2]

Am 1.4.1999 wurde der Grundlagenvertrag unterzeichnet; Russland verzichtete zwar auf die Krim, durfte aber für 20 Jahre, also bis 2019, den Militärstützpunkt Sewastopol unterhalten. Gedacht war auch an eine gemeinsame Verteidigungspolitik gegen eventuelle Vorstöße der imperialistischen Staaten. Der Vertrag würde sich somit automatisch alle zehn Jahre verlängern.

Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass es den deutschen Imperialisten in Gestalt von Junkern und Monopolherren mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg nicht nur darum ging, den Sozialismus zu zerschlagen, sondern darüber hinaus, ihr Einflussgebiet zu erweitern. Und um Letzteres geht es auch heute. Der Imperialismus geht mit Krieg schwanger und jetzt, nach der Zerschlagung des Sozialismus in der Ukraine 1992, witterten alle Revanchisten Morgenluft, wagen Vorstöße in die Vergangenheit.

Und der US-Imperialismus, der 1945 an der Befreiung teilgenommen hat, meldet nun ebenfalls Ansprüche an auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, bezahlt die faschistischen Banden ebenso, liefert ihnen Logistik, trifft Abmachungen, steckt die Claims ab, vor allem mit und gegen seinen engsten Bündnispartner und schärfsten Konkurrenten, gegen den deutschen Imperialismus.

Diese Überlappung imperialistischer Interessen auf dem Gebiet der Ukraine, gegen Russland, gilt es in diesem Zusammenhang aufzudecken, um

1. unseren Hauptfeind, den deutschen Imperialismus sichtbar zu machen,

2. den Sozialchauvinisten die antiamerikanische Maske runterzureißen, die gerne den US-Imperialismus als alleinigen Aggressor im Konflikt um die Ukraine sehen würden und

3. jegliche Querfrontstrategien zu bekämpfen, die eine weltweite Allianz gegen die vermeintlich „aggressivste imperialistische Macht“ USA zu schmieden gedenken.

Deutsche Interessen heute

Zwei Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion und 55 Jahre nach dem Überfall auf Polen veröffentlichten die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble und Karl Lamers am 1. September (!) 1994 „Überlegungen zur europäischen Politik“, ein Strategiepapier, mit dem die CDU-Politiker Druck zugunsten der EU-Osterweiterung machten.

Die „Eingliederung der mittelosteuropäischen Nachbarn in das (west-)europäische Nachkriegssystem“ sei der einzige Weg, wie sich „ein Rückfall in das instabile Vorkriegssystem“ verhindern lasse, schrieben Schäuble und Lamers; ohne eine solche „Eingliederung“ könne „Deutschland aufgefordert werden oder aus eigenen Sicherheitszwängen versucht sein, die Stabilisierung des östlichen Europa alleine und in der traditionellen Weise zu bewerkstelligen“. „Alleine“, „traditionelle Weise“?

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Einverleibung der DDR durch den deutschen Imperialismus hat letzterer im Kampf um die Kon­trolle des einstmals sozialistischen Osteuropas einen Wettlauf angezettelt. Der amerikanische Imperialismus mischt ordentlich mit, um Europa nicht wie in den dreißiger und vierziger Jahren wieder ganz den deutschen Ambitionen in Europa zu überlassen. In dieser destruktiven Symbiose gehen sie vor, einander beschimpfend, ergänzend, lobend, sich bloßstellend, aber immer konkurrierend.

Schauen wir auf die Ereignisse im Krieg gegen Jugoslawien. 1991 erkannte die deutsche Außenpolitik einseitig Slowenien und Kroatien an. Durch diesen Eingriff des deutschen Imperialismus entbrannte ein Krieg nach dem anderen auf dem Balkan, bis dahin, dass deutsche Tornados 1999 Bomben über Serbien abwarfen.

Jetzt, im Verbund mit den Natostaaten, hat der deutsche Imperialismus hier seine Kriegsfähigkeit- und -willigkeit innerhalb Europas unter Beweis gestellt.

