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KAZ-Fraktion: „Ausrichtung Kommunismus”

Renzi und der heiße Brei

Die EU-Bankenkrise ist zurück. Italienische Geldinstitute sitzen auf einem Berg fauler Kredite. Die deutsche Finanzoligarchie verstärkt ihre Dominanz.

IWF-Chefin Christine Lagarde warnte in ihrer Prognose für 2016 (Handelsblatt vom 1.1.2016): In den Banken der Euro-Zone liegen faule Kredite im Umfang von 900 Milliarden Euro. Sie seien „eines der großen ungelösten Probleme, die die Finanzkrise hinterlassen hat.” Solche Ausleihen – die wahrscheinlich »uneinbringlich« sind, müssten die Geldhäuser abschreiben. Wenn sie mehr faule Kredite als Eigenkapital haben, sind sie eigentlich pleite. »Eigentlich«, weil bei „Systemrelevanz” der Staat ihnen erlaubt, weiter auf bessere Zeiten zu hoffen, in denen Schuldner vielleicht wieder zahlungsfähig werden.

200 Milliarden Euro

Von den besagten 900 Milliarden Euro, über die sich nicht nur der Internationale Währungsfonds Sorgen macht, betreffen mehr als 200 Milliarden italienische Banken. Dabei geht es um 84 Milliarden bei Italiens Nummer eins, Unicredit (Standard, 3. Januar 2016), die damit mehr faule Kredite abschreiben muss als jede andere Bank in der EU.

Der Finanzkonzern entstand durch Fusionen im Rennen um Größe, das durch die EU-Deregulierung der 90er Jahre ausgelöst wurde. Über den Erwerb der bayerischen Hypovereinsbank (HVB) wurde sie Besitzerin der aus den österreichischen Großbanken zusammenfusionierten Bank Austria und damit auch Marktführer im östlichen Mitteleuropa. Zunächst profitierte Unicredit prächtig von den EU-Grundfreiheiten, besonders von der Freizügigkeit für Kapital in den neuen EU-Ländern. Mit der Krise ab 2007 zeigte sich diese Marktführerschaft als Risiko. Zudem war die einst begrüßte Beteiligung der Staatsbank Libyens zur Belastung geworden, neues Kapital musste her. Der Anteil der zwei großen regionalen Gründer-Sparkassen sank auf etwa sechs Prozent, der überwiegende Teil der Investoren kommt nun aus der EU, etwa ein Drittel aus den USA. Die Interessen an der Unicredit spiegeln sich in etwa im Board of Directors: Vorsitzender ist Giuseppe Vita, in Deutschland bekannt als ehemaliger Chef des Pharmakonzerns Schering (heute Teil von Bayer) und seit 2002 Aufsichtsratsvorsitzender der Axel Springer SE. Interessen des deutschen Kapitals haben auch Manfred Bischoff, der Mann ist vom Chef der Daimler-Rüstungssparte EADS/Airbus zum Aufsichtsratsvorsitzenden im Daimler-Gesamtkonzern aufgestiegen, und Helga Jung, Vorständin der Allianz SE, im Auge. Einer der stellvertretenden Vorsitzenden ist der langjährige Sprecher der Fiat-Erbenfamilie Agnelli und des italienischen Industrieverbands Confindustria, Luca Cordero di Montezemolo. Der nach den Agnellis laut Forbes-Liste kapitalstärkste Clan der Benettons, im Modegeschäft aufgestiegen und inzwischen über die Autobahn- und Flughafengesellschaft Atlantia ebenfalls mit dem Staat verfilzt, wird von Fabrizio Palenza repräsentiert, dessen Mafiaverbindungen öffentlich diskutiert werden. Der italienische Milliardärsclan Nr. 3, Del Vecchio (Luxottica, Weltmarktführer Brillen), hat seine Unicredit Beteiligung bereits im letzten Jahr auf 2 % reduziert. Der Clan der Caltagirones (Zement, Presse) ist dagegen weiter mit Familienmitglied Alessandro direkt vertreten. In der aktuellen Krise der italienischen Banken und speziell der Unicredit wird es darum gehen, wie weit die italienische Finanzoligarchie sich der deutschen unterordnen muss.

„Durststrecke” zu lang

Das Problem der faulen Kredite im Allgemeinen und der Unicredit im Besonderen ist, dass der Wirtschaftsaufschwung, der die säumigen Schuldner wieder flüssig machen sollte, nicht nur ausgeblieben ist, sondern wohl auch in den nächsten Jahren nicht erwartet werden kann. Dazu kommt, dass das EU-Bankenrettungsprogramm nicht leicht zu wiederholen ist. Mit Hilfe fast kostenloser Kredite von der Europäischen Zentralbank (EZB) konnten Geldinstitute gut überleben, wenn sie das billige Geld hochverzinst an „ihre“ Staaten ausliehen. Der Staat gibt ihnen dafür Staatsanleihen, die neben den Zinsen den Vorteil haben, dass sie für die Bankaufsicht immer noch als risikolos eingestuft werden, also nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Welches Risiko die Bank und der Staat dabei in der EU eingehen, wurde am Beispiel Zypern vorgeführt. In Italien, aber auch in Spanien wären die dortigen Großbanken sofort pleite, wenn sie ihre Staatspapiere abschreiben müssten. Die Verschuldung der Republik Italien ist von 100 % des BIP im Jahr 2007 auf 133 % des BIP 2015 gestiegen. Mit 67 % der italienischen Staatsanleihen sind die italienischen Banken inzwischen der größte Gläubiger „ihres“ Staates. Damit haben die Staatsanleihen mit 89,9 % fast die Höhe des gesamten Eigenkapitals der italienischen Banken erreicht.

