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Der Zug der Erinnerung, die Deutsche Bahn und der Kampf gegen das Vergessen

„Im Brei der offiziösen Alibiveranstaltungen wächst ein Unbehagen, das den Wiedergängern der Massenverbrechen zugute kommt. Diese Szene wird von Tag zu Tag stärker.“

Weil eine kleine Bürgerinitiative an die Massendeportationen der Reichsbahn erinnern will, fährt das größte deutsche Staatsunternehmen schweres Geschütz auf: Stationen und Gleise werden gesperrt, um den „Zug der Erinnerung” zu stoppen. Aber Hunderttausende kommen auf die Bahnhöfe und stellen sich den Verboten entgegen. Die Fahrt des Zuges rührt an ein verschwiegenes Erbe und führt in das Zentrum einer anhaltenden Schuldabwehr. Ihre Verfechter sind in Berliner Ministerien zu Hause. Sie repräsentieren den deutschen Staat. Dieses Buch nennt Namen und beleuchtet die Interessen, die sich in der vielgerühmten deutschen Erinnerungskultur verbergen. Für alle, die vor einer Wiederkehr des angeblich Vergangenen warnen, ist dieses höchst spannende Buch ein Schlüssel zum Verständnis der zunehmenden Rechtsentwicklung.

In mehreren Reisezugwagen aus den 1960er Jahren fuhr die Ausstellung im Zug der Erinnerung zwischen Januar 2007 und Juli 2013 auf 150 Bahnhöfe, wo sie jeweils an zwei bis drei Tagen für die Besucher offenstand. Bei wechselnden inhaltlichen Schwerpunkten kamen weit über 100 der großflächigen Exponate zum Einsatz. Die pädagogischen Zugbegleiter zählten insgesamt 445.000 Besucher.

Quelle: www.zug-der-erinnerung.eu

Auf dem Cover heißt es:

Hans-Rüdiger Minow beschreibt den Kampf gegen das Vergessen, der zum Kern der staatlichen „Erinnerungskultur“ führt: Die Bundesrepublik spricht von Verantwortung, meint aber konsequenzloses Gedenken. In ihren Vorfeldorganisationen werden „Erinnerungskultur“ und „Zivilgesellschaft“ eingesetzt, um aktuelle Interessen der deutschen Export- und Außenpolitik zu befördern.

Hans-Rüdiger Minow: Der Zug der Erinnerung, die Deutsche Bahn und der Kampf gegen das Vergessen, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2014, 448 Seiten, 30 teils mehrfarbige Abbildungen, Dokumentenanhang: „Gutachten über die unter der NS-Diktatur erzielten Einnahmen der ,Deutschen Reichsbahn’. (2009)“, „Warschauer Erklärung vom 26.03.2010“ u.a., 24,80 Euro.

Blutgeld I

In einem aktuellen TV-Beitrag der ARD (Sendung am 20.10.2014) über „Das Erbe der Bahn“ antwortete der Pressesprecher das staatseigenen Konzerns auf die Frage nach dem Verbleib der Reichsbahn-Einkünfte aus den Massentransporten in den Tod:

„Es gibt keine Hinweise, dass tatsächlich auch Geld geflossen ist.“

Die Kontenblätter seien leider verbrannt, Akten nicht aufzufinden.

Für die Rechnungsdokumente, die seit Jahrzehnten vorliegen und auf dreistellige Millioneneinnahmen schließen lassen, hat die DB AG eine Erklärung: Rechnungen seien nur der Form halber ausgestellt worden, Geldbeträge bei der Reichsbahn nie eingegangen.

Damit, so möchte die DB AG glauben machen, sei ihr Vorgängerunternehmen finanziell entlastet. Aber nicht nur die Reichsbahn ist weißgewaschen – auch ihre Erbin, die Bundesrepublik Deutschland, kann das seit 1945 verzinste Blutgeld für verschollen erklären.

Blutgeld II

In der ARD-Sendung vom 20.10.2014 wartete der staatseigene DB-Konzern mit einer weiteren Version über die Schuldengelder auf, die den Überlebenden vorenthalten werden. Es handelt sich um einen Betrag in zweistelliger Milliardenhöhe. Diese Gelder mit „Entschädigungen“ zu kompensieren, werde nicht gelingen, heißt es beim Schuldner, der seine Kassen verschlossen hält und den Opfern anteilnehmend hinterherruft:

„Egal in welcher Höhe man hier finanzielle Entschädigungen zahlt, es wird immer Kritik geben (...) Das Unrecht war so groß, war so monströs, dass es mit Geld nicht wiedergutzumachen ist. (...) Wir können das Unrecht, das geschehen ist, mit Geld nicht wiedergutmachen, auch nicht, wenn wir zehn Mal so viel Geld einzahlen würden.“

Dazu heißt es im Buch:

Mit moralischen Kriterien sind diese Äußerungen nicht mehr zu fassen. Der Konzern hält sich den Umfang der Morde zugute – es waren einfach zu viele. Weil die Schulden in die Milliarden gehen und sowieso nicht zu tilgen seien, habe ein Betrag, den die DB AG selbst festgesetzt hat, den Opfern zu genügen.

Wer dieser Logik folgt, landet in der Barbarei: Möglichst viele Menschen zu töten ersparte demnach den Schuldenabtrag.

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