Konnte er diesen Krieg auch noch nicht alleine führen, der Weg, dies tun zu wollen, ist beschritten, die politischen Erklärungen (s.o.) werden prompt umgesetzt.

Das Ergebnis des Krieges gegen Jugoslawien 16 Jahre danach lässt sich schnell skizzieren:

– Jugoslawien ist in sieben Zwergstaaten zerlegt.

– Der deutsche Imperialismus ist die führende Wirtschaftsmacht auf dem Balkan.

– Bis heute entstehen neue Krankheiten durch die Uranmunition auf dem Kriegsschauplatz.

– Alle sieben Zwergstaaten sind zu Agrarstaaten unter EU-Kuratell degradiert.

– Das „befreite“ Kosovo ist zur rückständigsten Gegend in Europa geworden, das Leben für die Menschen dort unerträglich geworden.

Die an der Aggression beteiligten imperialistischen Hauptmächte (USA und BRD) haben ihre Claims abgesteckt, ihren Bündnisbestand überprüft und sich weitere Ziele gesetzt.

Zum ersten Mal nach der Befreiung 1945 wurde ein Angriffskrieg durch den deutschen Imperialismus auf dem Territorium geführt, das einst durch die Hitlerfaschisten besetzt gewesen war.

Der Krieg gegen Jugoslawen war bereits durch Rivalität im Bündnis zwischen dem US- und dem deutschen Imperialismus gekennzeichnet.[3]

Der vorerst gemeinsame Raubzug geht nun weiter. Nicht mehr gegen das kleine und relativ „wehrlose“ Jugoslawien, sondern gegen den russischen Bären, denn wer die Ukraine beherrscht, beherrscht auch bald Russland, so die einhellige Meinung aller Strategen.

Dabei ist das Aufrollen Osteuropas von klein nach groß eine Methode, um auch potentielle Bündnisse gegen den deutschen Imperialismus im Vorfeld zu vereiteln. Zusammenschlüsse wie die „kleine Entente“ (1920-1938), ein Bündnis zwischen Rumänien, Jugoslawien (zerschlagen von 1991-1999) und der Tschechoslowakei (zerschlagen 1993), sind eben so nicht mehr möglich.

Gerade die Manöver des deutschen Imperialismus in den vergangenen anderthalb Jahren um die Ukraine, bald durch Anstacheln eines faschistischen Putsches, bald durch Auftreten als Friedensengel, beweisen, dass er es ernst meint mit der Durchsetzung des Schäubleschen Programmes, das in der „traditionellen Osteuropapolitik“ seine Wurzeln hat.

Am 8.5. feiern wir den 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und wir vergessen nicht, den Völkern der Welt für unsere Befreiung zu danken, insbesondere dem Volk der Ukraine, das durch die Intrigen des deutschen Imperialismus nun in einem Bürgerkrieg zerfetzt wird, in einem Bürgerkrieg, bei dem eine Seite der Kombattanten unter der Fahne der einstigen Kollaborateure der faschistischen Okkupanten marschiert.

Ivan

1 Vgl. http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag7318.html

2 Nebenbei bemerkt regelt der Artikel 108 der ukrainischen Verfassung die Amtsabsetzung des Präsidenten; folgende Punkte konnten das bewirken: Enthebung des Präsidenten durch gesundheitliche Gründe, Tod oder Hochverrat; nichts davon war eingetroffen. Das Verlassen des Landes ist kein Grund zur Amtsenthebung des ukrainischen Präsidenten. Recht ist eben, was den Herrschenden recht ist!

3 Als im Mai/Juni Bodentruppen nach Serbien geschickt werden sollten, bewegte der damalige Außenminister Joseph Fischer die Vertretungen Russlands und Chinas, im UN-Sicherheitsrat ein Veto einzulegen und somit den Krieg unter Isolierung des US-Imperialismus zu beenden. Das Kriegsziel war für den deutschen Imperialismus erreicht. Die Bombardierung Serbiens hat die Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien faktisch beendet.

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