Es wäre für Rom nicht leicht, im Fall der Insolvenz der als systemrelevant eingestuften Unicredit für deren Rettung neue Kreditgeber zu finden. Die italienische Regierung müsste aber vor allem für die eigenen Staatsschulden einen neuen, solventen Großkreditgeber finden. Ihr droht dann der Weg zum Staatsfinanzrettungssystem ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), wo dank 27 Prozent Stimmrechtsanteil Deutschland bei den zu vereinbarenden »Sparprogrammen« ein Vetorecht hat (siehe junge Welt vom 27.3.2014). In Griechenland z.B. muss sich die Regierung Tsipras nun alle neuen Ausgaben statt von der »Troika« vom ESM genehmigen lassen. Das sollen in Italien Ministerpräsident Matteo Renzi und seine Truppe vermeiden.

Nachdem klar war, dass die Regierung Berlusconi die Probleme nicht lösen konnte, schwenkten die italienischen Finanzeliten 2014 auf den geschickteren Renzi um, der im Sommer 2015 lautstark den Aufschwung ausrief. Der Bestand an faulen Krediten sank aber nicht, sondern stieg bis Ende 2015 auf 201 Milliarden Euro, zehn Prozent der gesamten von italienischen Banken vergebenen Kredite (von 41 Milliarden 2008). IWF, EZB und EU, die Troika also, nahmen Italien ins Visier, nachdem vier italienische Regionalbanken Mangel an Eigenkapital angemeldet hatten. Besonders deren Kunden, Firmen, die nicht auf Exporte außerhalb der EU nach dem deutschen Modell bauen können, sind in Zahlungsnot.

Die EU verbot dem italienischen Staat zunächst, die vier Wackelkandidaten mit einer sogenannten Bad Bank zu retten, in die die faulen Kredite ausgelagert werden sollten. Daraufhin mussten die Großbanken die klammen Regionalbanken provisorisch übernehmen. Das wiederum gefiel deren Aktionären nicht, die sich die Freiheit der Freizügigkeit des Kapitals nahmen. In den letzten drei Monaten ist nun der Aktienkurs der italienischen Großbank Nr. 3, MPS, um ca. 60 %, der Nr. 2, Intesa Sanpaolo, um ca. 30 % und der des Platzhirsches Unicredit um ca. 40 % gesunken (Stand 24.02.). Über die Website der italienischen Zentralbank Banca d’Italia werden die vier Regionalbanken seit dem 19. Januar international zum Verkauf angeboten.

Zoff zwischen Rom und Berlin

Am 15. Januar trafen sich die EU-Finanzminister. Am Tag zuvor war in Brüssel ein neuer Vorschlag für eine nichtstaatliche italienische „Bad Bank” eingetroffen, die aber staatlich garantiert werden soll. Nach einem Anruf von Wolfgang Schäuble wurde das Thema „Türkei-Fonds”, also die Finanzierung der zugesagten drei Milliarden für Flüchtlingscamps, auf die Tagesordnung gesetzt. Ein Ergebnis zur italienischen „Bad Bank” gab es nicht. Zum »Türkei-Fonds« hieß es, habe der italienische Finanzminister beharrlich geschwiegen. Schäubles Reaktion in seinem großen Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom Tag nach dem Brüsseler Treffen klang machtbewusst: „Die drei Milliarden haben die europäischen Finanzminister beschlossen, auch wenn uns jetzt ein europäischer Partner noch etwas hinhält.” Renzi konterte in der Financial Times: „Aber wir müssen ehrlich sein. (...) Europa muss allen 28 Ländern dienen, nicht nur einem.

Inzwischen hat Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit dem italienischen Finanzminister Pier Carlo Padoan eine Bad Bank vereinbart, die unter EU Kontrolle steht und „Bad Bank light“ genannt wird. Renzi hat dann die Beteiligung Italiens an den drei Milliarden Euro für die Türkei zugesagt, aber erst mal nicht überwiesen. Die EU Kommission denkt inzwischen laut über eine Begrenzung von Staatsanleihen in Bankbilanzen nach. Renzi hält dagegen: „Wir werden gegen jeglichen Versuch ein Veto einlegen, eine Obergrenze für Staatspapiere in den Portfolios der Banken zu schaffen“ (Handelsblatt 19.02.2016). Ein Sprecher der EU-Kommission wies dann da­rauf hin, dass Einzelstaaten in Fragen der Bankregulierung kein Vetorecht hätten, es genügt die einfache Mehrheit.

Renzis Kritik an der EU-Politik der BRD ist leiser geworden.

Stephan Müller

Der Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt, Ausgabe vom 25.01.2016, Seite 9 / Kapital & Arbeit. Er wurde vom Verfasser erweitert und auf den Stand vom 25.02.2016 gebracht.

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